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25.04.2008 · IWW-Abrufnummer 081310

Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 19.04.2007 – 13 U 180/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 13 U 180/06
Verkündet am 19. April 2007

Oberlandesgericht Stuttgart

13. Zivilsenat

Im Namen des Volkes

Teil-Urteil

In dem Rechtsstreit

....

wegen Forderung

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2007 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht ###
Richter am Oberlandesgericht ###
Richter am Oberlandesgericht ###

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 31. August 2006 dahin abgeändert, dass die Klage wegen eines unbedingt geltend gemachten Teilbetrages von 6.037,66 € nebst Zinsen abgewiesen wird.

2. Die Berufung wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 26.672,76 € nebst Zinsen verurteilt wurde.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Stuttgart Bezug genommen. Ergänzend ist anzuführen, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine von beiden Parteien unterschriebene Honorarbestätigung mit Datum 14.09.2001 betreffend das Bauvorhaben R### über ein Nettopauschalhonorar von 20.000,00 DM vorgelegt hat.

Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung vollständige Klagabweisung.

Der Kläger verteidigt das. Urteil des Landgerichts.

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klage ist wegen eines unbedingt geltend gemachten Teilbetrages von 6.037,66 € nebst Zinsen abzuweisen. Insoweit stehen dem Kläger Honoraransprüche aus den Bauvorhaben R### und O### nicht zu. Die Berufung hat keinen Erfolg hinsichtlich des weiteren Teilbetrages von 26.672,76 € nebst Zinsen. Insoweit war sie zurückzuweisen.

Zur Begründung kann im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen werden. Abweichend hiervon ist lediglich auszuführen, dass dem Kläger Honorar für Leistungsphase 3 nach § 64 HOAI für die drei Bauvorhaben R###, O###straße 55 sowie O###straße 55/1 nicht zusteht.

1.
Zu Recht ging das Landgericht davon aus, dass die Parteien keine wirksamen Pauschalhonorarvereinbarungen getroffen haben. Gemäß § 4 Abs. 2 HOAI können die festgesetzten Mindestsätze nur in Ausnahmefällen durch schriftliche Vereinbarung unterschritten werden. Bezüglich der Bauvorhaben O###straße fehlt es schon an der Schriftlichkeit, weshalb die Parteiabreden nichtig sind (§ 125 S. 1 BGB). Hinsichtlich des Bauvorhabens R### hat die Beklagte mit der Vorlage der von beiden Seiten unterschriebenen Honorarbestätigung zwar den Nachweis der Schriftlichkeit der Vereinbarung zwischenzeitlich geführt. Die Vereinbarung ist jedoch wie die beiden anderen gemäß § 134 BGB mangels zulässiger Ausnahme nichtig. Ein Ausnahmefall liegt nur vor, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Zwecks der Mindestsatzregelung ein unter dem Mindestsatz liegendes Honorar angemessen ist (vgl. etwa Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., § 4 Rn. 87 mit Rechtsprechungsnachweisen). Daran fehlt es vorliegend, auch wenn der Kläger für die Beklagte schon früher und auch auf Pauschalpreisbasis tätig wurde. Eine feste vertragliche Beziehung zwischen den Parteien durch einen Rahmenvertrag oder dergleichen gibt es nicht. Eine gelegentliche geschäftliche Beziehung, wie sie hier vorliegt, genügt nicht.

2.
Folge ist, dass die Mindestsätze nach HOAI als vereinbart gelten.

3.
Treu und Glauben gebieten keine andere Beurteilung. Die Mindestsätze sind deutlich unterschritten. Beide Parteien sind fachkundig, nicht nur der Kläger, sodass die Beklagte nicht als Verbraucher schutzwürdig ist. Nachdem sie ihre Kalkulation nicht näher dargelegt hat, können besondere Gründe hieraus zu ihren Gunsten nicht abgeleitet werden. Das allgemeine Argument, von den Wohnungskäufern nicht nachträglich mehr verlangen zu können, reicht nicht aus, um einen Gesetzesverstoß zu rechtfertigen.

4.
Ebenso wenig stehen das EU-Recht bzw. die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.12.2006 (C 94/04 und C 202/04) einer Anwendung von § 4 HOAI entgegen. Die Vorschrift ist entgegen der Meinung der Beklagten nicht wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag generell unwirksam. Der Europäische Gerichtshof hat vielmehr, bezogen auf die italienische Rechtsanwaltsgebührenordnung, entschieden, dass Mindesthonorare zwar eine Beschränkung des in Art. 49 EG-Vertrag vorgesehenen freien Dienstleistungsverkehrs darstellen, es jedoch Sache des vorlegenden Gerichts sei, zu prüfen, "ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen des Verbraucherschutzes und der geordneten Rechtspflege Rechnung trägt, die sie rechtfertigen können, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen." Damit ist vorliegend zu prüfen, ob die Mindestsatzregelungen nach § 4 HOAI den Zielen des Verbraucherschutzes und der Sicherung der Qualität von Bauleistungen entspricht. Das ist mit der bisherigen Rechtsprechung zu bejahen (vgl. etwa Senat, Urteil vom 10.02.2005 - 13 U 147/04, BauR 2005, 1202). Die mit der Mindestsatzregelung verbundenen Beschränkungen stehen nicht außer Verhältnis zu den Zielen.

Damit kann der Kläger auf der Grundlage der eingeklagten Rechnungen vom 19.12.2002 abrechnen.

5.
Ihm steht entgegen der Auffassung der Beklagten Honorar für die Leistungsphasen 1 und 2 nach § 64 HOAI zu, nicht jedoch für Leistungsphase 3. Der dem Kläger von der Beklagten erteilte Auftrag hinsichtlich aller drei Bauvorhaben bezog sich auch auf Leistungsphasen 1 und 2. In der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2003 erklärte der Geschäftsführer der Beklagten auf Frage des Gerichts (Bl. 245), "dass der Kläger mit den Arbeiten beauftragt war, die erforderlich waren unter Berücksichtigung der von der Beklagten übersandten Unterlagen." Der Kläger hat dem nicht widersprochen. Der gerichtliche Sachverständige Dipl.-Ing. N### führte in seinem schriftlichen Gutachten vom 28. Dezember 2004 aus (Bl. 269), ohne eine Grundlagenermittlung und Vorplanung des Tragwerkplaners könne "nur bei sehr einfachen Bauwerken" eine ordnungsgemäße Werkplanung vom Architekten vorgenommen werden. Bei den zu beurteilenden Gebäuden habe es sich hinsichtlich der Tragwerksplanung nicht um einfache Bauwerke gehandelt. Auch wenn vollständige Werkpläne im Maßstab 1 : 50 vorgelegen haben sollten, habe es einer tragwerksplanerischen Grundlagenermittlung und einer Vorplanung im Sinne der Leistungsphasen 1 und 2 des § 64 HOAI bedurft. Nach den vorliegenden Unterlagen seien Grundlagenermittlung und Vorplanung erbracht worden (Bl. 270).

Daraus ergibt sich, dass Leistungsphasen 1 und 2 notwendig waren und erbracht wurden, während die Erbringung der Leistungen nach Phase 3 nicht notwendig war. Die Darstellung des Sachverständigen ist überzeugend. Im Übrigen haben ihr beide Parteien, obwohl der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung anwesend war, nicht widersprochen und hierzu keine Fragen an den Sachverständigen gestellt. Auf die Behauptung des Klägers, er habe Leistungsphase 3 erbracht, und auf die insoweit von ihm zum Beweis vorgelegten Unterlagen kommt es damit nicht an. Die Rechnungen sind jeweils um 12 % des Vollhonorars, den Anteil der Leistungsphase 3 nach § 64 HOAI, zu kürzen.

6.
Keine Kürzung ist hingegen wegen der nicht erfolgten Mitwirkung des Klägers bei der Kostenschätzung nach DIN 276 im Rahmen der Vorplanung nach Leistungsphase 2 vorzunehmen. Die Mitwirkung bei der Kostenschätzung ist regelmäßiger Bestandteil der Vorplanung. Sie ist, wenn die Vorplanung beauftragt wird, als Nebenleistung mit beauftragt, es sei denn, sie wird ausdrücklich ausgenommen, was nicht geschehen ist.

Die Beauftragung der notwendigen Leistungen bedeutet nicht, dass einzelne Bestandteile der Leistungsphasen nicht mit beauftragt sind, wenn sie nicht zwingend erforderlich waren. Die Tragwerksplanung ist ein Gesamtwerk. Die Leistungen der einzelnen Phasen bauen aufeinander auf. Nebenleistungen einzelner Phasen gehören dazu, wenn, wie hier, ein Auftrag allgemein erteilt wird. Ohne weiteres ausgenommen werden können einzelne Leistungsphasen wie hier die Phase 3, weil sie angesichts der konkreten Umstände nicht notwendig war, nicht aber einzelne Elemente einer Phase wie die Mitwirkung bei der Kostenschätzung, sofern dies nicht bei Auftragserteilung ausdrücklich klargestellt wird.

Werden einzelne Grundleistungen einer beauftragten Phase nicht erbracht, ist die Phase gleichwohl komplett zu vergüten. Dass die Beklagte den Kläger nicht zur Mitwirkung bei der Kostenschätzung herangezogen hat, ist nicht dem Kläger anzulasten. Zur Minderung würde dies nur berechtigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 634 BGB erfüllt wären. Hierzu trägt die Beklagte jedoch ebenso wenig Konkretes vor wie zur Nichtbeauftragung dieser Mitwirkung.

7.
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf die mangelnde Prüfbarkeit der Rechnungen, weil die zu Grunde gelegten Baukosten geschätzt wurden. Sie wäre verpflichtet gewesen, dem Kläger die vom Architekten zu ermittelnden Summen mitzuteilen. Nachdem dies nicht geschah, hat der Kläger zu Recht geschätzt. Dies geschah, wie der Sachverständige Dipl.-Ing. N### festgestellt hat, sogar eher zurückhaltend. Die Schätzungen des Klägers sind nicht überhöht (Bl. 270 f).

Dass der Kläger auch Leistungsphase 3 berechnet, obwohl ihm hierfür eine Vergütung nicht zusteht, berührt entgegen der Auffassung der Beklagten die Prüffähigkeit der Rechnungen nicht.

8.
Zu Recht hat das Landgericht die Honoraransprüche für die Bauvorhaben O###straße nicht als verjährt angesehen. Zwar sind die Honoraransprüche gemäß § 8 Abs. 1 HOAI bereits aufgrund der Pauschalrechnungen vom 07.06.1999 fällig geworden. Die Verjährung begann, obwohl die Rechnungen mangels Aufgliederung - sie stellten auf die unwirksamen Pauschalpreisabreden ab - nicht prüffähig waren, zwei Monate nach Überreichen der Rechnungen, da die Beklagte innerhalb dieser Prüffrist Einwendungen gegen die Prüffähigkeit nicht vorbrachte (BGH BauR 2004, 316; OLG Dresden BauR 2005, 1500). Die Parteien haben jedoch ein die Verjährung hemmendes Stillhalteabkommen geschlossen. Dies ergibt sich aus der Aussage der Zeugin R###, der das Landgericht zu Recht Glauben geschenkt hat. Die Angriffe der Berufung gegen die Beweiswürdigung haben keinen Erfolg. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht der Zeugin Glauben schenkte. Daraus, dass sie die Ehefrau des Klägers ist, ergibt sich nicht, dass sie die Unwahrheit sagte. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landgericht seine Überzeugung zudem nicht nur aus der Aussage der Zeugin gewonnen, sondern ausweislich des Urteils (5. 15) auch aus "den eigenen Angaben der Beklagten."

9.
Des Weiteren hat das Landgericht hinsichtlich der geltend gemachten Gegenforderung, gen wegen mangelhafter Wärmeschutzberechnungen richtig entschieden. Die Beklagte hat schon nicht schlüssig dargelegt, inwieweit auf einem Fehler des Klägers ein ihr entstandener Schaden beruhen soll. Sie behauptet lediglich allgemein, nachbessern zu müssen. Tatsächlich steht das allenfalls für ein Haus im Raum, wobei auch hierzu konkreter Vortrag fehlt. In Betracht käme damit allenfalls Freistellung und damit ein Zurückbehaltungsrecht mit Zug-um-Zug-Verurteilung, nicht aber die geltend gemachte Reduzierung der Klagforderung durch Aufrechnung.

Zudem kam der Sachverständige, den das Landgericht zu Recht nicht noch einmal angehört hat, zu dem Ergebnis, dass die Berechnungen des Klägers zutreffend sind. Von einem kostenlos nachzubessernden Fehler ist nicht auszugehen. Dieser ist nicht offensichtlich. Er ist von der Beklagten auch nicht ausreichend dargelegt, schon gar nicht in erster Instanz. Zudem hat sie sich nach Anordnung der ergänzenden Begutachtung zur Nichtzahlung des Vorschussanteils von 1.000,00 € ausgeschwiegen bis zur letzten mündlichen Verhandlung, obwohl der Vorschuss mehrfach nachgefordert wurde. Entsprechendes gilt auch für die Behauptung, der Überweisungsträger sei seitens des Gerichts falsch ausgefüllt gewesen. Selbst wenn dort 1.000,00 € eingetragen gewesen wären und deswegen nicht die geforderten 2.000,00 € überwiesen wurden, gibt es keinen erkennbaren oder mitgeteilten Grund dafür, weshalb dies erst in der letzten mündlichen Verhandlung und nicht auf die Monierungen des Landgerichts hin mitgeteilt wurde. Die Beklagte blieb damit beweisfällig. Die Nichtladung des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung hat sie schuldhaft verursacht.

Die ergänzende Beweisaufnahme war auch nicht erforderlich. Bei seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 13.10.2005 (Bl. 494) erklärte der Sachverständige, dass die ihm vorliegenden Nachweise richtig seien. Bezüglich eines bisher nicht vollständig vorliegenden Nachweises für das Haus S###straße vom Mai 2002 sah er gewisse Materialabweichungen, woraus sich "geringfügige Differenzen" ergeben können (Bl. 496). Einen Absatz weiter betont er, dass er diese Unterlagen nicht vorliegen hatte, was zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten geht, und dass wegen der geringfügigen Abweichungen von der Richtigkeit der jetzt vorgelegten Unterlage auszugehen sei. Hier hätte es weiteren Vortrags der Beklagten bedurft, um genau und verständlich darzustellen, was nicht richtig sein soll.

10.
Schließlich steht der Beklagten der jetzt in der Berufung geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung nicht zu. Er wird gestützt auf sämtliche Einwendungen gegen das geltend gemachte Mindesthonorar. Der Kläger war aber nicht verpflichtet, die Beklagte über die Unwirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarungen aufzuklären.

11.
Nach alledem ist das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern. Der Honoraranspruch Rembrandtweg ist um 2.808,22 € zu kürzen, der Honoraranspruch O###straße 55 und O###straße 55/1 jeweils um 1.614,72 €. Hierwegen sind die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche zu prüfen. Im Übrigen war die Berufung mit der sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO ergebenden Nebenfolge zurückzuweisen.

Teilurteil war zu erlassen, weil Entscheidungsreife nur hinsichtlich der primär geltend gemachten Ansprüche gegeben ist.

12.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Entscheidung entspricht der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.

RechtsgebieteBGB, HOAIVorschriftenBGB § 631; HOAI §§ 4, 64

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