Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

30.05.2008 · IWW-Abrufnummer 081654

Oberlandesgericht München: Urteil vom 21.02.2006 – 9 U 2229/05

Entsprechen die eingebauten Wohnungseingangstüren nicht den Schallschutzanforderungen, haftet der bauleitende Architekt auch dann, wenn der Bauherr die Türen selbst bestellt hat. Der mit der Bauleitung beauftragte Architekt muss sich beim Hersteller der Türen über deren Schalldämmwerte vergewissern.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 9 U 2229/05
Verkündet am 21.2.2006

URTEIL

In dem Rechtsstreit

....

wegen Schadensersatz

erlässt der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Richter am Oberlandesgericht #### als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht #### und Dr. #### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.1.2006 folgendes

Endurteil:

I. Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München 1 vom 28.01.2005 werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 12% und die Beklagte zu 88%.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 50.417,86 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten (früher Beklagte zu 4) als Erbin des Architekten ### ### Schadensersatz für die Verletzung der Bauaufsichtspflicht bezüglich des Einbaus von 27 nicht ausreichend schalldämmenden Wohnungseingangstüren und bezüglich des Einbaus von Abwasserrohren ohne ausreichendes Gefälle und Revisionsöffnungen.

In Richtung auf die früheren Beklagten zu 1) bis 3) ist das Teil- und Endurteil vom 02.07.2003 rechtskräftig, gegen den früheren Beklagten zu 5) das Schluss- und Endurteil vom 28.01.2005. Die Beklagte zu 1) war von der Klägerin als Bauunternehmerin beauftragt, die Beklagten zu 2) und 3) als planende Architekten, der verstorbene Architekt ### mit der Bauaufsicht und der Beklagte zu 5) mit der Bauaufsicht über die Haustechnik.

Durch Schluss- und Endurteil vom 28.01.2005 hat das Landgericht München 1 die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 1) zur Zahlung von 40.290,37 EUR nebst Zinsen verurteilt, die Ersatzpflicht für weitere Schäden aus dem Schalldämmmangel festgestellt und der Beklagten die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten. Abgewiesen hat das Landgericht in diesem Urteil die Klage gegen die Beklagte auf Schadensersatz bzw. Feststellung wegen der mangelhaften Abwasserrohre. Insoweit hat es nur den Beklagten zu 5) verurteilt (Zahlung von 5.544,05 EUR nebst Zinsen und Feststellung).

Die Beklagte begehrt mit der Berufung. die Aufhebung ihrer Verurteilung und Klageabweisung.

Die Klägerin erstrebt mit der Berufung die Verurteilung der Beklagten im gleichen Umfang neben dem Beklagten zu 5).

Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung der Berufung der Gegenseite.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil, die darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und das Protokoll vom 17.01.2006 samt Senatshinweisen wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte bezüglich der Abwasserrohre zu. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit folgenden Erwägungen Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 2 ZPO).

Auf das vorliegende Schuldverhältnis sind die vor dem 01.01.2002 geltenden Gesetze anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB).

Unstreitig war der Bekl. zu 5) mit der Bauüberwachung für die Haustechnik beauftragt und hat dem Architekten ### insoweit einen entgeltlichen Unterauftrag erteilt. Ferner hat #### unstreitig gegenüber der Klägerin auf dem Gebiet der Haustechnik keinerlei fachliche Befähigung behauptet.

Die Auslegung des Landgerichts (LGU S. 13, Ziffer 2.5) erscheint daher überzeugend. ### mag gegenüber dem Beklagten zu 5) seine Bauaufsichtspflicht verletzt haben. Gegenüber der Klägerin hatte er eine solche für die Haustechnik samt Entwässerungsleitungen nicht übernommen. Er ist auch nicht aufgrund seiner allgemeinen, gegenüber der Bauherrin übernommenen Bauaufsichtspflicht verpflichtet, von der Bauherrin beauftragte Sonderfachleute - wie hier den Beklagten zu 5) - zu überwachen (Thode/Wirth/Kuffer/Fischer, Praxishandbuch Architektenrecht, 2004, § 19 Rdnr. 11; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl. 2005, Rdnr. 1537).

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für die Haustechnik zwei Personen, den Architekten #### und den Beklagten zu 5), nebeneinander mit der Bauaufsicht beauftragt hätte. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch nicht ersichtlich, dass #### seine aus der allgemeinen Aufsichtspflicht herzuleitende Pflicht zur Koordinierung mit der speziellen Bauaufsicht (Haustechnik) verletzt habe. Insbesondere kann aus dem aufgetretenen Baumangel nicht darauf geschlossen werden, dass insoweit keinerlei Bauaufsicht stattgefunden hätte. Nur im Falle des Unterbleibens jeglicher haustechnischer Bauaufsicht käme jedoch eine Koordinierungspflichtverletzung #### aufgrund seiner allgemeinen Bauaufsicht in Betracht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass #### den Mangel der Abwasserrohre tatsächlich erkannt hat.

Auf die weiteren Einwendungen der Beklagten kommt es daher insoweit nicht an. Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen.

III.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Die vom Landgericht zugesprochenen bzw. festgestellten Schadensersatzansprüche wegen des Schalldämmmangels an 27 Wohnungseingangstüren bestehen. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit folgenden Erwägungen Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 2 ZPO).

1.
Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin erstmals im Schriftsatz vom 18.05.2005 bestreitet, ist dies verspätet und im Berufungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen. Die Klägerin trägt nichts dafür vor, dass dieses neue Verteidigungsmittel im ersten Rechtszug nicht vorgebracht werden konnte (§§ 531 II 1 Nr. 3, 529 I Nr. 2 ZPO).

Überdies handelt es sich bei der Abtretung der Gewährleistungsansprüche an die Wohnungserwerber in den notariellen Ersterwerberverträgen um eine Sicherungsabtretung. Diese steht der Aktivlegitimation der hier klagenden Bauträgerin nicht entgegen.
Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15.07.2005, dessen Anlage K IV und das Urteil des BGH vom 23.02.1978 (NJW 1978, 1375) wird Bezug genommen.

2.
Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt in der Erklärung der Klägerin und der Beklagten zu 1) zu Protokoll des Oberlandesgerichts vom 09.03.2004 keine die Beklagte entlastende Erfüllungsvereinbarung nach §§ 421 ff. BGB (§§ 133, 157 BGB).

Ersichtlich wollten die Erklärenden nicht den materiellrechtlich begründeten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) modifizieren oder bestehende Rechte der Klägerin einschränken. Vielmehr sollte lediglich ein wirtschaftlicher und kostengünstiger Weg aus dem Verfahren über die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Teil-Endurteil vom 02.07.2003 gefunden werden. Dies erfolgte durch die anschließende Berufungsrücknahme. Überdies wurde hinsichtlich der Türenauswechslung durch die Beklagte zu 1) zu Protokoll lediglich vereinbart, dass die Klägerin das unterbreitete Angebot prüfen werde und während der Prüfung nicht aus dem Teil-Endurteil vollstrecken werde. Auch dies macht deutlich, dass die Parteien am Bestand der damals bestehenden Rechte nichts ändern wollten. Sonst hätten sie den Titel nicht bestehen lassen.

Deshalb kann die Beklagte aus der Protokollerklärung zu ihren Gunsten nichts herleiten.

3.
Dass auch nur eine der 27 Türen erfolgreich ausgetauscht sei und dadurch der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch erfüllt wäre, trägt die Beklagte nicht vor. Insoweit ist die Beklagte darlegungspflichtig, selbst wenn nicht sie selbst, sondern ein gesamtschuldnerisch Mithaftender die Erfüllung bewirkt hat. Somit ist hier davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) lediglich die Tür zur Wohnung #### ausgetauscht hat und zwar ohne den geforderten Schalldämmwert von 37dB im eingebauten Zustand zu erreichen.

4.
Soweit die Beklagte diverse Verfahrensfehler des Erstgerichts rügt, ist durchweg nicht dargestellt, welche Auswirkung dies auf die angefochtene Entscheidung konkret haben soll (§ 520 III 2 Nr. 2 und 3 ZPO).

Was auf notwendige, aber unterlassene Hinweise in erster Instanz vorgetragen worden wäre, war in der Berufungsbegründung nachzuholen. Entsprechendes gilt für die behauptete überraschende Verwertung von Schreiben durch das Gericht bzw. den Sachverständigen.

Die Angriffe auf die Feststellung der Verantwortlichkeit des Architekten #### im Ersturteil (LGU S. 9 Ziffer 1.1) haben keinen Erfolg. Die dort vorgenommene Beweiswürdigung ist nachvollziehbar und überzeugend. Dies bindet nach § 513 I 1 ZPO das Berufungsgericht (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 546 Rdnr. 11 a.E.; BGH NJW 2004, 2751). Dass der fachkundige Mitarbeiter der Klägerin S die Türen bestellt hat, ändert an der Bauaufsichtspflicht #### nichts. Insbesondere hätte sich #### - wie vom Landgericht angenommen Testate des Türenherstellers zum Schalldämmwert im nicht eingebauten Zustand vorlegen lassen müssen, was ein Leichtes gewesen wäre.

Dem Antrag der Beklagten auf Anhörung des Sachverständigen nach § 411 III ZPO im Berufungsverfahren war nicht zu folgen. Dies gilt selbst dann, wenn die Nichtanhörung des Sachverständigen in erster Instanz verfahrensfehlerhaft gewesen wäre, weil der in der Berufungsbegründung angekündigte Vorhalt an den. Sachverständigen (Schriftsatz vom 12.04.2005, Seite 8) lediglich die Rechtsfrage betrifft, ob die Bestellung der Türen durch einen fachkundigen Mitarbeiter der Klägerin den bauaufsichtspflichtigen Häfner entlastet. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichts ist dadurch nicht in Frage gestellt.

5.
Auch der Angriff der Beklagten auf die Forderungshöhe hat keinen Erfolg. Dass die heutigen Preise des Einbaus von Türen mit Schalldämmwerten entsprechend dem Leistungsverzeichnis höher liegen, als zur Bauzeit im Jahr 1992, ist von der haftungsausfüllenden Kausalität. des Schadensersatzanspruchs umfasst. Die Preissituation von 1992 ist daher ohne Einfluss auf die aktuelle Schadenshöhe. Ferner kostet eine Reparatur zumeist mehr, als eine mangelfreie Herstellung im Zuge der Baumaßnahme. Im Übrigen wird auf die der Beklagten bekannten Hinweise des Senats gemäß Protokoll vom 09.03.2004 Bezug genommen.

Worin Sowieso- Kosten liegen sollen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist Ziel der vorliegenden Klage nicht der Einbau qualitativ besserer Türen, sondern der Einbau von Türen, die genau dem damals vereinbarten Leistungsverzeichnis entsprechen.

Dass eine andere Firma die Schadensbeseitigung für einen niedrigeren Betrag durchführen könnte, als von der Firma #### und #### angeboten, entlastet den Schadensersatzpflichtigen ebenfalls nicht, weil ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil des Schädigers nicht ersichtlich ist und weil selbst eine sog. Billigreparatur den Schädiger nicht entlasten würde (BGH NJW 2003, 2085; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, vor § 249 Rdnr. 83). Nichts ist auch dafür ersichtlich, dass bei pflichtgemäßer und zeitnaher Beanstandung der Türen der streitgegenständliche Schaden ganz oder teilweise ebenso entstanden wäre.

6.
Bei derart umfangreichen Arbeiten, wie dem nachträglichen Austausch der Türblätter und Arbeiten an den Türstöcken, besteht Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO).

7.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist Verjährung nicht eingetreten. Der Senat tritt den Ausführungen des Landgerichts bei (LGU S. 11 Ziffer 1.4). Zutreffend geht das Landgericht von einer Verletzung der in § 15 II Phase 9 HOAI beschriebenen Pflichten #### aus, die mindestens andauerten, solange die 5-jährige Gewährleistungsfrist gegenüber der Bauunternehmerin ab Abnahme des Gemeinschaftseigentums am 18.05.1993 noch lief (BGH BauR 2006, 396). Vorher kommen die Abnahme der Architektenleistungen und ein Beginn der Verjährungsfrist dafür nicht in Betracht. Noch vor Ablauf dieser Frist im Mai 1998 leitete die Klägerin im Dezember 1997 ein selbständiges Beweisverfahren gegen #### ein (LG München I, Az. 11 OH 23392/97), das mindestens bis Oktober 1998 andauerte und die Verjährung der Ansprüche gegen ihn nach §§ 639, 477 II, 217 BGB a.F. unterbrach. Mithin erfolgte die von der Beklagten vorgetragene Streitverkündung an #### im Parallelprozess #### gegen die hiesige Klägerin am 27.05.1998 rechtzeitig (Beklagtenschriftsatz vom 12.04.2005, S. 10, Ziffer 6.), so dass die Verjährung in Richtung auf #### nach Maßgabe von § 215 BGB a.F. erneut unterbrochen wurde. Die Beklagte trägt nicht vor, warum die am 01.07.2002 eingereichte Klage im vorliegenden Verfahren hiernach verspätet sein soll, zumal das Parallelverfahren am 01.07.2002 noch anhängig war (§ 215 II BGB a.F.).

IV.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die zulässigen Sicherheiten ergeben sich aus § 108 I 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung.

Streitwert: Die beiden Berufungen waren jeweils mit dem Wert des bezifferten Antrags zuzüglich 10% für das darüber hinausgehende Feststellungsinteresse anzusetzen und die Werte zu addieren (§§ 45, 47, 48 GKG).

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB a.F. §§ 635, 639

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr