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29.04.2008 · IWW-Abrufnummer 081329

Verwaltungsgericht Würzburg: Urteil vom 04.03.2008 – W 1 K 07.1363

Dentin-adhäsive-Füllung; analoge Anwendung der GOZ; Begründungspflicht


Tenor

I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 11. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 verpflichtet, dem Kläger die beantragte Beihilfe für die zahnärztliche Behandlung vom 19. Juli 2007 unter Berücksichtigung der vollen Aufwendungen als beihilfefähig zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.


Tatbestand

11. Mit Beihilfeantrag vom 20. August 2007 beantragte der Kläger Beihilfe u.a. für eine Zahnarztrechnung vom 14. August 2007 betreffend den Sohn des Klägers, mit der u.a. drei sog. „Compositfüllungen“ anlässlich der Behandlung vom 19. Juli 2007 abgerechnet wurden. Der Zahnarzt berechnete hierfür jeweils einen Betrag von 155,22 EUR auf der Grundlage einer analogen Anwendung von GOZ Nr. 217 und einem Steigerungsfaktor von 2,3.

2Mit Bescheid vom 11. September 2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Beihilfe, wobei sie für die drei Compositfüllungen lediglich einen Steigerungsfaktor von 1,5 als angemessen betrachtete.

3Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch und beantragte, den in Rechnung gestellten Steigerungssatz von 2,3 in vollem Umfang als beihilfefähig anzuerkennen.

4Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2007 zurück. Der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet. Gemäß § 5 Abs. 1 der Beihilfevorschriften (BhV) seien beihilfefähig die Aufwendungen, die dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen seien, sofern die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei. Die Angemessenheit der Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen beurteile sich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Das BMI habe zu den Beihilfevorschriften ergänzende Hinweise erlassen und dabei auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 2006 verwiesen, wonach für Compositfüllungen als definitive Füllungen eine analoge Bewertung nach den Nrn. 215 bis 217 GOZ als beihilfefähig anerkannt würde unter Zugrundelegung eines Steigerungsfaktors in Höhe von 1,5.

52. Am 13. November 2007 ließ der Kläger daraufhin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Zur Begründung ließ er ausführen, es dürfte unstreitig sein, dass Aufwendungen notwendig gewesen seien. Die Beihilfevorschriften würden auch keinen Ausschluss der Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit vorsehen. Streitig dürfte allein sein, ob die Aufwendungen der Höhe nach angemessen seien. Dies sei zu bejahen. Die Versorgung eines Zahnes mit der dentin-adhäsiven-Mehrschichttechnik sei vom Sach- und Zeitaufwand mit einer Inlayversorgung eines Zahnes vergleichbar. Die Beihilfe sei analog der Ziffer 217 GOZ zu berechnen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Technik der dentin-adhäsiven Compositfüllungen eine generelle Beschränkung auf den 1,5-fachen Steigerungssatz rechtfertige. Dies bestätige auch ein Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 27. Juni 2007, wonach entgegen der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung der 2,3-fache Steigerungsfaktor der Abrechnung zugrunde zu legen sei. Zudem habe der BGH in einem Urteil vom 8. November 2007 entschieden, ein Arzt verletzte das ihm vom Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen nicht, wenn er nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche ärztliche Leistungen mit dem Höchstsatz der Regelspanne abrechne. Wolle der Arzt für eine Leistung das 2,3-fache des Gebührensatzes überschreiten, so sei er nach § 12 Abs. 3 GOÄ verpflichtet, dies für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen. Dies sei aber nicht der Fall, wenn das 2,3-fache nicht überstiegen werde.

6Der Kläger lässt zuletzt folgenden Antrag stellen:

7Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. September 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2007 verpflichtet, dem Kläger die beantragte Beihilfe für die zahnärztliche Behandlung vom 19. Juli 2007 zu gewähren.

8Die Beklagte beantragt,

9die Klage abzuweisen.

10Zur Begründung wird ausgeführt, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2006 stütze die Rechtsauffassung der Beklagten. Der Vortrag des Klägers sei nicht geeignet, die Argumentation des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu erschüttern.

11Die Beteiligten verzichteten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Beihilfeakte sowie der Gerichtsakte verwiesen.


Entscheidungsgründe

131. Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

142. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf höhere Beihilfe auf der Grundlage der vom Zahnarzt für die Behandlung am 27. Juli 2007 in Rechnung gestellten Beträge für die Compositfüllungen in Höhe von jeweils 155,22 EUR als beihilfefähig.

15Zwischen den Beteiligten unstreitig und von der Rechtsprechung bestätigt (vgl. BayVGH, U.v. 30.05.2006, 14 BV 02.2643; VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.06.2007, 4 S 2090/05; jeweils bei Juris) ist, dass die vom Zahnarzt abgerechneten Compositfüllungen gemäß § 6 Abs. 2 GOZ analog der Ziffer 217 GOZ abgerechnet und damit der Beihilfe zugrunde gelegt werden können. Strittig ist sowohl zwischen den Beteiligten als auch in der Rechtsprechung, ob die Beihilfefähigkeit auf der Grundlage des 2,3-fachen Gebührensatzes gemäß § 5 Abs. 2 GOZ oder nur auf der Grundlage eines niedrigeren Steigerungssatzes gegeben ist.

16Die Kammer folgt in dieser Frage der Ansicht des VGH Baden-Württemberg (U. v. 27.06.2007, a.a.O.), dass der Zahnarzt ermessensfehlerfrei einen 2,3-fachen Gebührensatz in seiner Rechnung ansetzen durfte und der Rechnungsbetrag demnach in voller Höhe als beihilfefähig anzuerkennen ist. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg folgert diese Entscheidung aus § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ, wonach eine Gebührenregel nur zwischen dem einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden darf. Ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten dies rechtfertigen. Dem 2,3-fachen Gebührensatz kommt somit die Funktion eines Schwellenwertes zu, dessen Überschreiten nur bei eng umschriebenen Besonderheiten zulässig ist. Sofern die nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 GOZ berechnete Gebühr das 2,3-fache des Gebührensatzes überschreitet, muss der Zahnarzt eine schriftliche Begründung vorlegen. Die Kammer folgt dem VGH Baden-Württemberg insbesondere in der Feststellung, dass die genannten Bestimmungen auch im Falle der analogen Berechnung eines zahnärztlichen Aufwandes nach § 6 Abs. 2 GOZ Anwendung finden. Der entgegen stehenden Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 30.05.2006, a.a.O.) kann nicht gefolgt werden, da der 2,3-fache Gebührensatz nach der Konzeption des Verordnungsgebers kein Regelwert ist, sondern lediglich den Regelhöchstsatz bezeichnet. Der Regelfall der ärztlichen Leistung ist mit einem innerhalb der Regelspanne (die vom einfachen bis zum 2,3-fachen des Gebührensatzes reicht) liegenden Faktor zu bemessen. Insoweit ist der Zahnarzt verpflichtet, auch innerhalb der Regelspanne die Gebühr nach den allgemeinen Bemessungskriterien, also insbesondere nach Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umstand der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der besonders einfache Fall einer bestimmten Leistung ist danach mit dem einfachen des Gebührensatzes angemessen eingestuft und die normal schwierige oder zeitaufwändige Leistung, die noch nicht durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, mit dem 2,3-fachen. Insoweit hat sich auch nach Kenntnis der Kammer eine Liquidationspraxis herausgebildet, die sich generell am Regelhöchstsatz orientiert. Diese Praxis wird auch von der Rechtsprechung des BGH (der insoweit für die Interpretation der einschlägigen §§ 315 ff. BGB das sachnähere Gericht ist) ausdrücklich gebilligt (U. v. 08.11.2007, III ZR 54/07; bei Juris).

17Nach den ausdrücklichen Regelungen der GOZ muss der Zahnarzt das Berechnen des 2,3-fachen Gebührensatzes auch nicht begründen (vgl. § 10 Abs. 3 GOZ). Der entgegenstehenden Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 30. Mai 2006 kann nicht gefolgt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof folgert die Begründungspflicht hier aus der analogen Anwendung der Positionen 214 bzw. 215 bis 217 GOZ und will in diesen Fällen eine Begründungspflicht daraus ableiten, dass bei einer analogen Anwendung der Positionen der Gebührenordnung nicht gewährleistet sei, dass in der überwiegenden Zahl der individuellen zahnärztlichen Leistungen eine 2,3-fache Steigerung angemessen erscheine. Im Einzelfalle könne bei der „dentin-adhäsiven Restauration“ der Steigerungssatz je nach Aufwand unter dem 2,3-fachen Satz liegen. Der 2,3-fache Satz könne daher nur zugrunde gelegt werden, wenn er vom Zahnarzt entsprechend begründet werde. Mit dem VGH Baden-Württemberg sieht die Kammer indes keine Notwendigkeit, bei einer analogen Anwendung der entsprechenden GOZ-Ziffern stets eine besondere Begründung zu verlangen, da die analoge Berechnung schon zur Voraussetzung hat, dass die tatsächlich erbrachte Leistung der in der GOZ beschriebenen Leistung, die analog angewendet werden soll, nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig ist. Die in der Gebührenposition beschriebene Leistung ist daher auch in diesem Fall ein tauglicher Maßstab für die vorzunehmende Gebührenbemessung. Auszugehen ist insoweit von der Frage, wie die erbrachte Leistung nach dem konkreten Aufwand im Einzelfall im Vergleich zum Durchschnitt der Gebührenposition beschriebenen Leistung einzustufen ist. Diese Art der Gebührenbemessung im Falle einer analogen Berechnung unterscheidet sich nicht derart wesentlich von dem üblichen Vorgehen, dass eine in der Vorschrift so nicht vorgesehene Einschränkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ gerechtfertigt wäre. Zahlreiche Gebührenpositionen umfassen eine große Bandbreite unterschiedlicher Maßnahmen, die eine Bestimmung des angemessenen Steigerungsfaktors schwierig gestalten könnten.

18Die Kammer schließt sich schließlich auch insoweit dem VGH Baden-Württemberg an, als die Hinweise des Bundesministeriums des Innern keine Rechtsaktsqualität zukommt, so dass die Rechtslage ausschließlich auf der Grundlage der Beihilfevorschriften, der GOZ und der §§ 315 ff. BGB zu treffen war.

193. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

204. Die Berufung ist zuzulassen, weil die Voraussetzung des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gegeben ist.

21Beschluss

22Der Streitwert wird auf 129,55 EUR festgesetzt.

23Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG und berechnet sich aus der Differenz der beantragten und der bewilligten Beihilfe.

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