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27.03.2007 · IWW-Abrufnummer 071038

Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 31.01.2007 – 71 O 103/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


71 O 103/06
verkündet am 31.1.2007

Landgericht Saarbrücken

Urteil

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren XXX

hat die Kammer für Handelssachen I des Landgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 13.12.2006 durch XXX für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung vom 29.09.2006 wird bestätigt.

2. Der Verfügungsbeklagten wird weiter verboten:

Gegenüber Ärzten wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:

"DocMorris hat mit allen Krankenkassen günstigen Abrechnungssätze vereinbart. Die Rabatte könne bei Bezug über uns arztbezogen ermittelt werden und finden im Prüfverfahren automatisch Berücksichtigung. Wenn Ihre Patienten also Rezepte bei DocMorris einreichen, profitieren Sie von den günstigen Abrechnungspreisen - Ihr Budget wird entlastet.?

und/oder mit

"Budgetentlastung und Kostenersparnis" im Verhältnis Arzt/Krankenkasse, wie dies graphisch in dem in die Beschlussverfügung eingeblendeten Flyer geschehen ist.

3. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft in Höhe von bis zu 6.Monaten angedroht.

4. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin betreibt die in Saarbrücken. Sie ist Inhaberin einer Versandhandelserlaubnis und bietet bundesweit den Versand von Arzneimitteln an.

Die Verfügungsbeklagte betreibt in der Form einer niederländischen Kapitalgesellschaft eine Versandapotheke.

Sie wirbt mit einer Broschüre (BI. 16 ff. d. A.) bei Ärzten, unter anderem bei einem Saarbrücker Arzt. In dieser Broschüre fordert die Verfügungsbeklagte Ärzte auf, Patientenbroschüren für ihre Praxis anzufordern. Jeder dieser Patientenbroschüren liegt ein Bestellschein mit Freiumschlag für die erste Bestellung bei.

Die Broschüre enthält u.a. folgende Angabe:

?DocMorris hat mit allen Krankenkassen günstige Abrechnungssätze vereinbart. Die Rabatte können bei Bezug über uns arztbezogen ermittelt werden und finden in Prüfverfahren automatisch Berücksichtigung. Wenn Ihre Patienten also Rezepte bei DocMorris einreichen, profitieren Sie von den günstigen Abrechnungspreisen - Ihr Budget wird entlastet".

Gegen die Verfügungsbeklagte ist am 29.09.06 eine einstweilige Verfügung (BI. 8 ff d.A.) ergangen, in der es ihr untersagt wurde, Ärzte aufzufordern, Patientenbroschüren bei ihr anzufordern und/oder in Ärzteanschreiben mit Boni für Patienten bei Medikamentenkauf bei ihr zu werben.

Die Verfügungsklägerin behauptet, Intention der Verfügungsbeklagten sei es, dass der Arzt die Broschüre dem Patienten aushändige und/oder seinen Patienten den Bezug von Arzneimitteln bei der Verfügungsbeklagten empfehle.

Sie meint, sie habe deswegen einen Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG.

Die Aktion der Verfügungsbeklagten verstoße gegen § 4 Ziff. 11 UWG in Verbindung mit § 34 Abs. 5 MBO-Ä. § 34 MBO-Ä verbiete es Ärzten, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken zu verweisen. Eine Empfehlung aus eigenen wirtschaftlichen Gründen sei unzulässig. Ärzte dürften in ihren Praxen auch keine Werbematerialien auslegen. Indem die Verfügungsbeklagte Ärzte zu einem Verstoß gegen die Berufsordnung auffordere, stifte sie diese zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten an. Eine solche Anstiftung sei ebenfalls wettbewerbswidrig.

Sie trägt weiter vor, in ihren Broschüren werbe die Verfügungsbeklagte mit Vorteilen, die sie wettbewerbsrechtlich nicht gewähren dürfe. Boni für Rezepteinlösungen und Verzichte auf Zuzahlungen verstießen gegen § 4 Ziff. 1 UWG. Es liege eine unsachliche Beeinflussung der Patienten durch das Inaussichtstellen von Sofortboni in Höhe von 50 % der gesetzlichen Zuzahlung, von Boni für von der Zuzahlung befreite Patienten oder von 3,00 ? Bonus für privat versicherte Patienten vor.

Die Wertungen des Gesetzgebers, die er mit § 7 HWG zum Ausdruck gebracht habe, seien bei der Beurteilung, ob eine unsachliche Beeinflussung vorliege, zu berücksichtigen. Im Gesundheitsbereich seien generell strengere Anforderungen an die Zulässigkeit der Werbung mit Zuzahlungen und Zugaben zu stellen. Es bestehe sonst die Gefahr, dass Patienten ihre Rezepte nicht mehr dort einlösten, wo sie meinten, die beste pharmazeutische Betreuung zu erhalten, sondern ausschließlich dort, wo sie den höchsten Zusatznutzen haben.

Darüber hinaus liege in einem solchen Angebot auch ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung in Verbindung mit § 4 Ziff. 11 UWG. Die Arzneimittelpreisverordnung gelte auch für ausländische Versandapotheken. Für diese würden gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 a) AMG die deutschen Vorschriften zum Versandhandel und zum elektronischen Handel, somit auch § 11 a Apothekengesetz gelten, der ausdrücklich anordne, dass der Versand nach den für den üblichen Apothekenbetrieb geltenden Vorschriften erfolgen müsse, soweit für den Versandhandel keine gesonderten Vorschriften bestehen. Zu diesen Vorschriften gehörten auch die Regelungen über die Arzneimittelpreise gemäß § 78AMG.

Der nunmehr erhobene weitere Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 08.12.06 gründe darauf, dass die Verfügungsbeklagte in dem streitgegenständlichen Werbeblatt fälschlicherweise den Eindruck erwecke, sie habe mit den Krankenkassen Abrechnungspreise vereinbart, die von den Abrechnungspreisen der inländischen Apotheken nach unten abwichen, wodurch das Budget des Arztes entlastet werde.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

1.
die einstweilige Verfügung vom 23.09.2006 (Az.: 71 O 103/06) zu bestätigen und den Widerspruch vom 31.10.2006 zurückzuweisen;
2.
der Antragsgegnerin wird weiter verboten,
gegenüber Ärzten wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:

?DocMorris hat mit allen Krankenkassen günstige Abrechnungssätze vereinbart. Die Rabatte können bei Bezug über uns arztbezogen ermittelt werden und finden im Prüfverfahren automatisch Berücksichtigung. Wenn Ihre Patienten also Rezepte bei DocMorris einreichen, profitieren Sie von den günstigen Abrechnungspreisen - Ihr Budget wird entlastet."

und/oder mit

?Budgetentlastung und Kostenersparnis" im Verhältnis Arzt/Krankenkasse, wie dies graphisch in dem in die Beschlussverfügung eingeblendeten Flyer geschehen ist.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 29.09.2006 (Az.: 71 O 103/06) aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Antragstellerin vom 27.09.2006 zurückzuweisen.

Sie meint, ihre Aktion verstoße nicht gegen § 4 Ziff. 11 UWG in Verbindung mit § 34 Abs. 5 MBO-Ärzte. Bei der Frage, ob ein vernünftiger sachlicher Grund zur Empfehlung einer bestimmten Apotheke vorliege, sei auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen.

Es bleibe der freien Entscheidung der angeschriebenen Ärzte überlassen, ob und in welchem Umfang sie im Rahmen ihrer Standespflichten von den Informationen Gebrauch machten bzw. Patientenbroschüren anforderten. Die Ärzte würden nicht aufgefordert, die Patienten an die Verfügungsbeklagte zu verweisen. Sie selbst zeige nur die Möglichkeiten und Vorteile einer Inanspruchnahme der Leistungen der Verfügungsbeklagten auf. Nach § 34 Abs. 5 MBO-Ä könne es einem Arzt nicht untersagt werden, einem Patienten die Patientenbroschüre im Rahmen eines Beratungsgesprächs zu überreichen, solange er dabei nicht zwingend auffordere, die verschriebenen Arzneimittel bei der Verfügungsbeklagten zu beziehen und der Patient weiter in seiner Apothekenwahl frei sei.

Sie meint weiter, die Boni und Zuzahlungen, mit denen sie in der Broschüre werbe, seien nicht wettbewerbswidrig. Die Vorschriften des § 7 Abs. 1 HWG seien bei Beurteilung der Frage, ob von der streitgegenständlichen Werbung eine unangemessene, unsachliche Einflussnahme im Sinne des § 4 Ziff. 1 UWG ausgehe, nicht zu berücksichtigen, da das HWG keine Anwendung finde, weil keine konkrete Produktwerbung, sondern eine zulässige Untemehmens/Immagewerbung vorliege. Im HWG sei abschließend geregelt, welche Werbemaßnahmen für Heilmittel zulässig seien und welche nicht. Ein Verstoß gegen Bestimmungen des UWG sei daher nur möglich, wenn über den Rahmen des HWG hinaus ein Wettbewerbsverstoß gegeben wäre. Dies aber sei in Ansehung der Geringfügigkeit des ausgesetzten Betrages nicht zu erwarten.

Ihr Angebot richte sich in erster Linie an chronisch kranke Personen. Es sei daher auf einen Verbraucher abzustellen, der sich aufgrund seiner Erkrankung sehr genau überlege, bei welcher Apotheke er die von ihm benötigten Medikamente beziehen wird.

Auch aus der Arzneimittelpreisverordnung folge nicht, dass ihr Angebot als wettbewerbswidrig anzusehen sei. Nach der jetzigen Einschätzung des Gesetzgebers sei eine Festpreisregelung nicht erforderlich, um einen ruinösen Preiswettbewerb unter den Apotheken zu verhindern. Zudem sei die Arzneimittelpreisverordnung für die Preisgestaltung vorliegend nicht heranzuziehen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung vom 29.09.2006 war gemäß §§ 935,936,924,925 ZPO zu bestätigen. Sie ist zu Recht ergangen.

Der Verfügungsklägerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG zu.

Das Vorgehen der Verfügungsbeklagten. Ärzte aufzufordern, Patientenbroschüren für ihre Praxis bei ihr zu bestellen, verstößt gegen § 4 Ziff. 11 UWG in Verbindung mit § 34 Abs. 5 BO-Ä.

Anzuwenden ist vorliegend deutsches Recht, da sich das Angebot der Verfügungsbeklagten an Ärzte in Deutschland richtet (BGH GRUR 06, 513 ff.).

Nach § 34 Abs. 5 MBO-Ä ist es Ärzten nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen. Empfehlungen sind nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein vernünftiger Grund hierfür vorliegt. Ärzte, die gegen die Berufsordnung verstoßen, handeln wettbewerbswidrig (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG, Anm. 11.74 m. w. N.). Eine Anstiftung zu einem entsprechenden Verhalten ist ebenfalls wettbewerbswidrig (Köhler/Bornkamm, § 4 UWG, Anm. 11.22). § 34 Abs. 5 MBO-Ä dient sowohl dem Patientenschutz durch Wahrnehmung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber Dritten (OLG Koblenz, Urteil vom 14.02.2006, Az.: 4 U 1680/05) als auch der Sicherung des Bestandes der Apotheken.

Mit Hilfe der streitgegenständlichen Ärztebroschüre beabsichtigt die Verfügungsbeklagte, die angesprochenen Ärzte zu veranlassen, die Patientenbroschüren entweder im Wartezimmer für ihre Patienten auszulegen oder sie den Patienten sogar zu überreichen. Anders kann das Vorgehen der Verfügungsbeklagten nicht gewertet werden, da ansonsten das Angebot der Übersendung der Patientenbroschüren an die Ärzte für die Verfügungsbeklagte keinerlei Nutzen hätte.

Sachlich gebotene Gründe für die Empfehlung der Verfügungsbeklagten sind nicht ersichtlich.

Medizinische Gründe für eine Empfehlung der Verfügungsbeklagten gibt es unstreitig nicht. Vorliegend soll der Arzt vielmehr unter anderem aus eigenen wirtschaftlichen Gründen (Regressverfahren/Bonus-Malus/Regelung, Budgetentlastung durch DocMorris) seinen Patienten den Bezug zu Arzneimitteln bei der Verfügungsbeklagten empfehlen.

Durch die Aufforderung an die Ärzte, Patientenbroschüren zu bestellen und diese ihren Patienten zugänglich zu machen, stiftet die Verfügungsbeklagte die Ärzte an, gegen das Verbot des § 34 Abs. 5 MBO-Ä zu verstoßen. Die angesprochenen Ärzte sollen direkt oder mittelbar durch Zurverfügungstellung der Patientenbroschüren für die Verfügungsbeklagte Werbung machen. Um den Arzt hierzu zu gewinnen, werden ihm die Vorteile dieses Handeins - nämlich Entlastung seines Arzneimittelbudgets gegenüber den Krankenkassen - vor Augen geführt. Dies widerspricht dem Schutzzweck des § 34 Abs. 5 MBO-Ä. Diese Vorschrift dient sowohl dem Patientenschutz durch Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber Dritten (OLG Koblenz, Urteil vom 14.2.06, Az 4 U 1680/05) als auch der Sicherung des Bestandes der Apotheken. Diese Regelung des § 34 Abs. 5 MBO-Ä hat die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes zum Gegenstand.

Der Patient soll darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt (BVerfGE NJW 03, 3470). Es soll verhindert werden, dass durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien statt an medizinischen Notwendigkeiten langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung eintreten. Dazu wird neben dem Schutz der Ärzteschaft bei dem Wettbewerb untereinander bezweckt, dass keine über die medizinischen Notwendigkeiten hinausgehende Einflussnahme auf die Werbung unter den Leistungsbringern erfolgt (BGH NJW 05, 3424).

Entgegen den Anforderungen des § 34 Abs. 5 MBO-Ä ist danach die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorliegend nicht mehr gewährleistet. Der Arzt soll seinen Patienten die Bestellung bei der Verfügungsbeklagten nahe legen, gleich, ob dies im Einzelfall unter Berücksichtigung der medizinischen Belange des Patienten oder der wirtschaftlichen Belange der Krankenkassen geboten ist.

Auch die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch andere Versandapotheken bieten Medikamente zu günstigen Preisen an. Eine Begünstigung der geschäftlichen Tätigkeit gerade der Verfügungsbeklagten ist daher nicht gerechtfertigt.

Die einstweilige Verfügung war auch bezüglich des Antrages zu 1 b) zu bestätigen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß gegen § 4 Ziff. 1 UWG deswegen vorliegt, weil Patienten durch die von der Verfügungsbeklagten gewährten Boni dazu veranlasst werden, öfter als erforderlich den Arzt aufzusuchen. Jedenfalls von der Zuzahlungspflicht Befreite sowie privat Versicherte haben beim Bezug von Medikamenten bei der Verfügungsbeklagten durch die Bonusregelung der Verfügungsbeklagten jedenfalls die Möglichkeit, einen - wenn auch vergleichsweise geringen - Gewinn zu erzielen.

Unabhängig hiervon verstößt das Angebot der Verfügungsbeklagten gegen § 4 Ziff. 1 UWG. Insoweit waren die Regelungen des HWG zu berücksichtigen. Nach § 7 Abs. 1 HWG ist das Anbieten, Ankündigen oder Gewähren von Zuwendungen oder sonstigen Werbegaben im Heilmittelbereich unzulässig. Die Wertungen des Gesetzgebers, die er mit § 7 HWG zum Ausdruck gebracht hat, sind in die Beurteilung, ob eine unangemessene, unsachliche Einflussnahme im Sinne von § 4 Ziff. 1 UWG vorliegt, einzubeziehen.

Der Schutzzweck und die der Regelung des § 7 HWG zugrunde liegende selbständige Wertung des Gesetzgebers sind auch im Rahmen des § 4 Ziff. 1 UWG zu beachten. Dies fuhrt dazu, dass jede Werbung mit finanziellen Vorteilen für Heilmittel als unangemessene, unsachliche Einflussnahme im Sinne von § 4 Ziff. 1 UWG und damit als unlauter gemäß § 3 UWG anzusehen ist, auch wenn die versprochenen Vorteile vergleichsweise gering sind (BGH, Urteil vom 06.07.2006, Az. I ZR 145/03, S. 14).

Die in der Broschüre den Patienten versprochenen Vorteile sind daneben auch wegen Verstoßes gegen § 4 Ziff. 11 UWG in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung wettbewerbswidrig.

Die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung sind nach ihrem Zweck dazu bestimmt, als Marktverhaltensregeln den Wettbewerb unter den Apothekern zu regeln.

Die Arzneimittelpreisverordnung hat auch für die Verfügungsbeklagte Geltung.

Nach § 73 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 AMG gelten für die Tätigkeit von versandberechtigten ausländischen Apotheken die deutschen Vorschriften zum Versandhandel oder zum elektronischen Handel. Zu diesen Vorschriften gehört auch § 11 a Apothekengesetz, der unter anderem die Anforderungen an die Durchführung des Versandes regelt. Nach § 11 a Abs. 1 Ziff. 1 Apothekengesetz muss der Versand aus einer öffentlichen Apotheke nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen. Zu diesen Vorschriften zählen auch die Regelungen über die Arzneimittelpreise gemäß § 78 AMG, die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung sowie der sozialrechtlichen Zuzahlungen, die der Apotheker einzuziehen hat. Danach ist auch für den Versand aus der EU die Geltung der deutschen Arzneimittelpreisregelungen ausdrücklich angeordnet. Hiervon können die ausländischen Versandapotheker und der deutsche Besteller nicht abweichen. Ob von Gesetzes wegen eine Änderung der Festpreis-Regelung zu erwarten ist, kann dahinstehen, da die Entscheidung auf der Grundlage der heutigen Gesetzeslage zu ergehen hat.

Art. 28 und 30 EG stehen dem nicht entgegen.

Das Preissystem ist nach der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäß Art. 30 EG gerechtfertigt. Die Festsetzung von Arzneimittelpreisen ist jedenfalls zum Schutze der Gesundheit nach Art. 30 EG gerechtfertigt. Zum Schutzgut Sicherheit im Bereich des Gesundheitswesens gehören auch all diejenigen Vorsorgemaßnahmen, die der Vermeidung, Minderung und/oder Beseitigung von Krankheitsrisiken dienen. Zu diesen gehören auch die Regelungen des Arzneimittel- und Apothekenrechts. Zweck dieses Risikoabwehrrechts ist die bestmögliche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge.

Der maßgebliche Regelungszweck der Preisbindung ist die Verhinderung eines ruinösen Preiswettbewerbes unter den Apotheken, um damit eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Insofern dient die Arzneimittelpreisverordnung auch der Bewahrung der Gesundheit von Menschen und verfolgt ein gesundheitspolitisches Ziel.

Der deutsche Gesetzgeber hat auf der Grundlage seiner Einschätzung und Prognose eine abstrakte Gefährdung durch die Nichtgeltung einer Arzneimittelpreisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gesehen. Bei der Prognose und Einschätzung gewisser der Allgemeinheit drohender Gefahren, zu deren Verhütung der Gesetzgeber glaubt, tätig werden zu müssen, billigt ihm die Verfassung einen Beurteilungsspielraum zu, den er nur dann überschreitet, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können. Dies gilt entsprechend für die Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele (BVerfGE 77,84, 106).

Dem steht die Entscheidung des EuGH im Fall DocMorris (NJW 2004, 131 ff.) nicht entgegen. Dort hat der EuGH unter Randzeichen 122 niedergelegt, dass sich nicht ausschließen lässt, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichtes des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann, der eine Beschränkung des elementaren Grundsatzes des freien Warenverkehrs grundsätzlich rechtfertigen kann. Überdies könne ein nationaler Markt für verschreibungspflichtige Arzneimittel durch Faktoren nicht wirtschaftlicher Art gekennzeichnet sein, so dass eine nationale Regelung, die die Verkaufspreise für bestimmte Arzneimittel festlegt, deshalb beizubehalten ist, weil sie einen integralen Bestandteil des nationalen Gesundheitswesens bildet.

Maßgeblicher Regelungszweck der Preisbindung ist unter anderem die Verhinderung eines ruinösen Preiswettbewerbes unter den Apotheken, um damit eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Demgegenüber führt ein Preiswettbewerb zur Verdrängung. Dies ist sogar das Ziel jedes Preiswettbewerbs. Der Gesetzgeber hat sich bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Hinblick auf das Schutzgut der Gesundheit, das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit bzw. der Intaktheit des nationalen Gesundheitswesens aus nachvollziehbaren Gründen für ein Festpreissystem entschieden. Die Preisbindung dient in einem komplexen, ineinander verzahnten Gesamtgefüge der Kostenkontrolle und -steuerung sowie der Gewährleistung der hohen Dichte von Apotheken auch in ländlichen Gebieten und schafft so eine flächendeckende, zeit- und ortsnahe und damit ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Die Einheitlichkeit der Arzneimittelabgabepreise dient damit vor allem als Ersatz für die in Deutschland verfassungsrechtlich unzulässige, in zahlreichen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union praktizierte, behördliche Niederlassungsregelung. Zudem haben, anders als bei sonstigen Wirtschaftsgütern, die Apotheken zahlreiche gemeinwohlbezogene Verpflichtungen, wie z. B. die Gewährleistung einer Dienstbereitschaft gemäß § 23 Apothekenbetriebsordnung, die Pflicht, ein Vollsortiment zu führen sowie Kontrahierungszwang. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes setzt z. B. die ordnungsgemäße, über eine Notfallversorgung hinausgehende Arzneimittelversorgung voraus, dass eine Apotheke werktags innerhalb einer Stunde erreichbar ist, was in der Regel nur gegeben ist, wenn für jeden Einwohner die Entfernung zur nächsten Apotheke nicht mehr als 6 km beträgt (BVerfGE 45, 331,339 f.). Diese Pflichten dienen dem höchstrangigen Gemeinschaftsgut der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und werden durch Begünstigungen, dass der Handel mit Arzneimitteln grundsätzlich den Apotheken vorbehalten ist und sie auch keinem Preiswettbewerb ausgesetzt sind, kompensiert. Versandapotheken können dagegen mit ihren langen Lieferzeiten und der fehlenden Dienstbereitschaft strukturell keinen Beitrag zur Sicherstellung der flächendeckenden und rechtzeitigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln leisten.

Dieses Gefüge wird nach der nachvollziehbaren Einschätzung des deutschen Gesetzgebers durch § 78 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit der Arzneimittelpreisverordnung geschützt. Mildere Mittel sind weder vorgebracht noch sonst erkennbar. Als integraler Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens ist die Arzneimittelpreisverordnung gemäß Art. 30 EG deshalb mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gerechtfertigt (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 17.08.06, Az: 315 O 340/06, S. 12 ff).

Durch die von ihr gewährten Boni verstößt die Verfügungsbeklagte gegen die Festpreisregelung der Arzneimittelpreisverordnung.

Zwar ist richtig, dass die Verfügungsbeklagte die Medikamente zum vollen festgesetzten Preis an die Patienten abgibt. Durch die Gewährung der Boni wird aber das System der Festpreisregelung unterlaufen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die festgesetzten Preise vom Patienten doch nicht zu zahlen sind. Hierin liegt eine unzulässige Umgehung der Festpreisregelung, die wettbewerbswidrig ist.

Auch bezüglich des Klageantrages zu 1 b) ist somit ein Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin gegeben.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich jeweils aus dem begangenen Wettbewerbsverstoß.

Der Verfügungsgrund wird gem. § 12 II UWG vermutet.

Der mit Schriftsatz vom 08.12.2006 gestellte klageerweiternde Antrag ist ebenfalls begründet.

Die Verfügungsbeklagte erweckt in dem streitgegenständlichen Werbeblatt den Eindruck, sie habe mit allen Krankenkassen Abrechnungspreise vereinbart, die von den Abrechnungspreisen der inländischen Apotheken nach unten abweichen.

Zwar ergibt sich die Wahrheitswidrigkeit dieser Behauptung nicht schon aus dem Vorbringen der Verfügungsbeklagten in dem von der Verfügungsklägerin zitierten Verfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf. Streitgegenstand im dortigen Verfahren ist, ob der Verfügungsbeklagten von den Arzneimittelherstellern der in § 130a SGB V geregelte Herstellerrabatt zu gewähren ist. Die Verfügungsbeklagte konnte sich daher auf den dort zitierten Vortrag beschränken. Sie brauchte keine Angaben dazu zu machen, ob sie ggf. mit den Krankenkassen Verträge über Sonderrabatte nach § 140e SGB V abgeschlossen hat. Schlussfolgerungen für das vorliegende Verfahren können hieraus nicht gezogen werden.

Die Werbung der Verfügungsbeklagten ist aber deshalb wettbewerbswidrig, weil sie nicht in vollem Umfang den Tatsachen entspricht und damit im Sinne von § 3 UWG irreführend ist. Dass sie nicht den Tatsachen entspricht, ergibt sich bereits aus der eidesstattlichen Versicherung ihres Vorstandes XXX vom 30.10.2006 (BI. 90 d. A.). Dieser hat eidesstattlich versichert, die Verfügungsbeklagte habe mit der "weit überwiegenden Zahl" der gesetzlichen Krankenkassen Verträge nach § 140e SGB V geschlossen. Es ergibt sich hieraus, dass die den Ärzten in Aussicht gestellten eigenen wirtschaftlichen Vorteile sowie die Vorteile der betroffenen Krankenkassen gar nicht in dem angegebenen Umfang gegeben sind. Auch wenn dies - wie der Vertreter der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2006 erläutert hat - seinen Grund darin haben solltet dass das Bestehen solcher Verträge angesichts der Vielzahl der Krankenkassen ständig im Fluss ist, so ist doch die strikte Angabe in der streitgegenständlichen Ärztebroschüre unrichtig und damit irreführend. Die Verfügungsbeklagte hat sie zu unterlassen, zumal sie dazu dient, den angesprochenen Ärzten die Vorteile vor Augen zu führen, die sich :für diese selbst aus der Weitergabe der Patientenbroschüren an ihre Patienten ergeben.

Auch insoweit ergibt sich die Wiederholungsgefahr aus dem begangenen Wettbewerbsverstoß, der Verfügungsgrund aus § 12 II UWG.

Die Androhung von Ordnungsmitteln erfolgte bezüglich aller untersagten Werbebehauptungen auf der Grundlage des § 890 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 91 ZPO. Eines besonderen Ausspruches der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht.

RechtsgebieteArzneimittelgesetz, Arzneimittelpreisverordnung, ApothekengesetzVorschriften§ 73 ABs. 1 S. 1 Nr. 1a AMG, § 11a ApoG

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