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27.05.2009 · IWW-Abrufnummer 091748

Verwaltungsgericht München: Urteil vom 05.02.2009 – M 17 K 08.3610

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor
I. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom … April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … Juli 2008 verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von 505,20 EUR zu gewähren.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten zusätzliche Beihilfeleistungen.

Der Kläger ist beihilfeberechtigt. Mit Antrag vom … April 2008 beantragte er Beihilfe für zahnärztliche Behandlungen von ihm und seiner Ehefrau. Mit Bescheid vom … April 2008 setzte die … die Beihilfe auf 4.800,57 € fest. Sie hielt dabei die Aufwendungen für Kompositfüllungen bzw. Füllungen in der Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik bei Bewertungen analog GOZ-Nrn. 215-217 dem Grunde nach für beihilfefähig, jedoch nur mit einem Steigerungsfaktor von höchstens 1,5 für angemessen.

Gegen den Beihilfebescheid vom … April 2008 legte der Kläger am … Mai 2008 Widerspruch ein.

Zur Begründung des Widerspruches legte er mit Schreiben vom … Mai 2008 diverse Veröffentlichungen und Gerichtsurteile vor, nach denen sehr wohl der 2,3-fache Steigerungssatz als beihilfefähig anzuerkennen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom … Juli 2008 wies die … den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, Ziff. 2.2 des Anhanges I zum Hinweis 8 zu § 5 Abs. 1 Beihilfevorschrift (BHV) regele die Bemessung der Gebühren nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Danach können die Aufwendungen für Kompositfüllungen bzw. Füllungen in der Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik als analoge Bewertungen nach den Positionen 215-217 GOZ dem Grunde nach als beihilfefähig anerkannt werden. Nach Satz 4 der Ziff. 2.2 werde dabei ein Steigerungsfaktor von höchstens 1,5 als angemessen angesehen. Die Bewertung einer selbständigen, nach dem In-Kraft-Treten der GOZ, entwickelten zahnärztlichen Leistung habe sich in das Gesamtgefüge der nach der GOZ vorgesehenen Leistungen einzufügen und sich an der nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistungen zu orientieren (§ 6 Abs. 2 GOZ). Bei einer analogen Abrechnung entsprechend der Leistungen für das Setzen von Einlagefüllungen (Gebühren-Nr. 215-217 GOZ) müsse also die Leistung auch am zeitlichen Aufwand bemessen werden. Die dentin-adhäsive-Rekonstruktion bleibe zeitlich hinter dem Setzen von Inlays zurück. Daher sei eine Begrenzung des Steigerungsfaktors auf höchstens 1,5 gerechtfertigt. Diese Auffassung werde auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 30. Mai 2006 vertreten.

Am … Juli 2008 erhob der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß mit dem Antrag,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom … April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … Juli 2008 zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Beihilfe für die zahnärztliche Behandlung vom … März 2008 sowie … Februar, … März, … März und … April 2008 unter Berücksichtigung der vollen Aufwendungen als „Beihilfeweg“ zu gewähren.

Zur Begründung wurde vorgetragen, nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes könne ein 2,3-facher Steigerungssatz nicht ohne nähere Begründung zu Grunde gelegt werden. Eine nähere Begründung habe die Ärztin bei den Zähnen der Ehefrau 13, 23, 24, 25, 26 und 44, 45 sowie 15 geliefert. Laut Rechnung vom … April 2008 sei die Überschreitung des Schwellenwertes durch folgenden Sachverhalt begründet: „schwer zugänglicher Bereich/schlechte Sichtverhältnisse/schwieriges Trockenlegen“.

Die Beihilfe sei auch im Übrigen in dem beantragten Umfang zu gewähren, da die Zahnärztin ermessensfehlerfrei einen 2,3-fachen Gebührensatz in ihrer Rechnung habe ansetzen dürfen und der Rechnungsbetrag demnach in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen sei. Im Wesentlichen sei der 2,3-fache Gebührenansatz nach der Konzeption des Verordnungsgebers kein Regelwert, sondern bezeichne lediglich den Regelhöchstsatz. Der Regelfall der ärztlichen Leistung sei somit mit einem innerhalb der Regelspanne, die vom 1-fachen bis zum 2,3-fachen des Gebührensatzes liegenden Faktors reiche, zu bemessen. Diese Bestimmung habe der Zahnarzt nach billigem Ermessen zu treffen, wobei sich eine Liquidationspraxis herausgebildet habe, die sich generell am Regelhöchstsatz orientiere.

Die … beantragte mit Schreiben vom … August 2008,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Beihilfeakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf eine weitere Beihilfe in Höhe von 505,20 EUR. Der Beihilfebescheid der Beklagten vom … April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … Juli 2008 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Zahnärztin in ihren Rechnungen vom … April 2008 angegebenen dentin-adhäsiven Rekonstruktionen gemäß § 6 Abs. 2 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) analog der Nr. 216 bzw. 217 GOZ abgerechnet und damit der Beihilfe zugrundegelegt werden konnten. Streitig ist lediglich, ob die Beklagte verpflichtet ist, über den 1,5-fachen Gebührenansatz hinaus die Aufwendungen als beihilfefähig anzuerkennen.

Hierzu bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ, dass sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem 1-fachen bis 3,5-fachen des Gebührensatzes bemisst. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ sind die Gebühren innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeit, des Zeitaufwands der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darf eine Gebühr in der Regel nur zwischen dem 1-fachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3-fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Dem 2,3-fachen Gebührensatz kommt somit die Funktion eines Schwellenwertes zu, dessen Überschreiten nur bei eng umschriebenen Besonderheiten zulässig ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist gerichtlich voll nachprüfbar (vgl. VGH Baden-Württemberg v. 27.6.2007 Az. 4 S 2090/05 - juris; OVG Münster v. 3.12.1999 Az. 12 A 2889/99 - juris). Sofern die nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 GOZ berechnete Gebühr das 2,3-fache des Gebührensatzes überschreitet, muss der Zahnarzt nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ eine schriftliche Begründung vorlegen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ).

Diese Bestimmungen finden auch im Fall einer analogen Berechnung nach § 6 Abs. 2 GOZ Anwendung. Das Gericht folgt hier nicht der Rechtsprechung des BayVGH (Urteil v. 30.5.2006 Az. 14 BV 02.2643), der davon ausgeht, dass im Fall einer analogen Abrechnung eine Begründungspflicht auch dann besteht, wenn der Schwellenwert des 2,3-fachen Satzes nicht überschritten wird. Mit dem VGH Baden-Württemberg (U. v. 27.6.2007 a.a.O.) geht das Gericht davon aus, dass nach der in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ zum Ausdruck kommenden Konzeption des Verordnungsgebers der 2,3-fache Gebührensatz gerade kein Regelwert ist, der in der überwiegenden Zahl der Leistungen als angemessen erscheint, sondern lediglich den Regelhöchstsatz innerhalb eines als Regelspanne bezeichneten und vom 1-fachen bis zum 2,3-fachen Satz reichenden Gebührenrahmens darstellt. Die Regelspanne stellt den Rahmen dar, innerhalb dessen der Normalfall der im Gebührenverzeichnis beschriebenen ärztlichen Leistung je nach Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umständen der Ausführung zu bewerten ist. Das bedeutet, dass der Regelfall der ärztlichen Leistung mit einer innerhalb der Regelspanne anzusiedelnden Gebühr zu bemessen ist.

Den angemessenen Gebührenfaktor innerhalb der Regelspanne hat der Zahnarzt nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die von ihm getroffene Bemessung ist insoweit - anders als die Frage, ob Besonderheiten ein Überschreiten der Regelspanne rechtfertigen - nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar. Maßgebend ist insoweit § 315 Abs. 3 BGB, da die Frage, ob die Honorarforderung des Zahnarztes gerechtfertigt ist, nach bürgerlichem Recht zu beantworten ist (vgl. BVerwG v. 24.11.1988, RiA 1989, 165). Auch der BGH (U. v. 8.11.2007, BGHZ 174, 101), der für die Auslegung der einschlägigen §§ 315ff. BGB das sachnähere Gericht ist, sieht keinen Ermessensfehlgebrauch darin, wenn persönlich-ärztliche Leistungen, die sich in einem Bereich durchschnittlicher Schwierigkeit befinden, zum Schwellenwert abgerechnet werden. Nach alledem ist bei der analogen Anwendung der Positionen 214 bzw. 215 bis 217 GOZ die in der Gebührenposition beschriebene Leistung ein tauglicher Maßstab für die vorzunehmende Gebührenbemessung (vgl. VGH Baden-Württemberg v. 27.6.2007 a.a.O.; so auch VG Ansbach v. 13.2.2008 Az. AN 15 K 07.972 - juris; VG Würzburg v. 4.3.2008 Az. W 1 K 07.1363 - juris).

An dieser Rechtslage ändern auch die Hinweise des Bundesministers des Innern durch Rundschreiben vom 8. Juli 2005 und der Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 13. August 2007 nichts, denn diesen verwaltungsinternen Weisungen kommt keine Rechtsnormqualität zu, so dass die Rechtslage ausschließlich auf der Grundlage der Beihilfevorschriften, der Gebührenordnung für Zahnärzte und der §§ 315 ff. BGB zu beurteilen ist (VGH Baden-Württemberg v. 27.6.2007 a.a.O.; VG Würzburg v. 4.3.2008 a.a.O.).

Wendet man diese Grundsätze auf die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Zahnarztrechnungen an und setzt statt des Faktors 1,5 bei den Positionen 216 und 217 GOZ jeweils den 2,3-fachen Faktor an, errechnet sich ein zusätzlicher beihilfefähiger Betrag von 721,71 EUR (so der in der Klageschrift angegebene Gegenstandswert). Daraus errechnet sich bei einem Beihilfesatz von 70% eine zusätzliche Beihilfe in Höhe von 505,20 EUR.

Nach alledem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Berufung war zuzulassen, da das Urteil von der Entscheidung des BayVGH vom 30. Mai 2006 (Az. 14 BV 02.2643) abweicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 505,20 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).

RechtsgebietGOZ Vorschriften§§ 5, 6 GOZVorschriften§ 5 Abs 2 GOZ 1987, § 6 Abs 2 GOZ 1987, § 315 Abs 3 BGB

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