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05.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082399

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 02.04.2008 – 8 K 1798/03

1. „Betreutes Wohnen“ kann ein Zweckbetrieb im Sinne des § 66 AO oder § 68 Nr. 1 sein.


2. Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Wohnungen vermietet und die Senioren die Leistungen des Klägers tatsächlich in Anspruch genommen haben.


Sächsisches Finanzgericht

Urteil vom 2.04.2008

8 K 1798/03

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger im Bereich „betreutes Wohnen“ einen sog. wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, für den eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz, gemäß § 3 Abs. 6 Gewerbesteuergesetz und § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz nicht in Betracht kommt.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein der freien Wohlfahrtspflege im Sinne von Abschnitt A. Nr. 6 der Anlage 1 zu § 48 EStDV. Er ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Sachsen e.V., der wiederum Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband e.V. ist.

Nach § 2 der Satzung versteht sich der Kläger in seinem Wirken als Interessenvertreter der älteren Menschen und Kinder, hilfsbedürftiger Bürger aller Altersgruppen ohne Ansehen der Person. Er setzt sich für die Wahrung und Verwirklichung der sozialen, kulturellen und ökologischen Rechte dieser Personen ein. Der Kläger leistet mit seinen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern beratende, betreuende, pflegende und unterstützende Hilfe mit dem Ziel, eine aktive Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Der Kläger unterstützt und fördert das öffentliche Gesundheits- und Wohlfahrtswesen, das freiwillige soziale Engagement in allen Tätigkeitsfeldern des Verbandes unter besonderer Berücksichtigung der offenen Altenhilfe, vor allem in Form von Nachbarschafts- und Selbsthilfe, die Kinder-, Jugend-, Familien-, Behinderten- und Gesundheitshilfe sowie die Solidarität und Gemeinschaft von Menschen aller Generationen. Nach § 3 der Satzung ist der Kläger selbstlos tätig. Er verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige bzw. mildtätige Zwecke. Seine Mittel dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden; Zuwendungen an Mitglieder sind nicht zulässig. Nach § 13 der Satzung wird die Arbeit des Klägers aus Mitgliedsbeiträgen, Sammlungen, Spenden, Einnahmen von Lotterien (nur zweimal jährlich) sowie der eigenen Tätigkeit im Rahmen von Zweckbetrieben finanziert. Der Stadtverband kann Eigentum erwerben und Zweckbetriebe / wirtschaftliche Geschäftsbetriebe entsprechend der Abgabenordnung unterhalten. Er kann zudem Rechtsträger von Einrichtungen sein, Gesellschaften gründen und sich an Gesellschaften beteiligen, die dem Vereinszweck dienen.

Der Kläger hat als sog. Betreiber mit der Fa. WF GmbH & Co Beteiligungs-KG, B. (W F) als Vermieter am 9. April 1997 für das Objekt E. (L.) einen Betreibervertrag für 20 Jahre fest (mit Option zur Verlängerung um 10 Jahre) abgeschlossen.

In der Präambel ist hierzu festgestellt, dass der Vermieter Wohnungen im E., I. und II. Bauabschnitt an der E.-Str.7-11 vermietet. Der Vermieter werde mit Senioren für dieses Objekt Mietverträge abschließen, bei denen neben der Vermietung der Wohnung die Erbringung von sog. Basisleistungen zugesichert werde. Darüber hinaus werde der Vermieter den Bewohnern auch zusichern, dass der Kläger als Betreiber sog. Zusatzleistungen erbringen wird. Nach § 1 Abs. 1 des Vertrages hat sich der Kläger verpflichtet, die Versorgung der Bewohner sicher zu stellen. Er soll den Senioren aus eigenem Antrieb Betreuungs-, Service- und Pflegeleistungen anbieten und die Senioren auf ggf. bestehenden Betreuungs-, Service- und Pflegebedarf hinweisen. Er habe sich deshalb von sich aus und regelmäßig über die Bedürfnisse der Bewohner und insbesondere deren Gesundheitszustand zu informieren. Er habe die mit den Bewohnern direkt bzw. mit dem Vermieter vertraglich vereinbarten Betreuungs-, Service- und Pflegeleistungen fachgerecht zu erbringen bzw. die Erbringung durch Dritte sicherzustellen. Es ist ihm freigestellt, andere Dienstleistungsunternehmen in Anspruch zu nehmen. Nach § 1 Abs. 2 des Vertrages verpflichtet sich der Kläger, die Betreuungs-, Service- und Pflegeleistungen für die Bewohner im eigenen Namen und auf eigene Rechnung fachgerecht zu erbringen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Vermieter nach § 1 Abs.3 ab 1.1.1997 mindestens 10.900 DM / Monat und ab Juli 1997 11.680 DM / Monat an Mindestbetreuungsentgelt für sog. Basisleistungen an den Betreiber abzuführen. Dieses Betreuungsentgelt soll durch den Vermieter von den Mietern vereinnahmt werden. Wird ein höheres Betreuungsentgelt von den Mietern für die Erbringung von Basisleistungen erlöst, sind die daraus resultierenden Mehreinnahmen an den Betreiber abzuführen. Die Abrechnung erfolgt halbjährlich. Das Betreuungsentgelt erhöht sich mit Anpassung der vereinbarten Staffelmieten. Nach § 2 Abs. 1 erbringt der Betreiber sog. Basisleistungen nach Anlage 1 und Zusatzleistungen nach Anlage 2 des Vertrages. Diese Leistungen sind nach § 2 Abs. 2 mit dem Vermieter, dem Betreiber und den Mietern abzustimmen. Die Erbringung der Basisleistungen wird grundsätzlich im Mietvertrag vereinbart. Über Zusatzleistungen ist mit dem jeweiligen Bewohner ein gesonderter Betreuungsvertrag nach Anlage 4 zu schließen (§ 2 Abs.4). Ein Betreuungsvertrag über Zusatzleistungen soll vom Betreiber mit einem Mieter nur dann abgeschlossen werden, wenn dieser auch mit dem Vermieter einen Vertrag über die Erbringung von Basisleistungen abgeschlossen hat und das Entgelt hierfür bezahlt. Für den Fall, dass der Betreiber einen Betreuungsvertrag über Basisleistungen oder Zusatzleistungen direkt abgeschlossen hat, sollen diese auf die Verpflichtung des Vermieters zur Abführung angerechnet werden (§ 2 Abs. 6). Der Betreiber hat über Gemeinschafts- und Funktionsräume im 3. OG des Hauses E mit dem Vermieter einen gesonderten Mietvertrag geschlossen. Der Unterhalt und Betrieb dieser Flächen soll durch den Betreiber auf dessen Namen und Kosten erfolgen.

Er ist verpflichtet, diese Räume zur Betreuung der Senioren zu nutzen und dort regelmäßig und in ausreichendem Umfang die o.g. Leistungen anzubieten und zu erbringen (§ 3). Nach § 8 Abs. 1 übernimmt der Betreiber die alleinige Haftung für von ihm eingeschaltete Dritte; er stellt den Vermieter von Schadenersatzansprüchen der Bewohner und Betreuungspartner aus dem Vertrag frei. Nach § 8 Abs. 2 weist der Betreiber dem Vermieter den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung für die Betreuung nach.

Laut Anlage 1 umfassen die Grundleistungen:

1. die zeitweise, werktägliche Präsenz einer Fachkraft

- Sozial- und Gesundheitsbetreuung -,

2. die Vermittlung von Mahlzeitendiensten,

3.die Organisation des Gemeinschaftsbereiches (Veranstaltungen)

4.die Verwaltung des Gemeinschaftsbereiches

5. die Vorhaltung der Gemeinschafts- und Funktionsräume im 1. OG Haus E (Mietvertrag vom 19.03.1997 zwischen der WF und dem Kläger)

6. die Vermittlung ambulanter Hilfsleistungen allgemeiner Art

7.die Vermittlung von Dienstleistungen, z.B. Wohnungsreinigung, Wäschedienst, Hausmeisterdienste und

8. die Vermittlung eines Pflegeplatzes.

Nach Anlage 2 umfassen die Zusatzleistungen gegen gesondertes Entgelt

1. die Grund- und Behandlungspflege bei vorübergehender Pflegebedürftigkeit,

2. die hauswirtschaftliche Versorgung,

3. Pflegleistungen nach den Pflegstufen des SGB XI,

4. die hauswirtschaftliche Versorgung bei Pflegebedürftigkeit nach den Bestimmungen des SGB XI,

5. hauswirtschaftliche Leistungen, soweit diese nicht nach SGB V und SGB XI erbracht werden,

6. Mahlzeitendienste,

7. Wäscheservice,

8. Fahrdienste und

9. einen Notruf.

Nach Anlage 3 bestehen die konzeptionellen Grundlagen für den Betrieb und die Betreuung der Senioren in den betreuten Wohnungen in der

1. Sicherung der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Senioren.

2. Selbstbestimmung der Menschen bei der Lebens- und Alltagsgestaltung.

3. Vermittlung der notwendigen Sicherheit durch Bereitstellung der erforderlichen pflegerischen, hauswirtschaftlichen, sozialpädagogischen und betreuerischen Dienste.

4. Vermeidung eines Anspruchsdenkensverhaltens und Anspruchsverhaltens durch eine adäquate Entgeltgestaltung mit niedrigen Grundbetreuungspauschalen und individueller Zuwählbarkeit von notwendigen Leistungen (Zusatzleistungen).

5. Gezielte Beratung der Bewohner(innen) bei der aktiven Gestaltung ihres Alltags zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit.

6. Sicherung des Hilfebedarfs durch ein Notrufsystem.

Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren eine „Kalkulation Betreuungspauschale E.“ in DM eingereicht:

(...)

In den Mietverträgen zwischen der WF und dem jeweiligen Bewohner ist unter Abschnitt I bestimmt, dass der Vermieter die Wohnung im Rahmen des sog. altenbetreuten Wohnens zur Verfügung stellt. Grundlage des Vertrages sei es, eine Form des Zusammenwohnens und Zusammenlebens älterer Mitbürger zu ermöglichen, die die Lücke zwischen dem vollkommen selbständigen Wohnen und dem Wohnen in stationären Einrichtungen der Altenhilfe schließen soll. Dabei werde dem Mieter eine eigene Wohnung in einer Seniorenwohnanlage zur Verfügung gestellt, in der ältere Menschen, unterstützt durch gemeinnützige Unternehmen, weiterhin ein selbst bestimmtes Leben führen können. Unter Abschnitt 3 heißt es, dass der Vermieter mit dem Kläger einen Betreuungsvertrag zugunsten der Wohnungsmietergemeinschaft E.-Str.in L. abgeschlossen habe, wonach die o.g. Grundleistungen zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese gesondert zu bezahlen seien, sondern bereits in der Miete enthalten sind. Nach Abschnitt 4 des Mietvertrages könnten die Mieter weitere - die o.g. Zusatzleistungen - in Anspruch nehmen, allerdings nur aufgrund gesondert mit dem Kläger abzuschließender Vereinbarung und Bezahlung. In § 2 des Vertrages ist die Miete u.a. aufgegliedert nach Grundmiete inklusive o.g. Basisleistungen sowie Basisleistung für die zweite Person pro Monat bzw. jede weitere Person pro Monat.

Für die Jahre 1995 bis 1998 fand im Jahre 2001 beim Kläger eine Betriebsprüfung u.a. zum Bereich „Betreutes Wohnen“ statt (vgl. Bericht vom 5. Juli 2001, Ziffer 1.6.). Da nach den Feststellungen des Prüfers der Kläger vom Vermieter eine Mindestgrundgebühr pro Monat erhalte, die in jedem Fall in voller Höhe gezahlt werde, unabhängig davon, wie hoch der Stand der Vermietung sei, ging der Prüfer davon aus, dass der Kläger sich insoweit als Erfüllungsgehilfe des Vermieters betätige. Dieser sei erst durch den Betreibervertrag in die Lage versetzt worden, das „betreute Wohnen“ anbieten zu können.

Bei der Durchführung des Betreibervertrages handle es sich um einen Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und der W F. Dieser erfolge nicht im Rahmen eines Zweckbetriebes, da satzungsfremde Leistungen ausgeführt und diese nicht dem in der Satzung begünstigten Personenkreis zugute kommen würden (§ 65 AO). Der Kläger erhalte zudem das volle Honorar für die Gestellung der Grundleistungen, unabhängig davon, welche Leistungen erbracht werden bzw. wie hoch die Anzahl der Mieter sei. Die Mieter müssten die Kosten für die Grundleistungen zahlen, egal, ob die Leistungen in Anspruch genommen werden würden oder nicht. Die Umsätze (brutto 156.598,89 DM) unterlägen deshalb dem vollen Steuersatz (die Vorsteuer beläuft sich auf 11.462,18 DM).

Der Beklagte (das Finanzamt) ist diesen und weiteren Feststellungen des Prüfers gefolgt und setzte mit den Bescheiden vom 30. November 2001 für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb für 1997 die Körperschaftsteuer auf 23.838 DM, den Gewerbesteuermessbetrag auf 2.835 DM und die Umsatzsteuer auf 36.034 DM fest. Die hiergegen eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2003).

Im Anschluss an die Betriebsprüfung hat der Kläger mit den Bewohnern Leistungsverträge abgeschlossen. In dem vorliegenden Leistungsvertrag vom 8. August 2000 (Blatt 171 ff der Gerichtsakte) werden unter Ziffer 3. die Grundleistungen näher umschrieben mit regelmäßigen Sprechzeiten der Hausleitung, einschließlich Beratung in persönlichen Angelegenheiten und Vermittlung entsprechender Hilfen sowie Organisation und Verwaltung der Gemeinschaftsräume, mit der kostenlosen Sozial-, Gesundheits- und Pflegeberatung, der Anwesenheit des Personals in den Gemeinschaftsräumen, der Nutzung der Gemeinschaftsräume, mit der Teilnahme der Bewohner an allen Veranstaltungen in der Begegnungsstätte, mit dem Hausnotruf, mit der kostenlosen Nutzung des Pflegebades, der Schlüsselaufbewahrung für die Bewohner und mit der Übernahme kleiner Einkäufe und Besorgungen im Notfall. Die bei Einzug vereinbarte Pauschale bleibe gültig und werde nunmehr direkt vom Kläger erhoben.

Das Finanzamt hat hierzu angegeben, dass der Kläger ab dem 1. September 2000 die Grundleistungen direkt mit den Mietern vereinbart und abrechnet. Vom Vermieter würden ab diesem Zeitraum nur noch die Betreuungspauschalen für leer stehende Wohnungen überwiesen. Die Zahlungen der Mieter behandle das Finanzamt als Einnahmen im Zweckbetrieb, die nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei seien. Soweit die Zahlungen vom Vermieter erbracht würden, unterlägen diese gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a einer Besteuerung mit 7 % MwSt.

Mit der vorliegenden Klage macht der steuerlich vertretene Kläger geltend, dass seine Aktivitäten beim „betreuten Wohnen“ von dem Vereinszweck der beratenden, betreuenden, pflegenden und unterstützenden Hilfe mit dem Ziel, die aktive Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen, umfasst würden. Die Betreuungs- und Hilfsleistungen würden unmittelbar von dem Betreuungspersonal des Klägers erbracht. Dieses sei von Montag bis Freitag von 9.00 bis 19.00 Uhr und samstags von 14.00 bis 17.00 Uhr in den Gemeinschaftsräumen anwesend und erbringe die satzungsgemäßen Aufgaben. So würden Veranstaltungsangebote in erheblichem Umfang angeboten (Gymnastik, Gruppenspiel, Video, Gedächtnistraining und Tanzen), Ausflüge organisiert (Oper, Gewandhaus, Zoo, Stadtrundfahrten) und einmal monatlich ein Pflegebad bzw. einmal wöchentlich eine Schwesternsprechstunde durchgeführt. Weiter würde täglich das Mittagessen in den Gemeinschaftsräumen angerichtet, die Bewohner bei Fahrten zum Arzt oder zu Behörden begleitet. Auch werde Hilfestellung beim sog. Apothekenservice, bei der Leerung von Briefkästen, bei der Vermittlung von Dienstleistungen u.ä. gegeben. Der Kläger habe in dem streitgegenständlichen Jahr neben der Leiterin (Fachkraft für soziale Arbeit) mit 40 Wochenstunden, eine weitere Kraft mit 30 Wochenstunden sowie eine ehrenamtliche Hilfskraft mit 10 Wochenstunden eingesetzt. Etwa 60 % der Tätigkeit dieser Mitarbeiter entfalle auf die Vorbereitung der o.g. Veranstaltungen einschließlich des Herrichtens des Mittagessens; dabei sei zu berücksichtigen, dass viele Bewohner aufgrund ihres Gesundheitszustandes mit Rollstuhl befördert werden müssten. Ca. 30 % der Tätigkeit entfalle auf persönliche Gespräche, Beratungen und kleinere Hilfsdienste. Da die Leistungen Personen zu Gute kommen, die zu 80 % über 75 Jahre alt seien, erfülle der Kläger die Voraussetzungen des § 66 AO 1977 (vgl. Zugangs- und Abgangsstatistik, Blatt 105 ff der Gerichtsakte).

Lägen die Voraussetzungen des § 66 AO 1977 vor, komme es nicht mehr zur Prüfung eines Zweckbetriebes nach § 65 AO 1977 (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 66 RdNr. 1).

Es liege kein Leistungsaustausch zwischen Vermieter und dem Kläger vor. Nach § 1 Abs. 2 des Betreibervertrages sei der Kläger verpflichtet, die Betreuungs-, Service- und Pflegeleistungen für die Bewohner im eigenen Namen und auf eigene Rechnung fachgerecht zu erbringen. Der Vermieter fungiere insoweit lediglich als Zahlstelle; die Leistungsbeziehung zwischen dem Kläger und den Bewohnern bleibe hiervon unberührt. Die Leistungsbeziehung ergebe sich nicht nur aus den tatsächlichen Verhältnissen, sondern bereits aus der vertraglichen Ausgestaltung als Vertrag zugunsten Dritter. Dem Kläger werde durch die Zusammenarbeit mit dem Vermieter erst die Möglichkeit eröffnet, das Projekt „betreutes Wohnen“ anzubieten und damit satzungsmäßige Zwecke umzusetzen.

Würde die Argumentation des Finanzamtes zutreffen, dass die Erbringung der Grundleistungen in jedem Fall auch dem Vermieter zugute komme, führte dies im Ergebnis dazu, dass die Leistungen im Rahmen des betreuten Wohnens in jedem Fall gemeinnützigkeitsschädlich seien. Lediglich die Abrechnung der Basisleistungen erfolge über die W F. Es könne nicht entscheidend darauf ankommen, in welcher vertraglichen Konstellation der Kläger seine Leistungen anbiete. Auch wenn die WF Vertragspartner sei, komme es darauf an, wem die Leistung zugewandt werde (vgl. Erlass des MF NRW vom 18.05.1998, UR 4/1989 (8.4.), 131; Birkenfeld, UStG, Abschnitt II Rdnr. 496). Die Entgelte blieben deutlich hinter denen von Erwerbsunternehmen zurück, § 4 Nr. 18 c) AO 1977 (vgl. Kostenkalkulation von 1997, Blatt 108 der Gerichtsakte). Sei wie im Streitfall ein Preisvergleich mit Erwerbsunternehmen nicht möglich, so seien die Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 c) UStG als erfüllt anzusehen, wenn lediglich die Selbstkosten berechnet würden (Rau/Dürrwächter UStG, § 4 Nr. 18 Rdn. 43). Das Fehlen vergleichbarer Leistungen auf dem Markt sei ein Indiz dafür, dass keine Gewinne erwirtschaftet werden könnten (Bunjes, Geist, UStG, § 4 Nr. 18 Rdn. 11). Die Vorschrift sei ggf. sogar unerheblich, wenn Vergleichspreise fehlen (Reiß/ Kraesel /Langer, UStG, § 4 Nr. 18 Rdn. 61). Auch nach der Vertragsumstellung ab September 2000 seien die von dem Vermieter noch gezahlten Betreuungspauschalen für den Fall leer stehender Wohnungen nach § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerfrei.

Die festgesetzte „Pauschale“ sei auf Selbstkostenbasis errechnet worden. Durch die an die Mieterhöhungen gebundene Anpassungsklausel solle die Erstellung weiterer Kostenkalkulationen vermieden werden. Da insoweit im wesentlichen auch Personalkosten enthalten seien, führe die Anpassungsklausel allenfalls zur Abgeltung des steigenden Aufwands, nicht hingegen zu einer Gewinnmarge (Beweis: Sachverständigengutachten). Abgesehen davon, dass die Annahme, dass die WF über 20 Jahre lang die vertraglich geschuldete Pauschale auch dann zahlen müsste, wenn niemand ihr Angebot auf betreutes Wohnen annehmen würde, unrealistisch sei, wäre es für diesen Fall auch rechtlich möglich, den Betreibervertrag aus wichtigem Grund zu kündigen bzw. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Beendigung herbeizuführen. Nach Überprüfung von 67 Mietakten aus den Jahren 1996 bis 1999 seien noch 38 Mietverträge vorgefunden worden, in denen in 27 Fällen der auf die Betreuungsleistungen entfallende Anteil der Wohnpauschale gesondert ausgewiesen worden sei (vgl. im einzelnen Aufstellung Blatt 157 ff der Gerichtsakte). Soweit das Finanzamt behaupte, dass im betreuten Wohnen höhere Mieten zu erzielen seien, ergebe dies sich schon aus der Pauschale für die Betreuung, lasse indes nicht auf eine höhere Gewinnmarge schließen, da der Vermieter nach DIN 18025/1 und 77800 erhöhten Qualitätsanforderungen unterliegen würde.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2003 die Bescheide über Körperschaftsteuer, den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer 1997 vom 30. November 2001 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf 17.440 DM, der Gewerbesteuermessbetrag auf 2.075 DM und die Umsatzsteuer auf 17.103,69 DM festgesetzt werden.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen und für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Kläger sei durch den Vertrag mit der WF verpflichtet worden, die Basisleistungen bereitzustellen. Hierfür habe er das vereinbarte Entgelt, das nicht gesondert ausgewiesen worden sei, bekommen. Der Umfang der tatsächlichen Leistungserbringung an die Senioren habe auf die Höhe der Vergütung keinen Einfluss. Darüber hinaus erhöhe sich das Entgelt pauschal mit den vereinbarten Mieterhöhungen (vgl. § 1 Nr. 3 des Betreibervertrages) und es mangle an einem außerordentlichen Kündigungsrecht, wenn die Wohnungen nicht im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ vermietet werden könnten (§ 7 des Betreibervertrages).

Der Kläger habe während der Betriebsprüfung einen Mietvertrag übergeben, in dem die Kosten für die Betreuungsleistungen nicht gesondert ausgewiesen worden seien. In dem Mietvertrag sei zudem angegeben, dass die Betreuungsleistungen in der Miete enthalten seien. Die Mieter hätten danach nicht erkennen können, dass ihnen voneinander unabhängige Leistungen angeboten würden und diese getrennt zu vergüten seien.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2006 führt das Finanzamt aus, dass vom Vermieter ein Entgelt gezahlt werde, um das betreute Wohnen anbieten zu können, denn auch bei einem Vermietungsstand von 0 % müsste der Vermieter das Entgelt zahlen. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liege nicht vor, da es insofern an der Selbständigkeit fehle. Die Abgrenzung vom steuerbegünstigten Bereich (betreutes Wohnen) sei nicht möglich, da die Vorhaltung der Grundleistungen als Service für den Vermieter nicht ohne die Ausführung der Grund- und Zusatzleistungen an die Leistungsempfänger des betreuten Wohnens (Zweckbetrieb) denkbar sei (vgl. Buchna in Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 8. Auflage, 2003, Seite 206, Blatt 187 ff der Gerichtsakte). Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG komme nicht in Betracht, da insbesondere wegen der Zahlung auch für leer stehende Wohnungen ausschließlich ein Leistungsaustausch zwischen Vermieter und Kläger stattfinde.

A 103 I Satz 1 UStR könne nicht angewandt werden, da die Zahlung nicht auf rein vertraglicher Grundlage beruhe. Ein echter Zuschuss (A 150 VII UStR) liege nicht vor, da die Zahlung für das Angebot der Grundleistungen erfolge, von denen der Vermieter ebenso profitiere. Ein Entgelt von dritter Seite (A 150 III ff UStR) liege eben sowenig vor wie ein Entgelt zur Ergänzung der Zahlung der Mieter. Der Vermieter als Zahlender werde durch das Angebot der Grundleistungen in die Lage versetzt, seine Wohnungen als betreutes Wohnen anzubieten. Die Umsätze seien nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG mit 7 % zu versteuern.

Das Finanzamt rückte im weiteren Verfahren von diesen Ausführungen wieder ab. Der Kläger weise hinsichtlich der Basisleistungen unzutreffend auf die Regelung in § 1 Abs. 2 des Betreibervertrages hin. Es fehle insoweit an Verträgen zwischen dem Kläger und dem einzelnen Mieter. Aus diesem Grund habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung durch den Mieter. Lediglich der Betreibervertrag bilde die Anspruchsgrundlage für die Zahlungen. Diese Zahlungen würden auch dann fällig, wenn nicht alle Wohnungen vermietet seien. Die Basisleistungen beinhalteten keine reine Personalgestellung, da auch die Gemeinschafts- und Funktionsräume vorgehalten werden müssten. Anders als der Kläger vortrage, seien vier von acht Basisleistungen auf die Vermittlung von anderen Leistungen ausgerichtet. Vermittlungsleistungen könnten nicht als ausgeübte Sorge für Not leidende und gefährdete Mitmenschen gemäß § 66 Abs. 2 AO 1977 angesehen werden. Dass die Vermittlungsleistungen nur von untergeordneter Bedeutung seien, könne nicht festgestellt werden (BFH-Urteil vom 18.1.1995, BStBl II 1995, 446). Ein Zweckbetrieb liege nicht vor, da die Leistungen nicht gegenüber den bedürftigen Personen geschuldet werden. Da die den Vermieter unterstützende Tätigkeit auch einen wirtschaftlichen Wert verkörpere (im Rahmen des betreuten Wohnens würden höhere Mieten erzielt) und dieser Vorteil dem Vermieter zugute komme, würden durch den Kläger Leistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne erbracht. Unerheblich sei der Wert der Gegenleistung, auch wenn das vereinbarte Mindestentgelt nur die Selbstkosten abdecken sollte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vom Finanzamt vorgelegten Akten sowie auf den protokollierten Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2006 Bezug genommen.

Für das weitere Verfahren haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.



Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet. Die angefochtenen Bescheide sind in dem im Tenor angegebenen Umfang rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Abweichung von dem bezifferten Antrag des Klägers beruht darauf, dass bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens die Gewerbesteuerrückstellung anzupassen war. Der Prozessvertreter des Klägers ist hierzu gehört worden und hat sich mit der vom Finanzamt vorgenommenen Berechnung einverstanden erklärt.

1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG ( § 3 Nr. 6 GewStG) ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer (Gewerbesteuer) befreit, wenn sie nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§§ 51 – 68 AO 1977). Unterhält sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO 1977), der kein Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO 1977 ist, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Nach § 52 Abs. 1 AO 1977 verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Als Förderung der Allgemeinheit werden u.a. die Förderung der Jugend- und Altenhilfe und das Wohlfahrtswesen anerkannt (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977). Mildtätige Zwecke werden gemäß § 53 AO 1977 u.a. dann verfolgt, wenn die Tätigkeit der Körperschaft darauf gerichtet ist, körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftige Personen selbstlos zu unterstützen. Eine Unterstützung ist nach § 55 AO 1977 selbstlos, wenn die Körperschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt und die besonderen Voraussetzungen des § 55 Nr. 1 bis 4 AO 1977 erfüllt. Die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung müssen so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung gegeben sind (§ 60 Abs. 1 AO 1977). Die tatsächliche Geschäftsführung muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen der Satzung entsprechen (§ 63 Abs. 1 AO 1977).

a) Die Tätigkeit des Klägers ist gemeinnützig und vom Finanzamt als solche auch für die Jugend- und Altenhilfe sowie die Wohlfahrtspflege anerkannt. Die Altenhilfe umfasst nach dem Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände die Beratung, Altenclubs, Mahlzeitendienste, Altenerholung oder Altentagesstätten (vgl. Hübschmann, Hepp, Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 66 Rdnr. 20). In diese Richtung zielt das Angebot der Basisleistungen. Diese bestehen im wesentlichen darin, dass in den Gemeinschaftsräumen für die Senioren Angebote unterbreitet, Veranstaltungen durchgeführt und Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden, um damit - satzungsgemäß - den Senioren die aktive Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Der Kläger wird insoweit im Sinne des § 71 SGB XII tätig, denn die so verstandene Altenhilfe soll dazu beitragen, Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern, und alten Menschen die Möglichkeit zu erhalten, am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen. Als Maßnahmen der Hilfe kommen gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 1 - 5 SGB XII insbesondere solche zur Unterstützung und Beratung, aber auch Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung, der Bildung und den kulturellen Bedürfnissen alter Menschen dienen, in Betracht. Dem entspricht es, dass sich die Senioren - neben den Veranstaltungen und der Einnahme der Mahlzeiten - im Rahmen der Betreuung in der Begegnungsstätte fachkundig über die Bereitstellung von Mahlzeitendiensten, ambulanten Hilfsleistungen allgemeiner Art bzw. von sonstigen Dienstleistungen und über einen Pflegeplatz informieren können. Der angebotenen Vermittlung solcher Leistungen kommt offenkundig eine untergeordnete Bedeutung zu, denn Sinn und Zweck der Begegnungsstätte ist nicht das Unterhalten einer gewerblichen Vermittlungsagentur.

b) Da der Kläger aus seinem selbständigen nachhaltigen Tätigwerden in den Gemeinschaftsräumen Einnahmen erzielt, liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO 1977 vor. Allein das Bestehen eines solchen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erlaubt keine Rückschlüsse auf die Frage, ob der Kläger selbstlos im Sinne des § 55 AO 1977 bzw. ausschließlich im Sinne des § 56 AO 1977 für die satzungsmäßigen Belange tätig wird. § 64 AO 1977 setzt den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht in ein wie auch immer geartetes Verhältnis zum Umfang des (übrigen) gemeinnützigen Bereiches; § 64 AO 1977 durchbricht auch die Ausschließlichkeitsregel des § 56 (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 64 Rdnr. 3). Nach § 64 AO 1977 verliert die Körperschaft die Steuervergünstigung für die einem wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb (§ 14 AO 1977) zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen jedoch dann, wenn und soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb ist.

Ein Zweckbetrieb ist nach § 65 AO 1977 gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Mit dieser Vorschrift soll die Steuervergünstigung für bestimmte wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die unmittelbar und ausschließlich ideellen Zwecken dienen, erhalten bleiben.

Dies setzt jedoch insbesondere voraus, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Durch die steuerliche Begünstigung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes sollen weder Wettbewerber verdrängt noch sollen Marktzutrittsschranken errichtet werden. In letzter Hinsicht sollen dadurch auch potentielle Wettbewerber geschützt werden (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1993 X R 115/91, BStBl II 1994, 314). Eine Orientierung dafür, ob es sich im Einzelfall um einen solchen Zweckbetrieb handelt, gibt das Gesetz mit den in den §§ 66 bis 68 AO 1977 genannten Zweckbetrieben, zu denen insbesondere Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege gehören. Dabei dispensieren die Sonderregelungen der §§ 66 ff AO 1977 - anders als § 65 AO 1977 - von der Frage, ob ein Wettbewerb mit nicht begünstigten Betrieben (§ 65 Abs. 3 AO 1977) stattfindet; liegen die Voraussetzungen der §§ 66 ff AO 1977 vor, wird das Vorhandensein eines Zweckbetriebes unterstellt (vgl. HHSp, a.a.O., § 66 Rdnr. 5 für Zweckbetrieb nach § 66 AO 1977).

c) Die Tätigkeit des Klägers im Rahmen des betreuten Wohnens in dem Objekt E.-Str.stellt einen Zweckbetrieb im Sinne des § 66 AO 1977 dar. Dass die Tätigkeit des Klägers, der Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Sachsen ist, als Wohlfahrtspflege im Sinne des § 66 Abs. 2 AO 1977 anzusehen ist, es sich also um eine planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für Not leidende oder gefährdete Mitmenschen handeln muss, ergibt sich bereits aus dem oben Gesagten zur Altenhilfe. Zulässig ist wohl auch ein Verweis auf die Regelung in § 68 Nr. 1 AO 1977, wonach auch Altenwohnheime (vergleichbar dem betreuten Wohnen) Zweckbetriebe dann sein können, wenn sie in besonderem Maße den in § 53 AO 1977 genannten Personen dienen (so auch § 66 Abs. 1 AO 1977). Nach § 66 Abs. 3 AO 1977 dient eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege in besonderem Maße den in § 53 genannten Personen, wenn diesen mindestens zwei Drittel ihrer Leistungen zugute kommen. Die Senioren, die von dem Kläger im Rahmen des betreuten Wohnens unterstützt werden, sind überwiegend hilfsbedürftig im Sinne des § 53 AO 1977. Der Kläger hat Belegungsstatistiken vorgelegt, wonach die Senioren mehrheitlich älter als 75 bzw. 80 Jahre alt sind; bei solchen Personen wird ohne weitere Nachprüfung die Hilfsbedürftigkeit im o.g. Sinne angenommen (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 53 Tz. 3 m.H. auf Erlass zur Anwendung der AO Nr. 3 a.E.). Egal, ob man auf den Betreibervertrag zwischen dem Kläger und der W F, auf die Mietverträge mit den einzelnen Senioren oder den Mietvertrag des Klägers über die Gemeinschaftsräume abstellt, allen Verträgen ist gemein, dass es im Rahmen des betreuten Wohnens Aufgabe des Klägers sein soll, Betreuungs-, Hilfs- und Pflegeleistungen eigenständig an die Senioren zu erbringen.

Daran ändert nichts, dass sich der Kläger gegenüber der WF zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet hat. Unzutreffend geht das Finanzamt davon aus, dass deshalb sinngemäß davon auszugehen ist, dass die Leistungen des Klägers in weiterführende Leistungen der WF eingehen bzw. der Kläger lediglich als Hilfsperson des Vermieters tätig wird (zur fehlenden Unmittelbarkeit bei der Zweckverfolgung im Interesse der Gesellschafter vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2007 I R 90/04, BStBl II 2007, 628). Die WF hat den Mietern die Erbringung der Betreuungsleistungen im Rahmen des Mietvertrages lediglich zugesichert. Dass diese Leistungen nicht durch sie selbst erbracht werden sollen, ergibt sich aus dem Hinweis an die Mieter, dass die WF einen gemeinnützigen Verein vertraglich gebunden habe. Auch existiert kein entsprechender Leistungsvertrag zwischen der WF und dem einzelnen Mieter. Schließlich musste der Kläger, um die vertraglich geschuldeten Leistungen überhaupt erbringen zu können, die entsprechenden Räumlichkeiten von der WF anmieten. Der WF wäre es insoweit überhaupt nicht möglich, in diesen Räumen die zugesicherten Betreuungsleistungen zu erbringen. Ebenso verhält es sich mit dem Personal, dass allein dem Weisungsrecht des Klägers unterliegt. Die Unterscheidung des Finanzamtes zwischen der Bereitstellung und der tatsächlichen Leistungserbringung aus Sicht des Leistungsempfängers erscheint demgegenüber konstruiert und ist wohl allein dem Umstand geschuldet, dass es im Streitjahr an einem gesonderten Leistungsvertrag zwischen dem Kläger und dem einzelnen Mieter fehlt. Auch wenn der Verein gegenüber W F die Gestellung des Personals bzw. die Bereitstellung der Leistungen schuldet, liegt der Sinn allein darin, den Bewohnern die Basisleistungen unmittelbar angedeihen zu lassen. Dass das Fehlen eines gesonderten Leistungsvertrages nicht ausschlaggebend sein kann, hat das Finanzamt in den Folgejahren quasi selbst erkannt, soweit es nämlich die (verbleibenden) Zahlungen des Vermieters ab dem Veranlagungszeitraum 2000 als solche im Rahmen eines Zweckbetriebes behandelt, obwohl Rechtsgrund hierfür nach wie vor nur der Betreibervertrag mit dem Kläger - neben den mit den Mietern zusätzlich abgeschlossenen Leistungsverträgen - sein dürfte. Hinzu kommt, dass - wie das Finanzamt zwischenzeitlich selbst problematisiert hatte - die Bereitstellung der Grundleistungen ggf. überhaupt nicht von den sog. Zusatzleistungen im Sinne eines eigenständigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs getrennt werden kann. Da für letzteren das Vorliegen eines Zweckbetriebes im Sinne des § 66 AO 1977 anerkannt worden ist und - wie vom Finanzamt begründet - die Vorhaltung der Grundleistungen als Service für den Vermieter nicht ohne die Ausführung der Grund- und Zusatzleistungen an die eigentlichen Leistungsempfänger des betreuten Wohnens denkbar ist, wäre auch aus diesem Grund das Erbringen der Grundleistungen als Zweckbetrieb im Sinne des § 66 AO 1977 anzusehen.

d) Aus dem Vorliegen eines Zweckbetriebs im Sinne des § 66 AO 1977 würde umsatzsteuerrechtlich zunächst einmal folgen, dass nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG die Leistungen des Klägers einem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen. Die zwischen den Beteiligten streitige Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 18 UStG setzt darüber hinaus jedoch voraus, dass die Leistungen des Klägers unmittelbar dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis zugute kommen (Buchstabe b) und die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben (Buchstabe c). Im Streitfall liegen auch diese weiteren Voraussetzungen vor. Für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 18 Buchstabe b) kommt es nicht vorrangig darauf an, dass im Streitjahr ausschließlich die WF Vertragspartner des Klägers und damit umsatzsteuerrechtlich Leistungsempfänger ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die vereinbarten Leistungen unmittelbar dem in der Satzung des Klägers begünstigten Personenkreis zugute gekommen sind (vgl. auch Abschnitt 103 Abs. 5 UStR 1996). Das Merkmal der Unmittelbarkeit ist leistungsbezogen, d.h. die Leistung selbst muss den in § 53 AO 1977 bezeichneten Personen – also u.a. den Personen, die im Sinne des § 53 Nr. 1 AO 1977 infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind – zugute kommen (so bereits BFH-Urteil vom 7. November 1996 V R 34/96, BStBl II 1997, 366 m.w.N.). Es reicht nicht, wenn die Leistungen des Klägers lediglich in eine vom Leistungsempfänger an die in § 53 AO 1977 genannten Personen zu erbringende Leistung eingehen (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2004 V R 101/01, BStBl II 2004, 798). Unmittelbar zugute kommen in diesem Sinne zum Beispiel die Leistungen eines Wohlfahrtsverbandes, der in seinem Obdachlosenheim Personen aufnimmt, die ihm vom Sozialamt der Gemeinde zugewiesen werden, oder der Personal für die Führung eines fremden Studentenheims und Schullandheims abstellt (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 1996 V R 34/96, a.a.O.). Im Streitfall hat der Kläger seine Leistungen unmittelbar an die in § 53 AO 1977 genannten Personen in den von ihm angemieteten Räumen durch das von ihm bereit gestellte Personal erbracht. Dass die Leistungen des Klägers unmittelbar an die Senioren zu erbringen sind, ergibt sich - wie oben ausgeführt - auch aus dem Betreibervertrag, denn darin hat sich der Kläger - nicht der Vermieter - verpflichtet, die Versorgung der Bewohner sicher zu stellen, aus eigenem Antrieb Betreuungs-, Service- und Pflegeleistungen anzubieten und diese Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung fachgerecht zu erbringen. Dass die Leistungen unmittelbar den Mietern zugute kommen sollten, ergibt sich schließlich auch daraus, dass diese nach den Vereinbarungen in den Mietverträgen hierfür ein Entgelt zu zahlen hatten, das in der Mehrheit der von dem Kläger untersuchten Verträge auch offen ausgewiesen worden ist.

Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Wohnungen vermietet und die Senioren die Leistungen des Klägers tatsächlich in Anspruch genommen haben. Abgesehen davon, dass dies bei konsequenter Vorgehensweise auf erhebliche praktische Schwierigkeiten in der steuerrechtlichen Umsetzung stoßen würde, macht es für den Kläger hinsichtlich der von ihm zu erbringenden Leistungen keinen Unterschied, ob diese letztlich in einem konkreten Tätigwerden oder nur in der (tatsächlich gezeigten) Bereitschaft für ein solches Tätigwerden besteht (vgl. so zu den Leistungen der DRK im Rahmen der Unfallhilfe und Einsätzen bei Veranstaltungen im Land Nordrhein Westfalen Erl. FinMin NRW vom 18. Mai 1988 – S 7175 – 8 – V C 4, UR 1989, 131 sowie beispielhaft zitiert von Husmann in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, UStG, Kommentar, 8. Aufl., § 4 Nr. 18, Rdnr. 37). Die Problematik wird deutlich in der Besteuerung ab 2000, denn soweit das Finanzamt die Befreiung nach § 4 Nr. 18 UStG für die Entgelte gewährt, die aufgrund der Leistungsverträge unmittelbar von den Mietern gezahlt werden, unterscheidet es auch nicht danach, ob und in welchem Umfang die Leistungen von dem einzelnen Mieter tatsächlich in Anspruch genommen worden sind. Die unterschiedliche Besteuerung knüpft insoweit allein daran an, ob der einzelne Mieter oder die WF Vertragspartner ist. Dies ist nicht zulässig, wenn die Leistung in Gestalt der Bereitstellung der Betreuungs-, Hilfs- und Pflegeangebote an die Senioren identisch ist. Für das Streitjahr kann es dahingestellt bleiben, ob den verbliebenen „Auffüllzahlungen“ der WF tatsächlich noch ein Leistungsaustausch zugrunde liegt oder, ob es sich nicht eher um einen echten Zuschuss, ein Entgelt von dritter Seite oder ein Entgelt zur Ergänzung der Zahlungen der Mieter handelt.

Zum Vorliegen des sog. Abstandsgebots nach § 4 Nr. 18 Buchstabe c) UStG hat der Kläger nachgewiesen, dass die Höhe des Entgelts sich strikt nach der Höhe der ihm entstehenden Selbstkosten richtet. Nach der von ihm im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Kalkulation beruhen diese im wesentlichen auf den Personal- und Mietkosten, die unabhängig davon anfallen, in welchem Umfang die Leistungen des Klägers in Anspruch genommen worden sind (vgl. Kostenkalkulation von 1997, Blatt 108 der Gerichtsakte). Selbst wenn für die Folgejahre angenommen werden könnte, dass bei vollständiger Auslastung der dem Kläger insoweit entstandene Aufwand durch die Zahlung der Mieter (160 DM/Monat) abgedeckt werden könnte (für 2000 war dies offenkundig nicht der Fall, da der Vermieter ungefähr im Umfang der Mietkosten „Auffüllzahlungen“ leisten musste), fehlt jedoch jeder Anhalt dafür, dass der Kläger bei den Grundleistungen einen Gewinn erzielen könnte. Allein die Kalkulation auf Selbstkostenbasis spricht dafür, dass potentielle Wettbewerber fehlen und die Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 c) UStG als erfüllt anzusehen sind. Zu einer solchen Einschätzung geben auch die Vergütungsregelungen nach § 75 Abs. 2 und 3 SGB XII Anlass, die einen Ersatz von Aufwendungen - abweichend vom konsequenten Selbstkostenprinzip - nur aufgrund von Vereinbarungen zwischen dem Kostenträger und den Leistungserbringern vorsehen. Da insoweit von Gesetzes wegen nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit vorgegangen werden soll, eröffnet dies den Trägern der Sozialhilfe vorrangig eine Möglichkeit zur Kostenentlastung. Dies soll auch der Grund dafür sein, dass Leistungen im Bereich des ambulant betreuten Wohnens praktisch nur von gemeinnützigen Einrichtungen angeboten werden (vgl. Hüttmann in UR 2006, S. 441 ff). Sichert das Entgelt lediglich den Ersatz der Aufwendungen, die dem Kläger zwangläufig entstehen, kommt die Steuerentlastung nach § 4 Nr. 18 UStG den Senioren als Verbraucher zugute, was dem eigentlichen Zweck des Gesetzes entspricht.

RechtsgebietAbgabenordnungVorschriften§ 65 AO

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