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11.07.2008 · IWW-Abrufnummer 082111

Landessozialgericht Niedersachsen: Urteil vom 24.04.2008 – L 4 KR 386/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 4 KR 386/04

Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 27. August 2004 wird aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 8. August 2003 in der Gestalt der Teilabhilfebescheide der Beklagten vom 8. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2004 werden geändert. Die Beklagte wird verurteilt, das der Beitragseinstufung zugrunde liegende Einkommen des Klägers aus Kapitalvermögen unter Absetzung des Werbungskosten-Pauschbetrages zu ermitteln. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger ein Zwanzigstel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge des Klägers für seine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten ab 1. September 2001. Es geht nunmehr lediglich um die Frage, ob der Sparer-Freibetrag von 3.801,00 DM und der Werbungskosten-Pauschbetrag von 152,00 DM beitragsmindernd zu berücksichtigen ist.

Der Kläger ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Wegen Einkünften oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze wurde er in die Versichertenklasse F114 eingestuft. Im August 2001 beantragte er erstmals bei der Beklagten die einkommensabhängige Einstufung nach monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 4.529,00 DM. Die Beklagte stufte ihn daraufhin mit Bescheid vom 29. August 2001 nach dem genannten Einkommen ab 1. September 2001 unter Vorbehalt ein. Der Vorbehalt wurde ausgesprochen, weil der letzte Einkommensteuerbescheid nicht vorgelegt wurde.

Der Beklagten ging der Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 2001 im August 2003 zu. Dieser Bescheid weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 473,00 DM sowie negative Einkünfte aus Beteiligungen in Höhe von 33.176,00 DM aus. Darüber hinaus wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 96.698,00 DM sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 7.026,00 DM aufgeführt. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers wurden im Steuerbescheid durch den Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 152,00 DM sowie den Sparer-Freibetrag von 3.801,00 DM gemindert. Mit den drei Einstufungsbescheiden vom 8. August 2003 (für 2001, 2002 bzw 2003) stufte die Beklagte den Kläger rückwirkend ab 1. September 2001 erneut in die Versicherungsklasse F114 mit einem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze ein. Der monatliche Krankenversicherungsbeitrag für das Jahr 2001 betrug 503,77 EUR, für 2002 betrug er 529,88 EUR und für das Jahr 2003 betrug er 569,26 EUR.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein und legte diverse Gesellschaftsunterlagen und die Einkommensnachweise als Geschäftsführer vor. Das Gehalt als Geschäftsführer sei ab 1. August 2001 auf monatlich 4.529,00 DM herabgesunken. Mithin sei die Einstufung rückwirkend aufzuheben. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit drei Bescheiden (für 2001, 2002 und 2003) vom 8. Oktober 2003 mit, dass nun ab 1. September 2001 ein monatlicher Einkommensbetrag von 3.026,04 EUR der Beitragsbemessung zugrunde gelegt werde. Da die Bescheide mit Rechtsbehelfsklauseln versehen waren, erhob der Kläger erneut Widerspruch und beantragte die Berücksichtigung des steuerlichen Werbungskosten-Pauschbetrages sowie des Sparer-Freibetrages zur Minderung der Einnahmen aus Kapitalvermögen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2004 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung freiwilliger Beiträge sei die Satzung der Beklagten. Nach § 15 Abs 3 Satz 1 und 2 der Satzung seien als beitragspflichtige Einnahmen die monatlichen Einnahmen unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit maßgebend. Zu diesen gehörten alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Satzungsvorschrift folge, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen in voller Höhe der Beitragspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen seien. Aus diesem Grunde sei die Beurteilung im Steuerrecht nicht maßgeblich. Diese Satzungsvorschrift sei auch mit höherrangigem Recht, nämlich § 240 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), konform. Die Umstufung des Klägers sei auch rückwirkend möglich gewesen, denn der Bescheid vom 29. August 2001 sei unter Vorbehalt ergangen.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die am 16. Februar 2004 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim eingegangen ist. Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Berechnung des Mitgliedsbeitrages nach den Einnahmen aus Kapitalvermögen ohne Absetzung des Werbungskosten-Pauschbetrages und des Sparer-Freibetrages.

Mit Urteil vom 27. August 2004 hat das SG die Bescheide der Beklagten vom 8. August 2003 in der Gestalt der Teilabhilfebescheide der Beklagten vom 8. Oktober 2003, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, das der Beitragseinstufung zugrunde liegende Einkommen des Klägers aus Kapitalvermögen unter Absetzung des Werbungskosten-Pauschbetrages und des Sparer-Freibetrages zu ermitteln. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Satzungsregelungen der Beklagten würden gegen höherrangiges Recht verstoßen. Es seien die generellen Grundsätze, die das Arbeitsentgelt oder sonstiges Einkommen umschreiben in §§ 14 bis 17a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) bei der Bemessung der freiwilligen Beiträge zu berücksichtigen. Dies folge aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Mai 2003, Az: B 12 KR 13/02 R.

Gegen das der Beklagten am 8. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat diese Berufung eingelegt, die am 20. Dezember 2004 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Die Beklagte ist der Ansicht, dass nach der Entscheidung des Vordergerichts tatsächlich vorhandene Einkünfte um steuerliche Vergünstigungen zu kürzen seien. Diese seien dem Versicherten jedoch gar nicht entstanden und würden seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mindern.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 27. August 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist zum Teil begründet. Der Kläger hat zwar Anspruch auf Berücksichtigung des Werbungskosten-Pauschbetrages, nicht jedoch auf Berücksichtigung des Sparer-Freibetrages bei der Ermittlung des Einkommens aus Kapitalvermögen im Rahmen der Beitragsbemessung (§ 240 SGB V).

Im Berufungsverfahren war nur noch über die Anfechtungsklage des Klägers in Bezug auf die Minderung der Einnahmen aus Kapitalvermögen zu entscheiden. Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich nach § 240 SGB V. Danach wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Satzung geregelt (Abs 1 Satz 1), wobei sicherzustellen ist, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt wird (Abs 1 Satz 2). Die Satzung der Krankenkasse muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrundezulegen sind (Abs 2 Satz 1). Diese Vorgaben erfüllt die Satzung der Beklagten.

Danach durfte die Beklagte das Einkommen des Klägers aus Kapitalvermögen berücksichtigen, ohne dabei den Sparer-Freibetrag zu berücksichtigen.

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 9. August 2006, Az: B 12 KR 8/06 R (in SozR 4-2500 § 240 Nr 8) entschieden, dass der Sparer-Freibetrag iSd § 20 Abs 4 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge freiwillig Versicherter nicht beitragsmindernd zu berücksichtigen ist. Er stellt keinen Abzug für notwendige Ausgaben dar, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schmälern. Die Höhe der zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Einnahmen aus dem Kapitalvermögen wird durch ihn nicht berührt. Es handelt sich vielmehr um eine lediglich steuerrechtliche Privilegierung. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des BSG vom 9. August 2006 Bezug.

Anders sieht es bei dem Werbungskosten-Pauschbetrag aus. Dieser ist entgegen der Ansicht der Beklagten beitragsmindernd zu berücksichtigen. Der Werbungskosten-Pauschbetrag ist ein Abzug für notwendige Ausgaben.

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 19. September 2007, Az: B 1 KR 7/07 R (in SozR 4-2500 § 62 Nr. 3) ausgeführt, dass bei der Beitragsbemessung nach § 240 SGB V nach Maßgabe der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Einbeziehung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ohne Abzug der Werbungskosten oder Schuldzinsen für die Finanzierung des Miet- und Pachtobjekts nicht zulässig ist. Zu den die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmenden, zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden, Einkünften zählen insbesondere das Arbeitsentgelt (§ 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV-) und das Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV). Aus der Regelung in § 15 SGB IV zum Arbeitseinkommen wird deutlich, dass steuerrechtliche Vergünstigungen wie die Absetzungen für Abnutzung (§ 7 EStG) oder Werbungskosten (z. B. Schuldzinsen gem § 9 Abs 1 Nr. 1 EStG) die Einnahmen iSv. § 15 SGB IV verringern. Denn in § 15 Abs 1 Satz 1 in der Fassung des Artikel 3 Nr. 2 iVm Artikel 48 I des Gesetzes vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890) heißt es, dass Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit ist. Damit sind die Regelungen des EStG bei der Ermittlung des Gewinns und somit beim Einkommen iSv § 15 SGB IV anzuwenden.

Folglich sind die Werbungskosten des Klägers beitragsmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Einzelnachweis erfolgt oder der Pauschbetrag in Anspruch genommen wird. Bei dem Werbungskosten-Pauschbetrag handelt es sich nicht um eine steuerliche Vergünstigung wie dem Sparer-Freibetrag, sondern um unterstellte, tatsächlich angefallene, Werbungskosten. Die Pauschalierung dient lediglich der Vereinfachung für das Finanzamt, dem damit eine genaue Einzelfallprüfung erspart bleibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).

RechtsgebietSGB VVorschriften§ 240 SGB V

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