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29.07.2009 · IWW-Abrufnummer 091911

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 04.03.2009 – L 9 KR 157/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 9 KR 157/03

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2003 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Beitragsnachforderung für einen Verpflegungsmehraufwand.

Der Kläger betreibt ein Personenbeförderungsunternehmen mit mehreren Beschäftigten. Die zwischen dem Kläger und diesen Beschäftigten bestehenden Arbeitsverträge änderten die Vertragsparteien durch eine im Oktober 1996 geschlossene Vereinbarung ab. Danach waren sich die Vertragsparteien darüber einig, dass der Arbeitsvertrag hinsichtlich des Gehaltes geändert werde. Der Verpflegungsmehraufwand für Abwesenheit zwischen 8 und 14 Stunden pro Tag werde mit 10,00 DM abgerechnet und vom im Arbeitsvertrag vereinbarten Gehalt abgezogen. Das sich nach Abzug ergebende Gehalt sei das Bruttogehalt in der Gehaltsabrechnung des Arbeitnehmers. Für den danach errechneten Abzugsbetrag führte der Kläger keine Sozialversicherungsbeträge ab.

Die Beklagte führte 2002 beim Kläger eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2001 durch. Sie sah in den Vereinbarungen vom Oktober 1996 eine unzulässige Gehaltsumwandlung und forderte für die Beschäftigten des Klägers mit Bescheid vom 18. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2003 für Zahlungen für "Verpflegungsmehraufwand/Kraftfahrer" im Prüfungszeitraum Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 66.517,33 EUR nach. Zuwendungen wegen eines Verpflegungsmehraufwandes seien nur dann beitragsfrei, wenn es sich um Zahlungen des Arbeitgebers handele, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht würden. Würden solche Leistungen hingegen an Stelle des geschuldeten Arbeitslohnes gezahlt, wie dies hier der Fall sei, so handele es sich nicht um eine zusätzliche Leistung, da der Bruttolohn des Arbeitnehmers im Ergebnis unverändert bleibe. Der nach einer solchen Gehaltsumwandlung als Zuschuss bezeichnete Teil des Arbeitslohnes sei deshalb beitragspflichtig.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 30. September 2003 mit der Begründung abgewiesen, dass die vom Kläger angesetzten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand weder nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) noch nach § 1 Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) von der Beitragspflicht ausgenommen seien. Zu den in § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten steuerfreien Aufwandsentschädigungen gehörten nur solche Zahlungen, die im Einkommensteuergesetz ausdrücklich als solche bezeichnet seien. Andere Entschädigungen für berufliche Aufwendungen - wie der Verpflegungsmehraufwand - würden von dieser Vorschrift nicht erfasst. Nach § 1 ArEV sei ein Zuschuss des Arbeitgebers nur dann beitragsfrei, wenn es sich um eine erkennbare und im Voraus feststehende Leistung neben dem geschuldeten Lohn handele und sie nicht - wie hier - eindeutig anstatt des geschuldeten Lohns vereinbart sei.

Gegen das ihm am 6. November 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Dezember 2003 Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass der zwischen ihm und seinen Beschäftigten vereinbarte Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand beitragsfrei sei. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zur Steuerfreiheit entsprechender Vereinbarungen, die nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch im Sozialversicherungsrecht Berücksichtigung finden müsse. Soweit dem § 1 ArEV entgegenstehe, weil er über die Regelungen des Steuerrechts hinaus eine "Zusätzlichkeit" der Leistung des Arbeitgebers zum Arbeitslohn als Tatbestandsvoraussetzung fordere, sei diese Vorschrift nichtig, da sie gegen höherrangiges Recht verstoße.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2003 sowie den Bescheid der Be- klagten vom 18. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, mit der er sich - wie schon mit seiner Klage - ausschließlich gegen die Verbeitragung seiner Leistungen für einen "Verpflegungsmehraufwand" wendet, ist unbegründet.

Nach § 14 Abs. 1 SGB IV in den hier zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 31. Dezember 2001 geltenden Fassungen sind zu verbeitragendes Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder in Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Begriffsbestimmung des Arbeitsentgelts in § 14 Abs.1 SGB IV erfasst solche Einnahmen, die den Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil vom 7. März 2007, - B 12 KR 4/06 R -, m.w.N.).

In Ausfüllung dieses Begriffes bestimmt die aufgrund § 17 SGB IV erlassene Arbeitsentgeltverordnung, dass einmalige Einnahmen, laufende Zahlungen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden (§ 1 ArEV). Ergänzend regelt § 2 ArEV, dass weitere Einnahmen beitragsfrei bleiben. Deren Vorliegen hat der Kläger jedoch weder behauptet noch gibt es dafür sonstige Anhaltspunkte, weil der Kläger die Zahlungen für einen Verpflegungsmehraufwand in seinem Schriftsatz vom 21. August 2002 im Verwaltungsverfahren selbst als steuerfrei bezeichnet hat, so dass der Senat hierzu keine Ermittlungen anstellen musste.

Die den Beschäftigten gezahlten Leistungen, die der Kläger in den Vereinbarungen vom Oktober 1996 als "Verpflegungsmehraufwand" bezeichnet hat, erfüllen die Anforderungen der Beitragsfreiheit nicht, die § 1 ArEV stellt. Es fehlt an der Zahlung zusätzlich zum Arbeitsentgelt. Tatsächlich stellt der " Verpflegungsmehraufwand " lediglich umgewandeltes geschuldetes Arbeitsentgelt dar. Aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen vom Oktober 1996 ergibt sich eindeutig, dass es zu keiner Erhöhung des geschuldeten Arbeitsentgeltes kommen sollte. Der "Verpflegungsmehraufwand" war nicht als zusätzliche Leistung zu erbringen, sondern von dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Gehalt abzuziehen und damit - wie vom Sozialgericht zutreffend herausgestellt - ein Abzugsposten vom Bruttogehalt, das sich im Umfang des Verpflegungsmehraufwandes vermindern sollte. Deshalb sind die Leistungen für Verpflegungsmehraufwand eindeutig nicht zuzüglich zu den geschuldeten Entgelten gezahlt worden. Dies widerlegt die ausdrückliche Formulierung der Vereinbarungen vom Oktober 1996. Der Kläger geht im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 1 SGB IV und der ArEV unzutreffend davon aus, es unterliege der Dispositionsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien, zu ihrem beiderseitigen Vorteil Teile eines gleich bleibenden Arbeitsentgeltes nachträglich zu "Zuschüssen" zu erklären und damit über die Beitragspflichtigkeit dieser Zahlungen gegen den Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Gesetzes disponieren zu können. In Anbetracht der Umstände sind somit die Zahlungen des Klägers als einheitliche Gegenleistungen für die erbrachten Arbeiten anzusehen und damit beitragspflichtig (vgl. zu Vorstehendem in gleichem Sinne Bayerisches LSG, Urteil vom 15. April 2008, L 5 KR 68/07, zitiert nach juris).

Die Klägerin kann der Beitragspflichtigkeit der Zahlungen für einen Verpflegungsmehraufwand auch nicht entgegenhalten, dass das "Zusätzlichkeitserfordernis" in § 1 ArEV gegen höherrangiges Recht, nämlich gegen § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, verstoßen habe. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist beim Erlass der Rechtsverordnung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IV eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der Verordnung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Selbst wenn das "Zusätzlichkeitserfordernis" mit den Regelungen des Steuerrechts nicht übereinstimmen sollte, hielte sich § 1 ArEV im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage. Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung ermächtigte die Bundesregierung ausdrücklich nur dann, einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen und damit von der Beitragspflicht freizustellen, wenn sie zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt wurden. Das Zusätzlichkeitserfordernis war also unmittelbar in der Ermächtigungsgrundlage normiert und musste vom Verordnungsgeber als sozialversicherungspflichtiger Grundsatz bei der Bestimmung der Beitragsfreiheit ggf. auch abweichend von steuerrechtlichen Grundsätzen beachtet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebietSGB IVVorschriften§ 14 Abs .1 Satz 2 SGB IV, § 1 ArEV

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