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18.10.2007 · IWW-Abrufnummer 073194

Verwaltungsgerichtshof München: Beschluss vom 06.08.2007 – 3 ZB 06.1253

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache XXX

wegen Pfändung;
hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. März 2006

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat, durch XXX

ohne mündliche Verhandlung am 6. August 2007 folgenden

Beschluss:

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt, weil es die Darlegungen der Klägerin - gemessen an § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3, 4 und 5 VwGO nicht rechtfertigen, den angefochtenen Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts einer umfassenden Überprüfung im Berufungsverfahren zu unterziehen.

Die Klägerin hat einen titulierten Zahlungsanspruch gegen den Beigeladenen, der als ehrenamtlicher Bürgermeister des Beklagten eine Aufwandsentschädigung erhält. Ungeachtet des vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weigerte sich der Beklagte außergerichtlich, die Klägerin daraus zu befriedigen, weil sie von der Unpfändbarkeit der Aufwandsentschädigung nach § 850 a Nr. 3 ZPO ausging.

Im Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kam es - nach Zahlungen des Beklagten an die Klägerin - teilweise zu übereinstimmenden Erledigungserklärungen.

In einem Vergleichsvorschlag des Berichterstatters heißt es - daran anknüpfend -, der Beklagte habe dem Klagebegehren somit - weitgehend Rechnung getragen und sehe die an den Beigeladenen gezahlte monatliche Aufwandsentschädigung selbst - wohl rechtlich zutreffend - nicht mehr als "pfändungsfrei" i.S.d. § 850 a Nr. 3 ZPO an. Die Klägerin ihrerseits sei von der ursprünglich geltend gemachten Forderungshöhe abgerückt und akzeptiere nunmehr die Berechnung der Pfändungsbeträge durch den Beklagten.

Der Vergleichsvorschlag sah vor, dass der Beklagte - entsprechend der bisherigen Praxis – monatlich den sich gemäß §§ 850 ff ZPO aus den an den Beigeladenen gezahlten Bezügen (vom Beklagten als „Aufwandsentschädigung" bezeichnet) zu errechnenden Pfändungsbetrag an die Klägerin bezahlt, bis deren Forderung vollständig getilgt ist, längstens jedoch bis zur Beendigung des Beamtenverhältnisses des Beigeladenen beim Beklagten (Art. 15 ff KWBG).

Der Beklagte erklärte sein Einverständnis zu allen Punkten des Vergleichs. Die Klägerin lehnte den Vergleichsvorschlag hingegen ab, weil der Tenor des Vergleichs keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe.

Daraufhin zog sich der Beklagte auf seinen ursprünglich eingenommenen Rechtsstandpunkt, die Aufwandsentschädigung sei unpfändbar, zurück. Den Vergleich habe sie nur entsprechend dem Wunsch ihres 1. Bürgermeisters, gerichtet auf eine gütliche Einigung, angenommen.

Danach liefen Zahlungen des Beklagten an die Klägerin weiter mit der Folge neuerlicher teilweiser Erledigungserklärungen.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. März 2006 verurteilte das Gericht den Beklagten zur Zinszahlung seit Klagezustellung bis zum 17. Mai 2004 (Nr. 1) und dazu, an die Klägerin am 1. April 2006 und fortlaufend zu jedem 1. des nachfolgenden Monats 195,01 Euro nebst Zinsen bis zur vollständigen Tilgung der Forderung der Klägerin gegen den Beigeladenen zu zahlen, längstens bis zur Beendigung des Beamtenverhältnisses (Nr. 2).

Den weiteren Antrag der Klägerin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch über den Betrag laut Klageantrag Ziff. 1 und 2 hinaus den pfändbaren Teil der monatlichen Zahlungen... zu zahlen, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen (Nr.3). Das Verwaltungsgericht erachtete diesen Feststellungsantrag, weil das Rechtsschutzinteresse fehle, für unzulässig. Das folge aus dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 259 ZPO, der gerade eine Klage auf künftige Leistungen (Nr.2 des Tenors) ermögliche. Eine derartige gerichtliche Feststellung hätte zudem, worauf die Klägerin im Rahmen der Ablehnung des gerichtlichen Vergleichsvorschlags hingewiesen habe, keinen vollstreckbaren Inhalt.

Die Klägerin räumt zwar ein, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für einen zusätzlichen Feststellungsantrag fehlen würde, wenn das verfolgte Titulierungsinteresse bereits im Rahmen der Leistungsklage (§ 259 ZPO) erfüllt worden wäre. Das sei vorliegend aber nicht der Fall, weil sich die unpfändbaren Beträge durch die jährlichen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen änderten und sich die pfändbaren Beträge zugunsten der Klägerin auch deshalb erhöhen können, weil sich die der Ermittlung der Pfändungsfreigrenzen bisher zugrunde gelegten Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Familienmitgliedern des Beigeladenen verändern können. Der Feststellungsantrag erfasse daher eine denkbare Erhöhung des Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung pfändbarer Beträge, die über den bisher in Nr. 2 des Tenors zugesprochenen künftigen Anspruch hinausgehe.

Unzutreffend sei auch die Begründungserwägung des Verwaltungsgerichts, wonach die unter Nr. 3 begehrte Feststellung keinen vollstreckbaren Inhalt habe. Feststellungsurteile unterlägen nämlich per se keiner Vollstreckung. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts weiche von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 1979 (Az. 7 B 147/78) ab. Zudem hätte das Verwaltungsgericht nach § 139 Abs. 1 ZPO darauf hinweisen müssen, dass es diesen Klageantrag für unzulässig erachte. Insoweit liege eine Überraschungsentscheidung vor, durch die das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt worden sei. Schließlich sei die aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzlich bedeutsam.

Der Senat erachtet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, der Feststellungsantrag sei unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis fehle, und die dafür gegebene tragende Erwägung, die auf zukünftige Zahlungen gerichtete Leistungsklage sei ausreichend, für zutreffend. Die erfolgte Verurteilung zu künftigen Zahlungen deckt unter den gegebenen Umständen, insbesondere auch nach dem geschilderten Prozessverlauf, das Titulierungsinteresse der Klägerin ab. Die strittige Rechtsfrage. ob die monatlichen Zahlungen des Beklagten an den Beigeladenen unpfändbare Aufwandsentschädigungen i.S.d. § 850 a Nr. 3 ZPO sind, wurde durch Stattgabe der auf künftige Zahlungen gerichteten Leistungsklage (Nr. 2) zugunsten der Klägerin entschieden. Danach ist es dem Beklagten bei einer den gerichtlich zuerkannten monatlichen Betrag von 195,01 Euro übersteigenden pfändbaren Auszahlung verwehrt, neuerlich den Rechtsstandpunkt einzunehmen, ihre Zahlungen an den Beigeladenen seien insgesamt nach § 850 a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Dabei kann dahinstehen, ob sich, wofür viel spricht, bereits die Rechtskraftbindung (§ 121 VwGO) auf diese Anspruchsgrundlage erstreckt, weil der Streitgegenstand durch Klageanspruch und Klagegrund bestimmt wird (s. Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Auflage RdNr. 23 ff). Jedenfalls ist bei einer an Recht und Gesetz gebundenen Behörde zu erwarten, dass sie die rechtlichen Grundlagen einer zwischen den Beteiligten strittig gewesenen gerichtlichen Entscheidung beachtet. Die Klägerin zitiert im Zulassungsverfahren zutreffend Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine Feststellungsklage an Stelle einer späteren Leistungsklage möglich ist und wonach die aus einem Feststellungsurteil einer Behörde erwachsende Verpflichtung im Grundsatz nicht geringer ist, als die eines Leistungsurteils. Die Klägerin ordnet diese Rechtsprechung bei ihrer Argumentation im Zulassungsverfahren jedoch nicht sinnentsprechend ein, sondern wendet sie ins Gegenteil, wenn sie damit begründen will, dass vorliegend - mit Blick auf künftige Erhöhungen der pfändbaren Beträge - die bezifferte, auf künftige Leistungen gerichtete Leistungsklage flankierend durch eine - lückenschließende - Feststellungsklage ergänzt werden dürfte. Deshalb führt ihre Mitteilung vom 1. August 2007, zwischenzeitlich habe sich seit der Titulierung der pfändbare Betrag erhöht, zu keiner anderen rechtlichen Betrachtung.

Mit dem Hinweis, eine Feststellungsklage habe nie einen vollstreckungsfähigen Inhalt, greift die Klägerin lediglich nicht tragende Erwägungen des Verwaltungsgerichts an. Diese Bemerkung des Gerichts, wonach eine derartige gerichtliche Feststellung zudem keinen vollstreckbaren Inhalt hätte, ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Klägerin mit dieser Begründung den Vergleichsvorschlag des Gerichts, der ihr jedenfalls alles gegeben hätte, was ihr später im Gerichtsbescheid zuerkannt wurde, abgelehnt hatte.

Abgesehen davon, dass die Klägerin keinen Rechtssatz aus der Entscheidung des Bundesverwartungsgerichts vom 30. März 1979 zitiert hat, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll, lag die Fallgestaltung dort ganz anders als hier. Das hat die Klägerin letztlich selbst eingeräumt, die Unterschiede jedoch für unbeachtlich erklärt.

Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage hat die Klägerin nicht formuliert. Die von ihr aufgeworfene Frage des Verhältnisses Feststellungsklage/Leistungsklage entzieht sich einer abstrakten allgemeingültigen Beantwortung. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Vorliegend ist die vom Verwaltungsgericht gefundene Lösung an Hand des Gesetzes und der Rechtsprechung ohne weiteres als zutreffend zu erachten,

Schließlich dringt die Klägerin mit ihrer Verfahrensrüge (Verletzung der Hinweispflicht, Überraschungsentscheidung) nicht durch. Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Erlass eines Gerichtsbescheids kann erfolgreich nur mit einem Antrag auf mündliche Verhandlung, nicht aber mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung geltend gemacht werden (BayVGH vom 28.3.2006, 8ayVBI 2007, 30). Zudem begründet § 139 Abs. 2 n.F. ZPO für die Verwaltungsgerichte keine neuen, nicht schon bisher durch § 86 Abs. 3 VwGO vorgeschriebenen Verfahrenspflichten des Gerichts (BVerwG vom 16.6.2003, BayVBI 2004, 187). Davon abgesehen gab der Prozessverlauf - bezogen auf das ergänzende Feststellungsbegehren – der Klägerin keinen Anfass, auf die Zulässigkeit dieses Antrags zu vertrauen.

Unter den gegebenen Umständen hätte es sich deshalb dem Gericht nicht aufdrängen müssen, die Klägerin auf die Möglichkeit der Verneinung des Rechtsschutzinteresses hinzuweisen. Im Gegenteil hätte es sich der Klägerin aufdrängen müssen, mit der Abweisung ihres - den Antrag auf Zahlung künftiger Leistungen - lediglich ergänzenden Feststellungsantrag zu rechnen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens (§ 152 Abs. 2 VwGO).

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2, § 47 Abs. 3 GKG).

Hinweis:
Von einer weiteren Begründung dieses Beschlusses wird abgesehen.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a VwGO).

RechtsgebietZwangsvollstreckungVorschriften§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3, 4 und 5 VwGO

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