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27.05.2009 · IWW-Abrufnummer 091666

Oberlandesgericht Hamburg: Urteil vom 21.12.2007 – 9 U 154/06

Der Unternehmer ist verantwortlich für die örtliche Überprüfung der Angaben in alten Plänen, bevor er mit schadensträchtigen Arbeiten beginnt. Wenn er daran gehindert ist, muss er Bedenken anmelden, andernfalls haftet er für etwaige Schäden.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

9 U 154/06
Verkündet am 21. Dezember 2007

in dem Rechtsstreit

....

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 9. Zivilsenat, durch den Richter ### als Einzelrichter nach der am 4. Dezember 2007 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 1. August 2006 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.207,12 EUR Zug um Zug gegen Freistellung der Beklagten von Ansprüchen, die ihr gegenüber von Frau ###, ###straße ###, ### in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg - 322 O 357/04 - geltend gemacht werden, zu zahlen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte EUR 34.518,06 (i.W. EURO vierunddreißigtausendfünfhundertachtzehn 06/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2005 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Widerklage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns, die Beklagte widerklagend Zahlung von Schadensersatz.

Der Nebenintervenient zu 1) beabsichtigte, auf dem Grundstück ### in ### ein Gebäude mit Tiefgarage zu errichten. Die Eigentümerin des Nachbargrundstücks ### hatte ihm untersagt, ihr Grundstück betreten und untersuchen zu lassen. Der Nebenintervenient zu 1) beauftragte die Beklagte als Rohbaugeneralunternehmerin. Da die Giebelwand des Hauses ### wegen der tiefer liegenden Garage unterfangen werden musste, beauftragte die Beklagte die Klägerin mit einer Unterfangung im Düsenstrahlverfahren (HDI). Die Klägerin erhielt von den Architekten des Nebenintervenienten zu 1), der Nebenintervenientin zu 2), einen ca. 100 Jahre alten Plan des Hauses ###, in dem auch die Lage einer Sielleitung verzeichnet war. Am 24.2.2004 beschädigte die Klägerin eine Abwasserleitung auf dem Grundstück ###. Der Nebenintervenient zu 1) wandte für eine provisorische Sielleitung auf dem Nachbargrundstück € 34.518,06 auf, die er der Beklagten von einer ihrer Abschlagsrechnungen abzog. Für eine Neuherstellung der Abwasserleitungen beansprucht die Eigentümerin. des Grundstücks ### € 40.465,95, die sie mit einer Klage im Rechtsstreit 322 O 357/04 vor dem Landgericht Hamburg gegenüber der Klägerin, der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 2) als Gesamtschuldner geltend macht. Die Klägerin verlangte mit der Klage Zahlung von Werklohn aus dem Subunternehmervertrag in Höhe von € 37.494,68. Die Beklagte rügte die Berechtigung einzelner Positionen und machte im Übrigen ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Befreiungsanspruchs von der im Parallelprozess gegen sie erhobenen Forderung geltend. Mit der Widerklage verlangt sie die Zahlung der vom Nebenintervenienten zu 1) einbehaltenen € 34.518,06 als Schadensersatz. In Höhe von € 3.273,02 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 34.231,66 nebst Zinsen in Höhe von 11,75% aus € 33.619,12 seit dem 08.08.2004 und im Übrigen seit dem 04.03.2005 sowie prozessuale Mahnkosten in Höhe von € 676,50 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, sowie widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte € 34.518,06 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2005 zu zahlen.

Mit Urteil vom 1.8.2006 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Werklohnforderung sei nur in Höhe von € 21.207,12 berechtigt; die Klage sei aber insgesamt abzuweisen, weil die Beklagte wegen ihres Freistellungsanspruches ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt habe; eine Zug - um -Zug -Verurteilung gemäß § 274 BGB scheide wegen der besonderen Natur des Freistellungsanspruchs aus.

Gegen das ihr am 7.8.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4.9.2006 Berufung eingelegt und sie, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7.11.2006, an diesem Tag begründet. Sie verfolgt ihren Zahlungsanspruch nur noch in Höhe des vom Landgericht als begründet angesehenen Umfangs von € 21.207,12 weiter, wobei sie hilfsweise eine Verurteilung Zug - um - Zug - begehrt, und wendet sich gegen die Verurteilung durch die Widerklage.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg - 411 O 42/05 - vom 1. August 2006, zugestellt am 7. August 2006, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 21.207,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 11,75 % seit dem 8. August 2004 sowie an vorprozessualen Mahnkosten 439,90 EUR zu zahlen und die Widerklage abzuweisen;

hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts Hamburg - 411 O 42/05 - vom 1. August 2006, zugestellt am 7. August 2006, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 21.207,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 11,75 % seit dem 8. August 2004 und an vorprozessualen Mahnkosten 439,90 EUR Zug um Zug gegen Freistellung der Beklagten von Ansprüchen, die ihr gegenüber von ### in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg - 322 O 357/04 - geltend gemacht werden, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter des Senats erklärt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.

1)

Der Beklagten steht gegenüber der nunmehr unstreitigen restlichen Werklohnforderung der Klägerin in Höhe von € 21.207,12 ein Zurückbehaltungsrecht zu wegen eines Freistellungsanspruchs bezüglich der von der Eigentümerin ### ihr gegenüber geltend gemachten Schadensersatzforderung in Höhe von € 40.465,95 im Rechtsstreit 322 O 357/04 vor dem Landgericht Hamburg.

Gemäß Ziffer 10.1 der Bedingungen zum Nachunternehmervertrag (BN) - Anlage B 12 - ist der Nachunternehmer verpflichtet, den Auftraggeber, wenn dieser von Dritten wegen Schäden in Anspruch genommen wird, die im Verantwortungsbereich des Nachunternehmers liegen, von diesen Ansprüchen unverzüglich freizustellen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Unstreitig hat die Klägerin die Sielleitung auf dem Grundstück ### beschädigt und wird die Beklagte deshalb von der Eigentümerin des Grundstücks auf Ersatz der Kosten der Neuherstellung der Sielleitung gerichtlich in Anspruch genommen. Der Schaden ist auch im Verantwortungsbereich der Klägerin entstanden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, worauf Bezug genommen wird. Auch für das Berufungsgericht ist nicht zweifelhaft, dass die Klägerin sich auf die ca. 100 Jahre alten Lagepläne nicht verlassen durfte, auch nicht bei der behaupteten Präzision des von ihr angewandten Düsenstrahlverfahrens. Soweit sie das Nachbargrundstück nicht betreten durfte, hätte sie, wenn sie keine Schürfgruben anlegen konnte, den Auftraggeber, hier die Beklagte, gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B darauf hinweisen müssen, um sich entlasten zu können. Das hat sie unstreitig nicht getan.

Der bestehende Freistellungsanspruch berechtigt die Beklagte daher gemäß § 273 BGB, die der Klägerin geschuldete Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern. Aus § 274 BGB folgt jedoch, dass der Schuldner bei Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung zu verurteilen ist. An dieser Rechtsfolge ist auch im vorliegenden Fall festzuhalten. Es ist nicht ersichtlich, warum sich aus der besonderen Natur des Freistellungsanspruchs ergeben soll, dass eine Zug - um - Zug - Verurteilung der Beklagten hier ausscheidet, wie das Landgericht gemeint hat. Eine nähere Begründung hierfür lässt sich dem Urteil nicht entnehmen und findet sich auch nicht in Rechtsprechung oder Literatur. Das Berufungsgericht vermag nicht zu erkennen, dass die Beklagte durch eine eingeschränkte Verurteilung unzumutbar belastet würde.

Dem Hilfsantrag der Klägerin ist daher stattzugeben. Allerdings kann die Klägerin weder Verzugs- noch Prozesszinsen geltend machen, da ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273,274 BGB die Fälligkeit der Forderung ausschließt (vgl. BGH NJW-RR 05, 170,171 mwN). Auch vorprozessuale Mahnkosten können aus diesem Grunde nicht verlangt werden.

2)

Die Klägerin ist der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen fehlerhafter Ausführung der Werkleistung zum Schadensersatz verpflichtet. Die Klägerin ist für die Beschädigung der Sielleitung auf dem Nachbargrundstück ### verantwortlich, wie bereits vorstehend ausgeführt. Der Höhe nach sind die Kosten, die der Nebenintervenient zu 1) für provisorische Schadensbeseitigungs- und Entwässerungsmaßnahmen aufgewandt und von der Schlussrechnungsforderung der Beklagten abgezogen hat, unstreitig geworden. Vergebens wendet sich die Klägerin gegen eine Nichtberücksichtigung ihres Mitverschuldenseinwands gemäß § 254 BGB im landgerichtlichen Urteil. Auch für das Berufungsgericht ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten oder dem Nebenintervenienten zu 1) die Dauer des Provisoriums angelastet werden kann. Völlig zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass es primär der Klägerin als Schadensverursacherin obgelegen hätte, sich um Schadensminderungsmaßnahmen zu kümmern und entsprechende Vereinbarungen mit der Grundstückseigentümerin ### zu treffen. Dass die Klägerin insoweit tätig geworden wäre, trägt sie nicht vor. Die Höhe des Schadens geht daher allein zu ihren Lasten. Die Widerklage ist daher im zuerkannten Umfang begründet.

3)

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Hilfsantrag hat zu keiner Erhöhung des Streitwerts geführt. Die Kosten bezüglich der Klage waren daher voll der Klägerin aufzuerlegen, da sie mit dem Hauptantrag zu Unrecht das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts der Beklagten bestritten hat (vgl. Hensen, NJW 99, 395,396). Die Voraussetzungen des § 543 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

RechtsgebieteBGB, VOB/BVorschriftenBGB §§ 273, 280, 631; VOB/B § 4 Nr. 3

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