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02.08.2007 · IWW-Abrufnummer 072412

Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern: Erlass vom 17.11.2006 – IV 301 - S 2223 - 35/06


Das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern hat einen sehr ausführlichen Erlass zum Vertrauensschutz und zur Haftung nach § 10 b Abs. 4 EStG herausgegeben


FinMin Mecklenburg-Vorpommern
17.11.2006
IV 301 - S 2223 - 35/06

1. Vertrauensschutz nach § 10 b Abs. 4 Satz 1 EStG

Nach § 10 b Abs. 4 Satz 1 EStG darf der Steuerpflichtige auf die Richtigkeit der Bestätigung über Spenden und Mitgliedsbeiträge vertrauen, es sei denn, dass er die Bestätigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt hat oder dass ihm die Unrichtigkeit der Bestätigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

Das geschützte Vertrauen des gutgläubigen Zuwendenden umfasst u.a. das Vertrauen in den Status der Körperschaft und in die Verwendung der Zuwendung. Der Zuwendungsabzug bleibt ihm also auch dann erhalten, wenn der Körperschaft rückwirkend für den Veranlagungszeitraum, in dem die Zuwendung geleistet wurde, die Gemeinnützigkeit aberkannt wird.

Widerruft der Aussteller die unrichtige Zuwendungsbestätigung, bevor der Zuwendende seine Steuererklärung einschließlich der unrichtigen Bestätigung beim FA abgegeben hat, kann der Zuwendende nicht mehr auf die Richtigkeit der Bestätigung vertrauen. Auch bei der Anwendung der Vertrauensschutzregelung ist zu beachten, dass die Angaben in der Steuererklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind (§ 150 Abs. 2 AO). Deshalb darf der Zuwendende in diesem Fall den Abzug der Zuwendung nicht mehr unter Hinweis auf den Vertrauensschutz beantragen.

Die ?Bösgläubigkeit? des Zuwendenden ist u.a. gegeben,

- wenn die ?Zuwendung? nicht freigiebig gewährt wurde, weil ihr eine Gegenleistung gegenübersteht und der Zuwendende dies wusste (vgl. einerseits für den Fall einer ?Beitrittsspende? in einen Golfclub: FG Münster, Urteil vom 26.4.2001 (EFG 2001 S. 1273) - NZB abgewiesen: Der Steuerpflichtige wusste, dass die Mitgliedschaft und die damit verbundenen Nutzungsmöglichkeit der Anlagen von der Zahlung der ?Beitrittsspende? abhängt;
andererseits aber keine ?Bösgläubigkeit? bei schwieriger rechtlicher Einordnung der Zahlung: Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28.3.2001 (EFG 2001 S. 815) - NZB abgewiesen: für Zahlungen an einen Schulverein)

oder

- wenn ihm Umstände bekannt sind, die für eine Verwendung der Zuwendung sprechen, die nicht der Bestätigung entspricht.

Folge der ?Bösgläubigkeit?: Der Zuwendungsabzug ist nicht zu gewähren. Wurde der Zuwendungsabzug bereits gewährt, kann der Steuerbescheid des Zuwendenden nach den Vorschriften der AO (z.B. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) geändert werden.

2. Haftung nach § 10 b Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG

2.1 Bindung der Haftungsinanspruchnahme an den Vertrauensschutz beim Zuwendenden

Mit dem Vertrauensschutz korrespondiert die Haftungsregelung in § 10 b Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG. Danach haftet für die entgangene Steuer, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine unrichtige Zuwendungsbestätigung ausstellt (erste Alternative - ?Ausstellerhaftung?) oder wer veranlasst, dass Zuwendungen nicht zu den in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zwecken verwendet werden (zweite Alternative - ?Veranlasserhaftung?). Die Inanspruchnahme zur Haftung setzt voraus, dass beim Zuwendenden Vertrauensschutz gemäß § 10 b Abs. 4 Satz 1 EStG besteht. Nach der Gesetzesbegründung (Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 11/4305 vom 6.4.1989, zu 6. und 9. und Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses [7. Ausschuss], BT-Drucks. 11/5582 vom 7.11.1989, zu ?Spendenabzug?) müssen die Finanzämter bei der Haftungsinanspruchnahme stets die Gutgläubigkeit des Zuwendenden prüfen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die den Vertrauensschutz ausschließenden Gründe hat im Haftungsverfahren der Aussteller der unrichtigen Zuwendungsbestätigung.

Die Haftung soll dem Missbrauch von Zuwendungsbestätigungen entgegenwirken. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn eine nicht gemeinnützige oder eine zwar gemeinnützige aber nicht spendenbegünstigte Körperschaft Zuwendungsbestätigungen ausstellt, wenn der Wert einer Zuwendung in der Bestätigung zu hoch angegeben wird oder wenn Bestätigungen über Zuwendungen für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgestellt werden.

2.2 Ausstellerhaftung (§ 10 b Abs. 4 Satz 2 erste Alternative EStG)

2.2.1 Unrichtigkeit

Erforderlich ist hierbei eine objektive Unrichtigkeit hinsichtlich der für den Zuwendungsabzug wesentlichen Angaben, insbesondere

- die Zahlung als solche (dass und in welcher Höhe eine Zuwendung erfolgt ist),

- der Verwendungszweck,

- der steuerbegünstigte Status der zuwendungsempfangenden Körperschaft (BFH-Urteil vom 12.8.1999, BStBl 2000 II S. 65),

- die Qualifikation als (freigiebige) Zuwendung; weist die Bestätigung bestimmte Beträge, die keine Zuwendungen sind (z.B. wegen des entgeltlichen Charakters), als solche aus, ist die Bestätigung unrichtig (BFH-Urteil vom 12.8.1999, BStBl 2000 II S. 65),

- die bei Sachspenden zusätzlich erforderlichen Abgaben (vgl. Muster der Zuwendungsbestätigungen (Anlage zum BMF-Schreiben vom 18.11.1999, BStBl 1999 I S. 979) und Tz. 9 des BMF-Schreibens vom 2.6.2000, BStBl 2000 I S. 592):

- genaue Bezeichnung der zugewendeten Wirtschaftsgüter,

- gemeiner Wert im Zeitpunkt der Zuwendung (§ 10 b Abs. 3 Satz 3 EStG) oder Entnahmewert (§ 10 b Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 und 5 EStG; zuzüglich USt - R 10 b Abs. 1 Satz 5 EStR 2005),

- Alter, Zustand, Kaufpreis/Herstellungskosten sowie bei Zuwendung aus dem Privatvermögen: Benennung der Unterlagen, die zur Wertermittlung herangezogen wurden.

Die Bestätigung bezweckt, den Abzug bestimmter Beträge als Zuwendung zu ermöglichen, ohne dass der (gutgläubige) Zuwendende und dessen FA die entsprechenden Abzugsvoraussetzungen noch einmal zu prüfen brauchen (BT-Drucks. 11/4176, S. 17). In der Bestätigung wird bescheinigt, dass ein bestimmter Betrag als Zuwendung empfangen worden ist und entsprechend verwendet wird. Danach sind alle Beträge, die auf einer Zuwendungsbestätigung angegeben sind, als Zuwendungsleistungen ausgewiesen und nehmen an der Richtigkeitsgewähr und der Vertrauensschutzregelung des § 10 b Abs. 4 EStG teil.

2.2.2 Verschulden

Voraussetzung dafür, dass der Haftungstatbestand der sog. Ausstellerhaftung verwirklicht wird, ist ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden des Ausstellenden. Nach der Rechtsprechung (Urteil des FG München vom 16.7.1996, EFG 1997 S. 322; Revision zurückgewiesen mit Urteil des BFH vom 24.4.2002, BStBl 2003 II S. 128) sind die Verschuldensbegriffe des § 10 b Abs. 4 EStG und des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO inhaltsgleich und unterliegen den selben Auslegungsgrundsätzen, wie sie von der Rechtsprechung zu letzterer Vorschrift entwickelt worden sind. Grob fahrlässig handelt hiernach, wer die nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten gebotene und zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (z.B. BFH-Urteil vom 13.9.1990, BStBl 1991 II S. 124). Das ist dann der Fall, wenn der Betroffene unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, oder wenn er die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt.

2.3 Veranlasserhaftung (§ 10 b Abs. 4 Satz 2 zweite Alternative EStG)

Haftungstatbestand ist die zweckentfremdete Verwendung von Zuwendungen.

2.3.1 Fehlverwendung

Die Veranlasserhaftung erfasst Fehlverhalten des Empfängers in Zusammenhang mit der Zuwendungsverwendung (BFH-Urteil vom 24.4.2002, BStBl 2003 II S. 128).

Beispiele:

Eine Fehlverwendung liegt z.B. dann vor, wenn die Zuwendung in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (auch: bezahlter Sport) verwendet wird, z.B. zur Verlustabdeckung dieses Betriebs.

Auch dann, wenn eine Körperschaft mehrere mit unterschiedlichen Höchstbeträgen (5 % oder 10 % des Gesamtbetrags der Einkünfte (bzw. des Einkommens bzw. des um die Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 9 GewStG erhöhten Gewinns aus Gewerbebetrieb)) spendenbegünstigte Zwecke nebeneinander verfolgt (z.B. mildtätige Zwecke und Sport), liegt eine Fehlverwendung vor, wenn die Zuwendungsbestätigung für den höher begünstigten Zweck (mildtätige Zwecke) bescheinigt wird, sie aber tatsächlich in dem weniger begünstigten Teilbereich (Sport) verwendet wird.

Eine Fehlverwendung und damit ein die Spendenhaftung auslösender Tatbestand ist jedoch nicht gegeben, wenn der Empfänger die Zuwendung zu dem in der Bestätigung angegebenen steuerbegünstigten Zweck verwendet hat, auch wenn der Empfänger im Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren nicht als gemeinnützig anerkannt wird (BFH-Urteil vom 10.9.2003, BStBl 2004 II S. 352; das zum Durchlaufspendenverfahren ergangene Urteil ist auch nach Abschaffung des zwingenden Durchlaufspendenverfahrens weiter anzuwenden). Dies hat insbesondere in den Fällen Bedeutung, in denen einer Körperschaft entweder in einer vorläufigen Bescheinigung oder in einem Freistellungsbescheid für frühere VZ die Auskunft erteilt wurde, dass sie auch künftig dazu berechtigt ist, steuerlich wirksame Zuwendungsbestätigungen auszustellen, sie für die VZ, in der sie solche Bescheinigungen ausgestellt hat, später jedoch tatsächlich nicht als steuerbegünstigte Körperschaft i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG anerkannt wird (vgl. auch H 10 b.1 ?Spendenhaftung? EStH 2005).

Eine Verwendung für begünstigte Zwecke in diesem Sinne setzt nicht voraus, dass der Zuwendungs(letzt)empfänger als gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich i.S. der §§ 52 bis 54 AO anerkannt ist.

2.3.2 Verschulden

Während die Ausstellerhaftung vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln voraussetzt, enthält der die Veranlasserhaftung definierende § 10 b Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 EStG einen Fall der Gefährdungshaftung ohne Verschulden.

2.4 Aufgriff

Erkenntnisse für Haftungsfälle können sich einerseits beim Zuwendungsempfänger ergeben. Bei der Prüfung der tatsächlichen Geschäftsführung bzw. bei Betriebsprüfungen ist auch auf das Verhalten hinsichtlich der Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen zu achten.

Mögliche Anhaltspunkte

- fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei sog. Aufwandsspenden (vgl. BMF-Schreiben vom 7.6.1999, BStBl 1999 I S. 591) (aber: FG München, Urteil vom 7.3.2006 (EFG 2006 S. 1050) - Revision eingelegt),

- Befugnis des Ausstellers, Zuwendungsbestätigungen zu erstellen,

- Erkenntnisse über Verwendung der Zuwendung.

Andererseits können sich Anhaltspunkte auch beim Zuwendenden ergeben

- fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (insbesondere in diesen Fällen ist aber zu prüfen, ob überhaupt ein Vertrauensschutz besteht),

- gemeiner Wert der zugewendeten Sache im Zuwendungszeitpunkt bei Sachspenden,

- Umstände, die auf Gefälligkeitsbescheinigungen schließen lassen (insbesondere in diesen Fällen ist aber zu prüfen, ob überhaupt ein Vertrauensschutz besteht).

Entstehen über die Rechtmäßigkeit der vorgelegten Zuwendungsbestätigung Zweifel, ist das FA des Zuwendungsempfängers hierüber zu informieren.

Bei steuerlich nicht geführten juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist dies das FA, in dessen Bezirk sich der Verwaltungssitz dieser Körperschaft befindet.

In der zu fertigenden Kontrollmitteilung (KM) sind die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuwendungsbestätigung zu begründen. Kopien der Zuwendungsbestätigung sind der KM beizufügen.

2.5 Umfang der Haftung

Die entgangene Steuer ist mit 40 % des zugewendeten Betrags anzusetzen. Eine entsprechende Haftungsregelung enthält § 9 Abs. 3 KStG (siehe dazu Tz. 2.9.1). Daneben tritt ggf. noch die Haftung nach § 9 Nr. 5 Satz 6 GewStG für die entgangene Gewerbesteuer, die mit 10 % des zugewendeten Betrages anzusetzen ist (siehe dazu Tz. 2.9.2).

Ein Solidaritätszuschlag für den Haftungsbetrag ist nicht festzusetzen, da kein Tatbestand des § 3 Abs. 1 SolZG vorliegt.

Die Festlegung der Haftungshöhe als fester Prozentsatz der Zuwendung erfolgt unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen beim Zuwendenden (soweit dieser Vertrauensschutz genießt). Die Frage, ob oder in welchem Umfang sich der Zuwendungsabzug beim Zuwendenden steuerlich überhaupt ausgewirkt hat, ist für die Haftungsfrage grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. FG München vom 16.7.1996, EFG 1997 S. 322; Revision als unbegründet zurückgewiesen mit BFH-Urteil vom 24.4.2002, BStBl 2003 II S. 128; siehe aber Tz. 2.7 zum Ermessen). Einzelfallbezogene Ermittlungen des Steuerausfalles unterbleiben. Im Falle der Ausstellerhaftung bestimmt sich die Bemessungsgrundlage für die Haftungshöhe nach den Zuwendungen, für die eine unrichtige Zuwendungsbestätigung ausgestellt wurde, im Falle der Veranlasserhaftung bestimmt sie sich nach den fehlverwendeten Zuwendungen.

Gehaftet wird für die bei dem Zuwendenden (durch den Abzug der Zuwendungen bei seiner Steuer-Veranlagung) entgangene Steuer, bei der es sich entweder um ESt oder um KSt handeln kann. In dem Haftungsbescheid ist daher anzugeben, ob und ggf. in welchem Umfang eine Inanspruchnahme für entgangene ESt und/oder KSt erfolgt.

Sind im Fall der Unrichtigkeit ausgestellter Zuwendungsbestätigungen oder der Fehlverwendung sowohl einkommen- als auch körperschaftsteuerpflichtige Zuwendende ermittelt worden, ist der Gesamthaftungsbetrag, sofern keine direkte Zuordnung möglich ist, im Verhältnis der Zuwendungen i.S.d. § 10 b EStG und des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG aufzuteilen.

Beispiel:

Der A-Verein hat im Jahr 2004 Zuwendungen in einer Gesamthöhe von 100.000 EUR erhalten, die sich zusammensetzen aus:

50.000 EUR B-GmbH
5.000 EUR Kaufmann C
10.000 EUR Rechtsanwalt D
35.000 EUR Sparkasse E.

Es wurde eine Fehlverwendung i.H.v. 10.000 EUR festgestellt.

Von den 10.000 EUR entfallen (50.000 EUR + 35.000 EUR = 85.000 EUR/100.000 EUR =) 85 % auf körperschaftsteuerpflichtige Zuwendende und die restlichen 15 % auf einkommensteuerpflichtige Zuwendende.

Der Gesamthaftungsbetrag von (40 % von 10.000 EUR =) 4.000 EUR entfällt daher zu

- 85 % von 4.000 EUR = 3.400 EUR auf KSt und
- 15 % von 4.000 EUR = 600 EUR auf ESt.

Da es sich nicht um eine Steuer des Haftenden handelt, haben in seiner Person begründete Freibeträge (z.B. nach § 11 Abs. 1 Satz 2 GewStG) keine Auswirkung auf den Haftungsbetrag.

2.6 Haftungsschuldner

Der Aussteller der Bestätigung bzw. der Veranlasser einer Fehlverwendung haftet für die entgangene Steuer.

2.6.1 Steuerbegünstigte Körperschaft

Die Ausstellerhaftung trifft grundsätzlich nur die Körperschaft, da § 50 Abs. 1 EStDV ausdrücklich anordnet, dass Zuwendungsbestätigungen vom Empfänger auszustellen sind. Da als Zuwendungsempfänger nur die in § 49 EStDV genannten Einrichtungen in Betracht kommen, sind diese allein ?Aussteller? der Zuwendungsbestätigungen (BFH-Urteil vom 24.4.2002, BStBl 2003 II S. 128), nicht dagegen die für die Einrichtung handelnden natürlichen Personen, wenn sie innerhalb des ihr zugewiesenen Wirkungskreises handeln.

Hinsichtlich der Veranlasserhaftung kann einerseits die Körperschaft in Haftung genommen werden, da durch die Haftung ein Fehlverhalten des Empfängers der Zuwendung im Zusammenhang mit der Zuwendungsverwendung sanktioniert werden soll (BFH-Urteil vom 24.4.2002, BStBl 2003 II S. 128). Die Inanspruchnahme der Körperschaft ist regelmäßig ermessengerecht (BFH-Beschluss vom 23.2.1999, BFH/NV 1999 S. 1055). Andererseits kommt auch die Haftung der handelnden natürlichen Person als Verwender in Betracht (BFH-Beschluss vom 23.2.1999, BFH/NV 1999 S. 1089; Urteil des FG München vom 3.6.2003, EFG 2003 S. 1258). Die Geltendmachung der Haftung wird dabei nicht durch § 31 BGB eingeschränkt. Die Körperschaft und die handelnden Personen können nebeneinander in Haftung genommen werden (BFH-Beschluss vom 23.2.1999, BFH/NV 1999 S. 1089).

2.6.2 Juristische Person des öffentlichen Rechts

Juristische Personen des öffentlichen Rechts können zum einen Zuwendungen empfangen, um sie selbst für begünstigte Zwecke zu verwenden.

Zum anderen waren bis zum 31.12.1999 Gebietskörperschaften (oder kirchliche j.P.d.ö.R.) als Durchlaufstelle und Aussteller der Spendenbescheinigung zwingend einzuschalten. Ab dem 1.1.2000 können sie aber weiterhin zwischengeschaltet werden (R 10 b.1 Abs. 2 Satz 2 EStR 2005, H 10 b. 1 ?Durchlaufspendenverfahren? EStH 2005).

Stellt die Gebietskörperschaft die Zuwendungsbestätigung aus, ohne sich die Steuerbegünstigung des Letztempfängers nachweisen zu lassen, erfüllt sie nicht die ihr auferlegten haushalts- und aufsichtsrechtlichen Prüfungspflichten (z.B. BFH-Urteil vom 24.4.2002, BStBl 2003 II S. 128), zu denen insbesondere das Verlangen des Nachweises der Steuerbegünstigung durch Vorlage des letzten Freistellungsbescheides bzw. der vorläufigen Bescheinigung gehört. Sie handelt damit grob fahrlässig und erfüllt die in der Person des Ausstellers begründeten Voraussetzungen des § 10 b Abs. 4 Satz 2 erste Alternative EStG.

Verlässt sich die Gebietskörperschaft ohne genügende Überprüfung auf die unzutreffenden Angaben des Letztempfängers der Zuwendung, hat dies keinen entlastenden Einfluss auf die Haftung der Durchlaufstelle. Da sie ihren Prüfungspflichten grob fahrlässig nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, trägt sie die steuerliche Verantwortung für die durch den Zuwendungsabzug entgangene Steuer.

Nach Art. 34 GG geht hierbei die Haftung eines Bediensteten der Körperschaft des öffentlichen Rechts, auch wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Zuwendungsbestätigungen ausgestellt hat, auf die juristische Person des öffentlichen Rechts über. Aussteller der unrichtigen Zuwendungsbestätigungen ist allein die juristische Person des öffentlichen Rechts, nicht hingegen die jeweils für diese handelnde natürliche Person (vgl. BFH-Urteil vom 24.4.2002, a.a.O., für eine Gebietskörperschaft).

2.6.3 Nicht nach §§ 51 ff. AO steuerbegünstigte Körperschaft

Es gelten die zu Tz. 2.6.1 genannten Grundsätze.

2.6.4 Natürliche Person

Eine natürliche Person kommt als Haftungsschuldner in Betracht, wenn sie vorgibt, für einen spendenbegünstigten Zuwendungsempfänger zu handeln.

2.7 Geltendmachung der Haftung

Die Haftung ist nach § 191 AO durch schriftlichen Haftungsbescheid gegenüber dem Haftenden geltend zu machen. Der Erlass eines Haftungsbescheides ist eine Ermessensentscheidung. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme nach § 10 b Abs. 4 EStG vor, wozu auch gehört, dass der Zuwendende wegen des insoweit bestehenden Vertrauensschutzes nicht in Anspruch genommen werden kann, so reduziert sich das Ermessen der Verwaltung, einen Haftungsbescheid zu erlassen oder nicht, wegen des Legalitätsprinzips grundsätzlich auf Null (Urteil des Hessischen FG vom 14.1.1998, EFG 1998 S. 757). Im Rahmen der Ermessensausübung hat der potentielle Haftungsschuldner allenfalls die Möglichkeit einzuwenden, dass es, bezogen auf die einzelne Zuwendung, zu keinem Steuerausfall gekommen ist, weil der Zuwendende z.B. den Abzug der Zuwendung bei seiner Steuererklärung nicht begehrt hat oder weil er den Höchstbetrag nach § 10 b Abs. 1 Satz 1 EStG bereits ohne die fragliche Zuwendung ausgeschöpft hatte.

Vor der Erteilung ist dem zur Haftung Vorgesehenen rechtliches Gehör nach § 91 AO zu gewähren. Sollten dabei keine neueren - einer Haftungsinanspruchnahme entgegenstehenden bzw. die Haftungshöhe mindernden - Erkenntnisse bekannt werden, ist der nach Tz. 2.6 ermittelte Haftungsschuldner als Zuwendungsempfänger gem. § 10 b Abs. 4 Satz 2 erste Alternative EStG bzw. als Veranlasser einer Zuwendungsfehlverwendung gem. § 10 b Abs. 4 Satz 2 zweite Alternative EStG in Anspruch zu nehmen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Haftung ist darzustellen, einschließlich des Eingreifens der Vertrauensschutzregelung auf Seiten des Zuwendenden.

Im Haftungsbescheid sind die Gründe für die Ermessensausübung darzustellen. Sollte der Fall vorliegen, dass mehrere Personen als Haftende in Betracht kommen, sind die Erwägungen zu erläutern, warum gerade die in Anspruch genommene/n Person/en unter mehreren zur Haftung herangezogen wird/werden. Werden mehrere Personen in Haftung genommen, sind der Haftungsbescheid und die Zahlungsaufforderung in voller Höhe gegen jeden einzelnen Haftenden zu richten.

Beispielhafte Schreiben zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und für den Haftungsbescheid sind beigefügt.

Beispiel 1:
Veranlasserhaftung, natürliche Personen

Beispiel 2:
Ausstellerhaftung, juristische Person öffentlichen Rechts im Durchlaufspendenverfahren

Beispiel 3:
Ausstellerhaftung, juristische Person öffentlichen Rechts in anderen Fällen

Die Schreiben sind an die jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalles anzupassen. Die grau unterlegten Bereiche dienen der Erläuterung.

Die Haftung nach § 10 b Abs. 4 EStG unterliegt der Verjährung nach § 191 Abs. 3 Satz 1 bis 3 AO. Anders als bei anderen Haftungstatbeständen, erfolgt die Inanspruchnahme nach § 10 b Abs. 4 EStG aber nicht für eine Steuer, die eigentlich beim Steuerschuldner zu erheben wäre. Denn wegen der Vertrauensschutzregelung des § 10 b Abs. 4 Satz 1 EStG ist eine Festsetzung gegen den Zuwendenden ausgeschlossen. Es handelt sich daher um einen Haftungstatbestand eigener Art, bei dem § 191 Abs. 3 Satz 4 AO nicht greift.

2.8 Zuständigkeit für die Durchführung des Haftungsverfahrens

Für die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners und den Erlass des Haftungsbescheids ist gem. §§ 24, 191 AO i.V.m. § 10 b Abs. 4 EStG das FA zuständig, in dessen Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.

Zuständiges FA wird i.d.R. das FA sein, in dem der Zuwendungsempfänger steuerlich geführt wird (AEAO zu § 24 Nr. 1 Satz 2). Eine Bestimmung der Zuständigkeit nach AEAO zu § 24 Nr. 2 Satz 3 ist nicht zweckmäßig, da dem Haftungsschuldner, eine Vielzahl von Steuerpflichtigen gegenüber stehen kann, bei denen die Steuer entgangen ist. Ein erster Aufgriff eines anderen Finanzamts ist unerheblich. I.d.R. ist nur die Prüfung der Haftungsinanspruchnahme durch das FA des Zuwendungsempfängers sachgerecht.

2.9 Entsprechende Vorschriften für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer

2.9.1 Haftung nach § 9 Abs. 3 KStG

Die Haftung nach dem KStG hat die gleichen Voraussetzungen wie § 10 b Abs. 4 EStG. Insoweit wird auf die o.a. Grundsätze verwiesen. § 9 Abs. 3 KStG kommt immer dann zur Anwendung, wenn der Zuwendende eine dem KStG unterliegende Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse bzw. ein Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist.

2.9.2 Haftung nach § 9 Nr. 5 Sätze 9 - 12 GewStG

Die Haftung nach dem GewStG ist an die gleichen Voraussetzungen wie beim EStG bzw. KStG geknüpft. Insoweit wird auf die o.a. Grundsätze verwiesen.

Weitere Voraussetzungen sind, dass der Zuwendende gewerbesteuerpflichtig ist und dass die Zuwendungen aus den Mitteln des Gewerbebetriebs geleistet wurden.

Werden die Tatbestandsmerkmale bejaht, tritt der Haftungsbetrag nach § 9 Nr. 5 Satz 10 GewStG neben den Betrag nach § 10 b Abs. 4 Satz 3 EStG bzw. § 9 Abs. 3 Satz 3 KStG.

Der Haftungsbetrag steht nach § 9 Nr. 5 Satz 10 GewStG der für den Zuwendungsempfänger zuständigen Gemeinde zu. Zu beachten ist jedoch, dass der Haftungsbescheid vom FA ausgestellt wird. Nach § 9 Nr. 5 Satz 12 GewStG i.V.m. § 184 Abs. 3 AO hat das FA dies der Gemeinde mitzuteilen. Die Erhebung erfolgt durch die Gemeinde (§ 9 Nr. 5 Satz 11 GewStG).

2.10 Erhebung des Haftungsbetrages

Zur Erhebung des Haftungsbetrages bedarf es einer Zahlungsaufforderung. Diese ist grundsätzlich in den Haftungsbescheid aufzunehmen. Je nach Lage des Einzelfalles kann es aber auch zweckmäßig sein, die Zahlungsaufforderung erst nach Abschluss eines möglichen Rechtsbehelfsverfahrens zu erteilen.

Da die Haftung i.S.d. § 10 b Abs. 4 EStG - im Gegensatz zu anderen Haftungstatbeständen - nicht der Erhebung der von einem anderen geschuldeten Steuer dient, finden die Einschränkungen des § 219 AO keine Anwendung.

Der Haftungsbetrag ist für den Haftungsschuldner (vgl. Tz. 2.6) zum Soll zu stellen.

Für den Haftungsschuldner ist hierzu eine Steuernummer aus dem Teilband E der S-Liste (Kto.Nr. 005/xxxxx) zu vergeben (siehe hierzu Verfügung der OFD Rostock vom 22.12.2003 - Az. O 2374 - St 124). Durch den S-Listenführer ist der Aufbau des Speicherkontos vorzunehmen. Auch wenn mehrere Haftungsschuldner herangezogen werden sollen, ist nur ein S-Listenfall aufzubauen.

Die Sollstellung ist mit Programm 500 zu veranlassen. Als Buchungsanweisung ist der UNIFA-Vordruck - Anweisung zur Änderung von Erhebungsdaten - (Ordner Kassenanweisungen) (siehe Anlage 7) zu verwenden.

Hinweise zu den Eingaben auf der Buchungsanweisung enthält die AL-ERH Fach 3, Teil 2, Tz. 10.

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