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11.12.2008 · IWW-Abrufnummer 083592

Urteil vom 01.09.2008 – 248 Gs 5761/08

Wenn die Ermittlungspersonen vor Anordnung einen Blutentnahme nicht versucht haben, einen Richter zu erreichen, stellt das einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81 Abs. 2 StPO dar, der die Anordnung der Maßnahme durch eine Ermittlungsperson nicht rechtfertigt.


Amtsgericht Osnabrück - Strafgericht -

In dem Ermittlungsverfahren
g e g e n S.

w e g e n des Verdachts des Verstoßes gegen das BtMG
wird festgestellt, dass die am 30.04.2008 durch den PK G., Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in Lingen angeordnete Blutentnahme bei dem Beschuldigten unter Missachtung des richterlichen Vorbehalts gemäß § 81 a StPO erfolgte und damit nicht rechtmäßig war.

Gründe:
Der Beschuldigte ist am Samstag, den 19.04.2008, gegen 16.50 Uhr, im Rahmen einer Verkehrskontrolle von Polizeibeamten in Lingen, angehalten und wegen Verdachts der Fahruntüchtigkeit überprüft worden. Im Rahmen der Verkehrskontrolle wurden körperliche Merkmale beim Beschuldigten bemerkt, die auf eine Drogenbeeinflussung hindeuteten. Nach dem Vermerk des PK G. vom 30.04.2008 hatte der damalige Beschuldigte in einem informativen Vorgespräch angegeben, dass er letztmalig am 18.04.2008 Betäubungsmittel (Cannabis) konsumiert habe.
Der daraufhin freiwillig durchgeführte Drogentest (Mahsan) beim Beschuldigten war positiv auf THC verlaufen, weshalb PK G die Entnahme einer Blutprobe vom Beschuldigten anordnete. Diese wurde am 19.04.2008 um 17.50 Uhr auf der Dienststelle Lingen durch Dr. H vorgenommen.

Nachdem der Verteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt K. die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zur Anordnung zur Blutentnahme in Zweifel gezogen hat, wurde die Maßnahme im Vermerk von PK G. vom 30.04.2008 dahin erläutert, dass die Blutprobe von dem Polizeibeamten gemäß § 81 a Abs. 1 StPO angeordnet worden war, weil die Einholung eines richterlichen Beschlusses verzichtbar gewesen sei, da der Präsident des Amtsgerichts Osnabrück am 02.04.2008 bekannt gab, dass bei der Anordnung von Blutproben immer Gefahr im Verzuge besteht und somit eine richterliche Anordnung nicht mehr erforderlich ist.

Die Anordnung der körperlichen Untersuchung zur Entnahme einer Blutprobe ist gemäß § 81 a StPO nur auf Anordnung durch den Richter zulässig. Nach dem Gesetzeswortlaut ist lediglich bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) zur Anordnung befugt.

Im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ist der Richtervorbehalt in jedem Fall zu beachten und auch am Wochenende zur Tages- und Nachtzeit maßgeblich. Erst, soweit um eine richterliche Anordnung nicht ersucht werden kann, sind die Ausnahmebefugnisse einschlägig.

Erfolgt eine nichtrichterlichen Anordnung einer Blutentnahme gemäß § 81 a StPO, so muss die Gefährdung des Untersuchungserfolgs mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (BVerfG vom 12.02.2007 - BvR 273106). Eine solche Darlegung der Notwendigkeit der sofortigen Blutentnahmeanordnung ist vorliegend nicht erfolgt. Vielmehr hat sich der anordnende Beamte allein auf ein Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts bezogen. Dies kann den gesetzlichen Richtervorbehalt nicht ersetzen.

Damit ist davon auszugehen, dass die ermittelnden Polizeibeamten das Vorliegen von Gefahr im Verzuge gar nicht angenommen haben, sondern in diesem Falle fälschlicherweise davon ausgegangen sind, dass eine richterliche Anordnung gar nicht erforderlich sei. Wenn vorliegend die Ermittlungspersonen die Anordnung durch einen Richter gar nicht versucht haben, stellt das einen Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81 Abs. 2 StPO dar, der die Anordnung der Maßnahme durch eine Ermittlungsperson nicht rechtfertigt.

Auch soweit Staatsanwaltschaft oder Ermittlungspersonen davon ausgegangen sein sollten, dass wegen Gefahr in Verzug der Richtervorbehalt nicht zu beachten gewesen wäre, ist die Maßnahme weiterhin rechtswidrig. Der Ermittlungsbeamte hat sich in seinem Vermerk auf ein nicht näher in der Akte befindliches Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts Osnabrück vom 02.04.2008 berufen. Wobei schon fraglich ist, ob ein Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts den gesetzlichen Richtervorbehalt des § 81 a Abs. 2 StPO außer Kraft setzen kann.

Bekannt ist jedoch, dass für die Anordnung von Blutentnahmen im Rahmen der des OLG Braunschweig vom 4.01.2008 - 9 Qs 381/07 - der Richtervorbehalt nicht als zwingend angesehen wird, weil für die Blutentnahme zur Feststellung des Blutalkoholwertes Gefahr im Verzug anzunehmen ist. Da der Alkoholgehalt im Blut flüchtig ist und bei einer Zeitverzögerung nicht mehr konkret im Hinblick auf den Tatzeitpunkt festgestellt werden kann bzw. seine Feststellung erschwert wird, ist danach auch die Anordnung durch einen Ermittlungsbeamten als Eilmaßnahme gerechtfertigt.

Diese Problematik hinsichtlich der Anordnung einer Blutentnahme zwecks Feststellung der Blutalkoholkonzentration trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu, weil hier der Verdacht der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit infolge Drogenkonsums (Cannabis) bestand und Veranlassung zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen gegeben hatte. Der Nachweis von Drogenkonsum im Blut ist längerfristig nachweisbar, so dass das Argument der Verzögerung durch die Einholung der richterlichen Anordnung hier nicht greift. Cannabiskonsum im Blut ist auch am nächsten Tag noch in ähnlicher Weise festzustellen, so dass auch die Verzögerung durch Einholung der richterlichen Anordnung gerechtfertigt ist.

Vor dem Hintergrund ist des deshalb die Anordnung der Blutentnahme allein durch den Ermittlungsbeamten nicht sanktioniert und war rechtswidrig.

Die Maßnahme ist deshalb zu Recht beanstandet worden.

RechtsgebieteVerkehrsrecht, Blutentnahme Vorschriften§§ 81 Abs. 2 , 81a Abs. 1 StPO

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