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06.05.2009 · IWW-Abrufnummer 090857

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 12.11.2008 – 3 K 21/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT

URTEIL

vom 12.11.2008

Az.: 3 K 21/06

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung eines Freibetrages gem. § 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) im Jahr 2002.

Der Kläger, geb. 1942, erzielte im Streitjahr bei seiner Beteiligung an der DB GbR einen Veräußerungsgewinn in Höhe von € 191.xxx,xx, da aufgrund des Ausscheidens von Gesellschaftern die bis dahin bestehende Betriebsaufspaltung endete. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Veräußerungsgewinn nach Halbeinkünfteverfahren € 127.xxx,xx
Steuerfreier Teil beim Halbeinkünfteverfahren € - 63.xxx,xx
Steuerpflichtiger Teil Halbeinkünfteverfahren € 63.xxx,xx
Steuerpflichtiger Teil außerhalb des Halbeinkünfteverfahrens (T€ 191 ./. T€ 127) T€ 63

Der Beklagte hat bei der Einkommensteuerveranlagung den Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von € 51.200 anteilsmäßig aufgeteilt, so dass statt eines Betrages von T€ 63 nur ein Betrag von 59,9424 v.H., d.h. T€ 38 der ermäßigten Besteuerung gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 EStG unterworfen wurde. Letztlich hat sich somit der Freibetrag nicht voll ausgewirkt. Der Einspruch gegen die Einkommensteueränderungsbescheide zuletzt vom 3. Januar 2006 wurde mit Einspruchsbescheid vom 5. Januar 2006 als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger macht geltend, dass hinsichtlich des Freibetrages ein Wahlrecht bestehe. Er beantrage, dass der Freibetrag voll beim steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnanteil abgezogen werde. Eine Aufteilung habe nicht zu erfolgen. In der mündlichen Verhandlung führte der Klägervertreter aus, dass es keine gesetzliche Norm für die Aufteilung gebe. Das Halbeinkünfteverfahren stelle zudem keine steuerliche Vergünstigung, sondern nur eine Verteilung der Besteuerung auf zwei Steuerpflichtige dar.

Der Beklagte macht geltend, dass sich ein Wahlrecht bzgl. der Inanspruchnahme des streitigen Freibetrages nur auf die Inanspruchnahme für den gesamten Gewinn beziehe, nicht auf Teile dieses Betrages. Eine vorrangige Berücksichtigung des Freibetrages beim voll steuerpflichtigen Teil, stelle eine Doppelbegünstigung dar, da der andere Teil gem. § 34 Abs. 2 EStG bereits begünstigt besteuert werde.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der streitige Freibetrag nicht aufzuteilen, sondern im vollen Umfang beim steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn zu berücksichtigen ist.

a. Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung von Gesellschaftsbeteiligungen erzielt werden. Nach § 16 Abs. 4 EStG kann für Steuerpflichtige, die das 55. Lebensjahr vollendet oder im sozialversicherungsrechtlichem Sinne dauernd berufsunfähig sind, auf Antrag ein Veräußerungsgewinn nur herangezogen werden, soweit er 51.200 € übersteigt. Dieser Betrag ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 154.000 € übersteigt (§ 16 Abs. 4 Satz 1, 3 EStG 2002). Gem. § 34 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1 EStG können Veräußerungsgewinne i.S.d. § 16 EStG auf Antrag ermäßigt besteuert werden.

Unstreitig sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freibetrags gem. § 16 Abs. 4 EStG gegeben, da der Kläger das 55. Lebensjahr bereits überschritten hat. Auch die Gesamthöhe des Veräußerungsgewinns sowie die Aufteilung des Gewinns auf das Halbeinkünfteverfahren und den ermäßigt zu besteuernden Anteil ist vorliegend unstreitig. Zur Berechnung des Kürzungsbetrages für den Veräußerungsgewinn ist der nach dem Halbeinkünfteverfahren steuerfreie Gewinn nicht zu berücksichtigen (R 139 Abs. 13 S. 9 EStR 2003, Littmann/Bitz/Pust § 16 EStG, Rdn. 242). Somit erfolgt keine Kürzung des Freibetrags, da dieser nur T€ 127 beträgt, und damit unter der schädlichen Grenze liegt.

b. Die Finanzverwaltung geht in den Fällen, in denen im Veräußerungsergebnis ein auch dem Halbeinkünfteverfahren unterliegender Gewinn enthalten ist, davon aus, dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG entsprechend den Anteilen der Gewinne, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG unterliegen, und der Gewinne, die im Halbeinkünfteverfahren zu besteuern sind, im Verhältnis zum Gesamtgewinn aufzuteilen ist (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) IV B 2-S 2242-18/05 vom 20. Dezember 2005, H 16 Abs. 13 Einkommensteuerhandbuch 2007). Dieser Auffassung scheint sich ein Teil der Kommentarliteratur anzuschließen (Blümich Kommentar zum EStG, § 16, Rdn. 453 a;).

Ein anderer Teil der Literaturmeinung geht jedoch davon aus, dass der Freibetrag nur vom noch verbleibenden steuerpflichtigen Gewinnanteil abzuziehen ist. Der Freibetrag soll in einem solchen Falle zugunsten des Steuerpflichtigen zunächst bei dem anteiligen Gewinn aus der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile berücksichtigt werden. Nur wenn dieser anteilige Gewinn aus der Veräußerung kleiner als der Veräußerungsfreibetrag ist, mindert der verbleibende des Veräußerungsfreibetrags die Einkünfte, die nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG ermäßigt besteuert werden können (Hagen/Schynul, Die Besteuerung außerordentlicher Einkünfte nach dem Steuersenkungsgesetz und dem Steuersenkungsergänzungsgesetz, DB 2001, 397 f; Schmidt-Wacker § 16 EStG, Rdn. 587; Littmann/Bitz/Pust § 16 EStG, Rdn. 242; Schoor, Freibetrag für Betriebsveräußerungs- und -aufgabegewinne DStZ 2004, 627, 630; Hermann/Heuer/Raupach-Kulosa § 16 EStG Rdn. 535 + -Intemann § 3 Nr. 40 EStG, Rdn 118). Teilweise wird dem Steuerpflichtigen diesbezüglich auch ein Wahlrecht zugebilligt (Stahl, KÖSDI 2001, 12838, 12842).

Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, dass der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG vorrangig bei den voll steuerpflichtigen Einkünften (nach dem Halbeinkünfteverfahren) zu berücksichtigen ist.

Aus dem Wortlaut der Vorschrift sowie ihrer Entstehungsgeschichte und Stellung im Gesetz ist zu entnehmen, dass der Freibetrag für steuerpflichtige Veräußerungsergebnisse konzipiert wurde. Außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG stellen jedoch eine besondere Art von Einkünften innerhalb einer Einkunftsart dar, die von anderen Einkünften der gleichen Einkunftsart zu trennen ist. § 34 EStG stellt eine Begünstigungsnorm dar. Die Tarifermäßigung soll, soweit irgend möglich, den Steuerpflichtigen zugute kommen. Um dies zu erreichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bei den der ermäßigten Besteuerung des § 34 EStG unterliegenden außerordentlichen Einkünften ein Verlustausgleich in der Regel nicht vorzunehmen, solange hierfür tariflich zu versteuerndes Einkommen zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 1966 IV 299/65, BStBl III 1966, 544; vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BStBl 1995, 467). Weiterhin wurde bereits entschieden, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag bei den nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG begünstigten außerordentlichen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur insoweit abzuziehen ist, als tariflich voll zu besteuernde Einnahmen dieser Einkunftsart dafür nicht mehr zur Verfügung stehen (Urteil des BFH vom 29. Oktober 1998 XI R 63/97, BStBl II 1999, 588). Daraus kann geschlossen werden, dass eine Meistbegünstigung der Steuerpflichtigen erreicht werden soll. Die Begünstigungswirkung sowohl des § 16 Abs. 4 EStG wie auch des § 34 EStG würde jedoch durch die Aufteilung eines Freibetrages beeinträchtigt. Im Ergebnis würden die tariflich voll zu besteuernden Einkünfte erhöht und die außerordentlichen Einkünfte vermindert. Dies steht im Widerspruch zum Begünstigungszweck der Normen. Somit ist der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG in voller Höhe beim steuerpflichtigen Teil des dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Dem Beklagten wird die Ausrechnung der Steuer gem. § 100 Abs. 2 S. 2 FGO übertragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

RechtsgebietEStG

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