Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

08.01.2009 · IWW-Abrufnummer 084041

Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 16.06.2008 – 4 U 1046/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Aktenzeichen: 4 U 1046/07
8 O 322/06 LG Dresden

Beschluss

des 4. Zivilsenats

vom 08.10.2007

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Forderung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

XXX

beschlossen:

I.

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 ZPO). Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Versicherungssumme aus § 1 VVG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag unter Einbeziehung der Unfallversicherungsbedingungen (AVUB 2000) zu. Die mit der Berufung hiergegen erhobenen Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.

1.1 Voraussetzung für den Eintritt der Unfallversicherung ist, dass ein Unfall im Sinne von Ziff. 1.3 AVUB 2000 vorliegt. Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet. Bei einem Unfall muss es sich um ein äußeres Ereignis handeln, das - nicht willensgesteuert - zwar auch im Verlauf einer willentlich in Gang gesetzten Eigenbewegung des Versicherten auftreten kann, dann aber zumindest mitursächlich für die Gesundheitsbeschädigung wird (BGH VersR 1989, 73). Bei Kraftanstrengungen, die eine willensgesteuerte Eigenbewegung darstellen und zu einer inneren Verletzung führen, liegt kein Unfall im Sinne der Ziff. 1.3 AVUB 2000 vor. So liegt hier der Fall. Die Kraftanstrengung, die der Kläger bei dem Anheben des Mineralwasserkastens unternommen hat, war in ihrem ganzen Verlauf eine willensgesteuerte Eigenbewegung. Der Mineralwasserkasten blieb ausschließlich Einwirkungsobjekt des Klägers, weil es allein von seinem Willen abhing, ob und wie stark er in Einwirkung auf ihn seine Kräfte entfaltete. Die Arbeit mit oder an einem Gegenstand ist keine Einwirkung, solange diese ausschließlich Objekt von Bemühungen bleibt, also keine Eigendynamik entwickelt und der Geschädigte nicht stürzt oder umknickt (Prölss/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 1 AUB 88 Rn. 8). Die durch das Anheben eines Gegenstandes ausgelöste Gesundheitsbeschädigung stellt keinen Unfall in diesem Sinne dar.

1.2 Ein Versicherungsschutz ergibt sich vorliegend auch nicht aus Ziff. 1.4 AVUB 2000. Diese Bestimmung erweitert den Versicherungsschutz auf Vorfälle, die sich nicht bereits unmittelbar als Unfall im Sinne der Ziff. 1.3 AVUB 2000 darstellen, weil es an einer von außen kommenden Einwirkung fehlt. Nach dieser Bestimmung gilt als Unfall auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule entweder ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt und gerissen werden.

1.2.1 Nach Auffassung des Senats ist bei dem Kläger kein Schaden an den Gliedmaßen oder der Wirbelsäule eingetreten. Bei dem Anheben des Mineralwasserkastens ist eine sogenannte Rotatorenmanschettenruptur bzw. eine Ruptur der Supraspinatussehne im Bereich des rechten Schultergelenks eingetreten. Da die Schulter dem Rumpf und nicht dem Arm zuzuordnen ist, besteht für eine durch erhöhte Kraftanstrengung verursachte Verletzung in der Schulter kein Versicherungsschutz. Denn mit Gliedmaßen sind Körperextremitäten gemeint, die hier nicht betroffen sind, weil die Schulter dem Rumpf zuzuordnen ist (vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, § 47 Rn. 31; van Bühren/Schubach, Handbuch Versicherungsrecht, 3. Aufl., § 16 Rn. 72; LG Berlin ZfS 1991, 317).

1.2.2 Würde man einen Unfall bzw. ein dem gleichgestellten Ereignis annehmen, wäre weitere Voraussetzung, dass die Gesundheitsschädigung Folge dieses Ereignisses ist. Nachdem die Beklagte eine kausale Verknüpfung zwischen dem Anheben des Kastens und der Gesundheitsbeschädigung bestritten hat, oblag es dem einen Anspruch auf Versicherungsleistungen erhebenden Kläger, den Beweis dafür zu erbringen, dass der Vorfall für seine Beschwerden ursächlich war. Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden, denen der Senat folgt. Die Kausalität zwischen dem äußeren Ereignis und der Gesundheitsschädigung fehlt auch dann, wenn die Schädigung zwar von dem Ereignis ausgelöst wurde, aber dadurch lediglich eine bereits vorbestehende gesundheitliche Beeinträchtigung sichtbar wurde, die auch durch jeden anderen Anlass hätte in Erscheinung treten können. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte Gelegenheitsursache (vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann, a.a.O., § 47 Rn. 29; Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § 1 AUB Rn. 28 und 50). Der Sache nach handelt es sich um eine Einschränkung des Versicherungsschutzes aufgrund einer wertenden Betrachtung: Der Unfallversicherer gewährt Schutz davor, dass sich die gesundheitliche Konstitution der versicherten Person durch das Unfallereignis richtungsweisend verändert. Ist hingegen die Schädigung durch innerkörperliche Vorgänge - meist Vorerkrankungen oder degenerative Veränderungen - schon derart vorprogrammiert, dass sie bei jedem geringfügigen und beliebig austauschbaren Anlass nach außen treten kann, ist es nicht mehr gerechtfertigt, den Unfallversicherer nur deswegen als eintrittspflichtig anzusehen, weil der Schaden zufällig durch ein Ereignis zu Tage getreten ist, das unter den Unfallbegriff der AUB fällt. Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Fälle, in denen ganz erhebliche Vorschädigungen vorliegen, die über kurz oder lang ohnehin zu den durch das Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschäden geführt hätten.

So liegt hier der Fall. Der Sachverständige Dr. B...... hat ausgeführt, dass Ursache des behaupteten Schadens eine degenerative Vorschädigung der Rotatorenmanschette und letztlich die entsprechende Stocknutzung nach einer vorherigen Unterschenkelamputation mitursächlich war. Bei dem Kläger hätten deutliche degenerative Veränderungen vorgelegen. Das Anheben des Mineralwasserkastens sei lediglich ein Anlass für die Läsion gewesen, nicht aber deren Ursache. Denn eine nicht vorbeschädigte Sehne würde bei einer derartigen Belastung nicht reißen.

Das Ergebnis des Sachverständigengutachtens wird durch die ärztlichen Stellungnahmen von Dr. B....... und Dr. B....... gestützt. Dr. B....... hat angegeben, das Anheben eines Mineralwasserkastens sei nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur zu bewirken. Die Sehne sei ausweislich der vorgelegten Kernspintomographie vom 08.11.2002 bereits vor dem Unfall zerrissen gewesen. Insofern sei das Ereignis nur der äußere Anlass gewesen, bei dem der bis dahin unbemerkt bereits vorhandene Schaden zu Tage getreten sei. Ebenso hat Dr. B....... erläutert, dass das Anheben eines Wasserkastens eine alltägliche Verrichtung sei, wobei eine altersentsprechende normale, rissfeste Rotatorenmanschette nicht verletzt werden könne. Das Unfallereignis trete gegenüber der bereits fortgeschrittenen degenerativen Schädigung der Rotatorenmanschette in den Hintergrund. Es handele sich um eine Gelegenheitsursache. Ein Unfallzusammenhang sei damit nicht gegeben.

1.2.3 Nach alledem kann dahinstehen, ob das Anheben eines Mineralwasserkastens überhaupt eine erhöhte Kraftanstrengung darstellt und unter Ziff. 1.4 AVUB 2000 zu subsumieren ist.

1.3 Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Leistungsablehnung durch die Beklagte auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Beklagten war zwar das betagte Alter des Klägers bei Abschluss des Versicherungsvertrages bekannt. Es sind aber keine Anhaltspunkte ersichtlich oder dargetan, dass sie Kenntnis von der degenerativen Vorschädigung der Rotatorenmanschette hatte.

II.

Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses. Der Senat regt aber an, die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückzunehmen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens soll auf 22.400,00 EuR festgesetzt werden.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr