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06.02.2009 · IWW-Abrufnummer 090484

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 14.07.2008 – 15 UF 46/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


15 UF 46/08
58 F 279/07 Amtsgericht Kiel

verkündet am: 14. Juli 2008

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

In der Familiensache XXX

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2008 durch den Einzelrichter für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Familiengericht – Kiel vom 29. Februar 2008 teilweise geändert und im Ganzen wie folgt gefasst:

Der am 27. Mai 2004 vor dem Amtsgericht Kiel geschlossene Vergleich (52 F 252/03) wird unter Klagabweisung im Übrigen dahingehend geändert, dass der Kläger an die Beklagte folgenden nachehelichen Unterhalt zu zahlen hat:
vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2006 monatlich 72,44 €,
vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 monatlich 57,60 €,
vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 monatlich 59,60 €.

Für die Zeit ab 1. Januar 2008 schuldet der Kläger der Beklagten keinen nachehelichen Unterhalt mehr.

Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien sind seit dem 10.2.2004 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist der Sohn Hendrik Gerd K., geboren am 11.8.1991, hervorgegangen. Durch gerichtlichen Vergleich vom 27.5.2004 – 52 F 252/03 Amtsgericht Kiel – verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 167,00 € zu zahlen. Der Kläger begehrt eine Änderung des Vergleiches dahingehend, dass er der Beklagten keinen Unterhalt mehr schuldet.

Der Kläger befand sich schon zur Zeit des Abschlusses des Vergleiches im Ruhestand und bezieht ein Ruhegehalt. Die Beklagte hat schon während der Ehezeit bei der GMSH, Zweigniederlassung Kiel, teilzeit gearbeitet. Seit Mai 2006 arbeitet sie Vollzeit bei der GMSH.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

die Ziffer 1) des am 27.5.2004 geschlossenen Vergleichs dahin abzuändern, dass er der Beklagten ab 1.7.2006 keinen Unterhalt mehr schuldet.

Die Beklagte hat eine Reduzierung ihres Unterhaltsanspruchs auf 110,91 € monatlich anerkannt und im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat den am 27.5.2004 geschlossenen gerichtlichen Vergleich dahingehend abgeändert, dass der Kläger ab 1. Juli 2006 der Beklagten keinen Unterhalt mehr schuldet. Es hat u.a. ausgeführt, dass das Arbeitseinkommen der Beklagten das Pensionseinkommen des Klägers übersteige. In einer solchen Situation könne nicht rechnerisch ein Einkommensgefälle zu Ungunsten der Beklagten herbeigeführt werden, dass der Kläger auszugleichen habe. Der dem berufstätigen Teil grundsätzlich gebührende Erwerbstätigenbonus könne nicht dazu verwandt werden, eine Differenz zwischen den Einkünften der Parteien überhaupt erst herzustellen. – Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das amtsgerichtliche Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Die Beklagte trägt vor, die Einmalzahlungen in den Monaten Juli, November und Dezember 2006 müssten auf das gesamte Jahr 2006 umgelegt werden. Es ergebe sich dann für die Zeit von Juli bis Dezember 2006 ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.551,70 €.

Ihr Einkommen sei um den Erwerbstätigenbonus zu bereinigen. Der Bedarf des Unterhaltsberechtigten bestimme sich zu 3/7 der Arbeitseinkommen des Unterhaltsverpflichteten, falls der Unterhaltsberechtigte über kein eigenes Einkommen verfüge, oder zu 3/7 des Unterschiedsbetrages des Arbeitseinkommens des Verpflichteten und des Berechtigten. Bei der Ermittlung ihres Bedarfs sei der Erwerbstätigenbonus auf Grund der von ihr ausgeübten Erwerbstätigkeit abzuziehen. Bereits im Rahmen des gerichtlichen Vergleiches vom 27.5.2004 sei der Erwerbstätigenbonus berücksichtigt worden. Weshalb dies nunmehr unberechtigt sein solle, erschließe sich ihr nicht.

Die Beklagte beantragt,

den am 27.5.2004 vor dem Amtsgericht Kiel geschlossenen Vergleich dahingehend zu ändern, dass der Kläger an sie folgenden nachehelichen Unterhalt zu zahlen hat:
vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2006 monatlich 73,17 €,
vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 monatlich 57,60 €,
vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2007 monatlich 59,60 €,
ab 1. Januar 2008 monatlich 0 €.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger erwidert, die Aufwendungen für die Anmietung eines Parkplatzes seien im unterhaltsrechtlichen Sinne als berufsbedingte Aufwendungen irrelevant. Einmalzahlungen seien unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, und zwar in dem Zeitraum, in dem sie zugeflossen seien. Allein entscheidend sei aber, dass entgegen der Auffassung der Beklagten ihr Einkommen nicht um den Erwerbstätigenbonus zu bereinigen sei. Wenn allein durch die Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus auf Seiten einer vermeintlich Unterhaltsberechtigten ein Bedarf gleichsam konstruiert werde, dann führe dies nicht zu einem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist, von einer ganz geringfügigen Differenz abgesehen, begründet.

Die Beklagte hat gegen den Kläger einen vertraglichen Aufstockungsunterhaltsanspruch bis zum 31.12.2007. Der gerichtliche Vergleich ist an die neuen Einkommensverhältnisse der Beklagten ab Juli 2007 anzupassen. Dabei sind die anrechenbaren Einkünfte der Parteien folgendermaßen zu errechnen:

2006
Einkommen des Klägers durchschnittlich 1.922,77 €
Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag - 188,00 €
Tabellenbetrag des gezahlten Kindesunterhalts - 373,00 €
1.361,77 €

Einkommen der Beklagten
Beim Einkommen der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass sie in den Monaten 1 bis 4/06 nur teilzeit gearbeitet hat. Würde man ihren durchschnittlichen Verdienst des gesamten Jahres 2006 berücksichtigen, würde ein höherer Unterhalt errechnet, als wenn eine Zäsur gemacht wird und nur das Einkommen aus der vollschichtigen Tätigkeit errechnet wird. Da eine Änderung des Vergleiches ab 7/06 beantragt ist, erscheint es sinnvoll, das Einkommen ab 7/06 zugrunde zu legen. Dabei müssen die Einmalzahlungen in 7, 11 + 12/06 auf das ganze Jahr umgelegt werden. Dies ergibt ein Einkommen in Höhe von 1.441,70 € + 110,00 € durchschnittliche Einmalzahlungen, wie von der Beklagten errechnet, also 1.551,70 €.

Das angegebene Einkommen ist um 6,65 € Vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers, 154,00 € Kindergeld und 25,00 € Parkplatzgebühr bereinigt.

Die Fahrtkosten mit dem Pkw betragen für 12 Entfernungskilometer - 132,00 €
1.419,70 €

Die Fahrtkosten mit dem Pkw sind als berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Sie stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem erzielten Einkommen. Die ehelichen Lebensverhältnisse waren durch die Fahrten der Beklagten zu ihrem Arbeitsplatz mit dem Pkw geprägt. Auch in dem abzuändernden Vergleich sind Pkw-Kosten als Abzugsposten enthalten.

Ebenfalls ist die Parkplatzgebühr als berufsbedingte Aufwendung abzuziehen. Die Arbeitsstelle der Beklagten befindet sich im Zentrum von Kiel. Die Beklagte hätte kaum Chancen, regelmäßig einen gebührenfreien Parkplatz in der Nähe ihrer Dienststelle zu finden.
1.419,70 € x 6/7 = 1.216,89 €.

Von dem Einkommen der Beklagten ist der Erwerbstätigenbonus abzuziehen. Der Bundesgerichtshof hält in gefestigter ständiger Rechtsprechung daran fest, dass es dem Halbteilungsgrundsatz nicht widerspricht, zugunsten eines Erwerbstätigen von einer strikt hälftigen Aufteilung in maßvoller Weise abzuweichen, um den mit einer Berufsausübung verbundenen höheren Aufwand zu berücksichtigen und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof die in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte entwickelten Leitlinien gebilligt, bei deren Anwendung dem erwerbstätigen Ehegatten ein sog. Erwerbstätigenbonus aus dem verteilungsfähigen Einkommen vorab verbleibt, der Bedarf sich also nur aus den bereinigten und bei Erwerbstätigkeit vorab um den Bonus gekürzten Erwerbseinkünften berechnet. Der Vorabzug eines Erwerbstätigenbonus widerspricht nicht der Gleichwertigkeit der in der Ehe geleisteten Familienarbeit eines Ehegatten und der Erwerbstätigkeit des anderen, da nach der Surrogatslösung auch beim Bedürftigen nach Aufnahme einer Berufstätigkeit ein Erwerbstätigenbonus vorab abzuziehen ist (s. Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., Rn. 373 zu § 4 m.w.N.). Dementsprechend sehen die unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vor, dass der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten sich zu 3/7 des Arbeitseinkommens des Unterhaltsverpflichteten, falls der Unterhaltsberechtigte kein eigenes Einkommen erzielt, oder zu 3/7 des Unterschiedsbetrages der Arbeitseinkommen des Verpflichteten und des Berechtigten bestimmt. Sonstiges Einkommen ist hälftig zu teilen, falls nicht eine Herabsetzung dieser hälftigen Beteiligung durch besondere Gründe gerechtfertigt erscheint (Rn. 15.2 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien, Stand 1.1.2008).

Dafür, dass diese Grundsätze nur dann gelten sollen, wenn das Pensionseinkommen des Verpflichteten das Arbeitseinkommen des Berechtigten übersteigt, gibt es nach Auffassung des Berufungsgerichts keinen vernünftigen Grund. Soweit ersichtlich, wird diese Frage in der Rechtsprechung und Literatur nicht behandelt. Gegen eine solche Prämisse spricht auch der Sinn des Erwerbstätigenbonus. Den Erwerbstätigenbonus gibt es bei allen prägenden Erwerbseinkünften des Verpflichteten und des Berechtigten als Ausgleich für den mit einer Erwerbstätigkeit verbundenen besonderen Aufwand und als Arbeitsanreiz. Erst nach Abzug des Erwerbstätigenbonus wird die Unterhaltsquote gebildet.

Der Unterhaltsanspruch der Beklagten beträgt:
1.361,77 € - 1.216,89 € = 144,88 € : 2 = 72,44 €.

2007
Einkommen des Klägers nach Abzug des Kindesunterhalts wie 2006 1.361,77 €
Einkommen der Beklagten nach der Verdienstbescheinigung für 12/07 (Bl. 125) netto 20.485,28 €. Die Parkgebühr ist bereits abgezogen. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen beträgt 1.707,11 €.
Vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers - 6,65 €
Kindergeld - 154,00 €
1.546,46 €
Fahrtkosten - 132,00 €
1.414,46 €
x 6/7 1.212,39 €
Der Unterhaltsanspruch beträgt für 1 – 6/07 mindestens 57,60 € und für 7 – 12/07 unter Berücksichtigung des nunmehr nur noch in Höhe von 369,00 € abzuziehenden Kindesunterhalts mindestens 59,60 €.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 93 ZPO. Bei der Kostenentscheidung hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die Beklagte, soweit sie den Klagantrag anerkannt hat, zur Klage keine Veranlassung gegeben hat. Im Übrigen ist sie unterlegen, soweit ihr Unterhaltsanspruch 110,91 € nicht erreicht und soweit ihr ab 1.1.2008 ein Unterhaltsanspruch aberkannt worden ist. Die Kosten der zweiten Instanz sind dem Kläger nach §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

RechtsgebietFamilienrecht Vorschriften1573 BGB

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