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27.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090022

Landgericht Berlin: Urteil vom 29.04.2008 – 17 S 104/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 17 S 104/07
verkündet am 29.04.2008
229 C 57/07 Amtsgericht Charlottenburg

In dem Rechtsstreit XXX

hat die Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin, Littenstraße 12 - 17, 10179 Berlin(Mitte),
auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2008 durch den Richter am Landgericht XXX
als Einzelrichter für R e c h t erkannt :

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.05.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg - 229 C 57/07 - abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Die zulässig Berufung hat in der Sache Erfolg, da der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der Netto-Reparaturkosten gemäß Reparaturkalkulation vom 19. Oktober 2006 abzüglich des Selbstbehalts gemäß §§ 12 Abs. 6, 13 AKB.

Zwar liegt ein Unfall im Sinne der genannten Vorschriften vor, welcher grundsätzlich von der Fahrzeugvollversicherung umfasst ist.

Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Unfallgeschehen sich so zugetragen hat wie von der Klägerin behauptet, oder ob tatsächlich das klägerische Fahrzeug gegen ein stehendes Hindernis geraten ist. Denn die Beklagte ist auf jeden Fall gemäß §§ 7 V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 VVG wegen falscher Angaben der Klägerin in der Schadensanzeige von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei.

Nach den genannten Vorschriften besteht Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn der Versicherungsnehmer seine in § 7 I Abs. 2 Satz 4 AKB ausgeführten Obliegenheiten verletzt, nach dem Versicherungsfall alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Zu Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers gehört in der Fahrzeugversicherung auch die wahrheitsgemäße Unterrichtung des Versicherers über die Umstände, die für die Beurteilung der Schadenshöhe von Bedeutung sind. Dem Versicherer muss es durch richtige Auskünfte des Versicherungsnehmers ermöglicht werden, sachgemäße Feststellungen über die Ursache und das Ausmaß des Schadens zu treffen und demgemäß den Schaden zu regulieren. Er soll sich ohne eigene Nachforschungen auf die Richtigkeit der Angaben verlassen können (BGH VersR 1976, 849). Er darf sich hierbei regelmäßig darauf verlassen, in der Scha-densanzeige alle Tatsachen mitgeteilt zu bekommen, die er benötigt, um sich allein aufgrund der Angaben des Versicherungsnehmers ein zutreffendes Bild von dem Schadensfall machen zu können.

Zu den Umständen, über die aufgeklärt werden muss, gehören insbesondere etwaige Vorschäden, da diese stets, selbst wenn sie repariert worden sind, Einfluss auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges haben können. In der Fahrzeugvollversicherung spielt dies insbesondere sodann für die Frage eine Rolle, ob im konkreten Fall Reparaturwürdigkeit des Fahrzeuges besteht, oder der Versicherungsnehmer auf Totalschadenbasis abrechnen muss.
Der Versicherungsnehmer ist insoweit verpflichtet, die Frage nach etwaigen Vorschäden wahr-heitsgemäß und vollständig zu beantworten.

Die Klägerin hat hier in der von ihr unter dem 20.10.2006 ausgefüllten und unterschriebenen Schadensanzeige der Beklagten die Frage nach früheren Beschädigungen am Fahrzeug verneint. Es ist insoweit zunächst nicht zutreffend, wie in der Klageschrift vorgetragen, dass die Klägerin wahrheitsgemäß angegeben hätte, dass das Fahrzeug im Bereich der jetzigen Beschädigungsstelle keine früheren Beschädigungen erlitten hat. In der Schadensanzeige war hiernach nicht gefragt, sondern allgemein nach früheren Beschädigungen am Fahrzeug.

Tatsächlich war jedoch das klägerische Fahrzeug bereits zweimal von einem Schadensfall betroffen, nämlich am 06.07.2005 anlässlich eines Einbruchsdiebstahls in das Fahrzeug, bei welchem ein Schaden in Höhe von 4.392,50 € entstanden war, sowie am 04.12.2004 ein Heckschaden, welcher zu Reparaturkosten in Höhe von 1.531,69 € führte. Dieser zuletztgenannte Schadensfall vom 04.12.2004 wurde über die frühere Versicherung der Klägerin, die XXX AG, reguliert, während der erstgenannte Schaden von der Beklagten im Rahmen des Teilkaskoversicherungsvertrages reguliert worden ist.

Die Angabe der Klägerin in der Schadensanzeige ist somit objektiv falsch und zumindest bezüglich des von der früheren Versicherung regulierten Schadens bestand insoweit auch ein Aufklärungsbedürfnis seitens der Beklagten.

Liegt damit der objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung vor, so wird gesetzlich vermutet, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich gehandelt habe (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH VersR 1998, 577; Römer/Langheid, VVG, § 6 Rdnr. 94).

Der Klägerin obliegt sodann die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat (Prölls/Martin, VVG, 26. Aufl., § 7 AKB Rdnr. 77).

Ein solcher Entlastungsbeweis ist der Klägerin nicht gelungen.

Soweit sie sich auf nicht ausreichende Deutschkenntnisse beruft, entlastet sie dies nicht, da sie sich in diesem Fall entsprechender Hilfe bedienen muss, um die Fragen ordnungsgemäß zu beantworten. Anderenfalls handelt es sich um Angaben ins Blaue hinein und somit um zumindest bedingten Vorsatz.

Im Übrigen konnte sich das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2008 selbst davon überzeugen, dass die Klägerin offensichtlich über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, um eine solch einfache Frage, wie die nach früheren Beschädigungen am Fahrzeug, verstehen zu können.

Auch das Telefongespräch vom 17.10.2006 vermag die Vorsatzvermutung nicht zu erschüttern, selbst wenn es den von der Klägerin behaupteten Inhalt besessen hat. Es mag sein, dass die Gesprächspartnerin der Klägerin bei dieser ersten telefonischen Schadensanzeige nach etwaigen Vorschäden gefragt hat, die sich im selben Schadensbereich befunden hätten.

Die Klägerin trägt selbst nicht vor, dass sich die Beklagte mit der von ihr daraufhin gemachten Angabe zufrieden gestellt hätte und auf weitere Aufklärung verzichtet hätte; dem widerspricht im Übrigen bereits die nach dem Gespräch erfolgte Übersendung des schriftlichen Schadensanzeigeformulars. Damit war klar, dass die Beklagte weitere Informationen zur Regulierung des Schadensfalles benötigte und die Klägerin war im Rahmen ihrer Aufklärungspflichten gehalten, diese Informationen vollständig und wahrheitsgemäß zu erbringen.

Für die Leistungsfreiheit des Versicherers kommt es, weil die Obliegenheitsverpflichtung vorsätzlich erfolgte, im Übrigen gemäß § 6 Abs. 3 VVG nicht darauf an, ob die Obliegenheitsverletzung z.B. Einfluss auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer sonst obliegenden Leistung hätte haben können. Vielmehr führt eine vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit zur Auskunft (im Sinne von § 34 VVG) zur vollen Verwirkung des Anspruchs.

Die Sanktion der völligen Leistungsfreiheit des Versicherers bei vorsätzlichen, aber letztlich folgenlosen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen die Aufklärungsobliegenheit ist durch die sogenannte Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingeschränkt worden. Danach kann sich der Versicherer unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben bei vorsätzlichen aber letztlich folgenlosen Verstößen aber nicht auf die vertraglich vereinbarte völlige Leistungsfreiheit berufen, wenn der - folgenlose - Verstoß des Versicherungsnehmers gegen die Aufklärungsobliegenheiten nicht generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und wenn dem Versicherungsnehmer nicht ein grobes (oder schweres) Verschulden vorzuwerfen ist. Für beides ist der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweispflichtig (so schon BGH VersR 1984, 228), was vom Amtsgericht offenbar verkannt worden ist.

Voraussetzung für die Anwendung dieser Relevanzrechtsprechung ist jedoch zunächst, dass die Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben ist, dem Versicherer also bei der Feststellung des Versicherungsfalles oder des Schadensumfanges keine Nachteile entstanden sind. Auch dies hätte die Klägerin erst einmal darzulegen und auch zu beweisen (vgl. BGH NJW-RR 1993, 1049; ZFS 2004, 462). Hierbei folgt eine folgenlose Verletzung der Aufklärungspflicht jedenfalls nicht schon daraus, dass die Beklagte eine Regulierung letztlich abgelehnt hat (BGH, a.a.O.).

Die Klägerin lässt hierzu lediglich vortragen, dass im vorliegenden Fall von keiner vorsätzlichen falschen Aussage auszugehen sei, die für die Versicherung von Relevanz wäre. Dies reicht bereits nicht, um die o.g. Darlegungslast zu erfüllen.

Selbst wenn man von den Voraussetzungen der Anwendung der Relevanzrechtsprechung hier ausginge, so ist festzuhalten, dass das Verschweigen von Vorschäden generell geeignet ist, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, da dadurch eine den Wert des Fahrzeugs übersteigende Entschädigung gezahlt werden kann (KG R + S 2004, 408). Wie bereits ausgeführt, geht es hierbei nur um die generelle Eignung. Eine tatsächliche entsprechende Auswirkung im konkreten Fall muss demgegenüber nicht feststehen.

Der Vorwurf eines erheblichen Verschuldens ist bei vorsätzlich falschen Angaben regelmäßig begründet, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände das Verhalten des die falsche Angaben machenden Versicherungsnehmers in einem milderen Licht erscheinen lassen (OLG Hamm VersR 1981, 454). Derartige Umstände sind von der Klägerin hier jedoch nicht vorgetragen, insoweit kann auf das o.g. zum Vorsatz verwiesen werden. Etwas anderes könnte man allenfalls annehmen, wenn die Klägerin in der Schadensanzeige auf das Telefonat Bezug genommen hätte oder, wenn das Telefonat aus Anlass des Ausfüllens der übersandten Schadensanzeige stattgefunden hätte, die Klägerin also bezüglich der konkreten Frage nach Beschädigungen am Fahrzeug bei der Beklagten nachgefragt hätte und sodann die von ihr behauptete Mitteilung erhalten hätte.

Schließlich fehlt es auch nicht an der notwendigen Belehrung der Klägerin darüber, dass vorsätzlich unwahre oder unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen können, selbst wenn der Gesellschaft dadurch kein Schaden entsteht. Hierüber ist die Klägerin in auffälliger Weise im Schadensanzeigeformular belehrt worden.

Auch unter Anwendung der so genannten Relevanzrechsprechung ist somit eine Leistungsfreiheit der Beklagten gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, lagen nicht vor.

RechtsgebietSchadensrechtVorschriften§§ 6, 7, 13, 13 AKB

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