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03.08.2009 · IWW-Abrufnummer 092513

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 11.06.2009 – 4 N 109.07

Die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für dentin-adhäsive Kompositfüllungen ist bei Abrechnung analog den Gebührenpositionen 215 - 217 GOZ nicht auf den 1,5-fachen Steigerungsfaktor begrenzt.(Rn.4).


4 N 109.07

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. November 2007 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 290,32 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat auf der maßgeblichen Grundlage der Darlegungen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) keinen Erfolg.

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darzulegen, muss sich die Zulassungsbegründung konkret fallbezogen und hinreichend substantiiert mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen und dartun, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (vgl. Roth in: Posser/ Wolff, VwGO, 2008, § 124a Rn. 72 f. m.w.N.). Gemessen an den von dem Beklagten angeführten und nach dem vorstehenden Maßstab zu berücksichtigenden Gründen hat das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit richtig entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe für die in der Rechnung des Zahnarztes Dr. R… vom 14. November 2006 aufgeführten Aufwendungen hat.

Bezogen auf die allein streitige Frage, ob die Aufwendungen der Höhe nach angemessen sind (§ 44 Abs. 1 LBG a.F. i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BhV), geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass Multiadhäsivrekonstruktionen gemäß § 6 Abs. 2 GOZ in zulässiger Weise entsprechend den Nummern 215 bis 217 des Gebührenverzeichnisses wie Einlagenfüllungen (Inlays) abgerechnet werden können. Das stellt der Zulassungsantrag dem Grunde nach nicht in Frage. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob darüber in der Rechtsprechung Einigkeit besteht. Für diesen vom Beklagten ohne Begründung bezweifelten Standpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung gibt es jedenfalls zahlreiche Belege (vgl. aus der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung OVG Münster, Beschluss vom 8. März 2006 - 6 A 2970/04 -, juris Rn. 10 ff.; VGH München, Urteil vom 30. Mai 2006 - 14 BV 02.2643 -, juris Rn. 17; VGH Mannheim, Urteil vom 27. Juni 2007 - 4 S 2090/05 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Bautzen, Urteil vom 1. April 2009 - 2 A 86/08 -, juris Rn. 21 f.; VG Minden, Urteil vom 2. Mai 2007 - 4 K 787/06 -, juris Rn. 18 ff.; VG Hannover, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 A 1857/06 -, juris Rn. 24; VG Frankfurt am Main, Urteil vom 21. November 2008 - 9 K 1938/08.F -, juris Rn. 15). Gleichfalls ist nicht entscheidungserheblich, ob und mit welcher Maßgabe (auch) eine Abrechnung nach den Nummern 205, 207, 209, 211 und 218 möglich wäre.

Ohne Erfolg wendet sich der Rechtsbehelf gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die Gebühren seien mit dem in Rechnung gestellten (2,3-fachen) Steigerungssatz in vollem Umfang beihilfefähig. Der Beklagte hält bei Aufwendungen für dentin-adhäsive Kompositfüllungen generell einen Steigerungsfaktor von lediglich 1,5 für angemessen, kann sich dafür aber, wie das angefochtene Urteil zu Recht ausführt, weder auf das zivilrechtliche Vergütungs- noch auf spezifisches Beihilferecht stützen.

Hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe der Zahnarzt seine Gebühren gegenüber dem Patienten abrechnen darf, verweist der Beklagte im Ansatz zutreffend auf § 5 Abs. 2 GOZ. Danach sind innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Norm legt damit aber nicht den Gebührenrahmen fest, sondern setzt ihn bereits voraus. Maßgebend ist insoweit § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 4 GOZ. Danach bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden.

Soweit der Rechtsbehelf geltend macht, dass der (Regel-)Gebührenrahmen durch § 6 Abs. 2 GOZ modifiziert werde, weil die entsprechende Anwendung der Nummern 215 bis 217 des Gebührenverzeichnisses zwar dem Grunde nach, aber nicht in voller Höhe gerechtfertigt sei, genügt er nicht den Darlegungsanforderungen. Er lässt bereits eine Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob die Vorschrift eine derartige Differenzierung nach Grund und Höhe überhaupt zulässt (vgl. VGH Mannheim, a.a.O. Rn. 28; VG Würzburg, Urteil vom 4. März 2008 - W 1 K 07.1363 -, juris Rn. 17). Darüber hinaus werden bezogen auf die zu vergleichenden Leistungen die einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen einer eingeschränkten Analogie nicht hinreichend erörtert. § 6 Abs. 2 GOZ macht die entsprechende Anwendung von Gebührentatbeständen davon abhängig, dass die abzurechnende Leistung nach Art, Kosten und Zeitaufwand der im Gebührenverzeichnis ausdrücklich benannten Leistung gleichwertig ist. Die damit erforderliche Gesamtbetrachtung lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen. Dieses beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage des Zeitaufwandes.

Im Übrigen sind auch die Folgerungen nicht plausibel, die der Beklagte aus der – behaupteten - Tatsache ableitet, dass die unmittelbare zahnärztliche Tätigkeit bei Inlays eine bis eineinhalb Stunden und bei Kompositfüllungen eine Stunde dauert. Wenn der Beklagte dies als einen rechtserheblichen Unterschied ansieht und zur Stützung seiner Position auf das (unter www.lg-frankfurt.justiz.hes-sen.de veröffentlichte) Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2004 - 2-16 S 173/99 - Bezug nimmt, so übersieht er, dass das Landgericht den Zeitaufwand ungeachtet der festgestellten Differenz bei beiden Leistungen für vergleichbar gehalten (UA S. 11 f.), sich daneben auch mit Art und Kosten der Leistungen auseinandergesetzt (UA S. 10 f.) und im Ergebnis eine analoge Abrechnung bis zum Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes für zulässig erklärt hat (vgl. auch VGH Mannheim, a.a.O. Rn. 30; OVG Bautzen, a.a.O. Rn. 30). Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte sein Vorbringen zum geringeren Zeitaufwand substantiieren müssen, was er indessen unterlassen hat. Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit dem naheliegenden Einwand, dass auch eine einstündige Inlay-Versorgung einen Steigerungssatz von mehr als 1,5 rechtfertigen würde (vgl. VG Darmstadt, Urteil vom 27. Oktober 2006 - 5 E 787/05 -, juris Rn. 33).

Mit dem Hinweis auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2006 (a.a.O. Rn. 18 ff.) dringt der Beklagte gleichfalls nicht durch. Im dort zu entscheidenden Fall hatte die Beihilfestelle den 1,5-fachen Steigerungssatz anerkannt; einen darüber hinausgehenden Beihilfeanspruch lehnte der Verwaltungsgerichtshof wegen fehlender Begründung der Angemessenheit ab. Jenes Urteil ist nicht verallgemeinerbar und gibt daher auch für den vorliegenden Fall nichts her, weil es maßgeblich auf das prozessuale Verhalten eines Beteiligten im Einzelfall abstellt. Ihm liegt insbesondere nicht die Annahme zu Grunde, dass der Steigerungssatz bei der Analogabrechnung dentin-adhäsiver Kunststofffüllungen generell auf 1,5 begrenzt wäre. Davon muss der Senat ausgehen, weil das Verwaltungsgericht dies in der hier angefochtenen Entscheidung näher begründet hat und der Zulassungsantrag darauf nicht eingeht. Abgesehen hiervon begegnet die Argumentation des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs schon aus gebührenrechtlichen Gründen Bedenken (vgl. u.a. VGH Mannheim, a.a.O. Rn. 28).

Schließlich kann sich der Beklagte für eine Begrenzung der Beihilfefähigkeit nicht mit Erfolg auf den Willen des Vorschriftengebers berufen. Das erstinstanzliche Urteil ist darauf gestützt, dass sich die Angemessenheit der Aufwendungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen beurteilt. Der Rechtsbehelf zieht dies nicht in Zweifel. Soweit er dagegen auf das Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 8. Juli 2005 - D I 5 - 213 100 - 1/13 - Bezug nimmt, setzt er sich nicht schlüssig mit allen tragenden Argumenten des Verwaltungsgerichts auseinander. Das Rundschreiben sieht einen Steigerungsfaktor von höchstens 1,5 als angemessen an, wenn Aufwendungen von Kompositfüllungen bzw. Füllungen in der Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik analog nach den Positionen 215 - 217 GOZ bewertet werden. Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber der Auffassung, derartigen Hinweisen und Rundschreiben komme für die Beurteilung der Rechtslage keine ausschlaggebende Bedeutung zu, und beruft sich zum Beleg auf die obergerichtliche Rechtsprechung (VGH Mannheim, a.a.O. Rn. 31; dort Verweis auf OVG Münster, a.a.O. Rn. 15, und BVerwG, Urteil vom 24. November 1988 - 2 C 39.87 -, juris Rn. 17). Danach sind die durch Rundschreiben bekanntgegebenen Hinweise zu den Beihilfevorschriften für die Gerichte nicht verbindlich, weil es sich nicht um allgemeine Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 200 BBG a.F. handelt. Das Verwaltungsgericht nimmt damit erkennbar den Standpunkt ein, dass die betreffenden Hinweise nicht von der Bezugnahme auf die Beihilfevorschriften des Bundes in § 44 Abs. 1 LBG a.F. erfasst werden. Zu dieser selbständig tragenden Begründung verhält sich der Rechtsbehelf nicht. Mit der Beanstandung der ergänzenden, allerdings unzutreffenden Bemerkung im angefochtenen Urteil, dass eine Veröffentlichung des Rundschreibens (ABl. 2005 S. 3814) nicht ersichtlich sei, sind daher ergebnisrelevante Richtigkeitszweifel nicht dargetan.

2. Auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht dargelegt. Sie läge nur dann vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich auch in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. März 2008 - 11 N 59.05 -, juris Rn. 30). Der Beklagte stellt die Frage, „ob schmelz-dentin-adhäsive Kompositfüllungen, die entsprechend den Gebührenpositionen 215 - 217 GOZ berechnet werden, mit einem Steigerungsfaktor von höchstens 1,5 oder 2,3 beihilferechtlich abgerechnet werden dürfen.“ Soweit er dies anhand spezifisch beihilferechtlicher Bestimmungen geklärt wissen will, kommt der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung schon deshalb nicht zu, weil die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes einschließlich der dazu ergangenen Hinweise mit dem In-Kraft-Treten der Bundesbeihilfeverordnung aufgehoben worden sind (Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 16. Februar 2009 - D 6 - 213 100 - 1/19 -, GMBl. 2009, S. 138) und als auslaufendes Recht nur noch für eine begrenzte Zahl von Altfällen von Bedeutung sind (vgl. § 58 BBhV).

Geht es dagegen um die - als Vorfrage auch nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV relevante - gebührenrechtliche Zulässigkeit der Abrechnung mit einem Steigerungsfaktor von mehr als 1,5, so fehlt es angesichts der bereits vorhandenen (ober-) verwaltungsgerichtlichen Judikatur zu dieser Frage an deren Klärungsbedürftigkeit. Die Rechtsprechung lehnt allgemein die von dem Beklagten für richtig gehaltene Begrenzung des Steigerungsfaktors ab (vgl. OVG Münster, a.a.O. Rn. 15; VGH Mannheim, a.a.O. Rn. 23 ff.; OVG Bautzen, a.a.O. Rn. 23 ff.; VG Darmstadt, a.a.O. Rn. 19 ff.; VG Minden, a.a.O. Rn. 24 ff.; VG Hannover, a.a.O. Rn. 26; VG Ansbach, Urteil vom 13. Februar 2008 - AN 15 K 07.00972 -, juris Rn. 40 ff.; VG Würzburg, a.a.O. Rn. 16 f.; VG Frankfurt am Main, a.a.O. Rn. 16 f.; VG München, Urteil vom 5. Februar 2009 - M 17 K 08.3610 -, juris Rn. 17 f.). Auch das im Einzelfall abweichende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2006 (a.a.O. Rn. 18 ff.) begründet keine Klärungsbedürftigkeit, weil sich dieser Entscheidung nach dem Prüfungsstoff des Senats (vgl. 1.) keine verallgemeinerungsfähige Gegenposition entnehmen lässt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

RechtsgebieteBG BE, BhV, GOZVorschriften§ 44 BG BE, § 5 Abs 1 BhV, § 5 Abs 2 GOZ, § 6 Abs 2 GOZ

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