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07.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070735

Hessisches Finanzgericht: Beschluss vom 21.09.2006 – 3 V 3462/05

1. Der Ansatz einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG ist nicht mehr zulässig, wenn der Steuerpflichtige die voraussichtliche Investition nicht innerhalb des Investitionszeitraums von zwei Jahren hinreichend konkretisiert hat. Durch die mit einer Ansparrücklage erreichte Steuerstundung sollte es den Steuerpflichtigen keinesfalls ermöglicht werden, eine Ansparrücklage - ohne Konkretisierung - gleichsam "ins Blaue hinein" in Anspruch zu nehmen, um damit das steuerliche Ergebnis frei bestimmen zu können.


2. Zum Zuwendungsnachweis bei Spenden durch Kontoauszüge.


Hessisches Finanzgericht

Beschluss vom 21.09.2006

3 V 3462/05

Tatbestand

I. Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Frage streitig, welche formellen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebildet werden kann. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragsteller wurden als Ehegatten vom Antragsgegner (dem Finanzamt) für das Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Während des Streitjahres - wie auch in den Jahren davor - erzielte die Antragstellerin als Gastwirtin Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Den Gewinn aus ihrer gewerblichen Tätigkeit ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. Der Antragsteller hatte während des Streitjahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Mithilfe im Betrieb der Antragstellerin).

Die Antragsteller gaben ihre Erklärung zur Einkommensteuer 2002 nicht fristgemäß ab. Deshalb schätzte das Finanzamt zunächst die Besteuerungsgrundlagen und setzte dementsprechend die Einkommensteuer mit xx.xxx ? fest (Erstbescheid vom 22.11.2004). Hiergegen legten die Antragsteller Einspruch ein. Zur Begründung reichten sie am 02.03.2005 die Erklärung zur Einkommensteuer 2002 sowie den Jahresabschluss (Bilanz) zum 31.12.2002 (betreffend den Gewerbebetrieb der Antragstellerin) ein.

In der Bilanz war bei den Passiva ein "Sonderposten mit Rücklagenanteil" bzw. eine "Ansparrücklage" in Höhe von xxx.xxx,xx ? angesetzt. In der dazugehörigen Gewinn- und Verlustrechnung waren u. a. angegeben: "Erträge aus der Auflösung des Sonderpostens Ansparabschreibung" in Höhe von xx.xxx,xx ?, "sonstige betriebliche Aufwendungen" aus der "Einstellung des Sonderpostens Ansparabschreibungen" in Höhe von xx.xxx,xx ?.

In der Erklärung zur Einkommensteuer 2002 gab die Antragstellerin ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Betrag von xx.xxx,xx ? an. Diesen hatte sie wie folgt ermittelt: Gewinn lt. Bilanz in Höhe von xx.xxx,xx ? zzgl. Zinsen aus der Auflösung der Ansparrücklage 2000 (xx.xxx,xx ? x 12%) in Höhe von x.xxx,xx ?, Summe: xx.xxx,xx ? (Aufstellung zur Anlage GSE).

Im Übrigen machten die Antragsteller in ihrer Einkommensteuererklärung bei den Sonderausgaben "Zuwendungen für kirchliche, religiöse und gemeinnützige Zwecke" (im Folgenden: Spenden) mit einem Gesamtbetrag von xxx ? geltend. Eine Aufstellung der Einzelbeträge war der Erklärung nicht beigefügt.

Das Finanzamt ließ die von der Antragstellerin für das Streitjahr angesetzte Ansparrücklage unberücksichtigt. Dementsprechend setzte es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit xx.xxx ? (Gewinn lt. Erklärung in Höhe von xx.xxx ? zzgl. Ansparrücklage in Höhe von xx.xxx ?) an. Außerdem wich es in einem anderen (hier nicht streitigen) Punkt von den Angaben in der Einkommensteuererklärung ab. Die in der Erklärung von den Antragstellern angegebenen Spenden (Gesamtbetrag von xxx ?) ließ es hingegen zunächst in der beantragten Höhe zum Sonderausgabenabzug zu. Den vorgenannten Abweichungen entsprechend setzte es die Einkommensteuer 2002 nunmehr mit xx.xxx ? fest (Änderungsbescheid vom 21.03.2005).

Die Abweichungen von den Angaben in der Einkommensteuererklärung erläuterte das Finanzamt in einer dem Änderungsbescheid beigefügten Anlage. Betreffend die Ansparrücklage führte es aus: Zwischen der Bildung der Ansparrücklage und der Investition müsse ein Finanzierungszusammenhang bestehen. Dieser sei nicht gewahrt, wenn die Rücklage erst später als zwei Jahre nach Anschaffung der betreffenden Wirtschaftsgüter geltend gemacht werde. Die Antragsteller hätten die Erklärung zur Einkommensteuer 2002 erst am 02.03.2005 eingereicht, somit nach Ablauf des hier maßgebenden Investitionszeitraums (Kalenderjahr 2004).

In der gleichen Anlage forderte das Finanzamt wegen einer Reihe von ungeklärten Punkten die Antragsteller auf, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Dabei bat es bezüglich der geltend gemachten Spenden darum, einen "Zuwendungsnachweis für die " einzureichen.

Kurze Zeit später änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung erneut. Gründe für diese Änderung gab es allerdings nicht an (Bescheid vom 05.04.2005).

Gegen die geänderte Steuerfestsetzung machten die Antragsteller, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, eine Reihe von verschiedenen Einwendungen geltend. Hierbei ging es, soweit hier noch streitrelevant, zunächst um folgende Punkte: (1) Der Änderungsbescheid sei schon deswegen rechtswidrig, weil das Finanzamt von den Angaben in der Einkommensteuererklärung abgewichen sei, ohne zuvor rechtliches Gehör gewährt zu haben. (2) Zumindest sei der Änderungsbescheid hinsichtlich der vom Finanzamt vorgenommenen Erhöhung des gewerblichen Gewinns rechtswidrig. So gehe das Finanzamt zu Unrecht davon aus, die streitige Ansparrücklage sei später als zwei Jahre nach Anschaffung der betreffenden Wirtschaftsgüter geltend gemacht worden. Im Übrigen habe es das Finanzamt unterlassen, bei der von ihm vorgenommenen Gewinnerhöhung eine entsprechende Gewerbesteuerrückstellung zu berücksichtigen.

Wegen der vorgenannten sowie anderer (hier nicht mehr streitiger) Einwendungen stellten die Antragsteller beim Finanzamt den Antrag, die Vollziehung des Änderungsbescheids auszusetzen. Über diesen Antrag entschied das Finanzamt zunächst nicht.

Im Laufe des weiteren Einspruchsverfahrens ergab sich zwischen den Beteiligten ein lebhafter Schriftverkehr. Dabei ging es, soweit hier noch entscheidungsrelevant, im Wesentlichen um die Vorlage von Nachweisen zu den folgenden Streitpunkten: (1) Ansparrücklage, (2) Spenden.

(1) Ansparrücklage

Zunächst bat das Finanzamt den Prozessbevollmächtigten um die Beantwortung verschiedener Fragen, und zwar darüber, ob und ggf. welche Wirtschaftsgüter während des Investitionszeitraums angeschafft worden seien, für welche Wirtschaftsgüter die Ansparrücklage gebildet worden sei, mit welchen Beträgen damals die (voraussichtlichen) Anschaffungskosten angesetzt worden seien, von welchem (voraussichtlichen) Anschaffungszeitpunkt man damals ausgegangen sei (Schreiben vom 11.05.2005). Hierauf übersandte der Prozessbevollmächtigte dem Finanzamt eine Aufstellung zur "Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG für 2002" (Schreiben vom 17.06.2005). Die Aufstellung ist aufgegliedert in die Rubriken "geplante Anschaffungen", "geplante Anschaffungszeit", "geplante betriebliche Nutzung", "voraussichtliche Anschaffungskosten" und "Rücklage 40%". Bei den "geplanten Anschaffungen" sind u. a. zwei PKW, verschiedene Gerätschaften für den Gaststätten- und Küchenbereich sowie zwei Computer mit entsprechenden Peripheriegeräten angegeben. Die "voraussichtlichen Anschaffungskosten" belaufen sich in dem Bereich zwischen xxx ? und xx.xxx ?. Als "geplante Anschaffungszeit" sind die Monate November und Dezember 2004 genannt. Die "geplante betriebliche Nutzung" sollte jeweils 100% betragen. Im Anschluss daran bat das Finanzamt den Prozessbevollmächtigten darum, Angaben über die bis zum 31.12.2004 tatsächlich angeschafften Wirtschaftsgüter zu machen und die entsprechenden Rechnungen einzureichen (Schreiben vom 15.07.2005). Hierauf teilte der Prozessbevollmächtigte dem Finanzamt mit, bis zum 31.12.2004 seien die Ansparrücklage betreffend keine Wirtschaftsgüter angeschafft worden (Schreiben vom 12.09.2005). Gleichzeitig legte er aus der von ihm erstellten Buchführung ein mit "Ansparrücklage" bezeichnetes Kontenblatt vor. Darin sind betreffend die einzelnen Wirtschaftsgüter sowie die dazugehörigen Geldbeträge die gleichen Angaben enthalten wie in der zuvor eingereichten Aufstellung. Abschließend teilte das Finanzamt dem Prozessbevollmächtigten zu dem Streitpunkt Folgendes mit: Auch nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage werde daran festgehalten, dass der Ansatz einer Ansparrücklage nicht berechtigt sei. Die Verwirklichung der (angeblich) geplanten Investitionen während des entsprechenden Zeitraums sei objektiv unmöglich gewesen. Allerdings sei die wegen der Ansparrücklage vorgenommene Gewinnerhöhung noch um die entsprechende Gewerbesteuerrückstellung zu berichtigen (Schreiben vom 02.11.2005).

(2) Spenden

Entsprechend der Aufforderung des Finanzamts reichte der Prozessbevollmächtigte zu den geltend gemachten Spenden verschiedene Belege ein, u. a. in Kopie zwölf Kontoauszüge der X-Bank, die jeweils folgende Angaben enthalten:

" " bzw. " ", Dauerauftrag, Lastschrift in Höhe von x,xx ? (Schreiben vom 20.05.2005). Hierzu machte er - auf entsprechenden Hinweis durch das Finanzamt - geltend, ein Zuwendungsnachweis sei nicht erforderlich, weil der geltend gemachte Spendenbetrag unter 100 ? liege (Schreiben vom 17.06.2005). Das Finanzamt wies den Prozessbevollmächtigten zu dem Streitpunkt abschließend auf Folgendes hin: Aufgrund der eingereichten Kontoauszüge sei davon auszugehen, dass die geltend gemachten Aufwendungen dem Erwerb von Lotterielosen gedient hätten. Weil die Antragsteller für diese Aufwendungen einen Gegenwert in der Form einer Gewinnchance erhalten hätten, seien die notwendigen Merkmale einer Spende nicht gegeben (Schreiben vom 02.11.2005).

Anknüpfend an seine abschließenden Hinweise zu den bisher noch offenen Streitpunkten lehnte das Finanzamt den dort gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Dabei ließ es den Fehler, der nach seiner eigenen Aussage bei der Erhöhung des gewerblichen Gewinns (Nichtansatz einer Gewerbesteuerrückstellung) unterlaufen war, unberücksichtigt (Bescheid vom 02.11.2005).

Mit Schreiben vom 18.11.2005 haben die Antragsteller den Antrag gestellt, die Aussetzung der Vollziehung des Änderungsbescheids vom 05.04.2005 anzuordnen, und zwar bezüglich folgender Beträge: Einkommensteuer xx.xxx,xx ?, Solidaritätszuschlag x.xxx,xx ?, Kirchensteuer x.xxx,xx ?. Zu den einzelnen Streitpunkten tragen sie sinngemäß Folgendes vor: (1) Der Änderungsbescheid sei, wie bereits dargelegt, aus verfahrensrechtlichen Gründen (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) fehlerhaft. (2) Die formellen Voraussetzungen für den Ansatz einer Ansparrücklage seien gegeben. Zu Unrecht gehe das Finanzamt davon aus, dass zum maßgebenden Zeitpunkt die Verwirklichung der geplanten Investitionen - bezogen auf den betreffenden Investitionszeitraum (Jahre 2003 und 2004) - objektiv unmöglich gewesen sei. Denn die Bilanz zum 31.12.2002 sei bereits am 06.10.2004 erstellt worden. Zudem bestehe - entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung sowie den Anwendungserlassen der Finanzverwaltung - zwischen dem Ansatz der Ansparrücklage und den betreffenden Investitionen ein Finanzierungszusammenhang. Die hierfür notwendige Zwei-Jahres-Frist sei eingehalten worden. (3) Obwohl wegen der erhöhten Gewerbesteuerrückstellung der gewerbliche Gewinn - zwischen den Beteiligten unstreitig - niedriger als bisher anzusetzen sei, habe das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfang abgelehnt. (4) Die Annahme des Finanzamts, die zugunsten der " " bzw. " " getätigten Aufwendungen stellten keine Spenden dar, sondern beträfen den Erwerb von Lotterie-Losen, sei nicht nachvollziehbar.

In der Folgezeit hat das Finanzamt entsprechend seinen abschließenden Hinweisen im Einspruchsverfahren die Einkommensteuer auf xx.xxx ? festgesetzt. Dabei hat es die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit xx.xxx ? (statt bisher xx.xxx ?) angesetzt. Die geltend gemachten Spenden hat es nur noch in Höhe von xxx ? (statt bisher xxx ?) zum Sonderausgabenabzug zugelassen (Änderungsbescheid vom 07.12.2005).

Die Antragsteller beantragen nunmehr sinngemäß,
a. bezüglich des nicht erledigten Teils des Einspruchs:
die Aussetzung der Vollziehung des Änderungsbescheids vom

07.12.2005 über Einkommensteuer 2002 im nachfolgend genannten Umfang anzuordnen:

- Einkommensteuer

xx.xxx,xx ?

- Solidaritätszuschlag

x.xxx,xx ?

- Kirchensteuer

x.xxx,xx ?

b.bezüglich des erledigten Teils des Einspruchs:
die Kosten des Verfahrens dem Finanzamt aufzuerlegen.

Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren.

Das Finanzamt hat die den Streitfall betreffenden Einkommensteuerakten sowie die den Gewerbebetrieb der Antragstellerin betreffenden Bilanzen für die Jahre 1999 bis 2003 vorgelegt.

Entscheidungsgründe
II. Der Antrag, so wie er sich aufgrund der geänderten Verfahrenslage darstellt, ist unbegründet.

1. Die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung liegen nicht vor.

Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen ( § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ernstliche Zweifel in dem vorgenannten Sinne sind gegeben, wenn bei der - überschlägigen - Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit und Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 FGO Anm. 86). Für die Frage, ob und inwieweit die Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung vorliegen, hat das Gericht wegen der Eilbedürftigkeit und der Vorläufigkeit des Verfahrens lediglich eine summarische Prüfung vorzunehmen. Hinsichtlich der Überprüfung des Prozessstoffs findet daher eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie auf die sog. präsenten Beweismittel statt. Dabei gelten auch hier die Regeln der Feststellungslast (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., Anm. 121).

a) Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen bestehen zunächst keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Frage, ob der hier zu beurteilende Änderungsbescheid vom 07.12.2005 (s. § 68 FGO ) deswegen rechtswidrig sein könnte, weil das Finanzamt vor Erlass des Änderungsbescheids vom 21.03.2005 den Antragstellern keine Gelegenheit gegeben hat, in Bezug auf mögliche Streitpunkte vorab eine Stellungnahme abzugeben. Denn dieser Mangel ist im Laufe des weiteren Verfahrens geheilt worden.

Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, soll diesem nach § 91 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies gilt nach § 91 Abs. 1 Satz 2 AO insbesondere dann, wenn von dem in der Steuererklärung angegebenen Sachverhalt abgewichen werden soll.

Allerdings ist die Verletzung von Verfahrens- und Formfehlern - abgesehen von bestimmten Nichtigkeitsgründen - in den in §126 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AO genannten Fällen unbeachtlich. Nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO liegt ein solcher Fall vor, wenn die erforderliche Beteiligung eines Beteiligten nachgeholt wird. Dabei kann die vorgenannte Handlung nach § 126 Abs. 2 AO bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

Werden formelle Vorschriften verletzt, so ist der auf dieser Verletzung beruhende Verwaltungsakt grundsätzlich rechtswidrig. Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz stellt die Regelung in § 126 Abs. 1 AO dar. Wird der betreffende Verfahrens- oder Formfehler im Sinne dieser Vorschrift "geheilt", so ist der davon erfasste Verwaltungsakt als von Anfang rechtmäßig anzusehen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 126 AO Tz. 1).

Nach dem in § 91 Abs. 1 AO normierten Verfahrensgrundsatz wäre das Finanzamt verpflichtet gewesen, die Antragsteller vor Erlass des Änderungsbescheides vom 21.03.2005 darauf hinzuweisen, dass einzelnen Angaben in der Einkommensteuererklärung nicht gefolgt werden soll. Es hat aber im Laufe des nachfolgenden Einspruchsverfahrens den Antragstellern seine abweichende Auffassung ausführlich erläutert. Die Antragsteller ihrerseits hatten mehrfach die Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Durch all diese Handlungen ist der ursprünglich vorhandene Verfahrensmangel im Sinne des § 126 Abs. 1 AO "geheilt" worden.

b) Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht hinsichtlich der Auffassung des Finanzamts, dass bei Ablauf des hier maßgebenden Investitionszeitraums (am 31.12.2004) die formellen Voraussetzungen für den Ansatz einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG nicht gegeben waren.

Nach § 7g Abs. 1, Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf dabei 40% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsgutes nicht überschreiten, das voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres angeschafft oder hergestellt wird. Spätestens am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres ist eine Ansparrücklage gewinnerhöhend aufzulösen ( § 7g Abs. 4 EStG ).

Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich" erfordert eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen. Daraus folgt, dass die "voraussichtliche" Investition hinreichend konkretisiert sein muss. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Zumindest sind Angaben zu der Funktion des einzelnen Wirtschaftsguts sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich. Aus den Angaben muss auch zu ersehen sein, dass die (beabsichtigte) Investition (noch) durchführbar und objektiv möglich ist. Der Ansatz einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG ist nach alledem nicht mehr zulässig, wenn der Steuerpflichtige die voraussichtliche Investition nicht innerhalb des Investitionszeitraums von zwei Jahren hinreichend konkretisiert hat (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.12.2001 XI R 13/00, BStBl II 2002, 385 ; vom 19.09.2002 X R 51/00 , BStBl II 2004, 184 , und vom 06.03.2003 IV R 23/01 , BStBl II 2004, 187 ).

aa) Bei summarischer Betrachtung des hier vorliegenden Streitstoffes geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin die Investitionen, für die sie in der Bilanz zum 31.12.2002 eine Ansparrücklage gebildet hatte, nicht vor Ablauf des Jahres 2004 in der erforderlichen Weise konkretisiert hat.

Für diese Einschätzung spricht zunächst der zeitliche Ablauf des Verwaltungsverfahrens: Die Antragstellerin hat die Bilanz zum 31.12.2002 - zusammen mit der Einkommensteuererklärung 2002 - erst am 02.03.2005 beim Finanzamt eingereicht. In der dazugehörigen Gewinn- und Verlustrechnung hat sie den Posten "Ansparabschreibungen" zunächst nicht näher erläutert. Erst nachdem das Finanzamt diesbezüglich um die Beantwortung verschiedener Fragen gebeten hatte (Schreiben vom 11.05.2005), hat sie mit Schreiben vom 17.06.2005 eine Aufstellung vorgelegt, in der zur "Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG für 2002" verschiedene Wirtschaftsgüter mit "voraussichtlichen" Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt xxx.xxx ? (entsprechend dem 40%-Anteil von xx.xxx ?) angegeben sind. Ein die "Ansparrücklage" betreffendes Kontenblatt aus der betrieblichen Buchführung (mit den betreffenden Einzelangaben) hat sie erst mit Schreiben vom 12.09.2005 übersandt.

Auch aus dem Inhalt der vorgelegten Nachweise kann nicht der Schluss gezogen werden, die Antragstellerin habe die erforderliche Konkretisierung schon vor Ablauf des Jahres 2004 vorgenommen. Vielmehr erscheint es als eher wahrscheinlich, dass die betreffenden Schriftstücke erst im Laufe des Jahres 2005 fertig gestellt worden sind. So ist zum einen die mit Schreiben vom 17.06.2005 eingereichte Aufstellung ohne irgendeine eine Datumsangabe. Und zum anderen weist das Kontenblatt "Ansparrücklage" das Datum vom 01.07.2005 aus. Dass ein entsprechendes Kontenblatt schon vor dem 01.01.2005 vorhanden gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich.

bb) Von den zeitlichen Umständen abgesehen, vermag der Senat auch nicht zu der Annahme zu gelangen, die von der Antragstellerin nachträglich genannten Investitionen hätten zu dem Zeitpunkt, als die Bilanz zum 31.12.2002 aufgestellt wurde, tatsächlich noch durchgeführt werden können. Dabei orientiert er sich an dem Datum vom 06.10.2004, das in dem entsprechenden Testat des Prozessbevollmächtigten angegeben ist.

Nach der nachträglich eingereichten Aufstellung zur Ansparrücklage sollten allein im Monat Dezember 2004 zwei PKW angeschafft werden, und zwar zum einen zu einem Preis von xx.xxx ? und zum anderen zu einem Preis von xx.xxx ?. Des Weiteren sollten während der Monate Oktober und November 2004 Investitionen für den Gaststätten- und Küchenbereich im Wert von insgesamt xx.xxx ? (darunter eine Theke zum Preis von xx.xxx ?) getätigt werden. Schließlich waren noch für den Monat November 2004 Anschaffungen im Bürobereich mit einem Gesamtwert von xx.xxx ? (darunter ein Digitalkopierer zum Preis von xx.xxx ?) vorgesehen. Es stellt sich hierbei die Frage, wie die von der Antragstellerin angegebenen Investitionen unter den gegeben Umständen (kurzer Zeitraum, im Verhältnis zur Betriebsgröße hoher finanzieller Aufwand) tatsächlich hätten durchgeführt werden können.

Der Senat sieht sich in seiner Einschätzung bestärkt durch verschiedene Begleitumstände. So hat die Antragstellerin von den Wirtschaftsgütern, die sie in der das Streitjahr 2002 betreffenden Aufstellung genannt hat, keines bis zum Ablauf des Jahres 2004 tatsächlich angeschafft. Und so ähnlich dürfte sie schon in Bezug auf die Ansparrücklage für das Jahr 1999 vorgegangen sein. Denn sie hat die Ansparrücklage, die sie in Höhe von xxx.xxx DM in die Bilanz zum 31.12.1999 eingestellt hatte, zum 31.12.2001 in gleicher Höhe wieder aufgelöst.

cc) In Anbetracht der Gesamtumstände des Streitfalles kann sich der Senat nicht dem Eindruck verschließen, dass die hier streitige Ansparrücklage zu Zwecken eingesetzt wird, die so vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt waren.

Durch die mit einer Ansparrücklage erreichte Steuerstundung sollte es bestimmten Unternehmen erleichtert werden, zur Finanzierung von Investitionen eigene Mittel anzusparen. Keinesfalls sollte es den Steuerpflichtigen ermöglicht werden, eine Ansparrücklage - ohne Konkretisierung - gleichsam "ins Blaue hinein" in Anspruch zu nehmen, um damit das steuerliche Ergebnis frei bestimmen zu können (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2002, 385 , und in BStBl II 2004, 184 ; s. a. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 25. Aufl., § 7g Rdnr. 23).

c) Ernstliche Zweifel sind schließlich nicht gegeben hinsichtlich der Auffassung des Finanzamts, die Aufwendungen, die die Antragsteller unter der Bezeichnung " " bzw. " " getätigt haben, seien nicht als Spenden bei den Sonderausgaben abziehbar.

Es kann offen bleiben, ob die genannten Aufwendungen, wie vom Finanzamt geltend gemacht, aus materiell-rechtlichen Gründen nicht den Spenden zugeordnet werden können. Denn es fehlt schon an den formal-rechtlichen Voraussetzungen für den Abzug als Spenden. Jedenfalls trifft es - entgegen dem Vorbringen der Antragsteller - nicht zu, dass wegen der Geringfügigkeit des geltend gemachten Betrages (hier: Gesamtbetrag von xx ?) ein Zuwendungsnachweis nicht erforderlich ist.

Nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG sind u. a. Ausgaben zur Förderung mildtätiger Zwecke in einem bestimmten Umfang als Sonderausgaben abzugsfähig. Sie dürfen nach § 50 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) allerdings nur dann abgezogen werden, wenn sie durch eine Zuwendungsbestätigung nachgewiesen werden, die der Empfänger nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck ausgestellt hat. Ausnahmsweise genügt nach § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStDV als Nachweis u. a. die Buchungsbestätigung durch ein Kreditinstitut, wenn die Zuwendung den Betrag von 100 ? nicht übersteigt und der Empfänger als steuerbegünstigte Körperschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf einem von ihm selbst vorgedruckten Beleg bestimmte Angaben über die Mittelverwendung und über die Steuerbegünstigung macht.

Wie allgemein bekannt, stellen karitative Organisationen vielfach geeignete Unterlagen zur Verfügung, um den betreffenden Personen den Spendennachweis zu erleichtern. Dazu versenden sie neben dem entsprechenden Informationsmaterial jeweils einen Überweisungsträger und einen dazugehörigen Vordruck, auf dem die in § 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStDV vorgeschriebenen Angaben sowie ein Feld für die Buchungsbestätigung der Bank angebracht sind.

Um den Spendennachweis in vereinfachter Form führen zu können, hätten die Antragsteller sich eines Vordrucks der vorgenannten Art bedienen müssen. Der Vordruck hätte in Bezug auf den Träger der " " bzw. " " als Empfänger der (angeblichen) Spende die vorgeschriebenen Angaben enthalten müssen. Hieran fehlt es bei den Kontoauszügen, die die Antragsteller zum Nachweis für die hier streitigen Aufwendungen vorgelegt haben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 138 Abs. 1 FGO .

a) Die Antragsteller sind im Rahmen der abschließenden Entscheidung zur Hauptsache unterlegen geblieben. Sie haben daher die anteiligen Verfahrenskosten zu tragen.

b) Das Finanzamt hat nach dem Zeitpunkt, zu dem der vorliegende Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht eingegangen war, den davon betroffenen Steuerbetrag gemindert (Änderungsbescheid vom 07.12.2005). Dadurch hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise erledigt. Die Beteiligten haben - jeweils konkludent - eine entsprechende Erledigungserklärung abgegeben. Es war daher nur noch über die anteiligen Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Es erscheint ermessensgerecht, den der Abhilfeentscheidung entsprechenden Teil der Verfahrenskosten dem Finanzamt aufzuerlegen. Denn insoweit ist das vorliegende Aussetzungsverfahren durch eine falsche Sachbehandlung des Finanzamts veranlasst worden. Das Finanzamt hat nämlich - trotz der Zusage, wegen der Gewerbesteuerrückstellung die Steuerfestsetzung nochmals zu ändern - den dort gestellten Aussetzungsantrag in vollem Umfang abgelehnt.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 7g EStG

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