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12.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080762

Sozialgericht Konstanz: Urteil vom 25.10.2007 – S 2 KR 2810/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sozialgericht Konstanz
Az.: S 2 KR 2810/05

Im Namen des Volkes

Urteil

in dem Rechtsstreit XXX

Die 2. Kammer des Sozialgerichts Konstanz hat ohne mündliche Verhandlung am 25.10.2007 durch
XXX für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, 45,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 08.06.05 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 45,08 € festgesetzt.


Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf vollständige Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen.

Der Kläger ist Physiotherapeut und als Leistungserbringer für Heilmittel nach § 124 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassen. Er gehört dem Deutschen Verband für Physiotherapie - Zentralverband der Krankengymnasten/Physiotherapeuten (ZVK) e.V., Landesverband Baden-Württemberg, an. Dieser Berufsverband ist einer der Vertragspartner (auf Seiten der Leistungserbringer) des mit der AOK Baden-Württemberg, dem BKK Landesverband Baden-Württemberg, der IKK Baden-Württemberg, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Baden-Württemberg und der Bundesknappschaft geschlossenen „Rahmenvertrag nach § 125 Abs. 2 SGB V“, der am 01.12.2002 in Kraft getreten ist.

Am 20.01.2005, 27.01.2005, 03.02.2005, 08.02.2005, 17.02.2005 und 24.02.2005 behandelte der Kläger die Versicherte der Beklagten entsprechend der Heilmittelverordnung (Folgeverordnung) von Dres. F. wegen HWS-Syndrom, schmerzhafter Muskelverspannung und Cephalgie (Indikationsschlüssel WS1b) mit Massagen.

Der Kläger machte die Kosten der Behandlung in Höhe von 45,08 € im Rahmen der Gesamtabrechnung vom 30.03.2005 gegenüber der Beklagten geltend. Diese lehnte eine Vergütung mit der Begründung ab, beim Indikationsschlüssel WS1b könnten im Regelfall nur einmal sechs Behandlungen verordnet werden. Eine Folgeverordnung sei nicht möglich. Der Kläger möge die Verordnung mit medizinischer Begründung nochmals einreichen (Schreiben vom 14.04.2005). Der Kläger beharrte auf seiner Forderung. Mit Schreiben vom 14.06.2005 teilte die Beklagte ihm daraufhin mit, sie könne die beigefügte Verordnung nicht genehmigen. Nach den Heilmittel-Richtlinien sei für jede Diagnose eine Gesamtverordnungsmenge festgelegt. Bei einer Überschreitung der Gesamtverordnungsmenge müsse die Verordnung vor Beginn der Behandlung genehmigt werden. Eine Kostenübernahme könne nicht erfolgen, da die Heilmittel-Richtlinien den Krankenkassen vorschrieben, welche und wie viele Anwendungen für die jeweilige Diagnosegruppe vom Arzt verordnet werden könnten. Nach den hier vorliegenden Informationen sei die Anzahl der verordnungsfähigen Therapieeinheiten für Massagetechniken pro Regelfall erreicht. Eine Verordnung von weiteren Behandlungen klassischer Massagetherapie außerhalb des Regelfalles sei nicht zulässig. Die erneute Zahlungsaufforderung des Klägers vom 28.06.2005 über 45,32 € (einschließlich Zinsen in Höhe von 0,24 €) beantwortete sie mit dem Hinweis, dass sie die Forderung des Klägers nicht anerkenne (Schreiben vom 01.07.2005).

Mit der am 31.10.2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt ergänzend vor, nach den zwischen den Parteien bestehenden Rahmenverträgen über die Erbringung von Heilmittelleistungen nach § 125 Abs. 2 SGB V seien die Erbringer von Heilmittelleistungen nicht verpflichtet, die Indikation für die Erstellung von ärztlichen Rezepten und die Berechtigung der Rezeptausstellung inhaltlich zu überprüfen. Demnach seien die Leistungserbringer berechtigt, ärztlich verschriebene Leistungen ohne eigene inhaltliche Überprüfung zu erbringen und die erbrachten Leistungen den Krankenkassen gegenüber abzurechnen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, 45,08 € nebst Zinsens hieraus in Höhe von
5 % über dem Basiszinssatz seit 08.06.2005 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, die vom Kläger beanspruchte Vergütung habe nicht erfolgen können, weil die Leistung aufgrund einer Verordnung erbracht worden sei, die nicht den geltenden Heilmittel-Richtlinien entsprochen habe. Wie sich aus dem Indikationskatalog zu den Heilmittel- Richtlinien ergebe, betrage bei der vorliegenden Diagnose mit Leitsymptomatik die Gesamtverordnungsmenge sechs Einheiten Krankengymnastik oder Massagen. Das bedeute, dass im Regelfall eine darüber hinausgehende Verordnungsmenge nicht möglich sei. Hätte der Arzt eine über die sechs Einheiten hinausgehende Menge verordnen wollen, so hätte er die Verordnung entsprechend als Verordnung außerhalb des Regelfalles kennzeichnen und eine medizinische Begründung beifügen müssen. Eine Verordnung außerhalb des Regelfalles sei genehmigungspflichtig. Die Genehmigung sei nicht erteilt worden. Somit habe der Kläger die Leistung aufgrund der vorliegenden Verordnung nicht mit ihr abrechnen können. Entgegen der Auffassung des Klägers hätten auch die nichtärztlichen Leistungserbringer den Inhalt der Heilmittel-Richtlinien bei der Therapie von gesetzlich Versicherten zu beachten.

Der Auffassung des Klägers, dass zwischen ihm und der Beklagten vertragliche Beziehungen bestünden, sei nicht zu folgen. Da eine vertragliche Vereinbarung fehle, richte sich der Anspruch eines zugelassenen Leistungserbringers auf Vergütung nach den „üblichen Preise“, der sich an den Preisen und Bedingungen, wie im Wirkungsgebiet des Leistungserbringers überlicherweise für vergleichbare Leistungen erbracht würden, orientiere.

Gemäß § 124 Abs. 2 Satz 4 SGB V sei es für die Zulassung als Leistungserbringer aus dem Bereich Heilmittel Voraussetzung, dass dieser die für die Versorgung des Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt. Somit seien auch die Gemeinsamen Rahmenempfehlungen nach § 125 Abs. 1 SGB V über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer auf Bundesebene im Leistungserbringungsrecht heranzuziehen. Durch die Rahmenempfehlungen (§ 8) seien die Heilmittel-Richtlinien in das Leistungserbringungsverhältnis einbezogen worden. Für eine Geltung der Heilmittel-Richtlinien spreche auch deren normativer Charakter, der zu Folge habe, dass die Heilmittel-Richtlinien auch im Verhältnis Krankenkasse/Leistungserbringer unmittelbar anzuwenden sind. Für die geltend gemachte Forderung des Klägers bedeute dies, dass kein Anspruch auf Vergütung bestehe, da die Leistung nicht aufgrund einer ärztlichen Verordnung erbracht worden sei, die den Vorgaben der Heilmittel-Richtlinien entspricht. Diese Fehlerhaftigkeit sei für den Kläger erkennbar gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Prozessakten verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden werden konnte, ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf vollständige Bezahlung der gemäß ärztlicher Verordnung erbrachten Leistungen. Für die mit der Klage angegriffene Absetzung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Gegenstand des Verfahrens sind die Vergütungsansprüche des Klägers für die Behandlung der Versicherten Rebekka-Elisabeth Nitsch vom 30.03.2005. Der Anspruch des Klägers, der zugelassener Heilmittelerbringer im Sinne von § 124 Abs. 2 SGB V ist, auf volle Vergütung der Leistungen, die er gemäß vertragsärztlicher Verordnung erbracht hat, ergibt sich, obwohl die Beklagte nicht Vertragspartnerin ist, aus dem „Rahmenvertrag nach § 125 Abs. 2 SGB V“ vom 16.07.2002, welcher zwischen den Berufsverbänden der Physiotherapeuten und - u.a. - der AOK Baden-Württemberg geschlossen wurde. Da anderweitige vertragliche Regelungen fehlen, sollen nach dem erklärten Willen der Beteiligten die Regelungen des genannten Vertrages auf ihr Verhältnis zumindest entsprechend angewandt werden.

Nach § 15 Abs. 1 des Rahmenvertrags erfolgt die Vergütung der vertraglich erbrachten Leistungen nach der Preisvereinbarung (Anlage 5) in der jeweils geltenden Fassung. Zu vergüten sind somit „vertraglich erbrachte“ Leistungen. „Vertraglich erbracht“ sind Leistungen, wenn die Bestimmungen des Rahmenvertrages (einschließlich Anlagen und Protokollnotizen) sowie die gemeinsamen Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen gemäß § 124 Abs. 4 SGB V in der jeweils geltenden Fassung beachtet worden sind (vgl. § 2 des Rahmenvertrags).

Nach § 4 Abs. 1 des Rahmenvertrags setzt das Erbringen von Vertragsleistungen - das sind die in der Anlage 3 zum Rahmenvertrag aufgeführten Leistungen - eine vertragsärztliche Verordnung voraus. Darin bestimmt der Arzt Art und Umfang der Leistungen. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 der Rahmenvereinbarung müssen sich aus der Verordnung Diagnose, Arzt und Anzahl der Leistungen ergeben. Fehlen diese Angaben oder sind sie unvollständig, kann die vertragsärztliche Verordnung nicht ausgeführt werden (§ 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrags). Nach § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrags obliegt dem Leistungserbringer „insoweit“, d.h. hinsichtlich Diagnose, Art und Anzahl der Leistungen, keine Prüfpflicht. Deshalb ist es dem Leistungserbringer nach § 4 Abs. 7 des Rahmenvertrags auch nicht erlaubt, vertragsärztliche Verordnungen zu ändern oder zu ergänzen, es sei denn, er habe zuvor telefonische Rücksprache mit dem Vertragsarzt genommen und die von dort genehmigte Änderung in der Verordnung mit Datum und Handzeichen auf dem Verordnungsblatt vermerkt. Etwas anderes gilt gemäß § 4 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 8 des Rahmenvertrags nur in den Fällen, die in § 4 Abs. 8 des Rahmenvertrags im Einzelnen aufgeführt sind (und die im wesentlichen Abschnitt VII der Heilmittel-Richtlinien entsprechen).

Die von den Vertragspartnern somit gewollte Dominanz des Vertragsarztes, was die Bestimmung von Diagnose, Art und Anzahl der Leistungen angeht und der entsprechende Ausschluss einer Prüfpflicht der Leistungserbringer lassen sich durch den Hinweis auf die Verpflichtung des Leistungserbringers zur Kooperation mit dem verordnendem Vertragsarzt (§ 4 Abs. 6 des Rahmenvertrags), den Hinweis in § 3 Abs. 1 Satz 2 des Rahmenvertrags, wonach der Leistungserbringer zur Abgabe der vom Vertragsarzt bestimmten Leistungen „im Rahmen der Leistungsbeschreibung (Anlage 3) berechtigt und verpflichtet“ ist oder durch eine sich (angeblich) aus § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V ergebende Verpflichtung des Leistungserbringers zur „Beachtung der Heilmittel-Richtlinien“ nicht in ihr Gegenteil verkehren.

In Anbetracht ihres ausdrücklichen Ausschlusses durch § 4 Abs. 3 Satz 3 des Rahmenvertrags lässt sich die von der Beklagten behauptete Prüfpflicht des Leistungserbringers schließlich auch nicht durch die Hintertür, etwa im Sinne einer vertraglichen Nebenpflicht, einführen.

Der Zinsanspruch ist in der geltend gemachten Höhe begründet. Die Beklagte war mit der Zahlung für die erbrachten Leistungen des Klägers gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB spätestens ab dem geltend gemachten Zeitpunkt in Verzug. Gemäß § 288 Abs. 1 Satz 3 BGB beträgt der Verzugszinssatz für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz; ein höherer Zinssatz ist nicht beantragt worden.

Der Klage war somit in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.

Rechtsmittelbelehrung

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Konstanz, Webersteig 5, 78462 Konstanz, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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