Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

06.09.2006 · IWW-Abrufnummer 062626

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.09.2003 – 1 U 230/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


I-1 U 230/02

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. Oktober 2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.909,09 ? nebst 4 % Zinsen seit dem 8. November 2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden künftigen materiellen Schaden, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind, und jeden künftigen immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 3. November 1996 in Dormagen-Zons zu ersetzen, und zwar unter Berücksichtigung eines Mithaftungsanteils des Klägers in Höhe von 40 %.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 64 % dem Kläger und zu 36 % der Beklagten auferlegt.

Die im Berufungsrechtszug angefallenen Kosten tragen der Kläger zu 52 % und die Beklagte zu 48 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.

Er dringt zwar nicht mit seinem Einwand durch, ihn treffe kein Verschulden an der Entstehung der streitgegenständlichen Kollision, so dass ihm die Beklagte in vollem Umfang seine materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen hätte. Indes wird die durch das Landgericht ausgesprochene Mithaftungsquote des Klägers von 40 % dem Gewicht seines Mitverursachungsbeitrages wegen des überwiegenden Verschuldens des Zeugen D nicht ganz gerecht.

Der Kläger ist im Ergebnis nur mit einer Eigenhaftungsquote von 30 % zu belasten. Daraus ergibt sich, dass - ebenso wie bereits durch das Landgericht festgestellt - die unstreitigen Sachschäden des Klägers durch die vorprozessualen Leistungen der Beklagten ausgeglichen sind. Hinsichtlich seiner Schmerzensgeldforderung verbleibt eine restliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten in Höhe von 10.909,09 ?.

Unbegründet ist das Rechtsmittel des Klägers auch insoweit, als er sich gegen die Höhe des ihm durch das Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrages wendet. Durch die angefochtene Entscheidung hat es seinem Verlangen auf Zuerkennung eines Betrages von mindestens 20.451,68 ? (40.000 DM) entsprochen. Die Tatsache, dass die insoweit tenorierte Leistungsverpflichtung der Beklagten einen geringeren Betrag ausmacht, beruht auf der Notwendigkeit der Berücksichtigung der zu Lasten des Klägers in Ansatz zu bringenden Eigenhaftungsquote sowie der vorprozessualen Zahlungen der Beklagten.

II.

Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:

Unbegründet ist der Einwand des Klägers, ihm sei kein unfallursächlicher Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO anzulasten. Er macht insbesondere ohne Erfolg geltend, er habe wegen des rechts von seiner Fahrspur verlaufenden, 1,35 m breiten Radweges einen etwas größeren Abstand als ca. 1 m zu der den Weg markierenden durchgehenden weißen Linie einhalten müssen. Vielmehr ist nach dem Ergebnis des vorprozessual eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dr.-Ing. P. eine Missachtung der Vorschrift des § 2 Abs. 2 StVO durch den Kläger als Mitursache für die Entstehung des Kollisionsereignisses erwiesen.

1) Unstreitig haben sich die Parteien vorprozessual darauf verständigt, durch den Sachverständigen die dem Unfall zugrundeliegenden Tatsachen feststellen zu lassen, ohne dass aber durch den Gutachter eine rechtliche Bewertung des Kollisionsereignisses im Sinne der Bestimmung einer quotenmäßigen Haftungsverteilung vorgenommen werden sollte (Bl. 3, 43 d. A.). Damit ist der Sachverständige als ein von den Parteien durch Schiedsgutachtervertrag bestellter Dritter zu behandeln. Einem solchen sind auch für das Gericht verbindliche Feststellungen entscheidungserheblicher Tatsachen übertragen (Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 23. Auflage, § 402, Rdnr. 4 mit Hinweis auf BGH NJW 1982, 179; BGHZ 6, 335 und weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Da die gemäß § 1029 ZPO getroffene Schiedsvereinbarung jedoch allein die dem streitigen Unfallablauf zugrundeliegenden Tatsachen betrifft, obliegt die quotenmäßige Bewertung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Parteien gemäß §§ 7, 17 StVG dem Gericht.

2) Ausweislich der Unfallrekonstruktionszeichnung des Sachverständigen (Bl. 33 d. A.) hat sich der Frontalzusammenstoß ereignet, als der Kläger mit seinem Motorrad etwa die Mitte der für seine Richtung vorgesehenen Fahrspur der Aldenhofenstraße benutzte, während der durch den Zeugen D. gesteuerte Pkw Fiat Panda sich mit seiner rechten Seite bündig an der unterbrochenen Leitlinie der Straße entlang fortbewegte. Zum Zeitpunkt des Unfalles war somit der Pkw bereits in voller Breite auf die durch den Kläger benutzte Fahrspur für den Gegenverkehr gesteuert. Nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen ereignete sich der Zusammenstoß unter einer nur sehr geringen Winkelstellung der Längsachsen der beteiligten Fahrzeuge bei einer sehr geringen Fahrzeugüberdeckung (Bl. 18 d. A.). Nach der zeichnerisch anhand der Unfallschäden rekonstruierten Anstoßkonfiguration prallte der Kläger mit der linken Vorderhälfte seines Motorrades gegen die vordere linke Fahrzeugecke des Pkw des Zeugen D. (Bl. 32 d. A.).

3) Der Sachverständige ist als Ergebnis seiner Unfallrekonstruktion zu der Feststellung gelangt, dass der Kläger die Frontalkollision - auch ohne ein Ausweichen auf die rechtsseitige Radspur - hätte vermeiden können, wenn er eine rechtsorientierte Fahrweise eingehalten hätte (Bl. 19 d. A.).

a) Diese Schlussfolgerung wird durch die Unfallrekonstruktionszeichnung des Sachverständigen veranschaulicht. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes befand sich die Mittelachse des Motorrades des Klägers auf seiner ca. 3 m breiten Fahrspur ca. 1,50 m von der straßenmittig aufgebrachten unterbrochenen Leitlinie entfernt.

b) Nach der Unfallrekonstruktionszeichnung entfällt auf das Motorrad - von Außenspiegel zu Außenspiegel - eine Breite von ca. 90 cm. Daraus ergibt sich, dass es schon dann nicht zu dem Begegnungszusammenstoß gekommen wäre, wenn der Kläger bei der Annäherung an den Pkw sein Motorrad etwas mehr als einen halben Meter nach rechts zu dem Fahrradweg hin gesteuert hätte.

4) Zwar hätte er dann keinen Sicherheitsabstand von 1 m zu diesem Sonderweg mehr einhalten können. Indes vermag dieser Umstand den Kläger nicht hinsichtlich des Vorwurfes eines Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO zu entlasten.

Das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO ist - wie schon der Wortlaut erkennen lässt - nicht starr. Was "möglichst weit rechts" bedeutet, hängt ab von der Örtlichkeit, der Fahrbahnart und -beschaffenheit, der Fahrgeschwindigkeit, den Sichtverhältnissen, dem Gegenverkehr und anderen Umständen. Dabei hat der Kraftfahrer einen gewissen Beurteilungsfreiraum, solange er sich so weit rechts hält, wie es im konkreten Straßenverkehr "vernünftig" ist (BGH NJW 1996, 3003, 3004 mit Hinweis auf BGH NJW 1990, 1850). Hätte der Kläger eine in diesem Sinne "vernünftige" Fahrweise eingehalten, wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er bei dem Anblick des sich ihm auf Kollisionskurs nähernden Pkw des Zeugen D. nach rechts hin auswich - auch auf die Gefahr hin, dass er dabei kurzfristig den Sicherheitsabstand von 1 m zu dem rechtsseitigen Fahrradweg unterschritt oder möglicherweise im Zuge eines plötzlichen Ausweichmanövers sogar auf den Sonderweg geriet.

a) Unstreitig ist es dem Zeugen D., der dem Kläger vorausgefahren war, gelungen, sich vor dem herannahenden Pkw des Zeugen D. durch ein Ausweichmanöver nach rechts auf den Radweg in Sicherheit zu bringen. In seiner schriftlichen Unfalldarstellung, die der Zeuge unter dem Datum des 8. November 1996 in dem Ermittlungsverfahren 908 Js 2392/96 StA Düsseldorf gemacht hat (Bl. 135 d. A.), hat er im Einzelnen geschildert, zunächst sei der Kläger in einem Abstand von ca. 20 m links hinter ihm versetzt gefahren und habe deshalb nicht mehr ausweichen können, während er, der Zeuge, beim Anblick des plötzlich in ihre Spur hinüberziehenden Pkw noch nach rechts auf den Radweg habe ausweichen können (Bl. 135 d. A.).

b) In diesem Zusammenhang verfängt nicht der Einwand des Klägers, er habe sogar einen etwas größeren Abstand als ca. 1 m zu dem Sonderweg einhalten müssen, um eine Gefährdung etwaiger Radfahrer zu vermeiden, da ein Begegnungsverkehr von Radfahrern die Einhaltung einer derartigen Sicherheitsdistanz erfordert hätte (Bl. 286 d. A.).

aa) Die Entscheidung der Frage, ob das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO verletzt ist, kann nicht auf der Grundlage einer abstrakten Gefahrensituation vorgenommen werden. Wie bereits ausgeführt, hat der Kraftfahrer einen gewissen Beurteilungsspielraum, solange er sich so weit rechts hält, wie es im konkreten Falle im Straßenverkehr "vernünftig" ist (BGH a. a. O.). Dem Vorbringen des Klägers ist nun aber nicht zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt des Kollisionsgeschehens auf dem Streckenabschnitt im Bereich der Unfallstelle ein irgendwie geachteter Fahrradverkehr auf dem Sonderweg stattfand. Bereits in der Klageerwiderung ist vorgetragen, dass zum Zeitpunkt des Schadensereignisses am 3. November 1996, einem Sonntag, gegen 20.20 Uhr kein Fahrradfahrer auf der Aldenhofenstraße sichtbar war, der den Kläger hätte gefährden können (Bl. 116 d. A.). Dieses Vorbringen wiederholt die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung (Bl. 237 d. A.). Irgendeine konkrete Gefährdungssituation wegen eines unfallnahen Radfahrverkehrs trägt der Kläger auch in seiner Rechtsmittelbegründung nicht vor.

bb) Von Bedeutung ist hier die Vorschrift des § 42 Abs. 6 Ziff. 1 g StVO. Nach dieser Bestimmung dürfen andere Fahrzeuge die Markierung dann, wenn am rechten Fahrbahnrand mittels einer unterbrochenen Leitlinie ein Schutzstreifen für Radfahrer markiert ist - so wie auf den durch den Sachverständigen gefertigten Lichtbildern ersichtlich (Bl. 56 d. A.) - diese bei Bedarf überfahren. Eine Gefährdung von Radfahrern ist dabei auszuschließen.

Da sich nicht feststellen lässt, dass kurz vor dem Kollisionsereignis in der Nähe der Unfallstelle es einen Radfahrverkehr auf dem Sonderweg gab, war somit der Kläger nach Lage der Dinge nicht gehindert, auf diesen Weg auszuweichen oder zumindest in Wahrnehmung des Rechtsfahrgebots des § 2 Abs. 2 StVO zum rechten Fahrbahnrand auszuweichen, auch wenn dabei der sonst übliche Sicherheitsabstand zu dem Radweg deutlich unterschritten wurde. Beide hypothetischen Verhaltensweisen des Klägers hätten nach den gutachterlichen Erkenntnissen aller Wahrscheinlichkeit nach das Kollisionsereignis vermieden.

5) Zwar hat der Zeuge F. in seiner schriftlichen Unfallschilderung vom 10. November 1996, die er ebenfalls für das bezeichnete Ermittlungsverfahren gemacht hat, im Gegensatz zu der Darstellung des Zeugen D. angegeben, beide Motorradfahrer seien nebeneinander auf der rechten Fahrbahn gefahren; der so halb auf die Gegenfahrbahn geratene Pkw habe dann das linke Motorrad erfasst (Bl. 136 d. A.). Selbst wenn dieser Sachverhalt zuträfe, wäre dem Kläger als dem linken der durch den Zeugen beobachtete Motorradfahrer immer noch ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot anzulasten. Damit kann im Ergebnis dahinstehen, ob kurz vor dem Kollisionsgeschehen der Kläger sein Motorrad in paralleler Fahrweise und in gleicher Höhe zu dem Motorrad des Zeugen D. steuerte oder ob entsprechend der Schilderung dieses Zeugen sich beide Motorräder seitlich voneinander versetzt mit einem Abstand von ca. 20 m fortbewegten. Entscheidend ist jedenfalls, dass nach den Bekundungen beider Zeugen der Kläger wegen seiner zur Fahrbahnmitte hin orientierten Fahrweise nicht mehr in der Lage war, rechtzeitig vor dem sich auf Kollisionskurs nähernden Pkw des Zeugen D. nach rechts auszuweichen.

III.

1) Nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (Bl. 258/259 d. A.) hat der Zeuge D. gegen seine Verpflichtung aus § 6 Satz 1 StVO verstoßen.

a) Danach muss der Verkehrsteilnehmer, der an einem haltenden Fahrzeug, einer Absperrung oder an einem sonstigen Hindernis auf der Fahrbahn links vorbeifahren will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Diesen Sorgfaltsanforderungen ist der Zeuge nicht gerecht geworden, weil er den Vorrang des auf einem Motorrad entgegenkommenden Klägers nicht beachtet hat.

b) Den Vorrang nach § 6 StVO hat der bei Beginn der Vorbeifahrt bereits sichtbare Gegenverkehr (Senat, Urteil vom 16. Juni 1997, Aktenzeichen 1 U 47/96; OLG Schleswig OLGR 1996, 210). Nach den Feststellungen des Sachverständigen verläuft die Fahrbahn der Aldenhofenstraße im Bereich der Unfallstelle geradlinig, ist frei von Sichthindernissen und weiträumig einsehbar (Bl. 14 d. A.). Die freie Einsehbarkeit ergibt sich auch aus den durch den Sachverständigen gefertigten Lichtbildern (Bl. 56 d. A.). Demnach hätte entsprechend den Ausführungen im angefochtenen Urteil der Zeuge die Kollision vermeiden können, wenn er die gebotene Aufmerksamkeit und Sorgfalt hätte walten lassen und angesichts des auch in der Dunkelheit sichtbaren Gegenverkehrs dessen Durchfahrt abgewartet hätte, als er seinerseits zur Vorbeifahrt an den auf seiner Fahrbahnseite rechtsseitig abgestellten Pkws ansetzte. Nach der Darstellung des Zeugen V., deren Richtigkeit insoweit von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird, war sowohl an dem Motorrad des Klägers als auch an demjenigen des Zeugen D. das Licht eingeschaltet (Bl. 136 d. A.).

c) Zwar mag aus der Sicht des Zeugen D. der Blick auf den Kläger und den Zeugen Dohm durch einen Geländewagen versperrt gewesen sein, der nach der schriftlichen Aussage des letzteren den beiden Motorrädern vorausfuhr (Bl. 135 d. A.). Da der Zeuge D jedoch den Abstand zwischen diesem Wagen und seinem Motorrad mit nur ca. 25 m angegeben hat, ist davon auszugehen, dass die beiden Motorräder nach der Durchfahrt des Geländewagens sogleich in das Sichtfeld des Zeugen D gerieten.

2) Es lässt sich indes nicht feststellen, dass auch dem Zeugen D der Vorwurf eines unfallursächlichen Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO zu machen ist.

Wie die Unfallrekonstruktionszeichnung des Sachverständigen erkennen lässt, war der Zeuge mit seinem Pkw Fiat Panda anlässlich des Zusammenstoßes bereits ganz in die Fahrspur der Gegenrichtung hineingefahren, wobei die rechte Seite seines Fahrzeuges die unterbrochene Leitlinie auf der Mitte der Aldenhofenstraße berührte (Bl. 33 d. A.). Nach den Umständen war ein derartig weites Ausweichen des Zeugen D auf die durch den Kläger benutzte Fahrspur war nicht zwingend erforderlich, um gefahrlos an den rechtsseitig geparkten Pkws vorbeizufahren. Denn der Abstand zwischen deren - aus der Fahrtrichtung des Zeugen D. gesehen - linken Seite und der unterbrochenen Leitlinie macht nach der zeichnerischen Darstellung des Sachverständigen eine Distanz von ca. 1,10 m aus. Tatsächlich hat der Zeuge D. einen Abstand von der - verlängerten - seitlichen Fluchtlinie der Fahrzeuge von ca. 1,20 m eingehalten. Berücksichtigt man den üblichen Sicherheitsabstand von 1,00 m, wird deutlich, dass der Zeuge nicht übermäßig weit auf die Gegenspur geraten ist. Im Übrigen hätte ein seitlicher Versatz des durch den Zeugen gesteuerten Fahrzeuges von 20 cm nach rechts den Unfall nicht vermieden.

3) Der Sachverständige hat sowohl für das Motorrad des Klägers als auch für den Pkw Fiat Panda des Zeugen D. jeweils eine Kollisionsgeschwindigkeit zwischen 40 und 50 km/h errechnet (Bl. 18, 19 d. A.). Nicht zuletzt dieser Umstand macht deutlich, dass der Zeuge D. den Vorrang des entgegenkommenden Klägers grob missachtet hat.

Es kommt nicht darauf an, wer von den aufeinander zufahrenden Verkehrsteilnehmern die Engstelle zuerst erreicht. Denn § 6 StVO will jeden Anreiz zur Beschleunigung vor vorübergehenden Hindernissen ausschließen. Vorrang hat der Gegenverkehr vielmehr schon, wenn er am zügigen, wenn auch notfalls angepasst langsamen Durchfahren nennenswert gehindert wäre. Der Wartepflichtige muss warten, wenn der Gegenverkehr sonst nennenswert verlangsamen oder erst Gewissheit darüber abwarten müsste, ob sein Vorrang beachtet wird. Wie bei der Vorfahrt (§ 8 StVO) muss sich der Wartepflichtige vor dem Hindernis klar als solcher verhalten. Er hat durch sein Verhalten anzuzeigen, dass er warten werde, sonst haftet er (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage, § 6 StVO, Rdnr. 5).

IV.

1) Der Senat vermag sich nicht der Bewertung des Landgerichts anzuschließen, die jeweils von dem klägerischen Motorrad und dem Pkw des Zeugen D ausgegangene Betriebsgefahr seien gleich zu gewichten (Bl. 258 d. A.). Vielmehr ist festzustellen, dass die Betriebsgefahr des Pkw deutlich gesteigert war. Denn dieser war bereits mit seiner gesamten Breite auf die durch den Kläger benutzte Gegenfahrbahn gesteuert, so dass sich für ihn der Wagen als ein plötzliches Frontalhindernis darstellte. Hinzu kommt die beträchtliche Kollisionsgeschwindigkeit des Wagens zwischen 40 km/h und 50 km/h.

2) Im Ergebnis führt die Abwägung aller unfallursächlichen Umstände gemäß §§ 7, 17 StVG zu der Feststellung einer überwiegenden Haftung des Zeugen D. - und damit auch der Beklagten (§ 3 Nr. 1 und Nr. 2 Pflichtversicherungsgesetz) - im Umfang einer Beteiligungsquote von 70 %.

a) Der Senat vermag sich nicht der durch das Landgericht vertretenen Ansicht einer Gleichwertigkeit der von den Fahrzeugen jeweils ausgegangenen Betriebsgefahr anzuschließen. Diejenige des Pkw des Zeugen D. war schon aufgrund der Tatsache erhöht, dass er voll in die durch den Kläger benutzte Gegenfahrbahn hineingeraten war.

b) Bei einem Begegnungszusammenstoß infolge einer Fahrbahnverengung ist in der Regel von der überwiegenden oder sogar alleinigen Haftung des Verkehrsteilnehmers auszugehen, auf dessen Fahrbahnhälfte sich das Verkehrshindernis befindet, da er den Vorrang des Gegenverkehrs missachtet hat (§ 6 Satz 1 StVO; Grüneberg, Haftungsquoten im Straßenverkehr, 7. Auflage, Rdnr. 195). Bei einer Mitverursachung des Unfalls durch das entgegenkommende Fahrzeug infolge eines Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO ist in der Regel dessen Mithaftung zumindest in Höhe der einfachen Betriebsgefahr, unter Umständen bis zur hälftigen Schadensteilung, in Betracht zu ziehen (Grüneberg, a. a. O., Rdnr. 196). Gegen eine hälftige Schadensteilung spricht im vorliegenden Fall, dass die dem Zeugen D. anzulastenden Pflichtwidrigkeiten überwiegen. Er hat sich entweder infolge eines Beobachtungs- oder Reaktionsverschuldens bei dem Versuch der Vorbeifahrt an den parkenden Wagen nicht auf den bevorrechtigten Gegenverkehr eingestellt, der ihm in Gestalt des Motorrad fahrenden Klägers und des Motorrad fahrenden Zeugen D. entgegenkam. Hinzu kommt, dass dem Zeugen D. neben einem Verstoß gegen § 6 StVO auch anzulasten ist, in der Dunkelheit mit einer nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 StVO zu hohen Ausgangsgeschwindigkeit auf die Spur für den Gegenverkehr gefahren zu sein.

c) Kann der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs die Mitbenutzung seiner Fahrbahnhälfte rechtzeitig erkennen, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern oder weiter rechts zu fahren, kann in der Regel von einer hälftigen Schadensteilung ausgegangen werden, da er in diesen Fällen auf sein Vorrecht verzichten muss - § 11 Abs. 3 StVO - (Grüneberg, a. a. O., Rdnr. 197). Es ist indes nicht ersichtlich, dass der Kläger das Herannahen des Zeugen D. auf der durch ihn benutzten Fahrspur rechtzeitig erkennen konnte. Dem steht die Darstellung des Zeugen D. entgegen, der "Pkw aus dem Gegenverkehr" sei so plötzlich in die durch ihn und den Kläger benutzte Fahrspur herübergezogen, dass er, der Zeuge, nur noch im Rahmen einer Notreaktion nach rechts auf den Radweg habe ausweichen können (Bl. 135 d. A.). Insoweit mag auch der weitere durch den Zeugen geschilderte Umstand eine Rolle gespielt haben, dass er mit dem Kläger zunächst hinter einem Geländewagen hergefahren war. Dieser vorausfahrende Wagen hat möglicherweise in Verbindung mit den - aus der Fahrtrichtung des Klägers gesehen - am linksseitigen Straßenrand abgestellten Wagen in der Dunkelheit den Blick auf den aus der Gegenrichtung nahenden Pkw Fiat Panda versperrt oder zumindest erschwert.

Im Ergebnis erscheint es deshalb gerechtfertigt, den Kläger nur mit einer Eigenhaftungsquote von 30 % zu belasten.

V.

Ohne Erfolg bleibt sein Rechtsmittel indes insoweit, als er sich gegen die Höhe des ihm durch das Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrages wendet.

1) Er vertritt die Ansicht, unter Berücksichtigung der ihm verbleibenden unfallbedingten Dauerschäden sei auf der Grundlage einer 100 %-igen Haftung der Beklagten ein Schmerzensgeldbetrag in Höhe von mindestens 40.000 DM, entsprechend 20.451,68 ?, angemessen (Bl. 287 d. A.).

2) Das Landgericht hat dem Kläger auf der Grundlage einer Eigenhaftungsquote von 40 % ein Schmerzensgeld von 13.000 ?, entsprechend etwa 25.000 DM, zuerkannt. Dabei ist der dem Kläger anzulastende Mitverschuldensanteil ausdrücklich als Zumessungsfaktor im Rahmen des § 847 BGB erwähnt (Bl. 266 d. A.). Auf der Grundlage einer hypothetischen Einstandsverpflichtung der Beklagten für die immateriellen Schäden des Klägers in Höhe von 100 % errechnet sich nach dem Bewertungsansatz des Landgerichts ein Gesamtbetrag von 21.666,66 ?. Dieser Betrag liegt über der Schmerzensgeldsumme von 20.451,68 ?, die der Kläger mit seiner Berufung auf der Basis einer angenommenen 100 %-igen Haftung der Beklagten geltend macht (Bl. 287 d. A.).

3) Der Kläger, der ein angemessenes Schmerzensgeld unter Angabe eines Mindestbetrags begehrt hat, ist nicht beschwert, wenn das Gericht ihm diesen Betrag zugesprochen, aber abweichend von seiner Auffassung ein Mitverschulden bejaht hat (BGH NJW 2002, 212). Gleichwohl kann die Berufung nicht als unzulässig angesehen werden, soweit der Kläger sich gegen die Höhe des ihm durch das Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes wendet. Denn anders als in dem durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist der Kläger durch die angefochtene Entscheidung formell beschwert: In erster Instanz hatte er die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.451,68 ?, entsprechend 40.000 DM, begehrt. Zugesprochen hat ihm das Landgericht unter Berücksichtigung seines Mitverschuldensanteiles und der vorprozessualen Zahlungen der Beklagten lediglich einen immateriellen Schadensausgleich im Umfang von 6.650,92 ?. Im Gegensatz dazu hatte in der zitierten Entscheidung die erste Instanz der Klägerin das nicht bezifferte Schmerzensgeld in der angegebenen Mindestbetragshöhe von 10.000 DM zuerkannt und ihr gleichzeitig ein Mitverschulden von 20 % angelastet.

4) Das in Bezug auf das Schmerzensgeldbegehren statthafte Rechtsmittel des Klägers kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben, da sein Mitverschulden bei der Bemessung der Ausgleichsverpflichtung der Beklagten nach § 847 BGB zwangsläufig als Bewertungsfaktor Berücksichtigung finden muss. Zieht man zudem die unstreitigen vorprozessualen Zahlungen der Beklagten in die Berechnung mit ein, verbleibt eine Ausgleichsverpflichtung der Beklagten für die immateriellen Schäden des Klägers im Umfang von 10.909,09 ?. Eine weitergehende Leistungsverpflichtung der Beklagten zum Ersatz materieller Schäden des Klägers besteht nicht. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

a) Von keiner Partei angefochten sind die Darlegungen im Urteil des Landgerichts, welche die Höhe des Sachschadens sowie des Verdienstausfallschadens des Klägers betreffen. Diese stellen sich entsprechend der Zusammenfassung in der Berufungsbegründung auf den Gesamtbetrag von 42.802,56 DM (Sachschaden: 12.636,47 DM + Verdienstausfallschaden 30.166,09 DM; Bl. 285 d. A.). Berechnet man von dem Gesamtumfang der materiellen Schäden des Klägers den ihm zustehenden Anteil -von 70 %, verbleibt ein berücksichtigungsfähiger Betrag in Höhe von - aufgerundet - 29.961,80 DM.

Die vorprozessualen Zahlungen der Beklagten stellen sich unstreitig auf 38.288,89 DM (Bl. 285 d. A.). Bringt man davon die ersatzfähigen Vermögenseinbußen des Klägers (29.961,80 DM) in Abzug, verbleibt ein Saldo von 8.327,09 DM.

b) Wie bereits ausgeführt, errechnet sich auf der Grundlage einer hypothetischen 100 %-igen Haftung der Beklagten nach dem Bewertungsansatz des Landgerichts, welcher einen klägerischen Mitverschuldensanteil von 40 % berücksichtigt, ein Gesamtbetrag von 21.666,66 ?, entsprechend 42.376,30 DM. Der davon dem Kläger zustehende 70 %-ige Anteil stellt sich auf 29.663,41 DM. Davon ist der nach den vorprozessualen Zahlungen des Beklagten verbleibende Überschusssaldo, der sich unter Anrechnung auf die materiellen Schäden des Klägers im Umfang von 8.327,09 DM ergibt, abzuziehen. Damit verbleibt als begründete Leistungsverpflichtung der Beklagten auf das klägerische Schmerzensgeldverlangen ein Betrag von 21.336,32 DM, entsprechend 10.909,09 ?.

VI.

Ein Anlass zu einer Abänderung des Feststellungstenors des Urteils des Landgerichts mit der Maßgabe der Aufnahme eines Mithaftungsanteils des Klägers in Höhe von nur 30 % besteht nicht, da er insoweit das erstinstanzliche Urteil nicht mit der Berufung angreift.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 22.759,48 ?.

Die Beschwerde der Parteien liegt jeweils unter 20.000 ?.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

RechtsgebietStVOVorschriftenStVO § 2 Abs. 2 StVO § 42 Abs. 6 Ziff. 1 g

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr