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11.12.2008 · IWW-Abrufnummer 083594

Landgericht Nürnberg-Fürth: Beschluss vom 23.10.2008 – 2 Qs 54/08


Die Verhinderung des Nebenklägervertreters begründet grundsätzlich keinen Anspruch auf Terminsverlegung; eine Ausnahme ist allenfalls bei willkürlicher Versagung einer Terminsverlegung möglich.

amtlich

Landgericht Nürnberg-Fürth

Die 2. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth erlässt in dem Strafverfahren

wegen sexuellen Missbrauchs u.a.
ohne mündliche Verhandlung am 23.10.2008 folgenden
Beschluss

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 07.10.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 10.09.2008 wird als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen.

Gründe:
I.
Gegen den Angeklagten wurde am 30.06.2008 durch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in vier Fällen zum Nachteil der Geschädigten S. und J.W. Anklage zum Amtsgericht – Strafrichter – Erlangen erhoben.

Dem Angeklagten wurde unter anderem zur Last gelegt, im Zeitraum vom 19.11.1992 bis 19.11.1995 die am 19.11.1983 geborene Geschädigte S.W. in mindestens zwei Fälle an der nackten Scheide, während diese im Ehebett der Großeltem übernachtet habe, gestreichelt zu haben.

Mit Schriftsatz vom 30.06.2008, eingegangen bei der Polizeiinspektion Erlangen-Stadt am 02.07.2008, zeigte die Beschwerdeführerin die Vertretung der Geschädigten S.W. an. Weiterhin beantragte die Beschwerdeführerin die Zulassung der Geschädigten als Nebenklägerin.

Mit Schriftsatz vom 21.07.2008. eingegangen bei dem Amtsgericht Erlangen am 23.07.2008. wiederholte die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Beiordnung.

Mit Schriftsatz vom 20.08.2008, eingegangen bei dem Amtsgericht Erlangen am 21.08.2008, teilte der Verteidiger des Angeklagten mit, dass dieser den Tatvorwurf in der Hauptverhandlung einräumen werde.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 29.08.2008 wurde die Geschädigte S.W. als Nebenklägerin zugelassen und die Beschwerdeführerin zu ihrem Beistand bestellt.

Mit Verfügung vom 29.08.2008 wurde Termin zur Hauptverhandlung bestimmt auf Montag, den 27.10.2008. Die Terminsladung ging der Beschwerdeführerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 05.09.2008 zu.

Mit Schriftsatz vom 08.09.2008, eingegangen bei dem Amtsgericht Erlangen am 09.09.2008. beantragte die Beschwerdeführerin die Verlegung des Termins, da sie infolge Urlaubs an einer Teilnahme verhindert sei und die Nebenklägerin aufgrund einer erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes dringend ihres Beistandes bedürfe.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 10.09.2008 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlegung des Termins abgelehnt. Die Ablehnung begründete das Gericht mit dem ausreichenden zeitlichen Vorlauf, der ein Einstellen auf den Hauptverhandlungstermin ermöglicht habe. Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, der Terminsplanung des Gerichts und insbesondere des Gebots der Verfahrensbeschleunigung komme eine Terminsverlegung nicht in Betracht.
Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 07.10.2008, eingegangen bei dem Amtsgericht Erlangen am 08.10.2008, Beschwerde ein und begründete die Beschwerde dahingehend, dass das Gericht die Interessen der Nebenklägerin nicht ausreichend berücksichtigt habe.

Mit Verfügung vom 13.10.2008 hat das Gericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat die Beschwerde mit dem Antrag vorgelegt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 10.09.2008 statthaft ist, denn sie ist jedenfalls unbegründet und daher zu verwerfen.

Die Beschwerde gegen die Bestimmung oder Aufhebung eines Hauptverhandlungstermins, insbesondere gegen die Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung ist grundsätzlich nach § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen. Sie kann aber nach einer verbreiteten Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung dann ausnahmsweise als zulässig angesehen werden, wenn sie darauf gestutzt ist, dass die Entscheidung des Vorsitzenden rechtswidrig sei, wozu auch die fehlerhafte Ausübung seines Ermessens gehören soll. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Entscheidung soll nach dieser Ansicht allerdings dabei dern Beschwerdegericht entzogen sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 213 Rdn. 8; zur Gegenansicht: KMR-Eschelbach, § 213 Rdn. 23 f.m.w.N.).

III.
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, da eine fehlerhafte Ausübung des dem Vorsitzenden zustehenden Ermessens nicht gegeben ist.

1. Eine rechtswidrige, weil ermessensfehlerhafte Entscheidung ist – jedenfalls soweit es um den Antrag des Nebenklägervertreters geht – nur dann gegeben, wenn der Vorsitzende aus ersichtlich sachfremden Erwägungen (Willkür) die Terminsverlegung verweigert.

Die Entscheidung des Vorsitzenden gemäß § 213 StPO, wann der Termin zur Hauptverhandlung anberaumt wird, steht in dessen Ermessen. Der Vorsitzende hat sich bei seiner Ermessensentscheidung insbesondere davon leiten zu lassen, dass das Verfahren beschleunigt durchgeführt werden kann (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 213 Rdn. 6).

In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass der Vorsitzende außer der Belastung des Gerichts und der Reihenfolge des Eintritts der Rechtshängigkeit auch berechtigte Wünsche der Prozessbeteiligten berücksichtigen muss (BGH NStZ 1998, 311). Schließlich sind auch die Belange des gesamten Gerichts, der Mitglieder des für das konkrete Verfahren zuständigen Spruchkörpers, der an der einzelnen Sache prozessbeteiligten Personen und Behörden sowie der Beweispersonen zu berücksichtigen (KMR-Eschelbach, § 213 Rdn. 18).
Weiterhin ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass die Verfahrensbeteiligten grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Verlegung des Termins haben. Der Vorsitzende hat aber über ein Terminverlegungsgesuch nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung sowie der Terminsplanung des Gerichts zu entscheiden (OLG Hamm NStZ-RR 2001, 107). Dabei ist aber einschränkend zu berücksichtigen, dass der Nebenkläger bzw. sein Vertreter mit weniger weitreichenden prozessualen Rechten ausgestattet ist, als der Angeklagte und sein Verteidiger. Im Zusammenhang mit Fragen der Terminierung und des Fortgangs des Verfahrens zeigt sich diese abgeschwächte Verfahrensposition deutlich in § 398 Abs. 1 und 2 StPO.
Der Ermessensspielraum des Vorsitzenden beruht darauf, dass er im jeweiligen Einzelfall eine Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände in Gestalt einer Gesamtschau vornehmen kann. Dieses Ergebnis wird nicht nur durch objektivierbare Aspekte beeinflusst: vielmehr ist gleichermaßen wesentlich, welches Gewicht der Vorsitzende den in die Abwägung einfließenden Sachelementen in ihrem Verhältnis zueinander beimisst. Die hierbei prägenden Akzentuierungen sind nicht allein aus der äußeren Natur der Sache ableitbar, maßgeblich sind auch subjektive, von der Erfahrung und Fachkunde des einzelnen Betrachters abhängige und nicht näher verifizierbare Wertungen. Wenn gesetzliche Regelungen, auch mit Blick auf verfassungs- oder verfahrensrechtlich gebotene Grundbewertungen den zu ihrer Anwendung berufenen Amtsträgern Ermessensspielräume gewähren, so hat das auch formellrechtliche Konsequenzen: Die gerichtliche Kontrolle des Beschwerdegerichts, die insoweit an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt, reduziert sich dann auf eine bloße Prüfung am Maßstab der Vertretbarkeit. Letztere darf nur unter der Voraussetzung verneint werden dass bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die Maßnahme nicht mehr verständlich ist oder willkürlich erscheint (vgl. bereits Kammerbeschluss vom 09.04.2008 zu § 162 Abs. 1 StPO LG Nürnberg-Fürth, NStZ-RR 2008, 313).

Die Grenze der Ermessensausübung ist allerdings dort erreicht, wo der Vorsitzende aus ersichtlich sachfremder Gründen (Willkür) eine Terminsverlegung unterlässt. Der Vorsitzende handelt dann willkürlich und verletzt die Rechte der Verfahrensbeteiligten, wenn er sich von unsachlichen, sich von gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen leiten lässt (in diesem Sinne OLG Stuttgart Justiz 2004, 127).
2. Ein Fall ersichtlich sachfremder Erwägungen ist vorliegend nicht gegeben.

In der Entscheidung über die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin auf eine Verlegung des Termins zur Hauptverhandlung hat das Amtsgericht die Gründe dargestellt, die zu der Ablehnung geführt haben.

So hat das Gericht darauf hingewiesen, dass durch die frühzeitige Ladung den Verfahrensbeteiligten ein hinreichender Zeitraum eingeräumt wurde, sich auf den Gerichtstermin einzustellen. Dabei können sich die Beteiligten nicht nur terminlich auf die Hauptverhandlung einstellen und z.B. Terminskollisionen ausräumen, sondern sich auch im Übrigen auf den Hauptverhandlungstermin selbst vorbereiten. Der Beschwerdeführerin war mithin nicht nur möglich, selbst durch eine Verschiebung des Urlaubs die Terminskollision zu beseitigen, sondern auch durch Gespräche mit Kollegen rechtzeitig vor dem Termin für eine Vertretung zu sorgen und insoweit auch die Geschädigte vorzubereiten.
Weiterhin hat das Gericht die Ablehnung auch mit den Interessen der übrigen Beteiligten begründet. Hier ist insbesondere auf die Verteidigung abzustellen, die sich auf den gerichtlich anberaumten Termin eingestellt hat. Eine Terminsverlegung zugunsten eines Beteiligten kann immer zu dann auftretenden Terminskollisionen bei anderen Beteiligten führen.
Darüber hinaus hat das Gericht die Ablehnung des Terminsverlegungsgesuchs auch auf das Gebot der Verfahrensbeschleunigung gestützt. Hierbei ist das bereits oben genannte Argument zu berücksichtigen, dass eine Verlegung des Termins immer zu weiteren Terminsverlegungsgesuchen führen kann und so durch ein Verlegungsgesuch eine Verfahrensverzögerung eintritt.

Auch hat das Gericht die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin auf die Terminsplanung des Gerichts gestützt. Der Vorsitzende kann nur dann einem Verlegungsgesuch stattgeben, wenn ihm überhaupt die Möglichkeit offensteht in einem noch vertretbaren Zeitraum die Hauptverhandlung durchführen zu können. Die bekannte Terminsdichte sowie Abwesenheiten von Verfahrensbeteiligten schränken diese Möglichkeit nicht nur unerheblich ein.
Schließlich ist durch die Kammer zu würdigen, dass im vorliegenden Fall der Tatvorwurf nicht so schwerwiegend ist, als dass das Fernbleiben der Beschwerdeführerin den Verfahrensgang zu Lasten der Nebelklägerin erheblich beeinträchtigen könnte. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die angeklagten Taten längere Zeit zurückliegen. Weiterhin ist vorliegend nicht unbeachtlich, dass der Angeklagte über seinen Verteidiger angekündigt hat, in der Hauptverhandlung den Tatvorwurf einzuräumen. Vor diesem Hintergrund erscheinen eine Einvernahme der Geschädigten und damit ein bei der Aussage der Geschädigten anwesender Beistand nicht erforderlich. Auch wenn der derzeitigen Gesundheitszustand der Geschädigten nicht außer Acht zu lassen ist, ist zu sehen, dass die Geschädigte volljährig ist und bei entsprechender Vorbereitung durch die Beschwerdeführerin in der Lage sein sollte – eventuell mit Unterstützung Dritter – an dem Termin teilnehmen zu können, wenn sie dies wünscht.
Nach alledem ist die Grenze der Ermessensausübung nicht überschritten, denn der Vorsitzende hat ersichtlich aus sachlichen Gründen die beantragte Terminsverlegung unterlassen und diese Gründe auch der Beschwerdeführerin mitgeteilt. Darüber hinaus bestehen auch weitere Gründe, eine Terminsverlegung nicht vorzunehmen, so dass eine rechtsfehlerhafte oder evident fehlerhafte Ermessensausübung vorliegend nicht gegeben ist.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

RechtsgebietStPO VorschriftenStPO § 305; StPO § 213

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