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20.03.2009 · IWW-Abrufnummer 090781

Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 14.01.2009 – 2 Ss OWi 1538/08

Macht der Betr. für sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung dringende berufliche Gründe geltend, kann das Gericht die genügende Entschuldigung nur prüfen, wenn die dafür maßgebenden Tatsachen vorgetragen werden. Hierfür ist erforderlich, dass der Betr. vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (Anschluss an BayObLG NStZ 2003, 98 und OLG Bamberg DAR 2008, 217 = OLGSt StPO § 329 Nr 29 = StRR 2008, 305 f.).


OLG Bamberg, Beschl. v. 14. 01. 2009 - 2 Ss OWi 1538/08

Zum Sachverhalt:
Mit Bußgeldbescheid vom 24.10.2005 wurde gegen den Betr. wegen einer am 29.07.2005 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 51 km/h eine Geldbuße von 150,00 € und ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betr. verwarf das AG mit Urteil vom 30.07.2008 gemäß § 74 II OWiG und führte zur Begründung u.a. aus, dass es sich bei den „nicht spezifiziert vorgetragenen Entschuldigungsgründen“ um solche rein beruflicher Natur handele und dem Gericht auch keine anderen Umstände bekannt geworden seien, warum der Betr. nicht zum Termin habe kommen können. Die Rechtsbeschwerde des Betr. blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Entgegen der Auffassung der GenStA ist die Rechtsbeschwerde innerhalb der Frist des § 341 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG eingelegt worden. Gemäß § 79 IV OWiG beginnt die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde mit der Zustellung des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 III OWiG durch einen schriftlich bevollmächtigten Vertreter vertreten worden ist. Nur wenn der Betr. in der Hauptverhandlung befugterweise (§ 73 III OWiG), d.h. nach Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, durch einen dazu schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten gewesen ist, beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde mit der Verkündung des Urteils (KK/Senge OWiG 3. Aufl. § 79 Rn. 55). Vorliegend war der Betr. von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht nach § 73 III OWiG entbunden worden, weshalb der Lauf der einwöchigen Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde mit Zustellung des Urteils am 08.09.2008 begann und gemäß §§ 43 StPO, 46 OWiG mit Ablauf des 15.09.2008 endete. Die am 15.09.2008 beim AG eingegangene Rechtsbeschwerde ist damit fristgemäß eingelegt worden.

2. Jedoch bleibt die – schlüssig – erhobene Verfahrensrüge ohne Erfolg:

a) Gemäß § 344 II 1 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG muss aus der Rechtsbeschwerdebegründung hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Hierzu enthält die Rechtsbeschwerdebegründung keine ausdrücklichen Angaben, ist aus ihrem Inhalt in Verbindung mit der Gegenerklärung der Verteidigung vom 11.12.2008 aber dahingehend auszulegen, dass ein Verstoß gegen § 74 II OWiG geltend gemacht werden soll. Da die Begründung so auszulegen ist, dass der mit der Rechtsbeschwerde angestrebte Erfolg eintreten kann (vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 344 Rn. 11), ist von der Erhebung einer Verfahrensrüge auszugehen, da ein Verstoß gegen § 74 II OWiG grundsätzlich nur mit dieser geltend gemacht werden kann (KK/Senge a.a.O. § 74 Rn. 56; Göhler OWiG 14. Aufl. § 74 Rn. 48 b).

b) Die Verfahrensrüge ist unzulässig, soweit gerügt werden soll, dass das AG dem Terminsverlegungsantrag bzw. dem Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen zu Unrecht nicht stattgegeben und von daher die Abwesenheit des Betr. rechtsfehlerhaft als nicht entschuldigt angesehen habe. Insoweit entspricht sie nicht den Anforderungen des § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG. Da ein Prozessurteil im Sinne von § 74 II OWiG nur mit der Verfahrensrüge angefochten werden kann, ist es grundsätzlich erforderlich, alle den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau mitzuteilen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (Meyer-Goßner a.a.O. § 344 Rn. 24; KK/Senge a.a.O. § 74 Rn. 56; Göhler a.a.O. § 74 Rn. 48 c ). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich danach, ob sich der Verfahrensfehler bereits aus dem Inhalt des angefochtenen Urteils ergibt (BayObLG NStZ-RR 97, 182). Wenn sich der behauptete Entschuldigungsgrund – wie hier jedenfalls in Bezug auf den Terminsverlegungsantrag bzw. auf den Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen - nicht aus den Urteilsgründen ergibt, ist es erforderlich, dass im Rahmen der Verfahrensrüge nicht nur der Entschuldigungsgrund selbst mitgeteilt wird, sondern auch, wann und in welchem Umfang der Entschuldigungsgrund dem Gericht bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Nur dann kann das Rechtsbeschwerdegericht prüfen, ob das Gericht eine ihm bekannte Tatsache rechtlich unzutreffend gewürdigt oder sich mit ihr in den Urteilsgründen nicht auseinandergesetzt hat. Vorliegend fehlt es bereits am Vortrag, dass überhaupt ein Terminverlegungsantrag bzw. ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen gestellt worden ist.

c) Die Verfahrensrüge ist demgegenüber – noch – zulässig, soweit gerügt werden soll, dass das AG die Abwesenheit des Betr. wegen dringender beruflicher Angelegenheiten rechtsfehlerhaft als nicht entschuldigt angesehen habe. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

aa) Das Vorbringen im Rahmen der Rechtsbeschwerde enthält sinngemäß die Beanstandung, das AG hätte das Ausbleiben des Betr. wegen dringender beruflicher Verpflichtungen nicht als unentschuldigt ansehen und deshalb den Einspruch nicht verwerfen dürfen. Damit werden die Gründe der angefochtenen Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Verkennung des Rechtsbegriffs der genügenden Entschuldigung zur Überprüfung gestellt. Dies ist im vorliegenden Fall ausreichend, da sich das Verwerfungsurteil mit dem diesbezüglichen Entschuldigungsvorbringen des Betr. auseinandersetzt. Somit kann das Rechtsbeschwerdegericht anhand der Urteilsgründe prüfen, ob das Gericht eine ihm bekannte Tatsache rechtlich unzutreffend gewürdigt oder sich mit ihr in den Urteilsgründen nicht hinreichend auseinandergesetzt hat (vgl. OLG Düsseldorf ZfSch 95, 155).

bb) Zwar ist das angefochtene Urteil insoweit fehlerhaft, als das AG den vom Betr. vorgebrachten Entschuldigungsgrund nicht hinreichend mitgeteilt und erörtert hat. In einem Urteil, in dem ein Einspruch nach § 74 II OWiG verworfen wird, sind eventuelle Gründe, die das Ausbleiben des Betr. entschuldigen könnten, mitzuteilen und zu erörtern (Göhler a.a.O. § 74 Rn. 34 f). Anderenfalls kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht beurteilen, ob diese Umstände vollständig und rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind (BayObLG NZV 1999, 139/140; OLG Bamberg wistra 2007, 79). Hier heißt es in den Urteilsgründen hierzu lediglich, die „nicht spezifiziert vorgetragenen Entschuldigungsgründe“ seien „rein beruflicher Natur“. Berufliche Verpflichtungen gingen „jedoch dem Gerichtstermin nicht vor“. Einzelheiten zum mit Schriftsatz der Verteidigung vom 03.07.2008 mitgeteilten Entschuldigungsvorbringen und eine Abwägung der öffentlich-rechtlichen Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung gegen den Grund des Ausbleibens sind dem Urteil aber nicht zu entnehmen. Das Urteil ist daher insoweit rechtsfehlerhaft (BayObLG NStZ-RR 1999, 187; OLG Hamm NZV 2003, 348).

cc) Auf diesem Mangel einer hinreichenden Begründung beruht das Verwerfungsurteil jedoch nicht, weil die vom Betr. vor Erlass des Urteils vorgetragenen Entschuldigungsgründe von vornherein und offensichtlich ungeeignet waren, sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung genügend zu entschuldigen (BayObLG NStZ-RR 1999, 187; VRS 61, 28; OLG Hamm VRS 68, 55; OLG Köln VRS 93, 186). In den Fällen, in denen sich der Betr. darauf beruft, aus zwingenden beruflichen Gründen der Hauptverhandlung ferngeblieben zu sein, kann das Gericht die genügende Entschuldigung nur prüfen, wenn die dafür maßgebenden Tatsachen vorgetragen werden (BayObLG NStZ 2003, 98). Nach § 74 II OWiG kann ein Betr. nicht nur entschuldigt sein, wenn er zwar erscheinen will, aber nicht erscheinen kann, sondern auch, wenn er zwar in der Verhandlung erscheinen könnte, dies aber unzumutbar wäre. Grundsätzlich gilt hierfür, dass berufliche Verpflichtungen gegenüber der Pflicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, zurückzutreten haben. Nur in besonderen Einzelfällen können auch berufliche Hinderungsgründe dazu führen, dass das Fernbleiben einem Betr. nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierbei können nur unaufschiebbare Geschäfte oder berufliche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung dazu führen, dass die öffentlich rechtliche Pflicht zur Befolgung der Ladung zurückzutreten hat (OLG Bamberg wistra 2007, 79 f. = VRR 2007, 74 f. m. Anm. Gieg; KK/Senge, a.a.O. § 74 Rn. 32 m.w.N.). Darüber, ob für einen Betr. ein Fall vorliegt, in dem ihm die Teilnahme an der Hauptverhandlung wegen anderweitiger beruflicher Verpflichtungen unzumutbar ist, ist durch Abwägen der öffentlich-rechtlichen Pflicht, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, gegen den Grund seines Ausbleibens zu befinden. Bei der Güterabwägung sind insbesondere Art und Anlass der beruflichen Inanspruchnahme auf der einen und die Bedeutung des den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden Vorwurfs auf der anderen Seite zu berücksichtigen. Dabei trifft den Betr. hinsichtlich des Entschuldigungsgrundes zwar grundsätzlich keine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder gar zu einem lückenlosen Nachweis. Erforderlich ist jedoch, dass der Betr. vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (OLG Bamberg DAR 2008, 217 = OLGSt StPO § 329 Nr 29 = StRR 2008, 305 ff. m. Anm. Gieg). Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein Beschwerdeführer, um dem Gebot der Rechtswegerschöpfung als Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zu genügen, alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen hat, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern, wozu auch gehört, dass er seiner prozessualen Darstellungslast durch rechtzeitigen Vortrag aller ihn begünstigenden Umstände entsprochen hat (vgl. BVerfG NJW 2005, 3769; NStZ-RR 2005, 346). Macht ein Betr. eine beruflich bedingte Verhinderung geltend, ist es nach den oben dargelegten Maßstäben daher erforderlich, die Art der Geschäfte selbst, deren Wichtigkeit und unaufschiebbare Dringlichkeit darzutun, damit das Gericht beurteilen kann, ob das Vorbringen als Entschuldigung genügen könnte, wenn es zutrifft (vgl. BayObLG a.a.O.). Der Betr. hat vorliegend weder mitgeteilt, welche Art von Geschäften zu erledigen waren, noch warum die Wahrnehmung des Termins von so erheblicher beruflicher Bedeutung war, dass dessen Erledigung zu einem etwas späteren Zeitpunkt unzumutbar gewesen wäre. Das tatsächliche Vorbringen im Schriftsatz vom 03.07.2008, der Betr. könne „in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer zum vorgesehenen Verhandlungszeitraum leider nicht zur Verfügung stehen, da ein bereits seit langen anberaumter, dringender und wegen anderer Beteiligte nicht verschiebbarer Termin in G. anberaumt“ sei, und in der Hauptverhandlung vom 30.07.2008, der Betr. befinde sich „unabkömmlich auf einer Dienstreise“, war daher nicht geeignet, den Betr. zu entschuldigen. Seiner von Amts wegen gegebenen Prüfungspflicht, ob der Betr. tatsächlich entschuldigt war, ist das Gericht bereits dadurch nachgekommen, dass es mit Verfügung vom 11.07.2008 den Betr. aufgefordert hat, einen Nachweis für den Verlegungsgrund vorzulegen. Damit war für den Betr. erkennbar, dass sein bisheriger Vortrag vom Gericht nicht als ausreichend angesehen wurde, und er hatte Gelegenheit, die offenkundigen Zweifel des Gerichts durch weitere Darlegungen zu entkräften. Davon hat der Betr. jedoch keinen Gebrauch gemacht.

3. Die – konkludent – erhobene allgemeine Sachrüge bleibt ebenfalls ohne Erfolg (wird ausgeführt).

RechtsgebieteStPO, OWiGVorschriftenStPO §§ 43; 341 I; 344 II 2; OWiG §§ 73 III; 74 II; 79 IV

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