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04.04.2008 · IWW-Abrufnummer 080989

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Beschluss vom 02.11.2006 – 3 B 03.1766

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


3 B 03.1766
M 5 K 01.2079

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache XXX

wegen Schadensersatz;
hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat, durch XXX

ohne mündliche Verhandlung am 2. November 2006 folgenden

Beschluss:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2003 wird abgeändert.

II. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger weiteren Schadensersatz in Höhe von 15.050,88 Euro sowie Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 30.101,76 Euro seit 2. Mai 2001 zu zahlen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen. Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Ordinarius der Kinderchirugie und Direktor der kinderchirurgischen Klinik im Dr. v. *********** Kinderspital des Klinikums der Universität *******, dessen Träger der Freistaat Bayern - als Rechtsvorgänger des nunmehr beklagten Klinikums der Universität - war. Der Kläger ist nach der Hochschullehrernebentätigkeitsverordnung liquidationsberechtigt.

Am 4. Januar 1997 wurde in der 1. Frauenklinik im damaligen Klinikum Innenstadt das Kind L. W. geboren, das noch am selben Tage von der Frauenklinik in das Dr. v. Haunersche Kinderspital verlegt wurde; dort wurde es bis zum 19. August 1997 stationär behandelt. Die Mutter des Kindes unterschrieb am 3. Januar 1997 in der Aufnahmestelle der Frauenklinik (***straße) einen Behandlungsvertrag samt einer Wahlleistungsvereinbarung für privatärztliche Behandlung "der liquidationsberechtigten Ärzte einschließlich der Konsiliardienste". Unter den auf diesem Formular aufgeführten Liquidationsberechtigten ist der Kläger nicht benannt. Ferner wurde am 4. Januar 1997 ein Behandlungsvertrag mit dem "Dr. v. *********** Kinderspital im Klinikum Innenstadt der Universität *******" geschlossen sowie am 5. Mai 1997 eine Wahlleistungsvereinbarung über privatärztliche Behandlung, in der der Kläger als Liquidatitionsberechtigter benannt ist (BI. 71 bis 76 d. Behördenakts).
In beiden Wahlleistungsvereinbarungen wird darauf hingewiesen, dass der Freistaat Bayern bei Inanspruchnahme privatärztlicher Behandlung als Träger des Klinikums lediglich Vertragspartner für die Unterbringung, Verpflegung und pflegerische Betreuung ist, während Vertragspartner für ärztliche Leistungen nur die liquididationsberechtigten Ärzte sind.

Unter dem 6. September 1997 stellte der Kläger gegenüber der Mutter des Kindes L. W. seine ärztlichen Leistungen in der Zeit vom 5. Januar bis 19. August 1997 in Höhe von 61.884,93 DM in Rechnung. Davon wurde lediglich ein Teilbetrag von 22.265,69 DM (entsprechend den Leistungen des Klägers vom 5. Mai bis zum 19. August 1997) beglichen. Für den Zeitraum vom 5. Januar bis zum 4. Mai 1997 wurde die Zahlung verweigert, da für diesen Zeitpunkt keine wirksame Wahlleistungsvereinbarung mit der *********** Kinderklinik vorliege und die Eltern des Kindes L. W. auch nicht über die Höhe der Wahlleistungsentgelte LS. des § 22 Abs. 2 der B~ndespflegesatzverordnung (BPfIV) belehrt worden seien.

Die in einem zivilrechtlichen Verfahren des Klägers gegen die Eheleute W. auf Zahlung des Restbetrags erhobene Klage wies das Landgericht ******* * mit Endurteil vom 29. März 1999 (Az. 9020081/98) ab. Die vom Kläger gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht ******* mit Urteil vom 12. Oktober 1999 (Az.: 5 U 3314/99) zurück. Diesem Rechtsstreit war der Freistaat Bayern nach Streitverkündung durch den Kläger auf dessen Seite beigetreten. Das OLG führte in seinem Urteil aus, gemäß § 22 Abs. 2 BPflV müsse der Patient vor Abschluss der schriftlichen Vereinbarung von Wahlleistungen über die Entgelte der Wahlleistungen im Einzelnen unterrichtet werden. Diese Voraussetzung sei bei den Eheleuten W. nicht erfüllt. Die Mutter des Kindes L. habe lediglich das Aufnahmeblatt vom 3. Januar 1997 sowie den Vertrag über die Gewährung von Wahlleistungen vom selben Tag und den Vertrag über die Gewährung von Wahlleistungen vom 5. Mai 1997 unterschrieben. Die ersten beiden Unterlagen seien in der Frauenklinik ***straße ohne jeden Hinweis auf das Dr. v. Haunersche Kinderspital unterzeichnet worden. Der Kläger sei in der Frauenklinik als Liquidationsberechtigter oder Vertreter nicht aufgeführt. Der Argumentation, sowohl das Krankenhaus ***straße wie das Dr. v. Haunersche Kinderspital würden beide zum Klinikum Innenstadt der Universität gehören und hätten beide denselben Träger, was dazu führe, dass eine wirksame Vereinbarung von Wahlleistungen in der Frauenklinik ***straße automatisch auch Leistungen im *********** Kinderspital erfasse, sei nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass der Kläger bei dem Vertrag in der Frauenklinik gar nicht als Liquidationsberechtigter erscheine, müsse unabhängig vom Träger in jeder Klinik ein gesonderter Vertrag geschlossen werden. Es könne nicht unterstellt werden, dass der Patient, der mit der Frauenklinik für sich und das Neugeborene Wahlleistungen vereinbare, solche' auch im später in Anspruch genommenen Kinderkrankenhaus wünsche. Die beiden Krankenhäuser seien räumlich getrennt, die Trägerschaft sei für den Patienten nicht ohne weiteres erkennbar und auch nicht das entscheidende Kriterium dafür, ob Wahlleistungen vereinbart werden sollten oder nicht. Der Vertrag vom 5. Mai 1997 beziehe sich zwar auf Leistungen im Kinderkrankenhaus, könne aber nur für die Zukunft Wirkung entfalten.

Mit Schriftsatz vom 23. August 2000 machte der Kläger gegenüber dem beklagten Freistaat Bayern (als Rechtsvorgänger des Klinikums der Universität *******) Schadensersatz wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht in Höhe von insgesamt DM 58.873,92 (30.101,76 Euro) geltend. Dieser Betrag setzte sich aus dem entgangenen Honorar sowie den erst- und zweitinstanzlichen Gerichts- und beiderseitigen Anwaltskosten zusammen.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2000 teilte das Klinikum der Universität ******* dem Kläger mit, dass ein Schadensersatzanspruch nicht bestehe. Ein Verschulden des Klinikpersonals, das in die seinerzeitigen verwaltungsmäßigen Vorgänge eingebunden gewesen sei, sei nicht gegeben, da die nach der damaligen Praxis üblichen und gerichtlich zuvor auch nicht beanstandeten Modalitäten beim Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung beachtet worden seien.

Den Widerspruch vom 6. März 2001, den der Kläger damit begründete, dass der Abschluss einer wirksamen Wahlleistungsvereinbarung allein Aufgabe der "Klinikverwaltung" gewesen sei und nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts ******* von einem Organisationsverschulden des Beklagten auszugehen sei, wies das Klinikum der Universität ******* mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2001 zurück.

Mit seiner am 30. April 2001 erhobenen Klage beantragte der Kläger,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Klinikums der Universität ******* vom 13. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 30. März 2001 zu verpflichten, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von DM 58.873,92 nebst 4 % Zinsen seit dem 12. September 2000 zu bezahlen.

Wegen der Nebeninterventionswirkung des§ 68 ZPO stehe für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass der Liquidationsanspruch des Klägers daran scheitere, dass eine schriftliche Wahlleistungsvereinbarung nach § 22 BPflV nicht rechtzeitig bei Aufnahme im Dr. v. *********** Kinderspital abgeschlossen worden und die Eheleute nicht über die Wahlentgelte unterrichtet worden seien, sondern erst am 5. Mai 1997. Verantwortlich für die Aufnahme der Patienten und den Abschluss von Wahlleistungsvereinbarungen sei das Patientenreferat der Verwaltung des Klinikums. Als Dienstherr des Klägers habe der Beklagte bei allen Maßnahmen dessen dienstliche und auch außerdienstliche Interessen als Beamter zu berücksichtigen und ihn insbesondere vor Nachteilen zu bewahren. Zum Pflichtenkreis des Beklagten, der dem Kläger als Klinikdirektor das Liquidationsrecht eingeräumt habe, gehöre es, das seinerseits Erforderliche dafür zu tun, dass der Kläger seine Honoraransprüche für erbrachte privatärztliche stationäre Behandlung auch erhalte. Diese Pflicht hätten hier die Angestellten des Patientenreferats, deren Verschulden der Beklagte sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsse, verletzt.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Die Mitarbeiter der Patientenverwaltung in der Frauenklinik hätten die entsprechenden Formularverträge - sowohl den allgemeinen Behandlungsvertrag als auch die Wahlleistungsvereinbarung - korrekt bearbeitet und mit Wirkung für das Klinikum abgeschlossen. Dem Urteil des OLG ******* vom 12. Oktober 1999 sei kein Hinweis auf ein Organisationsverschulden zu entnehmen. Mit der Feststellung, dass eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung nicht getroffen worden sei, werde nichts über ein Verschulden der betreffenden Klinikumsmitarbeiter ausgesagt. Ferner machte der Beklagte geltend, dass bei unrichtiger Auslegung einer nicht zweifelsfreien Rechtsfrage Verschulden zu verneinen sei, da die Billigung einer Auslegung durch ein berufsrichterliches Kollegialgericht die Verwaltung grundsätzlich vom Schuldvorwurf befreie. Im Jahre 1997 hätten die Oberlandesgerichte die damals übliche Praxis, den Aufnahmevertrag lediglich durch den Patienten unterschreiben zu lassen, nicht beanstandet.

Der Kläger vertrat die Auffassung, er müsse sich auch kein Mitverschulden anrechnen lassen, da er auf das wirksame Zustandekommen der schriftlichen Wahlleistungsvereinbarung keinen Einfluss habe. Die Klageforderung sei ferner nicht nach Art. 71 AGBGB erloschen. Erst mit dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts ******* habe er von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Mit Urteil vom 25. März 2003 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten - unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2001 - an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 15.050,88 Euro zu zahlen und wies die Klage im Übrigen ab. Das Verwaltungsgericht bejahte einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht, ging jedoch von einem hälftigen Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 BGB aus, weil er es unterlassen habe, die in der Frauenklinik abgeschlossene Wahlleistungsvereinbarung selbst auf ihre rechtliche Bestandsfähigkeit und Wirksamkeit hinsichtlich der Kinderklinik zu überprüfen. Der Kläger habe die Obliegenheit zur rechtlichen Überprüfung gehabt, da allein er von dem Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung profitiert habe. Da sowohl der Klinikverwaltung als auch dem Kläger zu gleichen Teilen die Pflicht oblegen habe, den Vertrag und das Procedere rechtlich zu prüfen, treffe den Kläger ein hälftiges Mitverschulden. Den Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen lehnte das Verwaltungsgericht ab.

Den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung lehnte der Senat mit Beschluss vom 21. Oktober 2003 ab. Die Berufung des Klägers ließ der Senat mit Beschluss vom gleichen Tage zu.

Der Kläger beantragte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. März 2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, weiteren Schadensersatz in Höhe von 15.050,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 30.102,78 Euro seit dem 2. Mai 2001 an den Kläger zu bezahlen.

Den Kläger treffe kein Mitverschulden, so dass er vollen Schadensersatz verlangen könne. Eine Überprüfungspflicht des Klägers könne sich - wenn überhaupt - nur auf die in der Kinderklinik verwendeten Formulare beziehen. Der Kläger sei nicht Arzt der Frauenklinik gewesen und habe weder tatsächlich noch rechtlich die Möglichkeit gehabt, das Formularwesen der Frauenklinik zu überprüfen. Die Formulare der Frauenklinik habe die Klinikverwaltung nur in Einzelfällen auch für die Kinderklinik verwendet (bei Überweisung von der Frauen- in die Kinderklinik). Sie habe dann jedoch zusätzlich eine gesonderte Vereinbarung für die Kinderklinik unterzeichnen lassen. Dies sei – hier erst nach Behandlungsbeginn in der Kinderklinik und damit zu spät erfolgt. Dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass die Klinikverwaltung solche Patienten, die zuvor in der Frauenklinik das dort verwendete Wahlleistungsformular unterzeichnet hatten und dann in die Kinderklinik überwiesen wurden, als Privatpatienten behandelte und diesen Patienten - wenn überhaupt - erst nach Behandlungsbeginn das Formular der Kinderklinik vorlegte. Mangels Kenntnis dieser Verfahrensweise habe der Kläger auch keine Obliegenheit gehabt, diese fehlerhafte Verwaltungspraxis zu beanstanden.
Auch profitiere entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht allein der Kläger finanziell vom Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung, weil ein Privatpatient regelmäßig auch gesondert berechenbare Krankenhausleistungen in Anspruch nehme und weil der Kläger zur Erstattung nicht pflegesatzfähiger Kosten an den Beklagten aus seinem Chefarzthonorar verpflichtet sei.
Das Verwaltungsgericht habe nicht den jeweiligen Verschuldensgrad des Klägers und des Beklagten festgestellt und gegeneinander abgewogen. Die Wahlleistungsvereinbarung nach § 22 BPflV komme ausschließlich zwischen dem Träger des Krankenhauses und dem Patienten zustande. Der Beklagte habe aus Art. 86 BayBG die Pflicht, sämtliche Wirksamkeitserfordernisse einer solchen Vereinbarung zu beachten, während es keine Norm gebe, die den Kläger zur Überwachung der Vertragsgestaltung des Beklagten verpflichte. Dem - allenfalls - leicht fahrlässigen Mitverschulden des Klägers stehe grob fahrlässiges bzw. vorsätzliches Handeln des Beklagten gegenüber. Das Patientenreferat der Universitätsklinik ignoriere selbst jetzt noch die tragenden Gründe des Urteils des Oberlandesgerichts (Äußerung des Zeugen P. S. in der mündlichen Verhandlung vom 25.3.2003 und Zulassungsantrag des Beklagten vom 3.7.2003). Dies mache deutlich, dass ein etwaiges früheres Intervenieren des Klägers völlig aussichtslos gewesen wäre. Die Beharrlichkeit des Beklagten komme Vorsatz gleich. Demgegenüber träte ein fahrlässiges Mitverschulden des Klägers vollkommen zurück.

Prozesszinsen würden gemäß §§ 291, 288 BGB geltend gemacht.

Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Für Notfallsituationen, mit denen jeder Arzt rechnen müsse, hätte der Kläger als Chefarzt frühzeitig Vorsorge treffen müssen. Die Wahlleistung sei ein Vertrag zugunsten Dritter. Sie werde zwar nur zwischen Krankenhausverwaltung und Patient geschlossen. Der liquidationsberechtigte Arzt ziehe hieraus jedoch den Vorteil (ohne dass es eines weiteren eigenen Vertrags mit dem Patienten bedürfe), selbst gegenüber dem Patienten liquidieren zu dürfen.

Mit Schreiben vom 28. August 2006 hat der Senat die Beteiligten gemäß § 130 a VwGO zu der Absicht gehört, der Berufung des Klägers stattzugeben.

Das Klinikum der Universität ******* (als Rechtsnachfolger des Freistaats Bayern) hat mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2006 nochmals hervorgehoben, dass es sich nicht um verschiedene Krankenhäuser, sondern um verschiedene Kliniken des damaligen Klinikums Innenstadt gehandelt habe, die lediglich in verschiedenen Häusern untergebracht sind. Keine dieser Kliniken habe eine eigenständige Verwaltung gehabt. Vielmehr habe eine "Zentralverwaltung" für das gesamte Klinikum Innenstadt existiert. Da die liquidationsberechtigten Ärzte die Begünstigten der Wahlleistungsvereinbarung seien, müssten sie sich auch in ihrem ureigensten Interesse darum kümmern, dass diese Vereinbarungen so gestaltet seien, dass sie ihr Liquidationsrecht ohne Abrechnungsprobleme mit den Patienten ausüben könnten. Die spätere Wahlleistungsvereinbarung (hier mit dem v. *********** Kinderspital) wäre gar nicht erforderlich gewesen, da bereits die erste Wahlleistungsvereinbarung der Frauenklinik alle liquidiationsberechtigten Ärzte umfasst habe.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens und des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behörden- sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Der Senat kann über die Berufung ohne erneute Anhörung gemäß § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO entscheiden. Der Schriftsatz der Beklagtenseite vom 18. Oktober 2006 enthält keine wesentlichen neuen Tatsachen oder Gesichtspunkte.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Der Senat nimmt hierzu vorweg auf seinen Beschluss vom 21. Oktober 2003 über die Ablehnung der Berufung des Beklagten und seinen weiteren Beschluss vom gleichen Tage über die Zulassung der Berufung des Klägers Bezug. Der Senat hat in dem erstgenannten Beschluss ein Organisationsverschulden des Beklagten bestandskräftig und damit für das weitere Verfahren bindend bejaht. Somit ist nur hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht angenommenen Umfangs des Mitverschuldens des Klägers gemäߧ 254 BGB eine Überprüfung erforderlich.

Unter den gegebenen Umständen ist ein Mitverschulden des Klägers zu verneinen.
Voraussetzung nach § 254 Abs. 1 BGB ist, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten (hier des Klägers) mitgewirkt hat. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger in gleichem Maße wie der Beklagtenseite die Pflicht oblegen hätte, den Vertrag und das Procedere rechtlich zu prüfen, teilt der Senat nicht.

Erforderlich im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist, dass der Geschädigte die Sorgfalt au ßer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch im eigenen Interesse aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren (vg!. Münchner Kommentar, BGB, 4. Auf!. 2001 RdNr. 30 zu § 254; Palandt, BGB, 65. Auf!. 2006, RdNr.8 zu § 254). Der Geschädigte ist für jeden Schaden mitverantwortlich, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat (Palandt, a.a.O.).

Dem Kläger als Direktor der kinderchirurgischen Klinik im Dr. v. *********** Kinderspital oblag keine Sorgfaltspflicht, die beinhaltet hätte, auf eine in der Frauenklinik (***straße) abgeschlossene Wahlleistungsvereinbarung Einfluss zu nehmen. Der Kläger war auch nicht dafür verantwortlich, dass mit Verlegung des Kindes L. in die Haunersche Kinderklinik dort nicht umgehend eine neue Wahlleistungsvereinbarung (mit dem Inhalt der später am 5.5.1997 geschlossenen) unterzeichnet wurde. Die Unterzeichnung von Wahlleistungsvereinbarungen, Aufnahmeformularen und Behandlungsverträgen ist typischerweise dem Verwaltungsbereich eines Krankenhauses oder Klinikums und nicht dem Bereich der ärztlichen Behandlung zuzuordnen. Dies gilt erst recht, wenn ein Universitätsklinikum über eine Zentralverwaltung (mit Patientenreferat und entsprechender personeller rechtskundiger Ausstattung) verfügt. Die Wahlleistungsvereinbarung wird zwischen dem Patienten und der Klinik geschlossen und dementsprechend von Patient und "Aufnahmekraft", nicht aber dem privatliquidierenden Arzt unterzeichnet (vgl. die Wahlleistungsvereinbarungen vom 3.1.1997, BI. 75 d. Behördenakts und vom 5.5.1997, BI. 71 d. Behördenakts). Die Wahlleistungsvereinbarung vom 5. Mai
1997 (Kinderklinik) weist den Kläger ausdrücklich als Liquidationsberechtigten aus; ab 5. Mai 1997 erfolgte ärztliche Leistungen sind dementsprechend auch nicht Streitstoff (vgl. S. 5 d. Urteils d. OLG ******* vom 12.10.1999).

Die Wahlleistungsvereinbarungen werden mit der Klinikverwaltung ("Aufnahmekraft") geschlossen. Der Abschluss der Wahlleistungsvereinbarungen - und dementsprechend auch die Prüfung, ob für einen von einer anderen Klinik (hier: Frauenklinik) eingelieferten Patienten eine neue Wahlleistungsvereinbarung zu schließen ist - ist dem Bereich der Klinikumsverwaltung (und damit der Beklagtenseite als Träger) zuzurechnen. Soweit die Beklagtenseite darauf hingewiesen hat, dass für "Notfallsituationen" (wie sie hier auch gegeben war) rechtzeitig Vorsorge getroffen werden müsse, ist dem zuzustimmen. Allerdings hätte nach Auffassung des Senats diese Vorsorge nicht dem privatliquidierenden Arzt, sondern der Zentralverwaltung oblegen, die für die mit der Aufnahme oder der Verlegung eines Patienten verbundenen Formalitäten zuständig ist, also immer dann, soweit nicht die rein medizinische Versorgung betroffen ist.
Dass ein Patient von einem Krankenhaus (Frauenklinik) der Universitätsklinik Innenstadt in ein anderes Krankenhaus (Kinderklinik) der Universitätsklinik Innenstadt verlegt wird, stellt darüber hinaus keinen derart seltenen, atypischen Fall dar, dass eine Klinikverwaltung, insbesondere die Zentralverwaltung eines großen Klinikums, nicht darauf vorbereitet sein müsste. Nicht ersichtlich ist deshalb, weshalb die Verwaltung nicht unmittelbar nach Aufnahme des Kindes L. (also spätestens am 5.1.1997) den dann am 5. Mai 1997 tatsächlich geschlossenen Vertrag über die Gewährung von Wahlleistungen hätte abschließen können.

Die Beklagtenseite weist darauf hin, dass es sich vorliegend nicht um verschiedene "Krankenhäuser" , sondern lediglich um verschiedene Kliniken des damaligen Klinikums Innenstadt, die in verschiedenen Häusern untergebracht sind, gehandelt habe und dass keine dieser Kliniken eine eigenständige Verwaltung gehabt habe, sondern eine Zentralverwaltung für das gesamte Klinikum Innenstadt existierte. Hierzu ist zunächst auf die Ausführungen im Urteil des Oberlandesgerichts ******* vom 12. Oktober 1999 unter Ziff. 2.1.1 Bezug zu nehmen. Weder hat die Beklagtenseite selbst das Klinikum verwaltungstechnisch als eine Einheit ("ein Krankenhaus") betrachtet, noch war dies unter Zugrundelegung der verwendeten Formulare für einen Außenstehenden (einen Patienten), auf dessen Empfängerhorizont hier abzustellen ist, erkennbar. Die von den Eltern des Kindes L. unterschriebenen "Aufnahmeblätter" vom 3. Januar 1997 und vom 8. Januar 1997 (BI. 76 und BI. 72 d. Behördenakts) weisen im Kopf nicht nur das "Klinikum Innenstadt", sondern auch die "Frauenklinik I.N.N. der ***, ***straße 11" auf, erfassen damit also gerade nicht die Haunersche Kinderklinik. Die Wahlleistungsvereinbarung vom 3. Januar 1997 (BI. 75 d. Behördenakts) weist als liquidationsberechtigte Ärzte die der Frauenklinik, die Wahlleistungsvereinbarung vom 5. Mai 1997 (BI. 71) weist als liquidationsberechtigt die Ärzte der Kinderklinik aus. Der Behandlungsvertrag vom 4. Januar 1997 (BI. 74/73 d. Behördenakts) ist mit dem "Dr. v. *********** Kinderspital im Klinikum Innenstadt..." abgeschlossen. Die (inner-)organisatorischen Gegebenheiten - nämlich das Existieren einer Zentralverwaltung für das ganze Klinikum - sind bei der geschilderten Darstellung der einzelnen Kliniken nach außen demgegenüber rechtlich nicht relevant.

Schließlich belegt auch der Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung vom 5. Mai 1997 - mit dem Zusatz "ab 4.1 .1997" - , dass auch die Klinikumsverwaltung den gesonderten Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung mit der Kinderklinik (daran erkennbar, dass im Formular nun die Ärzte dieser Klinik als Liquidationsberechtigte benannt sind) für erforderlich erachtet hat.

Ein Mitverschulden des Klägers ist bei der hier gegebenen Organisationsstruktur des Klinikums nicht feststell bar.

Die Beklagtenseite ist dem Kläger deshalb aus Verletzung der Fürsorgepflicht gemäß Art. 86 BayBG in vollem Umfang - ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldens – schadensersatzpflichtig.

Die Pflicht zur Zahlung von Prozesszinsen folgt aus § 291 i.V. mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, da es dem Kläger nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht erfüllt sind.

Rechtsmittelbelehrung XXX

RechtsgebietBürgerliches Recht Vorschriften§ 254 BGB, §§ 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 S.2 BGB

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