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27.07.2007 · IWW-Abrufnummer 072391

Verwaltungsgericht Stuttgart: Urteil vom 27.12.2006 – 17 K 1608/06

Zu den Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Entbindung von der Schweigepflicht; Vorlage von ärztlichen Unterlagen; Zustimmung zur Weiterleitung ärztlichen Unterlagen; Zustimmung zur Einholung eines Gutachtens durch die Postbeamtenkrankenkasse bzw. Beihilfestelle. (Rn.24)


VG Stuttgart

17 K 1608/06
27.12.2006

Tenor

Das Verfahren wird nach Klagerücknahme eingestellt, soweit es auf Kassenleistungen in Höhe von 88,10 EUR gerichtet gewesen ist.

Das Verfahren wird nach Erledigung in der Hauptsache eingestellt, soweit es auf Kassenleistungen in Höhe von 10,97 EUR gerichtet gewesen ist.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/... vom 06.06.2005 und 20.06.2005 weitere Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren.

Die Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15.03.2006 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 1/4, die Beklagte 3/4.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin wird für notwendig erklärt.


Tatbestand

Die Klägerin ist B 1-Mitglied der Beklagten mit einem Bemessungssatz für Kassenleistungen von 30 %.

Am 10.06.2005 stellte sie einen Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/... vom 06.06.2005 über 759,88 EUR für Behandlungen durch Dr. .... Mit Schreiben vom 16.06.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde die medizinische Notwendigkeit von einem Begutachter beurteilen lassen um die Beihilfe- und Erstattungsfähigkeit beurteilen zu können. Weiter bat sie die Klägerin, die "entsprechenden vollständigen Krankenunterlagen ab dem 18.04.2005 zusammen mit der Einverständniserklärung ... zur vertrauensärztlichen Begutachtung" vorzulegen. Gleichzeitig wies sie daraufhin, dass Mitglieder zur Mitwirkung verpflichtet seien und die daraus entstehenden Nachteile zu tragen hätten, wenn sie diesen Verpflichtungen schuldhaft nicht nachkämen. Daraufhin legte die Klägerin eine Einverständniserklärung für die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und die angeforderten Unterlagen vor.

Am 23.06.2005 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Kassenleistungen für Aufwendungen aufgrund der Rechnung der PVS/... vom 20.06.2005 über 332,55 EUR für Laborleistungen.

Nachdem die Beklagte ein Gutachten von ... - erstellt von Prof. Dr. Dr. ... -eingeholt hatte, gewährte sie mit Bescheiden vom 14.07.2005 für Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 06.06.2005 Kassenleistungen von 63,44 EUR, für Aufwendungen aufgrund der Rechnung vom 20.06.2005 Kassenleistungen von 21,63 EUR.

Dagegen legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein und bezog sich auf eine Stellungnahme von Dr. ... vom 23.08.2005.

Nach Einholen eines weiteren Gutachtens von ... - erstellt durch Prof. Dr. Dr. ... - vom 23.12.2005 gewährte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 - zugestellt am 17.03.2006 - weitere Kassenleistungen in Höhe von 5,32 EUR. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, eine weitere Erstattung der Aufwendungen überschritte den Rahmen des medizinisch Notwendigen und Angemessenen, und bezog sich auf die eingeholten Gutachten.

Am 18.04.2006, dem Dienstag nach Ostern, hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beruft sich insbesondere darauf, sie habe Leistungen nur im unbedingt nötigen Umfang in Anspruch genommen. Die von der Beklagten eingeholten Gutachten gingen von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus. So sei z. B. eine elektrokaustische Abtragung des Naevuszellnaevus nicht erfolgt; Exzessionen hätten an anderen Stellen stattgefunden. Die Gutachten seien nicht verwertbar; es bestehe insoweit auch der Verdacht der Parteilichkeit. Darüber hinaus hat die Klägerin zu einzelnen Gesichtspunkten, insbesondere zu einzelnen GOÄ-Ziffern Stellung genommen.

Weiter hat die Klägerin Schreiben des Instituts für ... von Juni 2006 und von Dr. ... vom 06.10.2005 und eine Stellungnahme der Drs. ... vom 21.08.2006 vorgelegt.

Nachdem die Beklagte weitere Kassenleistungen in Höhe von 10,97 EUR aufgrund eines weiteren Gutachtens von ... - erstellt durch Prof. Dr. Dr. ... - vom 10.07.2006 nachgewährt hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in Höhe von 10,97 EUR für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt bei sachdienlicher Auslegung jetzt noch,

die Beklagte zu verpflichten, für Aufwendungen aufgrund der Rechnungen der PVS/... vom 06.06.2005 und vom 20.06.2005 weitere Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR zu gewähren, und die Bescheide der Beklagten vom 14.07.2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 15.03.2006 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen, und

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich insbesondere darauf, es hätten Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten Leistungen bestanden, die sie berechtigterweise durch ärztliche Gutachten habe überprüfen lassen. Die Rechnungen von Dr. ... lägen zum Teil sehr deutlich über den ansonsten üblichen Behandlungskosten. Er praktiziere eine Maximalversorgung. So seien in den Rechnungen im Abrechnungszeitraum vom 18.04.2005 bis 25.05.2005 drei Befundberichte abgerechnet worden. Weiter sei nicht ohne weiteres erkennbar, warum an jeweils einem Behandlungstag (18.04.2005 und 17.05.2005) für den Pilznachweis einfache und aufwendigere Nährmedien verwendet worden seien. Ferner sei fraglich, ob der mehrmalige Ansatz bestimmter GOÄ-Nummern gerechtfertigt gewesen sei. Schließlich lasse sich aus der Rechnung vom 06.06.2005 sowie aus der Karteikarte der Klägerin nicht erkennen, ob alle ärztlichen Leistungen auch tatsächlich erbracht worden seien. Darüber hinaus hätten sich weitere Unsicherheiten ergeben. Aus diesen Gründen sei zu Recht die Entbindung von der Schweigepflicht gefordert worden. In Folge der Mitgliedschaft ergäben sich gewisse Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dabei sei auch zu bedenken, dass sie - die Beklagte - verpflichtet sei, rechtmäßige und sachgerechte Entscheidungen zu treffen. § 30 Abs. 3 der Satzung sei eine geeignete Rechtsgrundlage für eine gutachterliche Überprüfung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 87 a, 101 Abs. 2 VwGO).

I.

Die Klägerin hat ursprünglich Kassenleistungen in Höhe von 322,44 EUR begehrt. Mit Schriftsatz vom 15.08.2006 hat sie den Betrag dahin geändert, dass sie nur 234,34 EUR begehrt. Darin liegt eine konkludente Klagerücknahme. Insoweit ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Weiter ist das Verfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit es auf Kassenleistungen in Höhe von 10,97 EUR gerichtet gewesen ist.

II.

Im Übrigen ist die Klage zulässig. Sie ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind in Höhe von 223,37 EUR rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat Anspruch auf weitere Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR.

Der Anspruch auf Kassenleistungen ist in der Satzung der Beklagten (Satzung) geregelt. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Erstattungsfähig sind Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind.

A)

Im vorliegenden Fall sind für die geltend gemachten Aufwendungen Leistungen in der Satzung vorgesehen. Nach § 31 Abs. 1 der Satzung sind Aufwendungen für ärztliche Leistungen grundsätzlich erstattungsfähig.

1.) Einschränkungen regelt insoweit § 30 Abs. 3 der Satzung. Danach sind die Mitglieder und die mitversicherten Angehörigen verpflichtet, Leistungen nur in dem unbedingt nötigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Für Aufwendungen, die das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschreiten, können die Leistungen gekürzt oder versagt werden. Bestehen Zweifel über die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Behandlung, der verordneten Heilmittel, der Krankenhausleistungen usw., ist die Beklagte berechtigt, dies durch ein amts- oder vertrauensärztliches (-zahnärztliches) Gutachten klären zu lassen.

Bei Behandlungen und Verordnungen durch Ärzte gilt der Grundsatz (vgl. Teilurteil des erkennenden Gerichts vom 18.04.2001 - 17 K 3116/00 -), dass in der Regel die auf Grund ärztlicher Anordnung entstehenden Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig sind (vgl. zur Beihilfe BVerwG, Urt. vom 22.02.1968 - II C 11.67 -, zitiert nach Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Anm. 2) zu § 5 BhV). Dies korrespondiert mit den Regelungen in § 1 Abs. 2 GOÄ bzw. § 1 Abs. 2 GOZ. Danach darf der Arzt bzw. Zahnarzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind.

Daraus folgt für Anträge auf Kassenleistungen bei der Beklagten folgendes (vgl. Teilurteil vom 18.04.2001, a.a.O.): Die Beklagte hat in der Regel davon auszugehen, dass die auf Grund ärztlicher Anordnung entstandenen Aufwendungen nach objektivem Maßstab notwendig waren. Hat die Beklagte (dennoch) Zweifel an der Notwendigkeit, kann sie diesen Zweifeln - auf eigene Kosten - nachgehen. Sie muss dabei aber die im folgenden beschriebenen Vorgaben beachten. Der Berichterstatter folgt insoweit den in ausführlichen Beratungen der Kammer entwickelten Grundsätzen.

a) Was Auslöser bzw. Inhalt von Zweifeln sein kann, lässt sich nicht allgemein festlegen. Der Beklagte ist insoweit einen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Anlass bzw. Inhalt von Zweifeln müssen aber sowohl für die Mitglieder als auch für Außenstehende, ggf. das Verwaltungsgericht, nachvollziehbar sein. Dabei müssen sich die Zweifel auf einzelne Aufwendungen beziehen (so schon Teilurteil vom 18.04.2001, a.a.O.), d. h. auf einzelne Rechnungsposten oder einzelne Nummern der GOÄ oder GOZ. Grundsätzlich nicht in Betracht kommen pauschale Zweifel an Rechnungen bzw. Behandlungen insgesamt oder einzelnen Ärzten. Soweit für einzelne Positionen keine Zweifel bestehen, ist die Beklagte zu (sofortiger) Erstattung verpflichtet.

Dabei ist die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, über die Anträge auf Kassenleistungen aufgrund eigener Kenntnis selbst zu entscheiden, ohne Außenstehende einzuschalten. Die Beklagte muss sich die hierzu notwendigen Kenntnisse allgemein verschaffen; die Mitwirkung externer Gutachter muss die Ausnahme bleiben. Wenn die Mitglieder der Beklagten nicht nur ausnahmsweise einer Weitergabe ihrer Daten zustimmen müssten, wäre das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - sh. hierzu weiter unten - nicht gewährleistet.

b) Die Zweifel, die sich nach dieser Maßgabe ergeben, sind mit diesem Inhalt und in diesem Umfang aktenkundig zu machen. Nur dadurch entsteht eine klare und eindeutige Grundlage für das weitere Vorgehen der Beklagten, die auch den Interessen der Mitglieder - siehe hierzu unten - Rechnung trägt.

c) Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, ermächtigt § 30 Abs. 3 Satz 3 der Satzung die Beklagte, die Zweifel durch ein amts- oder vertrauensärztliches (-zahnärztliches) Gutachten klären zu lassen. Dies ist aber nur möglich mit Zustimmung des Mitglieds bzw. mitversicherter Angehöriger und ggf. Entbindung behandelnder Ärzte von der Schweigepflicht. Denn das Grundgesetz gewährt dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist; hierzu gehören insbesondere Angaben eines Arztes über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ebenso wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe solcher Daten (vgl. BVerfG, Beschl. vom 06.06.2006 - 2 BvR 1349/05 -, Juris).

aa) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet, dass in der Rechtsordnung ggf. die Bedingungen geschaffen und erhalten werden, unter denen der Einzelne selbstbestimmt an Kommunikationsprozessen teilnehmen und so seine Persönlichkeit entfalten kann. Dazu muss dem Einzelnen ein informationeller Selbstschutz auch tatsächlich möglich und zumutbar sein. Ist das nicht der Fall, besteht eine staatliche Verantwortung dafür, die Voraussetzungen selbst bestimmter Kommunikationsteilhabe zu gewährleisten. Dem einzelnen steht allerdings frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren. Als freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen ist es grundsätzlich anzusehen, wenn jemand eine vertragliche Verpflichtung oder Obliegenheit eingeht, solche Informationen seinem Vertragspartner mitzuteilen oder Dritte zu derartigen Mitteilungen zu ermächtigen. Hat jedoch einer der Beteiligten ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Teil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (vgl. insgesamt BVerfG, Beschl. vom 23.10.2006 - 1 BvR 2027/02 -).

bb) Dem Interesse der Mitglieder der Beklagten an informationeller Selbstbestimmung steht ein Offenbarungsinteresse der Beklagten von gleichfalls erheblichem Gewicht gegenüber. Dies besteht zum einen in der Wahrung der Rechte der Mitgliedergemeinschaft insgesamt, zum anderen in der Verpflichtung der Beklagten, Entscheidungen über die Gewährung von Leistungen rechtmäßig und sachgerecht zu treffen. Insoweit muss eine Interessenabwägung getroffen werden, die sowohl den Belangen der Mitglieder der Beklagten als auch der Beklagten selbst Rechnung trägt. Dies wird dadurch gewährleistet, dass die Beklagte als öffentlich-rechtliche Körperschaft eine gesetzliche Grundlage für die Beschränkung der Rechte der Mitglieder braucht. Dabei darf es sich nicht um eine - zu weit gefasste - Generalermächtigung handeln; die Rechtsgrundlagemuss sich vielmehr auf die notwendige Aufklärung beschränken (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.10.2006, a.a.O.).

§ 78 Abs. 2 der Satzung stellt - entgegen der Auffassung der Beklagten - keine Rechtsgrundlage dafür dar, eine Entbindung von der Schweigepflicht oder Zustimmung zur Weitergabe von Unterlagen an Gutachter zu verlangen. Dort ist nur die Verpflichtung geregelt, "auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und Nachweise vorzulegen". Die Entbindung von der Schweigepflicht und die Zustimmung zur Weiterleitung von Unterlagen lassen sich weder unter "Auskünfte" noch unter "Nachweise" subsumieren. Eine Auskunft ist vielmehr eine auf eine Frage hin gegebene Information bzw. aufklärende Mitteilung über jemanden oder etwas, ein Nachweis die eindeutige Feststellung der Richtigkeit einer Behauptung oder des Vorhandenseins einer Sache (vgl. jeweils Duden, Deutsches Universalwörterbuch A - Z, 3. Aufl. [1996]). Im Übrigen regelt § 78 Abs. 2 der Satzung nur Pflichten der Mitglieder, nicht mitversicherter Angehöriger.

Auch § 30 Abs. 3 S. 3 der Satzung bietet insoweit keine Rechtsgrundlage. Dort werden nur Rechte der Beklagten geregelt, aber nicht Pflichten der Mitglieder. Auch die Beklagte sieht als Rechtsgrundlage § 78 Abs. 2 der Satzung an.

cc) Darüber hinaus müsste das Verlangen, eine Entbindung von der Schweigepflicht vorzulegen bzw. der Weiterleitung von Unterlagen oder Daten zuzustimmen, weiteren Anforderungen genügen um den informationellen Selbstschutz hinreichend zu gewähren.

α) Die Beklagte muss die konkreten Positionen bzw. sonstigen Punkte genau angeben die überprüft werden sollen. Sie muss weiter die konkreten Zweifel mitteilen, schon um einem Mitglied die Möglichkeit zu geben, noch eine Stellungnahme seines Arztes vorzulegen. Weiter muss die Beklagte angeben, welche Institution - z. B. ... - eingeschaltet wird. Schließlich muss sie Name, Sitz und Qualifikation des beauftragten Arztes mitteilen oder zumindest darauf hinweisen, dass diese drei Angaben auf Verlangen mitgeteilt werden. Denn es kommt in Betracht, dass ein Mitglied - berechtigte - Vorbehalte gegenüber bestimmten Ärzten geltend machen kann. Die Mitteilung der genauen Anschrift ist dagegen nicht zwingend erforderlich.

β) Soweit die Beklagte Unterlagen, insbesondere Teile von Behandlungsunterlagen, anfordert, muss sie sich auf die Teile beschränken, die sich auf die "zweifelhaften" Positionen beziehen; es ist nicht zulässig, z. B. die "komplette Patientenkartei" anzufordern. Soweit zusätzliche Äußerungen des behandelnden Arztes angefordert werden, ist in der Regel nur die Anforderung einer kurzen Stellungnahme, beschränkt auf die "zweifelhaften" Positionen zulässig. Ebenfalls nur auf diese Positionen darf sich die Anforderung einer Entbindung von der Schweigepflicht beziehen.

γ) Die dargelegten Vorgaben müssen - insgesamt - in dem Zeitpunkt erfüllt werden bzw. erfüllt sein, in dem die Beklagte die Entbindung von der Schweigepflicht bzw. die Zustimmung zur Weiterleitung von Daten oder Unterlagen oder deren Vorlage verlangt. Dies gebietet der Schutz des Persönlichkeitsrechts, der ansonsten nicht hinreichend gewährleistet wäre. Soweit im Teilurteil vom 18.04.2001 (a.a.O.) ein "Nachschieben" einzelner Elemente für zulässig gehalten wurde, wird daran nicht festgehalten.

2.) Im vorliegenden Falle war die mit Schreiben der Beklagten vom 16.06.2005 ausgesprochene Anforderung der Einverständniserklärung zur vertrauensärztlichen Begutachtung und der vollständigen Krankenunterlagen rechtswidrig. Damit liegt ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Klägerin vor.

a) Es fehlte nicht nur von vornherein die notwendige Rechtsgrundlage; vielmehr waren die oben dargelegten Anforderungen insgesamt nicht erfüllt.

b) Das Vorgehen der Beklagten wurde nicht dadurch rechtmäßig, dass die Klägerin der Aufforderung der Beklagten ohne weiteres nachkam. Denn die Klägerin musste gewärtig sein, ansonsten keine Leistungen zu erhalten. Die Beklagte hatte nämlich im Schreiben vom 16.06.2005 ausgeführt: "Es besteht Ihrerseits eine Verpflichtung zur Mitwirkung. Kommt ein Mitglied diesen Verpflichtungen schuldhaft nicht nach, so hat es die daraus entstehenden Nachteile zu tragen." Es ist gerichtsbekannt, dass die Beklagte keine Kassenleistungen gewährte, wenn ein Mitglied einem entsprechenden Verlangen nicht nachgekommen war.

c) Die im Zusammenhang mit diesem Rechtsverstoß von der Beklagten erlangten Erkenntnisse dürfen im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden. Im Zivilrecht darf ein Privatgutachten nicht verwertet werden, wenn es widerrechtlich unter Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erlangt wurde (BGH, Urt. vom 01.03.2006, BGHZ 166, 283). Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die dagegen sprechen, diesen Grundsatz auf das Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mitgliedern ebenfalls anzuwenden. Zwar ist das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mitgliedern öffentlich-rechtlich durch Satzung geregelt. Materiell-rechtlich entspricht es aber im Wesentlichen einer privaten Krankenversicherung.

3.) Damit bleibt es im Falle der Klägerin bei dem Grundsatz, dass die aufgrund ärztlicher Anordnung entstehenden Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig waren.

B)

Die Aufwendungen sind auch beihilfefähig (§ 30 Abs. 1 S. 2 der Satzung).

1.) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV sind Aufwendungen für ärztliche Leistungen grundsätzlich beihilfefähig. Auch hier gilt - wie oben ausgeführt - der Grundsatz, dass in der Regel die auf Grund ärztlicher Anordnung entstehenden Aufwendungen nach objektivem Maßstab auch notwendig sind (BVerwG, Urt. vom 22.02.1968, a.a.O.).

2.) Auch in Bezug auf Beihilfeleistungen bleibt es bei diesem Grundsatz. § 17 Abs. 4 S. 3 BhV enthält ebenfalls keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anforderungen der Beklagten. Die Vorschrift regelt - allenfalls - eine Ausnahme von der Geheimhaltungspflicht. Sie enthält aber keine Verpflichtung der Beihilfeberechtigten, Anforderungen, wie sie im Schreiben der Beklagten vom 16.06.2005 ausgesprochen wurden, nachzukommen. Die Ausführungen oben zu den Folgen einer fehlenden Rechtsgrundlage für die Zustimmung der Klägerin gelten im Übrigen entsprechend.

C)

Der Klägerin stehen die jetzt noch begehrten Kassenleistungen in Höhe von 223,37 EUR zu. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung: Von dem Rechnungsbetrag von 759,88 EUR entfallen 30 Prozent auf Kassenleistungen; dies sind 227,96 EUR. Nach Abzug der hierfür bisher schon gewährten Kassenleistungen von 63,44 EUR und 5,32 EUR verbleibt ein Selbstbehalt von 159,20 EUR an Kassenleistungen. Von dem Rechnungsbetrag von 332,55 EUR entfallen auf Kassenleistungen ebenfalls 30 Prozent; dies sind 99,77 EUR. Nach Abzug der insoweit erbrachten Kassenleistungen von 21,63 EUR verbleiben als Selbstbehalt 78,14 EUR an Kassenleistungen. Damit war vor Klageerhebung ein Selbstbehalt von 237,34 EUR an Kassenleistungen verblieben. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens gewährte die Beklagte weitere 10,97 EUR an Kassenleistungen, so dass ein Selbstbehalt von 226,37 EUR an Kassenleistungen verbleibt. Der von der Klägerin noch begehrte Betrag hält sich in diesem Rahmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 und 2, 161 Abs. 1 und 2 VwGO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

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