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19.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082562

Sozialgericht Dortmund: Urteil vom 28.07.2008 – S 11 EG 8/07


In dem Rechtsstreit

xxx

Klägerin

gegen

Stadt Hamm - Amt für Bezirksangelegenheiten - Bürgeramt Herringen,

Beklagte

in Sachen: XXX

hat die 11. Kammer des Sozialgerichts Dortmund
ohne mündliche Verhandlung am 28.07.2008 in Hamm
durch den Vorsitzenden xxx
sowie den ehrenamtlichen Richter xxx
und den ehrenamtlichen Richter xxx
für Recht erkannt:

Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 05. Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2007 verurteilt, bei der Berechnung des von der Klägerin zu beanspruchenden Elterngeldes vom 10. April 2007 bis 09. März 2009 von der tatsächlich gewählten Steuerklasse III ab November 2006 und den sich daraus ergebenden Steuerabzugsbeträgen auszugehen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

T a t b e s t a n d

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines höheren Elterngeldes.

Die Klägerin ist die Mutter des am xxx2007 geborenen xxx. Sie ist ebenso wie ihr Ehemann im XXX beschäftigt, beide sind der Vergütungsgruppe A 07 zugeordnet; während der Ehemann der Klägerin sich in der Gehaltsstufe 6 befindet, ist die Klägerin in der Stufe 4 eingruppiert, woraus sich im Jahre 2007 eine monatliche Bruttogehaltsdifferenz von 122,69 EUR zu Gunsten des Ehemannes ergab. Bei beiden Ehegatten war zunächst jeweils die Steuerklasse IV auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Dies änderten die Eheleute mit Wirkung vom 01.11.2006 dahingehend, dass die Klägerin die Steuerklasse III und ihr Ehemann die Steuerklasse V eintragen ließen. Dadurch stieg das monatliche Nettoeinkommen der Klägerin (ohne Sonderzahlungen etc.) von 1.725,67 EUR auf 1.942,55 EUR, demgegenüber sank das des Ehemanns der Klägerin von 1.813,61 EUR auf 1.497,61 EUR.

Das Versorgungsamt xxx bewilligte mit Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides Elterngeld in Höhe von monatlich 559,74 EUR bei zwischen den Beteiligten nicht streitiger Anrechnung der beamtenrechtlichen Mutterschaftsbezüge der Klägerin, wunschgemäß ausgezahlt auf 23 Monate für die Zeit vom 10.04.2007 bis 09.03.2009. Dabei ist ein Nettoeinkommen für die 12 Monate vor der Geburt des Kindes von 1.670,85 EUR zugrunde gelegt worden, was sich unter Fortschreibung der unter der Gültigkeit der Steuerklasse IV ab November 2007 ergab. Der Ehemann der Klägerin erhielt Elterngeld für die Zeit vom 10.04. bis 09.08.2008 in Höhe von 588,42 EUR bewilligt; dabei ist ebenfalls auf einen fiktiv errechneten Nettoverdienst auf der Basis einer Besteuerung entsprechend der Steuerklasse IV abgestellt worden.

Mit der hiergegen am 27.07.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr bereits im Vorverfahren erhobenes Begehren weiter, das zu beanspruchende Elterngeld auf der Grundlage der von ihr tatsächlich bezogenen Nettoeinkünfte in den 12 Monaten vor der Geburt des Kindes zu berechnen. Zur Begründung verweist sie darauf, dass weder im Einkommensteuer- noch im Elterngeldgesetz Einschränkungen zur freien Wahl der Steuerklasse vorgesehen seien. Befragt durch das Gericht, ob "schutzwürdige" Gründe für den Steuerklassenwechsel vorzubringen seien, verweist die Klägerin auf die gesetzliche Möglichkeit, Steuerklassenwechsel einmal im Jahr vornehmen zu können.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 05.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2007 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, das Elterngeld in dem Zeitraum vom 10.04.2007 bis 09.04.2009 auf der Grundlage der tatsächlichen Steuerklassenwahl zu berechnen und dementsprechend höhere Leistungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und den der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Beratung der Kammer waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist mit dem zur Entscheidung des Gerichts gestellten Antrag begründet.

Der Bescheid des Versorgungsamtes xxx in der Fassung des Widerspruchsbescheides erweist sich insofern als nicht mit dem Gesetz vereinbar, als er für die Berechnung des Elterngeldes von fiktiven Steuerabzugsbeträgen auf der Basis der Steuerklasse IV ab November 2006 ausgegangen ist, die Klägerin wird hierdurch beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Höhe des in Rede stehenden Elterngeldes wird gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 7 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) auf der Grundlage des u.a. aus nichtselbständiger Tätigkeit in den letzten 12 Monaten vor der Geburt des Kindes erzielten Nettoeinkommens nach Abzug der darauf entfallenden Steuern einschließlich Solidaritätszuschlag (und gegebenenfalls gezahlter Sozialversicherungsbeiträge) abzüglich eines Zwölftels des Pauschbetrages nach § 9 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) festgestellt.

Nettoeinkommen in diesem Sinne ist das tatsächlich von der Klägerin erzielte (gemäß § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG ohne einmalige Bezüge, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld gemäß § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG) auf der Basis der von ihr und ihrem Ehemann tatsächlich gewählten Steuerklassenkombination, also bis Oktober 2006 die jeweilige Lohnsteuerklasse IV und ab November 2006 die Kombination III für die Klägerin und V für den Ehemann. Entgegen der gesetzlichen Regelung hat der Rechtsvorgänger der Beklagten nicht dieses Nettoeinkommen der Klägerin (dementsprechend auch nicht das des Ehemanns der Klägerin hinsichtlich des ihm von April bis August 2008 bewilligten Elterngeldes), sondern ein von ihm für zutreffend erachtetes, auf der Basis der bis Oktober 2006 gültigen Lohnsteuerklassenwahl sich ergebendes Nettoeinkommen zugrunde gelegt. Das BEEG stellt hingegen nicht auf ein zu berücksichtigendes Nettoeinkommen der Ehegatten bzw. der Klägerin anhand einer "sinnvollen" bzw. "den beiderseitigen Einkommensverhältnissen angepassten" Lohnsteuerklassenwahl ab, sondern nimmt das tatsächliche, also auch das in Anbetracht des Lohnsteuerklassenwechsels erzielte Nettoeinkommen in Bezug.

Wie das Sozialgericht Augsburg in dem Urteil vom 08.07.2008 (S 10 EG 15/08) nach Auffassung der Kammer zu Recht und unter Hinweis auf die parlamentarische Diskussion im Bundestag eingehend dargelegt hat (siehe dort), war dem Gesetzgeber durchaus bewusst, dass durch entsprechende Steuerklassenwahl die Höhe des Elterngeldes "beeinflusst" werden kann. Wenn er angesichts dessen keine Regelung in das Gesetz aufnimmt, wonach ein vor der Geburt des Kindes erfolgter Lohnsteuerklassenwechsel unbeachtlich ist bzw. nur eine "sinnvolle" Lohnsteuerklassenkombination der Ehegatten der Elterngeldberechnung zugrunde zu legen ist, darf die Beklagte dies nicht zum Anlass nehmen, die ausdrücklich nicht vorgegebene fiktive Berechnung des in Bezug genommenen Nettoeinkommens quasi über die Hintertür von Verwaltungsvorschriften bzw. Richtlinien doch noch einzuführen (vgl. dazu auch die zutreffenden Ausführungen des SG Augsburg a.a.O. zur Unbeachtlichkeit dieser Richtlinien im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung). Über solche Richtlinien lassen sich "ungelöste" Hausaufgaben des Parlaments/Gesetzgebers nicht kompensieren, sie sind ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten.

Somit ist die Beklagte gehalten, die nach dem EStG mögliche und zulässige freie Steuerklassenwahl in einem Kalenderjahr (siehe dazu auch § 133 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB III - in Bezug auf das Arbeitslosengeld) zu beachten und das so erzielte Nettoeinkommen der Berechnung des Elterngeldes zugrunde zu legen. Darin liegt - auch hierauf hat das SG Augsburg zu Recht hingewiesen - kein rechtsmissbräuchliches, sondern ein "gesetzmäßiges" Verhalten der Klägerin bzw. beider Ehegatten, zumal sich wegen des Progressionsvorbehaltes ohnehin eine faktische, teilweise Besteuerung des Elterngeldes, insbesondere bei Niedrigverdienern, ergibt (§ 32 b EStG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen,
Zweigertstraße 54,
45130 Essen,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

Sozialgericht Dortmund,
Ruhrallee 1-3,
44139 Dortmund,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die Beteiligten können vor dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen. Sie können sich durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur

1. Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,

2. volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,

3. Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Rechtsdienstleistungsgesetzes,

4. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne des § 3 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Nrn. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,

5. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

6. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

7. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

8. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

9. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 bis 8 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt kann zur Vertretung in der Verhandlung einen Referendar bevollmächtigen, der im Vorbereitungsdienst bei ihm beschäftigt ist.

Richter, die dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen angehören, dürfen nicht als Bevollmächtigte vor diesem Gericht auftreten. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen der Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Dortmund schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.

RechtsgebietBEEGVorschriften§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 7 Satz 1 BEEG

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