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24.07.2007 · IWW-Abrufnummer 072326

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 22.01.2007 – 1 K 4906/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


HESSISCHES FINANZGERICHT

Geschäftsnummer: 1 K 4906/03

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit XXX

w e g e n Schenkungsteuer

hat der 1. Senat des Hessischen Finanzgerichts
mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 22. Januar 2007

unter Mitwirkung XXX

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte gegen den Kläger wegen eines diesem von seiner (in 2001 verstorbenen) Mutter, Frau M , gewährten zinslosen Darlehens zu Recht Schenkungsteuer festgesetzt hat oder ob im Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen oder die Geltendmachung des Steueranspruchs verwirkt war.

Der Kläger hatte in den Jahren 1977 ? 1981 u.a. einen Handel mit ? betrieben, den er von seiner Ehefrau übernommen hatte. Ab 1982 ist der ?handel wieder auf die Ehefrau übergegangen.

Bei einer von dem Finanzamt ? in den Jahren 1991 ? 1994 bei dem Kläger und bei dessen Ehefrau durchgeführten, sich auf die Jahre 1985 ? 1989 erstreckenden Betriebsprüfung, hat sich der Kläger laut einem Aktenvermerk des Prüfers für die zuständige Schenkungssteuerstelle bei dem Beklagten vom 17.11.1994 im Hinblick auf ein in den Bilanzen der Ehefrau mindestens seit 1984 (ältere Abschlüsse liegen nicht mehr vor) jeweils mit unverändertem Schuldenstand von x.xxx.xxx,xx DM ausgewiesenes ? Darlehen M ? dahingehend eingelassen, dass er Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre im ?(= Ausland) ? von verschiedenen Lieferanten eingekauft habe und die im ?(=Ausland) lebende Mutter die Bezahlung der Lieferanten übernommen habe, dass die Schuld gegenüber der Mutter weiterhin bestehe und dass eine Verzinsung im Hinblick auf die Regelung im Koran weder erfolgt noch beabsichtigt sei. Nach den Angaben des steuerlichen Beraters der Eheleute, Steuerberater D , war bereits bei dem Kläger eine ?Lieferantenverbindlichkeit M ? in dieser Größenordnung ausgewiesen, die nach Übernahme des Geschäfts durch die Ehefrau dann unter der Bezeichnung ?Darlehen? fortgeführt worden sei.

Der Beklagte hat in der Zahlung der Lieferantenschulden des Klägers durch die Mutter ein Darlehen der Mutter an den Kläger und in der Zinslosigkeit des Darlehens eine Schenkung gesehen und mit Schenkungsteuerbescheid vom 21.05.1997 Schenkungsteuer in Höhe von xx.xxx, DM festgesetzt. Dabei hat er einen Wert des Erwerbs von xxx.xxx, DM zugrunde gelegt, wobei er den Nutzungsvorteil des zinslosen Darlehens gemäß § 15 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) mit einem Jahreswert von 5,5 % des Darlehensbetrages von x.xxx.xxx, DM und einem Vervielfältiger von 9 gemäß § 13 Abs. 2 BewG (a.F.) ermittelt hat.

Im Einspruchsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, da die Unverzinslichkeit dem Finanzamt bereits aufgrund früherer Betriebsprüfungen bekannt gewesen sei. Zudem sei der Steueranspruch verwirkt. Im Übrigen habe er die Darlehensverbindlichkeit gegenüber seiner Mutter beginnend ab 1989 in mehreren Teilzahlungen durch Überweisungen von seinem Konto auf ein Konto seiner Mutter getilgt. Der Kläger hat hierzu (nicht fortlaufende) Kopien von Auszügen betreffend ein eigenes Konto und ein Konto der Mutter bei der Sparkasse ? mit handschriftlichen Anmerkungen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

Der Beklagte hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen und dabei im Wesentlichen ausgeführt:

Bei Erlass des angefochtenen Bescheids vom 21.05.1997 sei die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen, da die Festsetzungsfrist von vier Jahren nicht vor Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem der Schenker verstorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 Abgabenordnung -AO-). Unter ?Finanzbehörde? i.d.S. sei die zur Festsetzung der Schenkungsteuer organisatorisch berufenen Dienststelle des örtlich zuständigen Finanzamts zu verstehen, im Streitfall mithin die Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des Beklagten. Diese habe aber erst durch die Mitteilung der Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts ? vom 17.11.1994 Kenntnis erlangt.

Der Steueranspruch sei auch nicht verwirkt. Denn Verwirkung bedeute, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden dürfe, wenn seit der Möglichkeit, es geltend zu machen, längere Zeit verstrichen sei und besondere Umstände hinzuträten, welche die verspätete Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Zeitablauf allein reiche nicht aus. Hinzukommen müsse ein Vertrauenstatbestand und eine Vertrauensfolge. Vorliegend fehle es bereits an einem Vertrauenstatbestand.

Die Behauptung der Rückzahlung des Darlehens ab 1989 stehe im Widerspruch sowohl zu den bilanzierten Darlehensschulden als auch zu den Angaben des Klägers bei der Betriebsprüfung. Als Nachweis für eine Rückzahlung reichten die vorgelegten Kontoauszüge nicht aus. Aus den Auszügen selbst könnten Darlehensrückzahlungen als Verwendungszweck nicht entnommen werden. Auch die handschriftlichen Ergänzungen bezeichneten Buchungen auf den Kontoauszügen teilweise als ?Übertrag? bzw. ?Umbuchung?. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Kontoinhaberin im Ausland gewohnt und der Kläger Generalvollmacht gehabt habe, so dass er jederzeit über das Konto der Darlehensgeberin auch zu seinen Gunsten habe verfügen können. Auf die Frage der Rückzahlung ab 1989 komme es aber letztlich auch nicht an, da dies keine Auswirkung auf die Höhe des Werts der Schenkung habe. Denn durch eine freiwillige Rückzahlung werde die Nutzungsmöglichkeit eines zinslosen Darlehens für den Zeitraum, für den es vereinbart sei, nicht berührt. Einer Darlehensgewährung auf unbestimmte Zeit wie vorliegend sei zwar die Möglichkeit der Kündigung durch den Darlehensgeber immanent, wodurch die Nutzungsmöglichkeit als Gegenstand der Schenkung beschränkt werden könne. Für eine Kündigung des Darlehens durch die Mutter des Klägers sei aber nichts ersichtlich.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 21.11.2003 Bezug genommen.

Mit der vorliegenden Klage beruft sich der Kläger weiterhin (nur noch) auf die Gesichtspunkte der Festsetzungsverjährung bzw. Verwirkung. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:

Entgegen der Auffassung des Beklagten könne schon nach dem Wortlaut des Gesetzes, das in § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nur allgemein von ?Finanzbehörde? ohne einschränkenden Zusatz wie ?zuständige? o.ä. spreche, nur auf die Kenntnis der Behörde allgemein als Trägerin des Verwaltungsverfahrens abgestellt werden. Jedenfalls aber unter den Umständen des Streitfalles könne unter der ?Finanzbehörde? i.S.v. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht die zur Festsetzung der Schenkungsteuer organisatorisch berufene Dienststelle des örtlich zuständigen Finanzamts verstanden werden. Die Finanzbehörde erlange Kenntnis, sobald ihr der Vorgang in einer Weise bekannt geworden sei, dass sie prüfen könne, ob ein steuerpflichtiger Vorgang vorliege. Vor diesem Hintergrund müsse gewürdigt werden, dass bei ihm, dem Kläger, seit Mitte der 80er Jahre in regel-mäßigen Abständen Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien, bei denen der verfahrensgegenständliche Sachverhalt auch jeweils ermittelt worden sei. Letztlich gehe es darum, Kenntnis und Unkenntnis der Sphäre der Finanzbehörde oder der Sphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen, um so den Prinzipienwiderstreit zwischen Vertrauensschutz und Rechtssicherheit einerseits und materieller Rechtsrichtigkeit andererseits aufzulösen. Es könne nicht angehen, das Risiko des Informationsaustausches zwischen der Betriebsprüfung und der jeweils zuständigen Abteilung des Finanzamts den Steuerpflichtigen aufzuerlegen, da dieses Risiko ausschließlich der Sphäre der Finanzbehörde als Trägerin des Verwaltungsverfahrens zuzuordnen sei (so Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und Finanzgerichtsordnung -FGO-, § 170 AO Tz. 25a, und Hartmann in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 170 AO Rz. 31).

Darüber hinaus sei entgegen der Auffassung des Beklagten die Geltendmachung des Steueranspruchs auch verwirkt. Der der Klage zugrunde liegende Sachverhalt sei der Finanzbehörde seit Ende der 80er Jahre bekannt (Zeitmoment). Auch ein entsprechender Vertrauenstatbestand sei geschaffen worden, indem seit Mitte der 80er Jahre in regelmäßigen Abständen Betriebsprüfungen ohne Beanstandungen im Streitpunkt durchgeführt worden seien. Unter diesen Umständen habe davon ausgegangen werden müssen, dass ein schenkungsteuerpflichtiger Sachverhalt nicht vorliege.

Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid des Beklagten vom 21.05.1997
aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach als Finanzbehörde i.S.v. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO jeweils die organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des zu-ständigen Finanzamts anzusehen sei, und zitiert die maßgebliche Begründung (BFH, Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2003, 502, und Beschluss vom 07.12.2000 II B 7/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2001, 575). Im Übrigen sei keineswegs erwiesen, dass der Prüfer bei einer vorangegangenen Betriebsprüfung positive Kenntnis von einem zinslosen Darlehen erlangt habe.

Die Geltendmachung des Steueranspruchs sei auch nicht verwirkt. Denn das für die Festsetzung der Schenkungsteuer zuständige Finanzamt habe durch sein Verhalten schon deshalb keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, weil es von dem steuerpflichtigen Vorgang erst 1994 Kenntnis erlangt habe. Darüber hinaus könnte sich der Kläger nur dann auf Treu und Glauben berufen, wenn er selbst seiner Verpflichtung zur Abzinsung der Darlehensschuld in der Bilanz und insbesondere seiner Verpflichtung, die in der Zinslosigkeit des Darlehens liegende Schenkung ihm, dem Beklagten, gemäß § 30 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) anzuzeigen, nachgekommen wäre.

Dem Senat haben die bei dem Beklagten für den Kläger geführte Schenkungsteuerakte sowie die bei dem Finanzamt ? für den Kläger und dessen Ehefrau zu den Steuernummern ? und ? geführten (2) Sonderbände für Betriebsprüfungsberichte und Bilanz-Hefte, Bände II und III, vorgelegen und waren Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Denn der Kläger beruft sich zu Unrecht auf Eintritt der Festsetzungsverjährung bzw. Verwirkung.

Die Beteiligten gehen aufgrund des unstreitigen Sachverhalts übereinstimmend zutreffend davon aus, dass durch die Begleichung der Lieferantenverbindlichkeiten des Klägers durch die Mutter eine unverzinsliche Darlehensforderung der Mutter gegen den Kläger von unbestimmter Dauer begründet worden ist. Die unentgeltliche Überlassung der Kapitalsumme auf Zeit stellt eine freigebige Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Gegenstand der freigebigen Zuwendung ist die mit dem Verzicht auf die eigene Nutzung des Kapitals seitens des Zuwendenden korrespondierende Gewährung der Nutzungsmöglichkeit durch den Zuwendungsempfänger. Dabei ist es unerheblich, ob dem Darlehensgeber die Vereinbarung und Annahme eines Zinses nach islamischem Recht verboten ist, da er mit dem Kapital auch auf andere Weise, etwa durch unter-nehmerische Betätigung, einen Ertrag erzielen könnte (Urteil des Finanzgerichts -FG- Münster vom 07.11.1991 3 K 7354/90 Erb, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1992, 468). Die Zuwendung ist mit der Kapitalhingabe vollzogen. Da es sich um die Nutzung einer Geldsumme handelt, ist der ein-jährige Betrag der Nutzung gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 BewG mit 5,5 % anzunehmen. Da keine Vereinbarung über die Laufzeit getroffen worden ist, ist der Kapitalwert gemäß § 13 Abs. 2 BewG mit dem Neunfachen des Jahreswertes anzusetzen (vgl. z.B. Urteile des BFH vom 12.07.1979 II R 26/78, BStBl II 1979, 631, und vom 30.03.1994 II R 105/93, BFH/NV 1995, 70). Dem entsprechend ist der Beklagte im Streitfall zutreffend verfahren.

Entgegen der Auffassung des Klägers war im Zeitpunkt des Ergehens des Schenkungsteuerbescheids vom 21.05.1997 die Festsetzungsfrist noch nicht
abgelaufen.

Die Festsetzungsfrist beträgt für die Schenkungsteuer regelmäßig 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Die Festsetzungsfrist beginnt i.d.R. mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 Alt. 1 AO). Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer mit Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Hiervon abweichend beginnt jedoch die Festsetzungsfrist dann, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Speziell für die Schenkungsteuer bestimmt aber § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO ergänzend, dass die Festsetzungsfrist nach den Abs. 1 oder 2 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat.

Im Streitfall war die Schenkungsteuer bei Zugrundelegung der Darstellung des Klägers ca. 1979 / 1980 entstanden. Da eine Steuererklärung nicht eingereicht und auch eine Anzeige nach § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG nicht erstattet worden war, kommt es vorliegend für den Beginn und Ablauf der Festsetzungsfrist letztlich entscheidend darauf an, wann die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat.

Nach der Rechtsprechung (vgl. grundlegend das Urteil des BFH in BStBl II 2003, 502; ebenso z.B. Beschlüsse des BFH vom 29.01.2004 II B 99/02, BFH/NV 2004, 609, und vom 26.08.2004 II B 149/03, BFH/NV 2004, 1626, Urteile des FG Düsseldorf vom 07.07.2004 4 K 5727/01 Erb, EFG 2005, 91, und des FG Münster vom 19.01.2006 3 K 2941/04 Erb, EFG 2006, 785) ist im Rahmen des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO grundsätzlich die Kenntnis der organisatorisch zur Verwaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berufenen Dienststelle des zuständigen Finanzamts maßgeblich. Dies wird - nach Auffassung auch des erkennenden Senats zutreffend - aus der Regelung über die Anzeigepflichten nach § 30 ErbStG abgeleitet. Bei Schenkungen besteht gemäß § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG eine Anzeigepflicht für den Bedachten und den Schenker. Die Zuwendung ist nach der gesetzlichen Regelung dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Nach der Rechtsprechung steht es einer Anzeige gleich, wenn das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt anderweitig eine Kenntnis von der Schenkung in einem Ausmaß erlangt, das den an eine Anzeige gestellten inhaltlichen Anforderungen (§ 30 Abs. 4 ErbStG) gleichkommt. Ebenso wie die Kenntniserlangung in anderer Weise inhaltlich den Anforderungen an eine Anzeige entsprechen muss, um die Rechtsfolgen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Abs. 5 Nr. 2 AO auszulösen, beantwortet sich aber auch die Frage, wer die Kenntnis erlangt haben muss, aus dem Rechtsinstitut der Anzeige. Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass die Kenntnis anderer Finanzbehörden als des für die Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer zuständigen Finanzamts nicht ausreicht (§ 30 Abs. 1 und -ebenso- §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 1 ErbStG).

Hiernach kommt es vorliegend auf die Kenntnisse, die die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts ? im Hinblick auf das zinslose Darlehen bei früheren Prüfungen erlangt haben mag, schon grundsätzlich nicht an. Abgesehen davon ist aber nach Lage der dem Senat vorliegenden Akten der Sachverhalt ohnehin auch erst bei der in 1994 abgeschlossenen Betriebsprüfung offenbar geworden:

Bei dem Kläger selbst war in 1979 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung betreffend 1978 durchgeführt worden, die diesbezüglich keine Feststellungen getroffen hat (Bericht vom 19.03.1979). Es kann dahinstehen, ob das Darlehen zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon gegeben worden war. Denn jedenfalls ist die Frage des Erhalts zinsloser Darlehen ohnehin nicht Gegenstand einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Dies gilt für alle weiteren in der Folge bei der Ehefrau des Klägers in 1990 und 1992 noch durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, die ohnehin nur deren Vermietungstätigkeit betrafen (Berichte vom 28.03.1990 und vom 23.01.1992).

Bei dem Kläger war in 1982 eine sich auf die Jahre 1978 ? 1980 erstreckende Betriebsprüfung durchgeführt worden. Dabei war dem Prüfer eine mit erheblichen Mängeln behaftete und unvollständige Buchführung vorgelegt worden. Über ?einkäufe im ?(=Ausland) konnte nur eine Wareneingangsrechnung vorgelegt werden. Eine Nachprüfung des Wareneingangs, des Wareneinsatzes und der Verbindlichkeiten war nicht möglich. Der Prüfer hat lediglich feststellen können, dass die im Zusammenhang mit dem Wareneinkauf verbuchten Verbindlichkeiten lediglich geringfügige und nicht klar zu deutende Veränderungen erfahren hatten (vgl. Tz. 14 und 26 des Berichts vom 01.02.1983). Danach ist davon auszugehen, dass der Prüfer Feststellungen hinsichtlich eines zinslosen Darlehens der Mutter weder getroffen hat noch treffen konnte, zumal bei dem Kläger nach der Erinnerung des Steuerberaters D die Schuld noch als Lieferantenverbindlichkeit ausgewiesen war.

Bei der Ehefrau des Klägers war schließlich lediglich in 1976 und damit vor Verwirklichung des in Rede stehenden Sachverhalts eine Betriebsprüfung durchgeführt worden (Kurz-Bericht vom 04.01.1977).

Aus allem folgt, dass selbst dann, wenn man der Auffassung des Klägers zum Begriff der ?Finanzbehörde? in § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO folgen wollte, aufgrund des Umstandes, dass die Kenntnis erst im Rahmen der in 1994 abgeschlossenen Betriebsprüfung erlangt worden ist, bei Ergehen des angefochtenen Bescheids in 1997 die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war, sofern eine hinreichende Sachverhaltskenntnis im Verlauf der Prüfung nicht bereits vor 1993 erlangt worden sein sollte, wofür nach Aktenlage nichts ersichtlich ist.

Aus dem vorstehend dargestellten Ablauf folgt zugleich weiter, dass die Geltendmachung des Steueranspruchs nicht verwirkt ist.

Verwirkung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit, es geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Rechtsausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Zeitablauf allein führt noch nicht zur Verwirkung. Hinzukommen muss ein Vertrauenstatbestand und eine Vertrauensfolge (vgl. Urteil des BFH vom 08.10.1986 II R 167/84, BStBl II 1987, 12). Vorliegend fehlt es bereits an dem Zeitmoment, da die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO aufgrund der Mitteilung des Finanzamts Gießen vom 17.11.1994 erst mit dem 01.01.1995 zu laufen begonnen hat und der Beklagte den Kläger unverzüglich, wenn auch ohne nennenswerten Erfolg, zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert hatte. Der Kläger übersieht zudem, dass das späte Bekanntwerden des Sachverhalts darauf beruht, dass er der ihn nach § 30 Abs. 1 ErbStG treffenden Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Unter diesen Umständen kann ihm ein Vertrauensschutz nicht zugebilligt werden.

Soweit der Kläger im Einspruchsverfahren noch die Tilgung des Darlehens beginnend in 1989 geltend gemacht hatte, tritt der Senat dem Beklagten in der Beurteilung bei, dass die diversen Überweisungen zwischen den Konten des Klägers und seiner Mutter nicht hinreichend sicher erkennen lassen, dass damit gerade ganz oder teilweise die Tilgung des vorliegend in Rede stehenden Darlehens und nicht ggf. eines weiteren Darlehens bewirkt oder ein anderer Zweck verfolgt werden sollte. Dies umso mehr, als Beträge zwischen den Konten hin- und hergeschoben worden sind, wenn auch überwiegend zugunsten des Kontos der Mutter, und die handschriftlichen Vermerke auch häufig auf ?Übertrag?, ?Umbuchung? und ?Kontoauff.? lauten. Zudem fällt auf, dass in aller Regel Beträge überwiesen worden sind, die gerade zur Ablösung eines aufgelaufenen Soll-Saldos auf dem Konto der Mutter ausgereicht und damit offenbar diesem Zweck gedient haben. Schließlich kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Kontobewegungen im Zusammenhang mit zwei von oder für die Mutter in ? erworbenen Grundstücken bei Investition erheblicher Umbaukosten stehen. Hinzu kommt, dass die Behauptung einer in 1989 beginnenden Darlehenstilgung auch im Widerspruch zu den Angaben des Klägers im Rahmen der Betriebsprüfung steht, dass die Darlehensschuld gegenüber der Mutter weiterhin bestehe und kein Rückzahlungstermin vereinbart sei. Unter diesen Umständen fehlt es an einem Nachweis der ganz oder teilweisen Rückführung des Darlehens, die es rechtfertigen könnte, von einem geringeren Wert des steuerpflichtigen Erwerbs auszugehen und die Steuer entsprechend herabzusetzen (vgl. a. dazu das BFH-Urteil in BStBl II 1979, 631).

Da der Kläger nach allem im Rechtsstreit unterliegt, hat er gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

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