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25.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062503

Finanzgericht Düsseldorf: Beschluss vom 23.05.2006 – 15 V 1431/06 A (V)

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob für das Streitjahr 1992 hinsichtlich der Vermögensteuer bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist und der Antragsgegner damit am Erlass eines geänderten Vermögensteuerbescheids gehindert ist.

Die Antragsteller sind Ehegatten, die im Streitjahr 1992 beim Antragsgegner - dem Finanzamt "F-Stadt" - zusammen mit ihrem Sohn zur Vermögensteuer veranlagt wurden. Die Antragsteller wurden am 20.05.1994 zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung auf den 01.01.1992 aufgefordert. Die Antragsteller gaben daraufhin ihre Vermögensteuererklärung 1992 am 22.08.1994 ab. Diese wurde von den Antragstellern zuerst nicht unterschrieben. Mit Schreiben vom 14.10.1994 reichten die Antragsteller jedoch nach einem Hinweis des Antragsgegners ein unterschriebenes Erklärungsformular nach. Ein Vermögensteuerbescheid erging am 07.10.1994. Dieser wurde bestandskräftig. Die Antragsteller besaßen im Streitjahr erhebliche Kapitalanlagen in der Schweiz, in Luxemburg und in Liechtenstein, die sie nicht in ihrer Vermögensteuererklärung erfassten.

Am 05.11.2003 erstattete der Antragsteller eine Selbstanzeige hinsichtlich des im Ausland angelegten Vermögens. Mit Schreiben vom 12.11.2003 leitete das örtlich zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung "F-Stadt" gegenüber den Antragstellern das Steuerstrafverfahren für die Jahre 1998 bis 2001 ein. Gleichzeitig wurden "Aufstellungen und Unterlagen ab dem Veranlagungsjahr 1992 bis 2001" angefordert. Die Ermittlungen begannen dann am 30.01.2004. Hinsichtlich der Feststellungen der durchgeführten Fahndungsprüfung wird auf den Bericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung "F-Stadt" vom 28.02.2005 verwiesen. Ein geänderter Vermögensteuerbescheid für das Jahr 1992 erging seitens des Antragsgegners am 07.06.2005.

Die Antragsteller legten gegen den geänderten Vermögensteuerbescheid 1992 am 06.07.2005 Einspruch ein. Gleichzeitig beantragten sie die Aussetzung der Vollziehung. Diese wurde vom Antragsgegner mit Schreiben vom 18.07.2005 abgelehnt. Mit Schreiben vom 24.03.2006 kündigte der Antragsgegner zudem die Vollstreckung der rückständigen Vermögensteuer 1992 an.

Mit ihrem am 31.03.2006 beim Finanzgericht eingegangenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung berufen sich die Antragsteller auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Der Hauptveranlagungszeitpunkt nach § 15 Abs. 1 VStG sei für die Vermögensteuer der 01.01.1989 gewesen. Der dreijährige Hauptveranlagungszeitraum sei durch Art. 10 StÄndG auf den 01.01.1993 verschoben worden. Für das Streitjahr verbleibe es daher beim Hauptveranlagungszeitpunkt zum 01.01.1989. Die Hauptveranlagung 1989 sei aufgrund einer im Kalenderjahr 1989 abgegebenen Steuererklärung durchgeführt worden. Sie seien zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung aber nur auf den Hauptfeststellungszeitpunkt verpflichtet gewesen. Nach § 170 Abs. 4 AO werde der Beginn der Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer hinausgeschoben. Da die Vermögensteuererklärung 1989 zum Hauptfeststellungszeitpunkt bereits im Kalenderjahr 1989 abgegeben worden sei, beginne die Festsetzungsverjährung für die Vermögensteuer 1992 bereits mit Ablauf des 31.12.1992 zu laufen. Zudem sei ihre Vermögensteuererklärung für 1992 von Ihnen nicht unterschrieben worden.

Auch seien sie nicht zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert worden. Unter Zugrundelegung der zehnjährigen Verjährungsfrist sei daher die Vermögensteuer 1992 mit Ablauf des 31.12.2002verjährt. Der geänderte Bescheid vom 07.06.2005 sei somit rechtswidrig. Für den Fall, dass die Vermögensteuererklärung 1989 erst im Kalenderjahr 1990 abgegeben worden sei, sei zudem darauf hinzuweisen, dass die Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO mit Ablauf des 05.11.2004 geendet habe. Der Antragsgegner verkenne, dass die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 9 AG in den Fällen der Selbstanzeige der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO als speziellere Regelung vorgehe. Die Vorschrift des § 171 Abs. 5 AO greife nach dem Eintritt der Strafverfolgungsverjährung des § 78 Strafgesetzbuch nicht mehr ein. Die Vorschrift sei mit der Aufgabe des Fortsetzungszusammenhangs durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutungslos geworden.

Die Antragsteller beantragen,

den Vermögensteuerbescheid 1992 vom 07.06.2005 in Höhe von 15.596,95 EUR von der Vollziehung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass bei Erlass des geänderten Vermögensteuerbescheides 1992 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Mit der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens seien Unterlagen auch für das Jahr 1992 angefordert worden. Die Anforderung sei Teil der Prüfung durch das Finanzamt aufgrund der eingegangenen Selbstanzeige, die auch für das Jahr 1992 gelten sollte. Dadurch sei für die Antragsteller erkennbar gewesen, dass die Ermittlungen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung "F-Stadt" auch auf das Jahr 1992 ausgedehnt worden seien. Die Vorschrift des § 171 Abs. 9 AO gehe auch nicht der Vorschrift des § 171 Abs. 5 AO vor. Beide Ablaufhemmungen stünden gleichberechtigt nebeneinander. Mithin könne die Festsetzungsverjährung erst dann eintreten, wenn die längere Ablaufhemmung abgelaufen sei. Im Übrigen seien die Ausführungen der Antragsteller über den Beginn der Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer auf den 01.01.1992 über den Hauptveranlagungszeitpunkt 01.01.1989 und der Annahme des Erklärungseingangs im Jahr 1989 unbeachtlich.

Für die Festsetzungsfrist der Vermögensteuer sei der tatsächliche Eingang der Erklärung maßgeblich. Der Eingang der Erklärung für den Hauptveranlagungszeitpunkt spiele keine Rolle.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Ermittlungsakten der Steuerfahndung verwiesen.

II.
Der Antrag ist nicht begründet.

Es bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Vermögensteuerbescheides 1992 vom 07.06.2005. Entgegen der Auffassung der Antragsteller stand der geänderten Vermögensteuerfestsetzung der Ablauf der Festsetzungsverjährung nicht entgegen.

I
1. Nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AG beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Vermögensteuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Jahres, in dem die entsprechende Erklärung eingereicht wurde. Bei Nichtabgabe einer Erklärung beginnt die Frist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. [Die Festsetzungsfrist für die Vermögensteuer auf den 01.01.1992 begann damit hi1er mit Ablauf des 31.12.1994, da die Antragsteller am 22.08.1994 eine Vermögensteuererklärung eingereicht hatten.

2. Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AG grundsätzlich vier Jahre, soweit eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist, fünf und, soweit eine Steuer hinterzogen wurde, zehn Jahre. Hier ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die zehnjährige Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung anzuwenden ist. Die zehnjährige Festsetzungsfrist endete damit am. 31.12.2004. Weiter ergibt sich aus den dem Senat vorliegenden vollständigen Ermittlungsakten der Steuerfahndung, dass diese mit konkreten Prüfungsmaßnahmen am 30.01.2004 begonnen hat. ,Damit hat der Antragsgegner die Hemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AG am 30.01 j2004 herbeigeführt. Denn beginnen die Steuerfahndungsämter vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

3. Entgegen der Auffassung der Antragsteller wird die Vorschrift des § 171 Abs. 5 AG nicht durch § 171 Abs. 9 AG verdrängt. Nach der! letztgenannten Vorschrift endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang einer vor Ablauf der Festsetzungsfrist erstatteten Selbstanzeige. Weder dem Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich entnehmen,1 dass in Fällen der Selbstanzeige die Rechtsfolgen des § 171 Abs. 5 AQ nicht zur Anwendung kommen. § 171 Abs. 9 AG hat lediglich zum Ziel, der Finanzbehörde Gelegenheit zu geben, eine Selbstanzeige auszuwerten, wobei der Zeitraum von einem Jahr angesichts der vollständigen und genauen Informationen, die der Steuerpflichtige für eine Selbstanzeige vorlegen muss, vom Gesetzgeber für den Regelfall als
ausreichend angesehen wurde.

Der Regelungszweck des § 171 Abs. 5 Satz 2 AG geht jedoch demgegenüber weiter. Die Vorschrift hat zum Ziel, während der - im Einzelfall umfangreichen und zeitaufwändigen - Ermittlungen der Steuerfahndung die Möglichkeit einer Änderbarkeit des Bescheids in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Sie enthält aus diesem Grund keine zeitliche Grenze. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob hinsichtlich der Tat, die Gegenstand der Selbstanzeige ist, bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Denn auch in diesem Fall gehört entgegen der Auffassung der Antragsteller die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 Ab zu den originären Aufgaben der Steuerfahndung (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 16.12.1997 VII B 45/97, BStBl II 1998, 231). Schon deshalb ist das Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen nicht gehindert, nach Eingang einer Selbstanzeige ein Steuerstrafverfahren einzuleiten. Dieses Verfahren dient damit zulässigerweise dazu, die in der Selbstanzeige gemachten Angaben' für Zwecke des Besteuerungsverfahrens auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen. Für eine derartige Überprüfung im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung besteht gerade in solchen Fällen Veranlassung, in denen _ wie im Streitfall - die in der Selbstanzeige enthaltenen Angaben zum verwirklichten Besteuerungstatbestand allein die Finanzbehörde nicht in die Lage versetzen, die zutreffenden steuerlichen Folgerungen zu ziehen.

4. § 171 Abs. 9 AO verdrängt Abs. 5 nach Auffassung des Senats lediglich für den Fall, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der 10-jährigen Festsetzungsfrist die Selbstanzeige erstattet und die Finanzbehörde erst nach Ablauf dieser Frist ein Steuerstrafverfahren einleitet. Denn nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ist es der Finanzbehörde untersagt, unter Hinweis auf § 171 Abs. 9 AO eine Steuerfahndungsmaßnahme einzuleiten und damit eine - grundsätzlich zeitlich unbegrenzte - Hemmung der Festsetzungsverjährung herbeizuführen (so zutreffend Kruse in Tipke/Kruse § 171 AO Rdnr. 84). Über einen derartigen Fall ist vorliegend jedoch nicht zu entscheiden. Denn die Ermittlungen hatten gegenüber den Antragstellern noch vor Ablauf der 10-jährigen Festsetzungsfrist begonnen.

5. Der Vortrag der Antragsteller, aufgrund des Hauptveranlagungszeitpunkts 01.01.1989 beginne die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31.12.1992 zu laufen, geht fehl. Denn es liegen bei summarischer Prüfung die Voraussetzungen für eine Neuveranlagung nach § 16 VStG auf den 01.01.1992 vor, da sich die Verhältnisse für die Ermittlung der Vermögensteuer gegenüber den Verhältnissen zum Hauptveranlagungszeitpunkt geändert haben. Der Antragsteller hat nach eigenen Angaben auch vor 1993 seitens seines Arbeitgebers "Provisionseinküntte" für ausgeführte Projekte sowie Zins- und Dividendeneinküntte erzielt. Diese führten in 1992 zu einer Steigerung seines Vermögens und damit zu einer vom letzten Feststellungszeitpunkt um mindestens 1.000,00 DM abweichenden Vermögensteuerfestsetzung. Der Antragsgegner hatte daher die Antragsteller zu Recht in 1994 zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung für das Jahr 1992 aufgefordert. Diese waren daher nach § 19 Abs. 1 Satz 2 VStG zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung verpflichtet. Ist ein Steuerpflichtiger zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet, ist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO für die Frage des Beginns der Festsetzungsverjährung seit dem 01.01.1994 auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Erklärungsabgabe abzustellen (Kruse in Tipke/Kruse, § 170 AO, Rz. 20). Diese ist in 1994 erfolgt.

6. An diesem Ergebnis vermag auch der Vortrag der Antragsteller nichts ändern, wonach die Vermögensteuererklärung von ihnen nicht unterschrieben gewesen sein soll. Zum einen ist dieser Vortrag ersichtlich unwahr. Zum anderen würde sich beim Fehlen der eigenhändigen Unterschritt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO berechnen. Die Festsetzungsfrist liefe dann aufgrund der dreijährigen Anlaufhemmung erst am 31.12.2005 ab.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO . Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird nach § 128 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. §115 Abs. 2 FGO nicht zugelassen. Die Beantwortung der von den Antragstellern aufgeworfenen Frage ergibt sich aus dem Gesetz und bedarf damit keiner höchstrichterlichen Klärung.

RechtsgebieteAO, VStGVorschriften§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 171 Abs. 5 S. 2 AO, § 171 Abs. 9 AO, § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 371 AO, § 16 Abs. 1 Nr. 2 VStG, § 19 Abs. 1 S. 2 VStG

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