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05.01.2010 · IWW-Abrufnummer 094141

Oberlandesgericht München: Beschluss vom 29.09.2009 – Verg 12/09

1. Auch bei einem Verhandlungsverfahren im Sektorenbereich muss ein Angebot bis zur Angebotsabgabe vollständig vorliegen.


2. Es ist ureigene Pflicht und Verantwortung des öffentlichen Auftraggebers, die Wertungs- und Zuschlagsentscheidung selbst zu treffen.


OLG München
Beschluss vom 29.09.2009
Verg 12/09
Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Vavra sowie der Richter am Oberlandesgericht Rieger und Ramm aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2009
in dem Nachprüfungsverfahren
betreffend Geothermieprojekt W.
Beteiligte:
pp.
beschlossen:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30.7.2009 aufgehoben.
II. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
III. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
IV. Die gerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde sowie die Kosten des Nachprüfungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Antragstellerin, Antragsgegnerin und Beigeladene tragen ihre außergerichtlichen Aufwendungen jeweils selbst.
V. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 541.105,15 € festgesetzt.
Gründe:
A.
Mit europaweiter Bekanntmachung vom 05.05.2009 schrieb die Antragsgegnerin im Wege eines Verhandlungsverfahrens im Rahmen des Geothermie-Projekts W. die Niederbringung von zwei abgelenkten Tiefbohrungen (Th 1 und Th 2) bis auf eine Maximalteufe von 3.500 (Th 2) mit einem Bohrdurchmesser von 6.1/8" nebst weiteren zugehörigen Leistungen aus. Eine Aufteilung in Lose war nicht vorgesehen. Nebenangebote wurden zugelassen. Mit der Planung und Betreuung der Baumaßnahme wurde von der Antragsgegnerin die Firma G -Team beauftragt.
In der Bekanntmachung heißt es unter anderm:
"II.1.5 Kurze Beschreibung des Auftrags- oder Beschaffungsvorhabens:
Aufgrund der Nähe von Wohnsiedlungen und der dadurch sensiblen Lärmsitua-
tion wird eine elektrisch betriebene Bohranlage bevorzugt
IV.2.1 Zuschlagskriterien:
Wirtschaftlich günstigstes Angebot in Bezug .. auf die Kriterien, die in den Ver-
dingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe
oder zur Verhandlung aufgeführt sind."
Als Schlusstermin für den Eingang der Anträge auf Teilnahme am Verhandlungsverfahren wurde der 14.05.2009 festgesetzt. Es gingen vier Teilnahmeanträge ein. Nach Prüfung der Anträge wurden lediglich die Beigeladene und die Antragstellerin als geeignet eingestuft.
In der beiden übermittelten Projektbeschreibung sind als geforderte Anlagenteile und -komponenten genannt:
"8.2 Bohranlage und Bohrverfahren
… Aufgrund von Schallschutzmaßnahmen wird der Einsatz einer voll- bzw. teilelektrischen Bohranlage bevorzugt.
Geforderte Bohranlagenausrüstung -Mast/Unterbau/Hebewerk (Mindestanforderung):
Hakenlast: geeignet für die vorgesehene Maximalteufe …(3.500 m MD) und den bei den Bohrlochneigungen zu erwartenden Schleiflasten
Hebewerk: Eingangsleistung min. 1.500 PS..
Gefordertes Richtbohrequipment (Mindestanforderung)
Top Drive: Aufgrund der Bohrlochneigung, insbesondere bei Th 2, ist der Einsatz eines Top Drive vorgesehen
8.3 Spülpumpen…
geforderte Spülpumpen (Mindestanforderung)
- mindestens zwei Triplexpumpen mit insgesamt 2.000 PS hydraulischer Leistung
8.5. Schallschutzmaßnahmen
Die Tiefbohrungen sollen mit einer lärmarmen Bohranlage (mit Elektroantrieb) durchgeführt werden. Dabei sind die Richtwerte des beigefügten Gutachtens .. einzuhalten."
In dem beigefügten Lärmschutzgutachten sind konkrete einzuhaltende Dezibelwerte nicht enthalten. Als Wertungskriterium ist allein der Preis genannt.
Die Beigeladene und die Antragstellerin gaben nach Aufforderung durch die Antragsgegnerin fristgerecht Angebote ab, wobei das Angebot der Beigeladenen keinen Top Drive enthielt. Am 09.06./10.06.2009 fand mit den Bietern ein technisches Aufklärungsgespräch und am 12.06.2009 ein Verhandlungsgespräch statt. Die Antragstellerin reichte mit Schreiben vom 11.6.2009 eine überschlägige Geräuschprognose für die Bohrung in W. ein, und zwar mit und ohne Lärmschutzwand zu Tages- und Nachtzeit. Die Beigeladene erklärte sich bereit, einen Top Drive mit Extra - Motor zusätzlich anzubieten. Anschließend wurden beide Bieter aufgefordert, bis zum 30.06.2009 ein endgültiges Angebot abzugeben. Dem kamen beide Bieter fristgerecht nach. Die Antragstellerin bot nun ein weiteres Alternativangebot für die Bohrung Th 1 an, fügte aber hinzu, dass für die Bohrung Th 2 diese Leistung grenzwertig sei, so dass es bei dem Angebot der größeren Anlage verbleibe.
Am 16.06.2009 hatte die Antragstellerin im Nachgang zum Aufklärungsgespräch vom 12.06.2009 gegenüber der Antragsgegnerin schriftlich erklärt, dass "wir im Gespräch erfahren haben, dass Sie abweichend von den in ihrer Ausschreibung klar vorgeschriebenen Leistungsparametern für die Durchführung der Bohrung eventuell die Bohranlage eines osteuropäischen Mitbewerbers beauftragen wollen. Diese hat abweichend von ihrer Ausschreibung 50 % weniger Leistung, keinen aktiven Schallschutz und, obwohl ausdrücklich gefordert, keinen Elektroantrieb. ….. Wir sind der Meinung, dass dies eine grobe Wettbewerbsverzerrung ist. So sind allein die Transport-, Aufbau- und Gründungskosten dieser kleinen mechanischen Anlage mehrere hunderttausend Euro günstiger, als der Transport der in der Ausschreibung verlangten Komponenten".
Mit Schreiben des Projektsteuerers G.Team vom 06.07.2009 wurde die Antragstellerin gemäß § 101 a GWB darüber unterrichtet, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Eine Wertung der Angebote von Antragstellerin und Beigeladener sowie eine Zuschlagsentscheidung durch die Antragsgegnerin selbst ist weder vorgetragen noch aus den Vergabeakten ersichtlich.
Mit Telefax-Schreiben vom 08.07.2009 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe. Sie brachte vor, dass die Anlage der Beigeladenen nicht den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Es komme kein lärmarmer Elektroantrieb zur Anwendung, die Anlage der Beigeladenen erreiche nicht die erforderliche Hakenlast und deren Hebewerk verfüge nicht über die geforderte Eingangsleistung von 1500 PS. Ebenfalls am 8.7.2009 stellte sie mit gleichlautender Begründung Nachprüfungsantrag. Als Anlage war dem Nachprüfungsantrag u.a. das vorgenannte Schreiben vom 16.06.2009 beigefügt. Als Beweismittel waren die Verdingungsunterlagen sowie die Aufforderung zur Angebotsabgabe bezeichnet und die Einreichung weiterer Beweismittel angekündigt.
Mit Beschluss vom 30.07.2009, der Antragstellerin zugestellt am 03.08.2009, hat die Vergabekammer Südbayern den Nachprüfungsantrag, da dieser nicht fristgerecht gemäß § 108 Abs. 2 GWB begründet worden sei, insbesondere keine Beweismittel für die behaupteten Vergaberechtsverstöße benannt worden seien, als unzulässig zurückgewiesen
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am gleichen Tag eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 17.08.2009.
Sie macht geltend, dass der Nachprüfungsantrag entgegen der Einschätzung der Vergabekammer zulässig sei. Die Antragstellerin habe im Nachprüfungsantrag dargelegt, dass die Antragsgegnerin in den Verdingungsunterlagen klare Vorgaben gemacht habe, die von der Anlage der Beigeladenen nicht erfüllt würden. Die Antragstellerin habe mithin das von der Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an die Substantiierung der Rüge eingehalten. Die Anforderungen an die Begründung der Rüge dürften nicht überspannt werden, vielmehr sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen.
Der Nachprüfungsantrag sei, da das Angebot der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen sei, auch begründet. Auch im SKR - Bereich seien Angebote, welche die Mindestanforderungen nicht erfüllten, zwingend auszuschließen. Das Angebot der Beigeladenen könne, da kein lärmarmer Elektromotor zur Anwendung komme, die Schallschutzanforderungen nicht erfüllen. Die ausgeschriebene Bohrung Th 2 könne wegen der Bohrlochneigung bei einer Maximalteufe von 3500 m nur mit einer großen Anlage sicher bewältigt werden, die eine Hakenausnahmelast von 200 t aufbringe. Die von der Beigeladenen angegebene Hakenlast von 175 t sei deshalb zumindest für die Bohrung Th 2 zu knapp bemessen.
Das Hebewerk der Anlage der Beigeladenen erbringe nicht die in den Verdingungsunterlagen geforderte Eingangsleistung von mindestens 1500 PS. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin dürfe die Motorleistung des Top Drive nicht zur Eingangsleistung des Hebewerkes von lediglich 1080 PS hinzuaddiert werden. Eine Addition könne, abgesehen davon, dass der Top Drive zusätzlich gefordert sei, auch deshalb nicht erfolgen, weil aus technischen Gründen nur gleichgerichtete Kräfte additionsfähig seien.
Die an der Anlage der Beigeladenen zum Einsatz kommenden Spülpumpen seien unzureichend. Gefordert seien zwei Pumpen mit insgesamt 2000 PS hydraulischer Leistung. Die Beigeladene beabsichtige, zwei Spülpumpen mit unterschiedlicher Leistung (800 PS und 1300 PS) einzusetzen. Damit werde zwar die geforderte Gesamtleistung von 2000 PS erreicht, die Beigeladene sei jedoch nicht in der Lage, da Spülpumpen unterschiedlicher Leistung nicht synchron betrieben werden könnten, die hydraulischen Verhältnisse bei der Bohrung entsprechend den Regeln der Technik aufrecht zu erhalten..
Das Hauptangebot der Antragstellerin sei dagegen ausschreibungskonform. Sie habe die größere Anlage für beide Bohrungen Th 1 und Th2 angeboten sowie wunschgemäß als Alternative für die Bohrung Th 1 eine kleinere Anlage; letztere erfülle unstreitig ebenso wenig wie die Anlage der Beigeladenen die Mindestanforderungen der Vergabeunterlagen an die Eingangsleistung des Hebewerks und die Hakenlast. Insbesondere habe die Antragstellerin einen auf die aktuelle Situation in W. abgestimmten Lärmausbreitungsplan vorgelegt, aus welchem sich die Einhaltung der technischen Voraussetzungen an den Schallschutz ergebe.
Die von der Antragstellerin angebotene Anlage stehe auch uneingeschränkt für das verfahrensgegenständliche Projekt zur Verfügung. Es sei zwar zutreffend, dass sich die Antragstellerin mit dieser Anlage auch für ein Projekt in Z. beworben habe, der dortige Vertrag enthalte jedoch eine Klausel, wonach die Bohrung in Z. verschoben werde, wenn die Antragstellerin den Zuschlag für das Projekt der Antragsgegnerin erhalte. Die Antragstellerin sichere die Ausführung der Leistung ausdrücklich für den nunmehr relevanten Ausführungszeitraum zu.
Die Antragstellerin beantragt:
1. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30.07.2009, Z 3-3-3194-1-37-07/09, wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt ist.
3. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats und unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für unzulässig. Das Schreiben vom 16.6.2009 enthalte schon wegen der fehlenden Aufforderung, einen Vergaberechtsverstoß abzustellen, keine Rüge. Würde man ein solches Schreiben als Rüge genügen lassen, würde die Präklusionsregelung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ins Leere laufen.
Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Das Hauptangebot der Antragstellerin sei nicht zuschlagsfähig, da es Fragen zum Lärmschutz offen lasse und die Ausführungsfrist nicht eingehalten werden könne, da die größere Anlage in der fraglichen Zeit in Z. zum Einsatz komme. Das Alternativangebot erfülle die Lärmschutzanforderungen und die geforderte Hakenlast nicht.
Das Angebot der Beigeladenen genüge demgegenüber den gestellten Anforderungen. Deshalb müsse die Beigeladene als preisgünstigster Anbieter den Auftrag erhalten. Das Angebot der Beigeladenen halte die Schallschutzanforderungen der Leistungsbeschreibung ein. Ein Elektroantrieb sei nach der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen nicht zwingend gefordert, sondern aus Schallschutzgründen lediglich bevorzugt. Die Beigeladene erreiche durch zusätzliche Schallschutzmaßnahmen, dass der an sich lautere Dieselmotor die Schallschutzanforderungen der Ausschreibung dennoch erreiche.
Das Angebot halte die geforderte Hakenlast ein, nämlich eine Regellast von 175 t und eine Ausnahmelast von 196 t; die größte Last trete bei der Bohrung Th 1 auf. Die Bohranlage der Beigeladenen verfüge über eine Hakenregellast von 175 t. und sei entsprechend auch vom Bergamt Südbayern zugelassen.
Es sei zwar zutreffend, dass das Hebewerk der Anlage der Beigeladenen zunächst nur über eine Ausgangsleistung von 1080 PS verfüge. Es sei jedoch zulässig, dieser Ausgangsleistung die Leistung des Top-Drive, der über ein gesondertes Antriebsaggregat verfüge, hinzuzurechnen. Dadurch erreiche das Angebot der Beigeladenen die geforderte Leistung von 1500 PS. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin seien Synchronschaltungen von Pumpen mit unterschiedlicher Motorleistung problemlos möglich.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 27.08.2009 hat der Senat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin bis zur Hauptsacheentscheidung verlängert. Der Senat hat am 10.9.2009 mündlich verhandelt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 92/96) Bezug genommen.
B.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet, weil der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ebenfalls zulässig und teilweise begründet ist.
I. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.
1. Die Vorschriften der § 97 ff. GWB finden Anwendung.
Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin nach § 98 Nr. 4 GWB. Die Antragsgegnerin ist auf dem Gebiet der Energieversorgung tätig. Sie steht unter dem beherrschenden Einfluss der Stadt W., da ihre Komplementärin eine 100%ige Tochter der Stadtwerke W. GmbH ist, die ihrerseits ein 100%iges Tochterunternehmen der Stadt W. ist, welches eigens zu dem Zweck der Förderung von Geothermie für die öffentliche Wärmeversorgung gegründet worden ist. Eine Ausnahme nach § 100 Abs. 2 t GWB liegt nicht vor.
2. Die Antragstellerin ist ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen.
a) Das Schreiben der Antragstellerin vom 16.6.2009 enthält eine ausreichend substantiierte Rüge. Dem Schreiben sind konkrete vergaberechtliche Beanstandungen zu entnehmen. Die Antragstellerin bemängelt, dass das Angebot der Beigeladenen nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht, weil die angebotene Bohranlage nur die Hälfte der geforderten Leistung erbringen kann sowie über keinen ausreichenden Schallschutz und Elektroantrieb verfügt. Aus diesen Angaben war für die Antragsgegnerin konkret ersichtlich, dass sich die Antragstellerin gegen die Wertung eines nicht ausschreibungskonformen Angebotes wandte. Die Antragstellerin hat diese Abweichung auch nicht ins Blaue hinein behauptet, sondern als tatsächlichen Anhaltspunkt das vorangegangene Bietergespräch bezeichnet, in welchem nach ihrer Auffassung der Projektsteuerer entsprechende Äußerungen getätigt haben soll. Es ist nicht notwendig, dass der Bieter das Wort Rüge verwendet oder die Stellung eines Nachprüfungsantrags androht (Wiese in Kulartz/Kus/Portz GWB Vergaberecht 2. Aufl. § 107 Rn. 99 m.w.N.). Die von der Antragstellerin gewählte Formulierung "grobe Wettbewerbsverzerrung" zeigt mit aller Deutlichkeit, dass sie von einem gravierenden Vergaberechtsverstoß ausgeht.
Die Rüge wird auch nicht dadurch zunichte gemacht, dass die Antragstellerin am Ende des Schreibens ihrerseits Bereitschaft dazu signalisiert, ein von der Leistungsbeschreibung abweichendes Angebot auf Wunsch einzureichen, um die Fehlerhaftigkeit des Angebots der Beigeladenen zu verdeutlichen. Zum einen musste der Antragsgegnerin als Vergabestelle bekannt sein, dass der aufgezeigte Mangel so nicht geheilt werden kann, und zum anderen kann ein Vorschlag zur Beseitigung eines gerügten Mangels nicht dazu führen, dass der Mangel als nicht gerügt gilt; die Rüge bleibt, fraglich kann nur sein, ob der Mangel in der Folgezeit geheilt wird.
Eine Heilung des Mangels ist nicht vorgenommen worden. Abgesehen davon, dass ein Abweichen von zwingenden Mindestanforderungen der Leistungsbeschreibung während eines laufenden Vergabeverfahrens vergaberechtlich angreifbar ist, war die Antragstellerin trotz Aufforderung zur Einreichung eines abgeänderten Angebots hier schon deshalb im Nachteil, weil sie für die Abgabe eines mit dem Angebot der Beigeladenen vergleichbaren Angebotes wesentlich weniger Zeit zur Verfügung hatte als die Beigeladene bei Abgabe ihres Angebotes. Im übrigen hat sich die Antragsgegnerin selbst nicht zur Rüge der Antragstellerin geäußert, sondern nur der Projektsteuerer. Bereits aus diesem Grund greift § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB nicht ein.
b) Der Antragstellerin steht die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB zu. Sie hat dargelegt, dass ihr durch die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes ein Schaden droht. Ihr schlüssiger Vortrag, das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen, führt dazu, dass selbst im Falle eines Ausschlusses ihres eigenen Angebotes die Chance besteht, durch eine Aufhebung des Vergabeverfahrens doch noch den Zuschlag zu erhalten. Ein derartiger schlüssiger Vortrag genügt den Anforderungen (BGH vom 18.5.2004 - X ZB 7/04); ob sich der Vortrag als zutreffend herausstellt, ist eine Frage der Begründetheit.
c) Der Nachprüfungsantrag war auch nicht gem. § 108 Abs. 2 GWB unzulässig.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur (Senatsbeschluss vom 7.8.2007 - Verg 8/07; Möllenkamp in Kulartz/Kus/Portz-Möllenkamp aaO § 108 Rn. 13) allgemein anerkannt, dass an das Begründungserfordernis im Hinblick darauf, dass im Verfahren vor der Vergabekammer kein Anwaltszwang besteht und wegen Art. 19 Abs. 4 GG der Zugang zu den Gerichten nicht unbillig erschwert werden darf, keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, vielmehr eine laienhafte Darstellung des Begehrens ausreicht.
Der Senat verkennt nicht, dass der Nachprüfungsantrag vom 8.7.2009 für sich genommen keine Begründung für die Behauptung der Antragstellerin enthält, dass das Angebot der Beigeladenen die im Schreiben vom 8.7.2009 allerdings im einzelnen dargelegten Vorgaben der Leistungsbeschreibung nicht einhält. Dem Nachprüfungsantrag vom 8.7.2009 war jedoch als Anlage 2 das Schreiben der Antragstellerin vom 16.6.2009 beigefügt, aus welchem sich als konkreter Anhaltspunkt für die behaupteten Vergaberechtsverstöße das erwähnte Bietergespräch ergab. Insofern ist gerade nicht der Fall gegeben, dass ein Bieter ohne konkrete tatsächliche diesbezügliche Anhaltspunkte lediglich in der vagen Hoffnung, es werde sich bei der Nachprüfung durch die Vergabekammer schon ein Mangel des Angebots des Konkurrenten finden, ein Nachprüfungsverfahren betreibt. Vielmehr ist aus dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nebst Anlagen ersichtlich, dass und warum diese konkrete Anhaltspunkte dafür zu haben glaubt, dass der Zuschlag auf ein die Vorgaben der Vergabestelle unterschreitendes und deshalb kostengünstigeres Konkurrenzangebot in vergaberechtswidriger Weise erteilt werden soll.
II. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Wenn der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden würde, wäre die Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt, weil das Angebot der Beigeladenen nicht den Anforderungen der Leistungsbeschreibung entspricht und deshalb auszuschließen ist. Auch wenn das Hauptangebot der Antragstellerin ebenfalls nicht zuschlagsfähig ist, würde ihr ein Schaden drohen, weil keinem der beiden Angebote der Zuschlag erteilt werden darf. Ihrem Antrag auf erneute Wertung unter Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen konnte nicht stattgegeben werden.
1. Angebot der Beigeladenen
Das Angebot der Beigeladenen entspricht nicht den Anforderungen der Leistungsbeschreibung und ist deshalb von der Wertung auszuschließen. .
a) Das Angebot der Beigeladenen enthielt ursprünglich keinen Top Drive, worauf die Beigeladene in ihrem Begleitschreiben zum Angebot selbst hingewiesen hat. Erst im Laufe der Bietergespräche hat die Beigeladene sich zum Angebot eines Top Drive bereit erklärt, der mit einem gesonderten Motor ausgerüstet werden sollte. In den Verdingungsunterlagen war aber als Mindestanforderung wegen der schwierigen Bohrverhältnisse ein Top Drive gefordert. Das Angebot der Beigeladenen hat also bei Abgabe nicht den Anforderungen entsprochen.
Ausgeschrieben ist eine Leistung auf dem Gebiet der Sektoren; die entsprechenden Vorschriften ergeben sich aus der VOB/A SKR. In der VOB/A SKR sind nur wenige Vorschriften zur Wertung enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung ist wegen der Besonderheiten auf dem Gebiet der Sektoren eine großzügige Handhabung geboten und den Sektorenauftraggebern ein möglichst großer Entscheidungsspielraum einzuräumen. Doch ist auch das Verhandlungsverfahren im Sektorenbereich kein rechtsfreier Raum. Die grundlegenden Prinzipien des Vergaberechts, wie das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot sowie der Wettbewerbsgrundsatz sind einzuhalten (OLG München vom 12.7.2005 - Verg 8/05). In der VOB/A SKR fehlt eine Vorschrift, nach welcher Angebote, welche unvollständig sind, ausgeschlossen werden können. Doch ist auch im Verhandlungsverfahren zu fordern, dass ein Angebot grundsätzlich bis zum Ende der Angebotsfrist vollständig vorzulegen ist. Dies muss vor allem für Angebote gelten, welche den Mindestanforderungen nicht genügen. Die Zulassung von unvollständigen Angeboten würde nicht nur einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Transparenzgebot bedeuten, sondern den Bietern auch Manipulationsmöglichkeiten eröffnen. So hat auch der EuGH - allerdings noch zur alten Sektorenrichtlinie 93/38/EWG - entschieden (Urteil vom 4.6.2009 - C-250/07), dass Angebote, die den ausgeschriebenen technischen Anforderungen nicht entsprechen, als ungeeignet - Art. 20 Abs. 2 Buchst. a RL- anzusehen sind. Aus all dem folgt, dass auch bei einem Verhandlungsverfahren im Sektorenbereich ein Angebot bis zur Abgabe vollständig vorliegen muss.
Es ist dem öffentlichen Auftraggeber auch nicht gestattet, einzelne ausgewählte Bieter zur Vervollständigung ihres Angebotes aufzufordern. Dem Auftraggeber obliegt die Disposition über zwingende Grundsätze des Vergaberechts nicht. Es darf nicht von seiner Handlungsweise abhängen, ob unvollständige Angebote in die Wertung kommen oder nicht. Denn dann würde die Auswahl der Bieter im Belieben des Auftraggebers stehen (OLG München vom 12.7.2005 - Verg 8/05). Daher ist das Angebot der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen.
b) Da die Beigeladene den Top Drive ursprünglich nicht angeboten hat, entspricht ihr Angebot auch insofern nicht der Leistungsbeschreibung, als die geforderte Eingangsleistung von 1.500 PS nicht eingehalten werden kann. Denn unstreitig kann nur unter Hinzurechnung des Top Drive, der einen eigenen Motor besitzt, diese Leistung erbracht werden. Es kann deshalb dahinstehen, ob diese Leistung hinzugerechnet werden kann oder nicht, denn jedenfalls im ursprünglichen Angebot konnte diese Mindestanforderung nicht eingehalten werden.
c) Das Angebot kann aus den genannten Gründen auch nicht als Nebenangebot gewertet werden. Voraussetzung für die Wertung als Nebenangebot ist die Einhaltung der Mindestanforderungen. Die Mindestanforderung - Top Drive - hält das Angebot der Beigeladenen aber gerade nicht ein.
2. Hauptangebot der Antragstellerin
a) In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich herausgestellt, dass die Antragstellerin mit ihrem Angebot die von der TA Lärm für die Nachtzeit vorgeschriebenen Dezibelwerte überschreitet. Zwar ist der Vortrag der Antragsgegnerin, das Hauptangebot enthalte kein lärmtechnisches Gutachten, welches auf den Einsatzort ausgerichtet sei, nicht zutreffend, da in den Angebotsunterlagen der Antragstellerin ein entsprechendes Gutachten enthalten ist. Bei der Durchsicht in der mündlichen Verhandlung ergab sich aber, dass während der Nachtzeit der von der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet vorgeschriebene Wert von 40 Dezibel überschritten wird; der vorgeschriebene Wert für ein reines Wohngebiet liegt sogar bei 35 Dezibel. Nach dem eingereichten Lärmgutachten liegt zumindest ein Wohngebäude in einem Bereich von 50 - 55 Dezibel, wenn eine Schallschutzwand von 8 m Höhe errichtet wird. Mehrere andere Gebäude liegen in einem Bereich von 45 - 50 Dezibel. Ohne Schallschutzwand befinden sich mehrere Häuser im Bereich 50 - 55 Dezibel.
Es trifft zwar zu, dass die Vorschriften der TA Lärm nicht ausdrücklich in die Leistungsbeschreibung aufgenommen worden sind. Doch beruht die TA Lärm auf § 48 Bundesimmissionsschutzgesetz; nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gilt das Gesetz auch für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, zu denen auch die Bohranlage der Antragstellerin zählt. Die Einhaltung der von der TA Lärm vorgeschriebenen Werte dient dem Schutze Dritter; sie ist daher bei Errichtung und Betrieb von Anlagen grundsätzlich einzuhalten. Nachdem die Bohranlage der Antragstellerin jedenfalls mit den bisher vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen diese Vorgaben nicht einhält, ist die Antragstellerin zur Zeit nicht in der Lage, ein umsetzbares und zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.
b) Den weiteren Einwand der Antragsgegnerin, die Antragstellerin könne wegen eines Auftrags in Z., den sie angenommen habe, den Auftrag zeitlich gar nicht durchführen, hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen. Auch wenn hier gewisse Zweifel bestehen, nachdem die Antragstellerin beim Aufklärungsgespräch erklärt hat, die von ihr angebotene Anlage stehe erst ab November zur Verfügung, hat sie diese Erklärung in der mündlichen Verhandlung relativiert und zugesichert, dass die Anlage zur Auftragserfüllung zeitgemäß zur Verfügung stehe. Im übrigen hat sie von Beginn des Verfahrens an stets vorgetragen, dass bei dem Vorhaben in Z. eine vertragliche Klausel vereinbart sei, nach welcher sie sich aus dem Vertrag mit Z. lösen könne, falls sie hier den Zuschlag erhalte.
c) Alternativangebot
Das Alternativangebot der Antragstellerin erfüllt in mehrfacher Hinsicht nicht die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses, was zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist.
III.
Auch wenn die Antragstellerin durch die fehlerhafte Wertung der Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt ist, § 97 Abs. 7 GWB, kann der Senat ihrem Antrag auf Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats unter Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen nicht stattgeben. Ergebnis des bisherigen Ausschreibungsverlaufs ist, dass sowohl das Angebot der Antragstellerin als auch das Angebot der Beigeladenen an Mängeln leiden. Es steht nun im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, der bisher noch keine eigenständige Wertung vorgenommen hat, wie er auf diese Sachlage reagiert. Entweder kann er versuchen, den Mangel durch eine transparente und diskriminierungsfreie Änderung der betreffenden Vorgabe zu beheben oder die Ausschreibung aufzuheben. Dies würde hier bedeuten, dass die Antragsgegnerin entweder gegenüber der Antragstellerin und der Beigeladenen mitteilt, inwieweit sie die Vorgaben aus dem Leistungsverzeichnis abändern oder an ihnen festhalten will und diesen ausreichend Gelegenheit gibt, aufgrund der neuen Vorgaben Angebote zu erstellen, oder dass sie die Ausschreibung mit den entsprechenden Folgen aufhebt, wenn eine solche Handhabung nicht möglich erscheint.
Vorschriften zur Aufhebung der Ausschreibung sind weder in der RL 2004/17/EG noch in der VOB/A SKR enthalten, so dass der Antragsgegnerin insoweit ein weiter Ermessensspielraum zur Verfügung steht. So sagt schon § 26 VOB/A, dass eine Aufhebung der Ausschreibung erfolgen kann, aber nicht muss, wenn kein Angebot eingegangen ist, welches den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Welche der aufgezeigten Wege die Antragsgegnerin einschlagen will, hat sie in eigener Verantwortung zu klären und zu bestimmen (vgl. hierzu für das Gebiet der VOL/A: BGH vom 26.9.2006 - X ZB 14/06). Der Senat, der ebenso wie die Vergabekammer auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hinzuwirken hat, § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB, wobei er nicht an die gestellten Anträge gebunden ist, kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nur feststellen, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der bisherigen Ausschreibungsbedingungen weder der Antragstellerin noch der Beigeladenen den Zuschlag erteilen darf. Insoweit war antragsgemäß auszusprechen, dass die Antragsgegnerin nicht auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag erteilen darf; im übrigen war dem Antrag der Antragstellerin nicht zu folgen.
IV.
Das Vergabeverfahren leidet zudem an dem weiteren Mangel, dass die Antragsgegnerin bisher keine eigene Wertung vorgenommen und keine eigene Zuschlagsentscheidung getroffen hat. Es fehlt auch an einem eigenen Vergabevermerk.
Dieser Punkt ist von der Antragstellerin zwar nicht gerügt worden, doch hat der Vergabesenat die Pflicht, für die Rechtmäßigkeit des Ausschreibungsverfahrens zu sorgen. Er erforscht ebenso wie die Vergabekammer den Sachverhalt von Amts wegen, § 110 GWB. Dies heißt aber nicht, dass der Vergabesenat nun von Amts wegen alle Vergabeunterlagen nach Mängeln durchsuchen muss. Vielmehr formuliert § 110 Abs. 1 Satz 2 GWB, dass sich Vergabekammer und Vergabesenat bei ihren Ermittlungen auf das beschränken können, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder ihnen sonst bekannt sein muss. Das sind konkrete und offensichtliche Anhaltspunkte für Vergabeverstöße, auf die die Mitglieder von Vergabesenat oder Vergabekammer bei Durchsicht der Akten stoßen, wenn sie diese im Hinblick auf die gerügten Mängel durchschauen, oder sonstige allgemein bekannte Verdachtsmomente.
Ein solcher offensichtlicher Punkt, welcher sich ohne weiteres aus den dem Senat übermittelten Unterlagen ergibt, ist die Tatsache, dass bisher die Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin weder die Wertung durchgeführt noch die Zuschlagsentscheidung getroffen hat. Es ist dem öffentlichen Auftraggeber zwar keinesfalls verwehrt, sich bei der Durchführung der Ausschreibung der Hilfe von Sachverständigen bzw. Projektsteuerungsbüros zu bedienen, die über einen qualifizierten Sachverstand verfügen. Nicht zulässig ist es allerdings, die Verantwortung für die Vergabe an die Sachverständigen zu übertragen. Dies ist die ureigene Pflicht und Verantwortung des öffentlichen Auftraggebers (OLG München vom 15.7.2005 - Verg 14/05; OLG Naumburg vom 26.2.2004 - 1 Verg 17/03). Es genügt insoweit die Genehmigung der Wertung durch das Projektsteuerungsbüro und dessen Zuschlagsvorschlag, welche zumindest durch einen billigenden Prüfungsvermerk mit verantwortlicher Unterschrift zum Ausdruck kommen muss. Hier fehlt es aber auch an einem solchen Zustimmungsvermerk. Das bedeutet, dass bisher noch gar keine verbindliche Wertung stattgefunden und keine verbindliche Zuschlagsentscheidung getroffen worden ist.
Zudem fehlt es auch an einem Vergabevermerk. An eine Dokumentation sind zwar bei einer Ausschreibung nach SKR-Vorschiften nur geringe Anforderungen zu stellen, doch liegen hier nur Prüfberichte des Projektsteuerers vor. Ohne ausreichende Dokumentation ist auch in einem SKR-Verfahren das Transparenzgebot nicht eingehalten.
V.
Der Senat weist vorsorglich auf folgende Punkte hin:
1. Das Angebot der Beigeladenen entspricht im übrigen wohl den Anforderungen.
a) Hakenlast:
Hier bestand zwischen den Verfahrensbeteiligten Einvernehmen darüber, dass eine bestimmte Hakenlast nicht vorgegeben war. Vielmehr berechnen die Ingenieure die Hakenlast anhand der vorliegenden bzw. prognostizierten Verhältnisse. Die Hakenlast der Bohranlage der Beigeladenen hält sich wohl im Rahmen der vertretbaren Berechnungen.
b) Spülpumpen.
In der Leistungsbeschreibung sind zwei Spülpumpen mit einer hydraulischen Leistung von insgesamt 2.000 PS verlangt. Das Angebot der Beigeladenen entspricht dieser Anforderung. Ob eine Synchronschaltung der Pumpen mit einer Leistung von 1300 und 800 PS und die Leistungsbeschreibung in diesem Punkt technisch sinnvoll sind, kann vergaberechtlich dahinstehen. Dass eine solche Synchronschaltung technisch überhaupt nicht durchführbar sei, hat auch die Antragstellerin nicht behauptet.
c) Elektromotor
Nach den Vergabeunterlagen ist ein Elektromotor zwar bevorzugt, aber keine Mindestanforderung.
2. Bei einer erneuten Wertung ist zu beachten, dass nur solche Kriterien bei der Wertung herangezogen werden dürfen, die auch mitgeteilt worden sind. Mitgeteilt wurde bisher als einziges Wertungskriterium der niedrigste Preis; andere Kriterien dürfen damit nicht berücksichtigt werden.
3. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass die Beigeladene davon ausgeht, die Bohrung insgesamt mit einer kleineren Anlage durchführen zu können. Diese Ansicht scheint aber in einigen Punkten den in der Leistungsbeschreibung aufgestellten Mindestanforderungen zu widersprechen. Sollte dies zutreffen und die Antragsgegnerin ebenfalls zu einer kleineren Anlage tendieren, müsste die Leistungsbeschreibung geändert und dann beiden Bietern Gelegenheit gegeben werden, entsprechende Angebote einzureichen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO analog ZPO, § 120 Abs. 2 GWB, § 78 GWB, §128 Abs. 3 und 4 GWB. Die Antragstellerin hat insoweit mit ihrer Beschwerde Erfolg gehabt, als der Zuschlag nicht auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden darf. In den weiteren Punkten waren ihre Anträge nicht erfolgreich, weil ihr eigenes Angebot gleichfalls Mängel aufwies. Der Senat wertet dies als etwa gleichwertiges Obsiegen und Unterliegen, so dass sich eine Kostenaufhebung anbietet. Im einzelnen:
1. gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens: nach §120 Abs. 2, § 78 Satz 2 GWB sind Kosten, die durch ein unbegründetes Rechtsmittel entstanden sind, dem betreffenden Beteiligten aufzuerlegen. Daher trägt die Antragstellerin ½ der im Beschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten. Da der Wortlaut des § 78 Satz 2 GWB offensichtlich weder außergerichtliche Kosten umfasst (a.A. Wiese in Kuklartz/Kus/Portz GWB-Vergaberecht 2. Aufl. § 128 Rn. 68) noch die Frage regelt, wer die gerichtlichen Kosten bei einem begründeten Rechtsmittel trägt, sind für die Antragsgegnerin die Kostenvorschriften der ZPO analog heranzuziehen, also §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die gerichtlichen Kosten waren daher insgesamt gegeneinander aufzuheben. Die Beigeladene ist nicht Kostenschuldner, da sie anwaltlich nicht vertreten war und somit keinen Antrag gestellt hat.
2. Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer: nach § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB hat ein unterliegender Beteiligter die Kosten zu tragen. Nachdem Antragstellerin und Antragsgegner in gleichem Umfang gewonnen bzw. verloren haben, ist auch hier eine Kostenaufhebung angebracht, d.h. Antragstellerin und Antragsgegnerin tragen je die Hälfte der bei der Vergabekammer angefallenen Gebühren.
3. außergerichtliche Aufwendungen aller Beteiligten im Beschwerdeverfahren: nach § 120 Abs. 2, § 78 Satz 1 GWB kann der Senat eine Erstattung anordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Eine solche Konstellation liegt bei dem nur teilweisen Erfolg der Antragstellerin nicht vor.
4. außergerichtliche Aufwendungen aller Beteiligten im Verfahren vor der Vergabekammer: hier greift § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB im Verhältnis zur Antragsgegnerin ein; im Verhältnis zur Beigeladenen gilt § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB. Eine Erstattung kommt aus den unter V. 3 genannten Gründen nicht in Betracht.
VI. Der Streitwert beträgt nach § 50 Abs. 2 GKG 5% der Bruttoauftragssumme, das ist der Wert des sachlichrechtlichen Auftrags (Hartmann Kostengesetze 39. Aufl. § 50 GKG Rn. 7). Da dieser Wert in Anbetracht der preislich sehr unterschiedlichen Angebote kaum festzustellen ist, zieht der Senat die Bruttoangebotssumme (abzüglich Nachlass) der Antragstellerin heran, weil diese das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin am Verfahren zeigt. Es ergibt sich danach ein Streitwert von 541.105, 15 €.

RechtsgebieteGWB, VOB/A-SKRVorschriftenGWB §§ 97, 101, 107 Abs. 2, § 110 Abs. 2; VOB/A-SKR

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