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28.11.2008 · IWW-Abrufnummer 083644

Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 14.03.2008 – 10 U 878/07

Vorliegen konkreter Verdachtsmomente, die Vollbeweis der Entwendung erforderlich machen.



hier: Anhaltspunkte dafür, dass das Fahrzeug bereits vor der behaupteten Entwendung in Deutschland, jedenfalls unbeschädigt und mit Originalschlüssel über Russland nach Kirgistan importiert und dort veräußert wurde.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Geschäftsnummer:
10 U 878/07

Verkündet am
14. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss, die Richterin am Oberlandesgericht Schwager-Wenz und die Richterin am Landgericht Dr. Walper auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 20. Juni 2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung einer Versicherungsleistung aus einer Fahrzeugvollversicherung.

Die Klägerin hatte den Pkw Mitsubishi Pajero ab dem 1.8.2001 von der X Leasing GmbH geleast. Für das Fahrzeug schloss sie gemäß den vertraglichen Vereinbarungen mit der Leasinggeberin bei der Beklagten eine Haftpflicht-, Teil- und Vollkaskoversicherung ab. Nach dem Leasingvertrag ist die Klägerin berechtigt und verpflichtet, Ansprüche aus Fahrzeugschäden oder Diebstahl gegenüber Versicherungen oder Dritten auf eigene Kosten und im eigenen Namen geltend zu machen.

Der Pkw wurde am 19.7.2001 zugelassen.

Am 16.7.2003 meldete die Klägerin das Fahrzeug bei der Beklagten als gestohlen. Die Leasinggeberin ließ den Leasingvertrag mit sofortiger Wirkung kündigen und erstellte zugleich eine Vertragsabrechnung, die mit einer Forderung von 24.666,24 ¤ endete. Nachdem die Klägerin die Zahlung verweigerte, wurde die Forderung klageweise vor dem Landgericht O geltend gemacht und ein rechtskräftiges Urteil über diesen Betrag nebst gesetzlichen Zinsen erwirkt.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Ihr Ehemann, N, sei am 16.7.2003 mit dem Pkw Mitsubishi Pajero zum Flughafen F gefahren, habe das Fahrzeug dort etwa um 8:45 Uhr in der Nähe des Gebäudes 401 auf einem gebührenfreien Parkplatz abgestellt und sei nach London geflogen. Als er von seinem Flug gegen 23:15 Uhr zurückgekehrt sei, sei der Mitsubishi nicht mehr an der Stelle gewesen, wo er ihn am Morgen geparkt habe. Ihr Ehemann habe den vermuteten Diebstahl sofort der Polizeiwache des Flughafens gemeldet.

Die Klägerin hat beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 24.666,24 ¤ nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2003 zu zahlen.

Hilfsweise hat sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 24.666,24 ¤ nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2003 an in die X Bank GmbH zu Gunsten des Leasingvertrages Nummer 1501696729 / 5254 vom 7.6.2001 zwischen der Klägerin und der X Bank GmbH zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Es liege kein Fahrzeugdiebstahl und somit kein Versicherungsfall vor. Die Entwendung sei vorgetäuscht. Die Ermittlungen eines für die Versicherungswirtschaft tätig gewesenen - zwischenzeitlich verstorbenen - Detektivs D hätten ergeben, dass ein Käufer in Kirgisien bereits am 25. Juli 2003 ein aus Deutschland stammendes Fahrzeug erworben habe, bei welchem es sich um den von der Klägerin als gestohlen gemeldeten Mitsubishi gehandelt habe. Der Verkäufer habe gegenüber dem Schadensermittler D angegeben, den Pkw von einem Ausländer günstig erworben zu haben. Er habe ihm weiter gesagt, der frühere Besitzer beabsichtige, seiner Versicherung das Fahrzeug als gestohlen zu melden. Aufbruchspuren oder sonstige Hinweise auf ein unberechtigtes Eindringen oder Starten des Fahrzeugs habe D bei der Untersuchung des Wagens nicht feststellen können. Bei dem Pkw habe sich auch ein Schlüssel befunden, mit dem das Auto habe geöffnet und gestartet werden können. Des weiteren hätten die Ermittlungen von D auch ergeben, dass eine Zollbescheinigung des Zollamtes Taganrogskaj ausgestellt worden sei, aus der sich ergebe, dass der als gestohlen gemeldete PKW bereits am 11.7. 2003 nach Russland eingeführt worden sei. Das Fahrzeug sei unter Ausstellung eines Kfz-Briefes am 22.7.2003 in Nasran/Inguschetien registriert worden. Dabei sei im Brief die korrekte Motornummer eingetragen worden, die aus den deutschen Fahrzeugdokumenten gar nicht hervorgehe. Ferner sei ermittelt worden, dass bereits am 6.7. 2003 eine Grenzversicherungspolice einer jugoslawischen Versicherungsgesellschaft ausgestellt worden sei.

Die Klägerin könne jedenfalls nicht die Auszahlung der Versicherungsleistung an sich selbst verlangen. Im Leasingvertrag habe sie ihre Ansprüche aus einem Diebstahl an den Leasinggeber übertragen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage im Hilfsantrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Hinsichtlich der Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Die Beklagte rügt, dass das Landgericht sich nicht mit den von ihr dargelegten Umständen, welche für einen vorgetäuschten Diebstahl sprächen, auseinander gesetzt habe, dass es keine Ausführungen zur Beweislast gemacht habe und davon ausgegangen sei, dass die vorgelegte Zolldeklaration gefälscht sei, ohne deren Echtheit zu ermitteln. Fehlerhaft habe das Landgericht die Auffassung vertreten, es sei ihr, der Beklagten nicht gelungen hinreichende Verdachtsmomente darzulegen und zu beweisen, welche die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legten.

Die Beklagte beantragt,

Das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus der Fahrzeugvollversicherung gegenüber der Beklagten nicht zu, da sie nicht den Nachweis geführt hat, dass der Versicherungsfall eingetreten ist, also dass das in Rede stehende Fahrzeug gestohlen wurde.

Zwar kommt nach ständiger Rechtsprechung dem Versicherungsnehmer im Falle eines Diebstahls seines Fahrzeugs insoweit eine Beweiserleichterung zugute, als er im allgemeinen nicht den Vollbeweis für den Diebstahl führen muss, der ihm in der Regel auch nicht möglich sein dürfte, sondern es ausreicht, dass er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung darlegt und nachweist. Hierzu genügt der Beweis, dass der Wagen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nicht wieder aufgefunden wurde. Mit dem Landgericht kann hier aufgrund der Beweisaufnahme davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit der Zeugenaussage ihres Ehemannes, des Zeugen J. N, diesen Nachweis des äußeren Bildes eine Entwendung erbracht hat. Allerdings wird auch durch die Aussage des Zeugen Z nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen, dass sich das hier in Rede stehende Fahrzeug am 15.7.2003 noch im Besitz der Klägerin und ihres Ehemannes befunden hat. Dem Zeugen war zwar aufgefallen, dass der Ehemann der Klägerin an diesem Tag zu einer Besprechung mit einem Mitsubishi Pajero zu dem Betrieb, bei welchem der Zeuge beschäftigt ist, gekommen war. Er konnte auch angeben, dass das Fahrzeug eine silberne Farbe und ein O-Kennzeichen hatte. Damit steht jedoch nicht mit Sicherheit fest, dass es sich dabei auch um das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug gehandelt hat. Es besteht auch die Möglichkeit, dass es sich um einen gleich aussehenden Wagen gehandelt haben könnte. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen.

Das Landgericht hat nämlich übersehen und nicht hinreichend gewürdigt, dass auch der Beklagten zur Erschütterung dieses äußeren Bildes Beweiserleichterungen zur Seite stehen. So braucht der Versicherer hier nicht den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass der behauptete Diebstahl nur vorgetäuscht war. Es genügt vielmehr, wenn er seinerseits Tatsachen vorträgt und nachweist, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die Vortäuschung des Versicherungsfalles nahe legen. Entsprechende Umstände hat die Beklagte vorgetragen. Sie sind von der Klägerin nicht nur nicht bestritten, sondern mit Schriftsatz vom 31.10.2005 (Bl. 61 ff. d. A.) sogar zugestanden.

Damit ist davon auszugehen, dass das hier in Rede stehende Fahrzeug von dem zwischenzeitlich verstorbenen Ermittler W. D in Kirgisien aufgefunden wurde und dass der neue Besitzer diesem erklärt hatte, den Wagen am 25.7.2003 gekauft zu haben. Es steht weiter fest, dass an dem Fahrzeug keinerlei Aufbruchspuren festgestellt wurden und dass D eine Zollbescheinigung in Kopie erhielt, wonach das streitgegenständlichen Fahrzeug am 11.7.2003 nach Russland eingeführt worden sei. Weiterhin hatte D festgestellt, dass bereits am 6.7.2003 eine Grenzversicherungspolice einer jugoslawischen Versicherungsgesellschaft ausgestellt worden war. Schließlich wurde bei dem Fahrzeug ein Schlüssel gefunden, mit welchem dieses sich öffnen und starten ließ. An diesem Schlüssel befand sich ein Anhänger des Unternehmens, bei welchem die Klägerin in O den Wagen erworben hatte. Es ist weiter unstreitig, dass es durchaus die Möglichkeit gibt, einen neuen Schlüssel auf das Fahrzeug "anzulernen", so dass nach dieser Neukodierung sich das Fahrzeug nur noch mit dem neuen Schlüssel, nicht mehr aber mit den ursprünglichen Originalschlüsseln, welche unstreitig alle bei der Klägerin vorhanden sind, öffnen und starten lässt.

Diese Umstände sind in ihrer Gesamtheit geeignet, das äußere Bild eines versicherten Diebstahls zu erschüttern. Daraus, dass bereits am 6.7.2003 eine Grenzversicherungspolice einer jugoslawischen Versicherungsgesellschaft für dieses konkrete Fahrzeug beschafft worden war, ergibt sich, dass es sich hier nicht um einen Gelegenheitsdiebstahl, sondern um eine geplante und vorbereitete Tat gehandelt hat. Dafür spricht auch die Beschaffung eines Schlüssels, mit welchem das Fahrzeug geöffnet und gestartet werden kann. In diesem Zusammenhang fällt ins Gewicht, dass das Fahrzeug nicht am Wohnsitz der Klägerin von seinem üblichen Abstellplatz verschwunden ist, sondern eine erhebliche Strecke entfernt im Bereich des Flughafens F .... Es ist nicht nachvollziehbar, wie ein Dieb, der die Entwendung dieses Fahrzeugs geplant und vorbereitet hatte, ohne Mithilfe der Klägerin oder ihres Ehemannes hätte wissen können, dass sich das Fahrzeug an diesem Tag auf einem Parkplatz in der Nähe des Flughafens F befinden würde. Auch hierdurch wird der Verdacht des Vortäuschens der Entwendung unterstützt. Schließlich kann auch die Zollbescheinigung vom 11.7.2003 nicht mit der Bemerkung außer acht gelassen werden, es sei möglich, dass sie gefälscht sei. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Dieb, der das Fahrzeug nach Russland verbracht hat, ein Interesse daran haben könnte, eine falsche Zollbescheinigung herzustellen, die den Zeitpunkt der Einfuhr nach Russland vorverlegt mit der Folge, dass die Zeit, in welcher das Fahrzeug zollfrei wieder aus Russland ausgeführt werden kann, verkürzt wird.

Da die Beklagte aufgrund der hier aufgeführten Umstände im Sinne erwiesener konkreter Verdachtsmomente von Gewicht das von der Klägerin dargelegte äußere Bild einer Entwendung erschüttert hat, hätte es der Klägerin oblegen, nunmehr den Vollbeweis für die von ihr behauptete Entwendung zu erbringen. Hier fehlt es jedoch an entsprechendem Vortrag und dem dazugehörigen Nachweis.

Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass der Versicherungsfall der Entwendung vorliegt. Sie hat deshalb gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz des Wertes des Fahrzeugs.

Da die Klage somit unbegründet ist, ist auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 24.666,24 ¤ festgesetzt.

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