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31.10.2008 · IWW-Abrufnummer 083396

Oberverwaltungsgericht Münster: Urteil vom 15.08.2008 – 6 A 2861/06


Oberverwaltungsgericht NRW
6. Senat

Urteil

6 A 2861/06

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des Landrates als Kreispolizeibehörde M. vom 8. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 7. März 2005 verpflichtet, dem Kläger zu den Aufwendungen für die Implantatbehandlung in regio 22 eine weitere Beihilfe in Höhe von 981,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 14. März 2005 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine weitere Beihilfe zu Aufwendungen für seine Versorgung mit einem Implantat im Oberkiefer.

Er verlor im Jahr 2003 infolge eines Unfalls einen Zahn (regio 22). Ein Heil- und Kostenplan des von ihm konsultierten Zahnarztes Dr. Dr. B. -Co vom 4. November 2003 sah eine Implantatbehandlung zu voraussichtlichen Gesamtkosten in Höhe von 2.966,61 EUR vor. Am 10. November 2003 beantragte der Kläger bei dem Landrat als Kreispolizeibehörde M. - BeihilfesteIle - unter Vorlage dieses Heil- und Kostenplanes die Vorabanerkennung der Aufwendungen für die Implantatversorgung als beihilfefähig. Der von der Bezirksregierung E. eingeschaltete Gutachter Dr. N. befürwortete den Behandlungsplan unter dem 27. November 2003, weil aufgrund der kariesfreien, nicht überkronten und nicht überkronungsbedürftigen Nachbarzähne eine Ausnahmeindikation für eine Implantatversorgung der Einzelzahnlücke gegeben sei. Noch im Jahr 2003 ließ der Kläger den verbliebenen Restzahn ziehen Lind einen Abdruck des Zahnbildes erstellen. Mit Bescheid vom 16. Januar 2004 lehnte der Landrat es ab, die Aufwendungen für die Implantatversorgung als beihilfefähig anzuerkennen. Der Kläger erhob nach erfolglosem Widerspruch am 19. Mai 2004 Klage beim Verwaltungsgericht Minden (4 K 1847/04). Später erklärte er ebenso wie das beklagte Land das Verfahren für in der Hauptsache erledigt, nachdem er die Implantatbehandlung im Jahr 2004 tatsächlich hatte durchführen lassen.

Mit Beihilfeantrag vom 18. Oktober 2004 machte der Kläger u.a. die ab dem 13. Januar 2004 entstandenen Aufwendungen für diese Implantatbehandlung in Höhe von insgesamt 2.213,12 EUR geltend. Der Landrat als Kreispolizeibehörde M. bewilligte dem Kläger hierfür eine Beihilfe in Höhe eines Pauschalbetrages von 125,- EUR (50 % von 250,- EUR). Mit Bescheid vom 8. November 2004 lehnte er die Gewährung einer weiteren Beihilfe im Zusammenhang mit der Implantatbehandlung abschließend ab.

Der Kläger erhob unter dem 11. November 2004 Widerspruch. Er trug vor, für die Beurteilung der Beihilfefähigkeit der Implantatbehandlung sei die bis zum 31. Dezember 2003 geltende Rechtslage zugrunde zu legen. Die Behandlung habe bereits mit der Einreichung des Heil- und Kostenplanes begonnen. Auch seien insbesondere mit der Entfernung des Restzahns und dem Abdruck des Zahnbildes die erstem Heilmaßnahmen bereits im Jahr 2003 begonnen worden. Dass der Antrag auf Vorabanerkennung erst im Jahr 2004 beschieden worden sei, habe er der Kläger - ebenso wenig zu vertreten wie den Umstand, dass die Behandlung erst im Jahr 2004 habe fortgesetzt werden können. Nach den bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Beihilfevorschriften sei die Implantatversorgung beihilfefähig gewesen. Die Behandlung sei ferner medizinisch indiziert gewesen. In einem solchen Fall könne ein Implantat auch abweichend von den Beihilfevorschriften beihilfefähig sein. Selbst wenn die ab dem 1. Januar 2004 gültigen Vorschriften der Beihilfeverordnung (BVO) zugrunde zu legen seien, müssten zumindest die Kosten als beihilfefähig berücksichtigt werden, die bei einer herkömmlichen Zahnersatzversorgung mit einer Brücke entstanden wären. Diese Kosten :beliefen sich nach einem alternativen Behandlungskonzept des behandelnden Zahnarztes auf 1.500,95 EUR. Soweit durch Verwaltungsvorschrift zur BVO in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung für jeden Zahn bei nicht indizierter Implantatversorgung nur noch pauschal 250,- EUR als beihilfefähig anerkannt würden, trage dies dem Fürsorgegedanken nicht hinreichend Rechnung und verstoße gegen die Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation .

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2005 wies die Bezirksregierung E. den Widerspruch zurück. Maßgeblich seien die ab dem 1. Januar 2004 geltenden Beihilfevorschriften, da mit der Implantatbehandlung erst im Jahr 2004 begonnen worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger über die Form der Zahnersatzversorgung frei entscheiden können. Unerheblich sei, aus welchen Gründen mit der Behandlung erst im Jahre 2004 begonnen worden sei. Die zum 1. Januar 2004 eingeführte Regelung in § 4 Abs. 2 lit b) BVO sehe nur noch einen sehr engen Indikationsbereich für eine Implantatversorgung vor. Da im Falle des Klägers! keine dieser Indikationen einschlägig sei, sei die Implantatbehandlung nicht angemessen im Sinne der BVO. Selbst im Falle einer medizinischen Indikation eines implantatgestützten Zahnersatzes seien die dadurch entstehenden Aufwendungen nicht ohne weiteres beihilfe fähig. Einen Anspruch auf Beihilfe zu der jeweils besten ärztlichen Versorgung gebe es nicht. Vielmehr werde der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten im Krankheitsfalle auch dann gerecht, wenn er ihm eine Beihilfe nur zu Aufwendungen für bestimmte geeignete und im Übrigen zumutbare Behandlungen gewähre. Mit dem bewilligten Pauschalbetrag von 125,- EUR seien sämtliche Kosten der zahnärztlichen und kieferchirurgischen Leistungen abgegolten.

Der Kläger hat am 14. März 2005 Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Widerspruchsvorbringen im Wesentlichen wiederholt.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Landrates als Kreispolizeibehörde M. vom 8. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 7. März 2005 zu verpflichten, ihm zu den Aufwendungen für die Implantatbehandlung in regio 22 eine weitere Beihilfe in Höhe von 981,56 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 14. März 2005 zu gewähren,

hilfsweise,

zu den Aufwendungen einer herkömmlichen Zahnersatzversorgung gemäß dem alternativen Kostenvoranschlag des behandelnden Zahnarztes eine Beihilfe in Höhe von 672,50 EUR nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 14. März 2005 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat im Wesentlichen die Gründe des Widerspruchsbescheides wiederholt. Das Verwaltungsgericht Minden hat die Klage mit Urteil vom 28. Juni 2006 abgewiesen. Anwendbar sei die seit dem 1. Januar 2004 geltende Regelung in § 4 Abs. 2 Iit b) BVO. Das Erstellen von Heil- und Kostenplänen stelle noch keinen Beginn der zahnärztlichen Behandlung dar, weil der Beihilfeberechtigte noch frei darüber entscheiden könne, ob er die Heilbehandlung vornehmen lasse. Auch das Entfernen des Restzahns sei nicht als Beginn der Implantatversorgung anzusehen, da diese Maßnahme unabhängig von der sich anschließenden Versorgung durchgeführt worden sei. Nach der somit maßgeblichen Regelung des § 4 Abs. 2 lit b) BVO,seien die Aufwendungen für die Implantatversorgung nicht beihilfefähig, weil keine der dort genannten Indikationen einschlägig sei. Auch der mit dem Hilfsantrag erhobene Anspruch stehe dem Kläger nicht zu, weil Beihilfe nur zu solchen'Aufwendungen bewilligt werde, die tatsächlich entstanden seien. Das Ergebnis, dass dem Kläger für die Implantatbehandlung eine weitere Beihilfe nicht zustehe, sei nicht zu beanstanden. Eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht des Dienstherrn lasse sich nicht feststellen. Die Fürsorgepflicht verlange nicht, dass der Beihilfeberechtigte seine krankheitsbedingten Aufwendungen lückenlos erstattet bekomme. Es sei in Fällen der vorliegenden Art nicht unzumutbar, die Beihilfeberechtigten auf die bestehende Alternativversorgung von Zahnlücken in der herkömmlichen Weise, also insbesondere mit einer Brücke, zu verweisen. Entscheide sich der Beihilfeberechtigte gleichwohl für eine Implantatbehandlung, sei es ihm zuzumuten, die darauf entfallenden Kosten selbst zu tragen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13. Juli 2006 zugestellte Urteil haben diese am 18. Juli 2006 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2007, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 11. Dezember 2007, hat der Senat die Berufung zugelassen.

Mit seiner am 19. Dezember 2007 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung trägt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags vor, es entspreche nicht dem Kern der Fürsorgepflicht, eine Beihilfe für eine medizinisch notwendige, nicht sinnvoll zu ersetzende Behandlungsart unter Berufung auf im konkreten Fall nicht einschlägige Kostenersparnis- und Leistungsbegrenzungsgesichtspunkte zu versagen. Zur Implantatversorgung habe keine sinnvolle Alternative zur Verfügung gestanden. So habe es ihm nicht zugemutet werden können, gemäß einem alternativen Heil- und Kostenplan der zunächst konsultierten Zahnärztin Dr. X. vom 18. September 2003 das Abschleifen sieben gesunder Zähne in Kauf zu nehmen. Allein die Entscheidung des Patienten für die bestmögliche medizinische Versorgung könne nicht dazu führen, dass der Beihilfeanspruch in vollem Umfang entfalle, zumal nunmehr aufgrund eines Erlasses des Finanzministeriums vom 10. Oktober 2007 durch d~s beklagte Land zumindest die Beihilfefähigkeit der Kosten einer Suprakonstruktion anerkannt werde.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte im Verfahren 4 K 1847/04 des Verwaltungsgerichts Minden und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des beklagtem Landes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet, soweit die Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 981,56 EUR und die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit begehrt werden. In Bezug auf die weitergehende Zinsforderung ist die Klage unbegründet.

Der Bescheid des Landrates als Kreispolizeibehörde M. vom 8. November 2004 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E. vom 7. März 2005 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 981,56 EUR zu den in dem angefochtenen Bescheid aufgeführten Aufwendungen für die Implantatversorgung gemäß § 88 Satz 1,2 und 4 LBG i.V.m. dem Bestimmungen der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung - BVO -), hier anwendbar in der Fassung der neunzehnten Verordnung zur Änderung der BVO vom 12. Dezember 2003 (GVBI. NRW 2003, 756). Die Aufwendungen sind notwendig und angemessen (I.). Ihre Beihilfefähigkeit ist nicht durch § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO ausgeschlossen (II.) und in der Höhe nicht durch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BVO begrenzt (III.).

§ 88 Satz 1 und 2 LBG verleiht den Beihilfeberechtigten unter anderem in Krankheitsfällen einen gesetzlichen, durch die §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 BVO konkretisierten Anspruch auf Beihilfe zu ihren notwendigen und angemessenen Aufwendungen. Die Aufwendungen des Klägers für die Implantatversorgung erfüllen diese Voraussetzungen. Die bei ihm entstandene Zahnlücke ist als von seinem Zahnarzt als behandlungsbedürftig erkanntes Leiden ein Krankheitsfall. Zu dessen Behandlung war die Versorgung mit einem Implantat notwendig. Ob Aufwendungen notwendig sind, bestimmt sich danach, ob sie medizinisch geboten sind. Dies richtet sich regelmäßig nach der Beurteilung des behandelnden Arztes.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801.

Dass die Versorgung der Zahnlücke des Klägers mit einem Implantat medizinisch geboten war, folgt aus der dem Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. Dr. B. C. vom 4. November 2003 zu Grunde liegenden Beurteilung und der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. N. vom 27. November 2003, deren tatsächliche Richtigkeit von dem beklagten Land nicht in Abrede gestellt wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO, und zwar ungeachtet der Frage nach der Wirksamkeit dieser Vorschrift. Zur Notwendigkeit von Aufwendungen im Sinne des § 88 Satz 2 und 4 LBG trifft § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO keine Regelung. Die Bestimmung stellt keinen abschließenden Katalog medizinischer Indikationen für eine Implantatversorgung auf, sondern greift aus der Vielzahl der Indikationen einige Fallgestaltungen heraus, auf die die Beihilfefähigkeit der Implantatversorgung unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit einer solchen Versorgung auch in anderen Fallgestaltungen begrenzt werden soll.

Die dem Kläger entstandenen Aufwendungen sind entgegen der im Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung auch angemessen. Die Angemessenheit beurteilt sich bei zahnärztlichen Leistungen nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte, da zahnärztliche Hilfe in aller Regel nach Maßgabe dieser Gebührenordnung zu erlangen ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1995 - 2 C 33.94 -, NWVB11996, 100.

§ 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO ist für die Beurteilung der Angemessenheit ohne Relevanz. Denn der darin liegende Ausschluss von implantologischen Leistungen außerhalb des Bereichs der aufgeführten Indikationen kann nicht als nähere Regelung des Merkmals "angemessen" auf der Basis der Ermächtigung des § 88 Satz 4 LBG aufgefasst werden. Zur näheren Bestimmung der Angemessenheit darf der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 88 Satz 4 LBG Kriterien aufstellen, nach denen er die Beihilfefähigkeit notwendiger Aufwendungen quantitativ begrenzt. Bezugspunkt ist dabei nach der Vorgabe von § 88 Satz 2 LBG, der im Hinblick auf die Angemessenheit Inhalt, Zweck und Ausmaß dieser Ermächtigungsnorm festlegt, die einzelne Aufwendung. Ein vollständiger Ausschluss der Beihilfefähigkeit notwendiger Aufwendungen überschreitet diesen vorgegebenen Rahmen jedoch, weil er keine quantitative Regelung darstellt. Werden notwendige Aufwendungen - wie in § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO außerhalb des genannten Indikationsbereichs - in jedem Umfang für unangemessen erklärt, liegt darin bereits begrifflich keine Regelung der Angemessenheit mehr.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 6 A 314/07 -, m.w.N.

Da die Kosten für die Implantatbehandlung gemäß der Gebührenordnung für Zahnärzte innerhalb des dort vorgesehenen Rahmens berechnet worden sind, sind die entsprechenden Aufwendungen des Klägers angemessen.

II.

Die Beihilfefähigkeit dieser Aufwendungen ist nicht (wirksam) durch § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO ausgeschlossen.

1.
Einer Anwendung dieser Vorschrift steht allerdings nicht entgegen, dass wegen eines Beginns der Implantatbehandlung noch im Jahr 2003 die bis zum 31. Dezember 2003 geltende Rechtslage maßgeblich wäre. Nach Art. 11 Satz 4 der neunzehnten Verordnung zur Änderung der BVO vom 12. Dezember 2003 gilt § 4 Abs. 2 lit b) BVO in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung für alle "Behandlungen, die nach dem 31. Dezember 2003 begonnen werden". Diese Stichtagsregelung stellt nicht auf den Beginn einer Behandlungsfolge ab, die aus einer Reihe von unterschiedlichen, in sich abgeschlossenen und gesondert abzurechnenden Einzelbehandlungen besteht, sondern auf den Beginn der konkreten Einzelbehandlung. Als Beginn einer Implantatbehandlung ist die Erstellung entsprechender Behandlungspläne oder die Durchführung vorbereitender Maßnahmen jedenfalls in den Fällen nicht anzusehen, in denen hiermit keine Festlegung auf eine Implantatbehandlung getroffen wird. Vielmehr muss die Implantatbehandlung, um deren Notwendigkeit es geht, als solche begonnen worden sein.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2006 - 6 A 2268/04 -.

Das Ziehen des Restzahns des Klägers und der Abdruck seines Zahnbildes stellen hiernach ebenso wenig wie das Erstellen des Heil- und Kostenplans durch Dr. Dr. B. -Co im Jahr 2003 den Beginn der Implantatbehandlung dar, weil diese Vorbereitungshandlungen dem Kläger die freie Wahl ließen, von der Implantatbehandlung wieder Abstand zu nehmen. Diese ist als solche erst im Jahr 2004 begonnen worden.

2.
Nach § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO ist die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für implantologische Leistungen nach Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte vom Vorliegen einer der nachfolgend genannten Indikationen abhängig. Im Fall des Klägers ist keine dieser Indikationen einschlägig. Indes folgt hieraus kein Ausschluss seines Anspruchs auf Bewilligung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Implantatversorgung, weil § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO gegen höherrangiges Recht verstößt.

Offen bleiben kann, ob die Vorschrift auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht. Da sie, wie ausgeführt, keine nähere Bestimmung der Notwendigkeit oder Angemessenheit der Aufwendungen i.S.v. § 88 Satz 2 und 4 LBG trifft, kommt als Ermächtigung nur § 88 Satz 5, 1. Halbsatz LBG in Betracht. Hiernach kann unabhängig von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen u.a. bei zahnärztlichen Leistungen begrenzt werden. Ob in § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO eine solche Begrenzung gesehen werden kann,
vgl. zu einer ähnlichen Problematik OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2007 - 6 A 3868/05 -,

bedarf keiner Entscheidung. Denn unabhängig hiervon ist § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO mit der in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht zu vereinbaren, weil die jedenfalls sehr weitgehende Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Implantatbehandlungen unverhältnismäßig ist, insbesondere dem Gebot eines vertretbaren Ausgleichs zwischen der Fürsorgepflicht und fiskalischen Erwägungen nicht genügt.

a) Eine Beihilfevorschrift, die wie § 4 Abs 2 lit b) Satz 1 BVO die Beihilfefähigkeit von notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheitsfällen einschränkt, muss sich an diesem Gebot messen lassen. Es reicht nicht aus, dass die Einschränkung die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern unberührt lässt. Dies ergibt sich aus folgendem:

Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die als solche zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG gehört. Das Beihilfensystem in seiner gegenwärtigen Gestalt wird dadurch aber nicht verfassungsrechtlich garantiert. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle oder vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren, besteht nicht.
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83,89, und vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BverfGE 106, 225; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277.

Entscheidet sich der Dienstherr für ein Beihilfensystem, muss dieses allerdings den Anforderungen genügen, die dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten erwachsen. Die Fürsorgepflicht gebietet, für das Wohl und Wehe des Beamten und seiner Familienangehörigen zu sorgen und Schaden von ihnen abzuwenden. Hat sich der Dienstherr entschieden, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen nachzukommen, muss er mithin dafür Sorge tragen, dass der Beamte aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die für ihn unabwendbar sind und denen er sich nicht entziehen kann.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, a.a.O., OVG NRW, Urteil vom 13. August 2005 - 1 A 801/04 -, RiA 2006,282.

Dem Dienstherrn steht bei der Konkretisierung des Fürsorgeprinzips durch die Beihilfevorschriften ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dabei fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher krankheitsbedingter Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in vollem Umfang. Insbesondere muss Beihilfe nicht für solche Behandlungen gewährt werden, die eine über das notwendige und angemessene Maß hinausgehende optimale medizinische Versorgung gewährleisten.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 2 C 1.01 -, DVBI. 2002, 1216.

Bei der Wahrnehmung seines Gestaltungsspielraums hat der Dienstherr jedoch die Wertentscheidung des Art. 33 Abs. 5 GG zugunsten der Fürsorgepflicht ebenso wie das grundrechtsgleiche Recht, das diese Verfassungsnorm dem Beamten in Bezug auf die Fürsorgepflicht verleiht, angemessen zu berücksichtigen. Dem in der Norm enthaltenen Regelungsauftrag genügt es nicht, wenn sich der Dienstherr bei weitreichenden Begrenzungen der Beihilfe zu Aufwendungen im Krankheitsfall in Anlehnung an die (grundrechtsbezogene) Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG auf die Wahrung eines nur schwer bestimmbaren, sehr eng begrenzten Wesenskerns der Fürsorgepflicht und damit auf die Einhaltung einer äußersten Grenze beschränkt. Vielmehr ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als übergreifender Leitregel allen staatlichen Handeins Rechnung zu tragen. Dieser Grundsatz ergibt sich u.a. aus dem Rechtsstaatsprinzip und bindet jede staatliche Gewalt, sofern eine geschützte Rechtsposition des Bürgers beeinträchtigt wird. Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76, 256 (in Bezug auf Art. 33 Abs. 5 GG), vom 4. Februar 1975 - 2 BvL 5/74-, BVerfGE 38,348, und vom 5. März 1968 - 1 BvR 579/67 -, BVerfGE 23, 127; Grieszick in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Band III, Art. 20 Hdnr. 108, Stand: November 2006; Jarass in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rdnr. 81.

Er begrenzt damit den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, der - wie hier mit dem Ausschluss der Beihilfe zu notwendigen und angemessenen Aufwendungen im Krankheitsfall - nachteilig auf durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Rechtspositionen des Beamten einwirkt. Eine derartige Regelung muss einem legitimen Zweck dienen und sich als vertretbarer Ausgleich zwischen diesem Zweck und der Fürsorgepflicht darstellen.
Vgl. zum Erfordernis eines "Kompromisses" OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2006 1 A 3633/04 - und Beschluss vom 6. Mai 2004 - 1 A 1160/03 -.

b) Der weitgehende Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Implantatbehandlungen durch § 4 Abs. 2 Iit b) Satz 1 BVO wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Die Regelung verfolgt allerdings einen legitimen Zweck. Sie beruht auf der - auch von der Zahnärzteschaft gesehenen - Notwendigkeit, einer durch die im Allgemeinen kostenintensivere Behandlungsart der Implantatversorgung bedingten Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten angemessen entgegenzutreten. Maßgeblich ist dabei der Gesichtspunkt, dass neben der Einbringung von Implantaten regelmäßig die Möglichkeit einer kostengünstigeren Alternativversorgung auf "herkömmliche" Art und Weise, etwa mit einer Brücke, gegeben ist.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2006 - 1 A 3633/04-.

Dieser Zweck einer Vermeidung ausufernder Kosten ist vor dem Hintergrund des auch im Beihilferecht zu beachtenden Grundsatzes der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel legitim. Er steht jedoch im vorliegenden Zusammenhang unter der Einschränkung, dass die Gefahr einer Ausuferung der Kosten gerade auf den Mehraufwand zurückzuführen ist, der durch die Inanspruchnahme einer Implantatversorgung an Stelle einer "herkömmlichen" Versorgung von Zahnlücken hervorgerufen wird. Ein darüber hinausgehender Ausschluss von Kosten, die bei der medizinisch gebotenen Behandlung einer Zahnlücke unabhängig von der Art der Behandlung anfallen, würde durch den als legitim zu betrachtenden Zweck nicht mehr gedeckt.

Die Ausschlussregelung des § 4 Abs. 2 lit. b) Satz 1 BVO stellt sich in Ansehung des oben beschriebenen Ziels schon als nicht erforderlich, jedenfalls aber als nicht verhältnismäßig im engeren Sinne dar. Sie bringt dieses Ziel mit der Fürsorgepflicht nicht in einen vertretbaren Ausgleich, sondern stellt das Interesse an einer Kostenbegrenzung einseitig über die durch das Fürsorgeprinzip geschützten Interessen der Beihilfeberechtigten.

§ 4 Abs. 2 Iit b) Satz 1 BVO beinhaltet mit seiner Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine Implantatversorgung auf wenige sehr eng gefasste Indikationen einen völligen Ausschluss der Beihilfe auch und gerade in Fällen, in denen diese Aufwendungen notwendig und angemessen sind. Ein derartiger vollständiger Ausschluss ist jedoch nicht erforderlich, um den durch die Inanspruchnahme einer Implantatbehandlung an Stelle einer "herkömmlichen" Versorgung entstehenden (Mehr-) Aufwand zu vermeiden. Denn als milderes, gleich geeignetes Mittel bietet sich an, die Beihilfe für Implantatbehandlungen quantitativ auf die Kosten zu begrenzen, die bei einer konventionellen Versorgung der Zahnlücke ebenfalls anfallen würden. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität derartige Alternativbetrachtungen nicht tunIich sind. Die Systematik der BVO belegt, dass der Dienstherr in anderen Fallgestaltungen an fiktiven Sachverhalten orientierte Obergrenzen als praktikables Mittel der Kostendämpfung verwendet. So finden sich namentlich in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3, Nr. 5 Sätze 5 und 6 und Nr. 6 Satz 5 sowie in § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BVO Regelungen, welche die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für bestimmte Leistungen auf die Höhe der Kosten beschränken, die im Falle einer anderen Leistung entstanden wären. Auch der Grundsatz, dass zu fiktiven Aufwendungen eine Beihilfe nicht gewährt werden kann,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2004, a.a.O., und Urteil vom 23. August 1993 - 12A 1031/91 -; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 4. Juni 2003, a.a.O.,
steht einer kosten begrenzenden Regelung im vorstehenden Sinne nicht entgegen, denn Beihilfe würde auf ihrer Grundlage zu tatsächlich entstandenen Aufwendungen einer Implantatbehandlung gewährt. Dass diese nur bis zu einer an fiktiven Aufwendungen orientierten Obergrenze beihilfefähig wären, macht sie nicht selbst zu fiktiven Aufwendungen.

Die Ausschlussregelung des § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO wird darüber hinaus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht gerecht. Die mit ihr einhergehende Beeinträchtigung der im Rahmen der Fürsorgepflicht zu berücksichtigenden Interessen der Beihilfeberechtigten steht außer Verhältnis zu dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck der Kostenbegrenzung.

Mit der Fürsorgepflicht sind Lenkungsmaßnahmen unvereinbar, die den Beihilfeberechtigten dazu verleiten, von notwendigen medizinischen Behandlungen aus finanziellen Überlegungen abzusehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, a.a.O.

Die Fürsorgepflicht gebietet es, im Rahmen des Beihilferechts vor allem solche Behandlungsmöglichkeiten zu eröffnen, welche die Betroffenen möglichst gering belasten. Bei zahnärztlichen Behandlungen gehört dazu namentlich, die Substanz vorhandener gesunder Zähne nach Möglichkeit zu schonen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Mai 2008 - 1 A 1171/07 -, ferner Urteil vom 24. Mai 2006, a.a.O.; OVG Nds., Beschluss vom 15. September 2006 - 2 LA 956/04 -, DÖD 2007,34.

Das Ziel der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel würde einseitig über die durch die Fürsorgepflicht geschützten Interessen gestellt, wenn ein Beihilfeberechtigter auf derartige Vorteile einer dem medizinischen Fortschritt entsprechenden Heilbehandlung nur aus Kostengründen verzichten müsste. Wird dem Beihilfeempfänger durch eine "moderne", aber kostenaufwändigere Heilbehandlung ein weitergehender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit erspart oder werden andere gesundheitliche Nachteile vermieden, so müssen Fürsorgepflicht und fiskalische Erwägungen in einen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werdenden Ausgleich miteinander gebracht werden. Das zwingt den Dienstherrn, auch die kostenaufwändigere Heilbehandlung zu unterstützen, wenn die höheren Behandlungskosten noch in einem angemessenen Verhältnis zu der "herkömmlichen", aber kostengünstigeren Heilmethode stehen.
Vgl. OVG Nds., Beschluss vom 15. September 2006 - 2 LA 956/04 -, a.a.O.

Damit wird das Fürsorgeprinzip nicht in der Weise überdehnt, dass Beihilfe auch für solche Behandlungen zu gewähren wäre, die eine über das notwendige und angemessene Maß hinausgehende optimale medizinische Versorgung gewährleisten.
Vgl. jedoch VGH BW, Urteil vom 17. September 2003 - 4 S 1869/02 -.

Denn die kostenaufwändigere Behandlung ist unter den genannten Voraussetzungen die notwendige und angemessene medizinische Versorgung.
Die vollständige Verweigerung der Unterstützung für diese Behandlung ist nicht etwa deshalb unverhältnismäßig, weil sie dem Beihilfeberechtigten eine optimale medizinische Versorgung vorenthalten würde. Unverhältnismäßig ist sie vielmehr, weil sie ihn einem finanziellen Zwang aussetzt, eine mit weitergehenden Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit und gesundheitlichen Nachteilen verbundene Behandlung in Kauf zu nehmen. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dem Beamten sei es zuzumuten, durch den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung derartige finanzielle Risiken abzuwenden.
Vgl. aber OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 4. Juni 2003 - 2 L 165/02 -.

Mit diesem Einwand könnte sich der Dienstherr der Bindung an die aus der Fürsorgepflicht folgenden Anforderungen, denen er durch seine Entscheidung für ein Beihilfensystem unterworfen ist, beliebig entziehen, da prinzipiell jedes Krankheitsrisiko durch eine private Vollversicherung abgedeckt werden kann.

Entgegen den genannten Vorgaben führt die Ausschlussregelung in § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO dazu, dass Beihilfeempfänger allein aus Kostengründen auf die Vorteile einer medizinisch notwendigen Implantatbehandlung verzichten müssen und in diesem Bereich vom medizinischen Fortschritt unter Zumutung weitergehender Eingriffe in ihre körperliche Unversehrtheit ausgeschlossen werden. Die Vorschrift zwingt die Betroffenen, eine "herkömmliche" Versorgung mit Brücke oder Zahnprothese und damit insbesondere in den Fallgestaltungen der Einzelzahnlücke mit gesunden Nachbarzähnen sowie der einseitigen Freiendlücke bei Fehlen der Zähne acht, sieben und sechs erhebliche Eingriffe in gesunde Zahnsubstanz und weitere gesundheitliche Nachteile wie das erhöhte Risiko von Knochenabbau und Karies hinzunehmen. Denn die Entscheidung, trotz des völligen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit der Implantatversorgung diese Behandlung in Anspruch zu nehmen, kann dem Beihilfeempfänger angesichts der Höhe der hierfür anfallenden Kosten nicht zugemutet werden. Diese Lenkungswirkung bedeutet nach dem eingangs genannten Maßstab eine Belastung der Beihilfeempfänger, die zu dem verfolgten Ziel der Kostenbegrenzung in einem nicht zu rechtfertigenden Missverhältnis steht.

Die Typisierungsbefugnis des Dienstherrn bei der Ausgestaltung der Beihilfevorschriften rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dass Beihilfeberechtigte auch in den Fällen von einer Implantatbehandlung ausgeschlossen werden, in denen diese aus Gründen der Substanzschonung medizinisch notwendig und angemessen ist, stellt nicht lediglich eine Härte im Einzelfall dar, die aufgrund des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften hinzunehmen wäre. Wie nämlich die für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2003 maßgebliche Nr. 5.5 der Verwaltungsverordnung zur Ausführung der BVO (VV) in der seinerzeit geltenden Fassung belegt, handelt es sich insbesondere bei den Fällen der Einzelzahnlücke mit gesunden Nachbarzähnen sowie der einseitigen Freiendlücke bei Fehlen der Zähne acht, sieben und sechs um regelmäßig vorkommende Fallgestaltungen, die dem Dienstherrn bekannt waren.

Der Dienstherr kann sich auch nicht auf eine veränderte Einschätzung der medizinischen Problematik dieser Sachverhalte durch die Zahnärzteschaft berufen. Zwar beruhen die in § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO aufgeführten Indikationen auf Stellungnahmen der Zahnärztekammern Nordrhein und Westfalen sowie der Bundeszahnärztekammer. Diese Stellungnahmen hatten nach der Darstellung des beklagten Landes indes Fallgestaltungen zum Gegenstand, in denen es keine Alternative zur Lösung der damit verbundenen zahnmedizinischen Probleme außerhalb adäquater Implantatversorgung gibt, diese mithin die einzige zahnmedizinisch mögliche Behandlung darstellt. § 4 Abs 2 lit b) Satz 1 BVO beschränkt sich mit der Orientierung an diesen Ausnahmefällen auf die Zielsetzung, den Wesensgehalt der Fürsorgepflicht unangetastet zu lassen. Wie ausgefÜhrt, ist dieser Maßstab jedoch zu eng, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Begrenzung der Fürsorgepflicht zu genügen.

Im Übrigen spricht Nr. 11c) der VV (zu § 4 Abs. 2 lit b) BVO) dafür, dass der Dienstherr selbst die Unverhältnismäßigkeit des völligen Ausschlusses der Beihilfe zu einer notwendigen Implantatbehandlung erkannt hat. Durch die Bestimmung, dass Pauschalbeträge von derzeit 450,- EUR je Implantat als beihilfefähige Aufwen9ungen anzuerkennen seien, soll offenbar die übermäßige Belastung der Beihilfeempfänger abgemildert werden. Ein vertretbarer Ausgleich zwischen der Fürsorgepflicht und dem Zweck der Kostenbegrenzung ist mit dieser Verwaltungsvorschrift jedoch schon deshalb nicht zu erzielen, weil sie in § 4 Abs. 2 lit b) BVÖ keine Grundlage hat (vgl. dazu sogleich unter c).

c) Rechtsfolge der Unvereinbarkeit von § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist die Unwirksamkeit der Vorschrift. Eine verfassungskonforme, mit der Fürsorgepflicht vereinbare Auslegung der Norm ist nicht möglich. Insbesondere lässt sich die Vorschrift nicht so verstehen, dass sie außerhalb des Bereichs der genannten Indikationen Raum für eine Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für implantologische Leistungen - wenn auch nur im Umfang etwa der fiktiven Kosten der herkömmlichen Versorgung einer Zahnlücke - lässt. Das Gebot der verfassungskonformen Auslegung besagt, dass von mehreren Auslegungsergebnissen, zu denen eine Interpretation nach den allgemeinen Auslegungsmethoden führt, diejenige maßgeblich ist, die mit der Verfassung übereinstimmt. Nach den allgemeinen Auslegungsmethoden ist jedoch nur die Interpretation möglich, dass § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO bei Nichtvorliegen einer der in der Vorschrift genannten Indikationen die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Implantatversorgung vollständig ausschließt. Das ergibt schon der Wortsinn der Norm. Zwar bestimmt sie nicht ausdrücklich, dass die Aufwendungen für eine Implantatbehandlung nicht beihilfefähig sein sollen, wenn keine der genannten Indikationen vorliegt. Wenn jedoch eine Rechtsfolge (hier: die Beihilfefähigkeit) von bestimmten Voraussetzungen (hier: den aufgeführten. Indikationen) abhängig gemacht wird, soll sie in der Regel nicht eintreten, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind. Wollte der Normgeber einen solchen Umkehrschluss - etwa zugunsten einer eingeschränkten Rechtsfolge (hier: einer begrenzten Beihilfefähigkeit) - vermeiden, würde er dies in der Vorschrift kenntlich machen. Die Systematik des § 4 BVO bestätigt dieses durch den Wortlaut vorgegebene Verständnis. Die Norm hat die Funktion, beihilfefähige Aufwendungen von nicht beihilfefähigen Aufwendungen abzugrenzen. Dort, wo die Beihilfefähigkeit lediglich eingeschränkt werden soll, wird dies ausdrücklich bestimmt durch Begrenzung auf pauschale Höchstbeträge oder die Höhe der Kosten, die auch bei einer alternativen Leistung entstanden wären. Hätte der Normgeber außerhalb des Bereichs der aufgeführten Indikationen für eine Implantatversorgung lediglich eine Einschränkung der Beihilfefähigkeit gewollt, hätte er eine entsprechende Regelung getroffen. § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO wäre zudem funktionslos, wenn kein (vollständiger) Ausschluss der Beihilfefähigkeit bei Nichtvorliegen einer der genannten Indikationen bezweckt wäre. Mangels einer nur vom Verordnungsgeber festzulegenden Obergrenze würde nämlich ansonsten zur Ermittlung des Umfangs der beihilfefähigen Aufwendungen uneingeschränkt die allgemeine Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO zum Tragen kommen. Es ist jedoch gerade Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO, für den Bereich der implantologischen Leistungen eine Ausnahmeregelung zu treffen.

III.

Der Anspruch des Klägers auf Beihilfe zu seinen Aufwendungen für die Implantatbehandlung ist in der Höhe nicht durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 6 BVO begrenzt. Eine Versorgung mit einem Implantat ist keine Versorgung mit Zahnersatz im Sinne dieser Vorschrift. Dies legt schon die medizinische Funktion des Implantats nahe. Danach handelt es sich nicht um den Zahnersatz selbst, sondern um eine künstliche Wurzel, die den Zahnersatz trägt bzw. verankert. Jedenfalls belegt § 4 Abs. 2 lit c) BVO, dass der Begriff des Zahnersatzes in der BVO Implantate nicht erfasst. Diese Bestimmung unterscheidet nämlich zwischen Aufwendungen für Zahnersatz nach Abschnitt F des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte und solchen für implantologische Leistungen nach Abschnitt K dieses Gebührenverzeichnisses. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist zugrunde zu legen, dass § 4 BVO in Abs. 1 Nr. 1 den Begriff des Zahnersatzes in demselben Sinne verwendet wie in Abs. 2 lit c).

Der Kläger hat auch Anspruch auf Zahlung von Zinsen, allerdings nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Der Kläger kann gemäß § 291 BGB analog Prozesszinsen beanspruchen. Das einschlägige Fachgesetz (§ 88 LBG und die auf seiner Grundlage ergangene BVO) enthält keine abweichende Regelung.

Prozesszinsen können auch dann verlangt werden, wenn die Behörde - wie bei der Bewilligung der Beihilfe - zum Erlass eines die Zahlung unmittelbar auslösenden Verwaltungsaktes verpflichtet wird. Voraussetzung ist nur, dass - wie hier - der Umfang der zugesprochenen Geldschuld feststeht oder rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann. Aus der Verweisung des § 291 Satz 2 BGB auf § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt sich die tenorierte, unter dem Antrag des Klägers liegende Zinshöhe.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO und des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes nicht erfüllt sind.

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