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22.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073421

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 12.10.2006 – 13 K 2035/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


HESSISCHES FINANZGERICHT

Geschäftsnummer: 13 K 2035/06

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit XXX

w e g e n
Einkommensteuer 2004

hat Richter am Hessischen Finanzgericht
als Einzelrichter
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 12. Oktober 2006

für Recht erkannt:

1. Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 05.07.2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 03.07.2006 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer auf 515.811,00 € festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

3. Das Urteil ist wegen der dem Finanzamt auferlegten Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

……

Tatbestand:

Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und erzielt im Wesentlichen als Vorstandsmitglied einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Im Rahmen der Steuererklärung 2004 machte er - soweit im gerichtlichen Verfahren streitig – Aufwendungen für zwei Koffer in Höhe von insgesamt 1.056,- € als Werbungskosten geltend.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 20.04.2006, der aus hier nicht interessierenden Gründen mit Bescheid vom 05.07. 2006 geändert wurde, erkannte das Finanzamt diese Aufwendungen nicht an, da eine leichte und einwandfreie Trennung zu den Lebensführungskosten nicht möglich sei (Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Einkommensteuergesetz - EStG -).

Hiergegen legte der Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass er als Vorstandsmitglied eines globalen Konzerns im Veranlagungszeitraum mehr als 1 Million Flugmeilen zurückgelegt habe. Er habe damit zwangsläufig einen größeren Bedarf (und Verschleiß) an Koffern als der Normalbürger. Er besitze insgesamt 9 Reisekoffer. Insoweit seien 3 ausschließlich für berufliche Zwecke bestimmt. Er benötige jeweils unterschiedliche Koffergrößen für 2 und
4- Tagesreisen sowie für Reisen von 1 Woche und mehr. Eine ausschließliche berufliche Nutzung sei gewährleistet.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03.07.2006 folgte das Finanzamt dem nicht und nahm Bezug auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg vom 17.1.1972, EFG 1972, 329, wonach es sich bei der Anschaffung eines „normalen„ Koffers, der auch dem Transport von Reiseutensilien dient, um nicht abzugsfähigen Mischaufwand handelt.

Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben, mit der er sein Ziel unter Wiederholung und Vertiefung seines außergerichtlichen Vorbringens weiterverfolgt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter hat der Kläger erneut bekräftigt, dass die Koffer ausschließlich beruflich genutzt würden.

Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 03.07.2006 dahingehend abzuändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 1.056,-- € in Ansatz gebracht werden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Vertreter des beklagten Finanzamtes geht nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nunmehr auch davon aus, dass die Koffer ausschließlich beruflich verwendet wurden. Eine Abzugsfähigkeit der Anschaffungskosten als Werbungskosten sei gleichwohl nicht möglich, da der in den Koffern mitgeführte Inhalte rein privater Natur sei.

Wegen Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die einschlägigen Steuerakten haben dem Gericht vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die für die beiden Koffer aufgewandten 1.056,-- € stellen Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG dar. Danach sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Wie aufgrund der Darstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nunmehr zwischen den Beteiligten unstreitig ist, wurden die hier streitgegenständlichen Koffer ausschließlich für berufliche Zwecke angeschafft und genutzt.

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Finanzamtes handelt es sich auch nicht um Kosten der Lebensführung, die gemäß § 12 Nr. 1 S. 2 EStG wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbots nicht abzugsfähig wären (so genannte gemischte Aufwendungen). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) dient dieses Aufteilungs- und Abzugsverbot der steuerlichen Gerechtigkeit. Er soll verhütet werden, dass Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewusst herbeigeführte Verbindung von beruflichen und privaten Erwägungen Aufwendungen für ihre Lebensführung nur deshalb zum Teil in den einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen entsprechenden Beruf haben, während andere Steuerpflichtige gleichartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müssen. Die Vorschrift will weiter im Interesse der steuerlichen Gerechtigkeit verhüten, dass solche Aufwendungen als vom Steuerpflichtigen durch den Betrieb veranlasst dargestellt werden, ohne dass für das Finanzamt die Möglichkeit besteht, diese Ausgaben nachzuprüfen und die tatsächliche berufliche oder private Veranlassung festzustellen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass, wenn einmal eine der Lebensführung dienende Aufwendung vorliegt, die gleichzeitige Förderung des Berufs nicht beachtet wird (BFH-Beschluss vom 19.10.1970, GrS 2/70, BStBl. II 1971, 17; seitdem ständige Rechtsprechung).

Vorliegend steht aufgrund der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch für das Finanzamt fest, dass die Koffer ausschließlich beruflich genutzt wurden. Die in ähnlich gelagerten Fällen häufig auftretenden Abgrenzungsprobleme dergestalt, dass unklar ist, in welchem Verhältnis die Koffer beruflich einerseits und privat andererseits genutzt werden, stellen sich daher hier nicht. An einer privaten Mitbenutzung fehlt es. Da der Kläger die Koffer ausschließlich beruflich und nicht privat nutzte, fehlt es auch an der von § 12 Nr. 1 S. 2 EStG beabsichtigten Verhinderung der Schlechterstellung anderer Steuerpflichtiger. Vorliegend wurden gerade nicht (auch) private Aufwendungen in den beruflichen und somit einkommensteuerlich relevanten Bereich gezogen. Anderen Steuerpflichtigen ohne solche berufliche Verpflichtungen wie der Kläger sie hat, fehlen auch vergleichbare Aufwendungen, so dass ein Verstoß gegen die steuerliche Gerechtigkeit nicht gegeben ist. In einem vergleichbaren Fall hat dies bereits das Hessische Finanzgericht mit Urteil vom 03.08.1988, 9 K 228/86, EFG 1989, 173, entschieden. Die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde vom BFH als unbegründet zurückgewiesen (BFH vom 30.06. 1989, VI B 174/88, n.v.).

Das Gericht folgt nicht der Rechtsauffassung des Finanzamtes, dass allein durch den Transport von privater Kleidung in den Koffern eine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die Koffer selbst als Werbungskosten ausscheiden müsse.

Zwar ist es zutreffend, dass Aufwendungen für bürgerliche Bekleidung grundsätzlich nicht als Werbungskosten abgezogen werden können (BFH - Urteil vom 19.01.1996, VI R 73 / 94, BStBl II 1996, 202; ständige Rechtsprechung). Jedoch färbt der Transport bürgerlicher Kleidungsstücke nebst anderen privaten Reiseutensilien nicht auf die Anschaffung der Koffer dergestalt ab, dass die ausschließlich beruflich motivierte Anschaffung wieder in die nichtsteuerlich relevante Privatsphäre gezogen wird. Dies entspricht nicht der oben dargestellten ratio des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG. Aus diesem Grunde vermag das Gericht auch nicht den Entscheidungen des Finanzgerichts Hamburg vom 17.01.1972, III 24/70, EFG 1972, 329 und vom 24.09.1987, II 278/84, EFG 1988, 67 zu folgen. Auch die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15.06.2000, 5 K 491/98, Juris, ist nicht einschlägig. Dort wurde ein Abzugsverbot von Aufwendungen als gemischte Aufwendungen bejaht, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass Koffer auch privat genutzt werden. Diese Frage stellt sich in dem vorliegend zu entscheidenden Streitfall jedoch gerade nicht.

Die geltend gemachten Werbungskosten für die Anschaffung der Koffer in Höhe von 1.056,-- € sind daher mit der steuerlichen Auswirkung, wie aus dem Tenor ersichtlich, anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der dem Finanzamt auferlegten Kosten ergibt sich aus §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 ZPO.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG

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