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19.07.2006 · IWW-Abrufnummer 062095

Landgericht Bielefeld: Beschluss vom 26.02.1993 – Qs 568/92

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Qs 568/92 IX

Landgericht Bielefeld

Beschluss

Ermittlungsverfahren XXX

wegen Verdachts der Steuerhinterziehung

Auf den Antrag des Beteiligten zu 1) vom 1. Oktober 1992 auf gerichtliche Entscheidung gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld und Kosten durch die Verfügung des Beteiligten zu 2) vom 10. September 1992 hat die IX. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld durch XXX

am 26. Februar 1993 b e s c h l o s s e n :

Die angefochtene Festsetzungsverfügung wird aufgehoben.

Die Kosten dieses Antragsverfahrens und die durch den Antrag verursachten notwendigen Auslagen des Beteiligten zu 1) trägt die Landeskasse.

G r ü n d e

Das beteiligte Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung hat als Ermittlungsbehörde im Steuerstrafverfahren (§ 386 AO) gegen den Beteiligten zu.1) als Zeugen gemäß den §§ 399 Abs. 1 AO, 161a Abs. 2, 51 StPO ein Ordnungsgeld von 100,00 DM nebst Kosten festgesetzt, weil er einer Ladung zur Zeugenvernehmung durch das Finanzamt nicht nachgekommen war. Sein Ausbleiben hatte der Beteiligte zu 1) bereits vor dem Vernehmungstermin mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt, daß er eine Pflicht. zur Aussage nicht für gegeben halte. Erfragt werden sollte von ihm der Name eines Sparkassenkunden, dem am.13.07.1987 ein Betrag von 330.000,--DM auf einem Sparkassenbrief-Auslaufkonto der Sparkasse XXX gutgeschrieben worden war.

Der nach den §§ 399. Abs. 1 AO, 161a Abs. 3 StPO zulässige Antrag hat Erfolg. Er führt zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung.
Die Weigerung des. Zeugen war nicht unberechtigt im Sinne. des § 161a .Abs. 2 StPO. Denn es lag die nach § 54 StPO erforderliche Aussagegenehmigung des Dienstvorgesetzten bzw. Arbeitgebers des Beteiligten zu 1) nicht vor.

Die Vorschrift des § 54 StPO gilt auch für Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren und gemäß § 399 Abs. 1 AO demzufolge auch für die ermittelnde Finanzbehörde (Kleinknecht-Meyer, StPO, 40. Aufl., § 54 StPO Rdn.2). Sie schafft ein Beweiserhebungsverbot; Aussagepflicht und Aussagebefugnis entfallen soweit die Amtsverschwiegenheit reicht (Kleinknecht-Meyer, a.a.O.). Unerheblich ist, ob sich der Zeuge auf das Fehlen einer Aussagegenehmigung beruft. Liegt eine Aussagegenehmigung nicht vor, muß das Gericht bzw. die Ermittlungsbehörde die Vernehmung unterlassen, wenn der Zeuge über einen erkennbar der Schweigepflicht unterliegenden Vorgang aussagen soll und zwar auch dann, denn der Zeuge selbst zur Aussage bereit ist. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit ist für den Zeugen nicht disponibel. Erst mit der Erteilung der Aussagegenehmigung wird der Zeuge zu einem zulässigen Beweismittel (vgl. Löwe-Rosenberg, Komm. zur StPO, 24. Aufl., § 54 Rdn. 15; Karlsruher Kommentar, StPO, 2. Aufl., § 54 StPO Rdn. 12). Im vorliegenden Falle hatte der Beteiligte zu 1) in dem anwaltlichen Schreiben an das Finanzamt vom 23.07:1992 ausdrücklich auf seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. nach § 21 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen hingewiesen. Die Einholung einer Aussagegenehmigung. der zuständigen Behörde bzw. Stelle war daher unerläßlich (Löwe-Rosenberg, a.a.O., § 54 StPO Rdn. 11). Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Beteiligte zu 1) in dem, vorgenannten Schreiben hat erklären lassen, er werde aussagen, falls eine entsprechende gerichtliche Entscheidung ergehe. Der Zeuge kann die Geltung des § 54 StPO nicht von sich aus ausräumen, indem er seine Aussagebereitschaft (nur) von einer entsprechenden Gerichtsentscheidung abhängig macht. Das ergibt .sich bereits daraus, daß der Zeuge über seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 21 Sparkassengesetz NRW) nicht verfügen kann. Die Notwendigkeit einer Aussagegenehmigung vermag auch der Zeuge selbst nicht zu beseitigen.

Die Vorschrift des § 54 Abs. 1 StPO gilt auch für Angehörige öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, sie sind "andere Personen des öffentlichen Dienstes", bedürfen also der Aussagegenehmigung (Karlsruher Kommentar, StPO, 2. Aufl. § 54 Rdn. 8; Sichtermann, Bankgeheimnis und Bankauskunft, 3; Aufl. 1984. Seite 333/334; Heinevetter, Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen, 1971, § 21 Erl. 2;. vgl. auch Schlierbach, Das Sparkassenrecht in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin West, 2. Aufl. 1985, Seite ,152;. Ungnade in .WM,1976 Seite 1213; a. M. Kleinknecht-Meyer; StPO, 40. Aufl. § 54 Rdn: 10; KMR, StPO, 7. Aufl. § 54 Rdn: 13). Die Gegenmeinung, § 54 ;StPO könne hier nicht Platz greifen, da es sich auch bei der Geschäftstätigkeit von öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten um die Tätigkeit eines Kaufmanns (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 HGB) handele (vgl. insoweit Kleinbecht-Meyer, StPO, 36. Aufl.; § 54 Rdn 5), vermag jedenfalls im Geltungsbereich des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen nicht durchzugreifen, Bemerkenswert ist bereits, daß in § 21 des Sparkassengesetzes - SpkG ? hinsichtlich der Schweigepflicht derselbe Rechtsbegriff wie in § 54 Abs. 1 StPO - nämlich Amtsverschwiegenheit - verwendet wird. Nach § 2 SpkG. sind die von Gemeinden oder Gemeindeverbänden errichteten Sparkassen - wie hier die Sparkasse XXX rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts.

Die nordrhein-westfälische Sparkasse ist nach allgemeiner Auffassung ein Teil der, mittelbaren Staatsverwaltung. Das aber hat zur Folge, daß die Organmitglieder der Sparkasse ein öffentliches Amt wahrnehmen. Ihre Pflicht. zur "Amtsverschwiegenheit? ist mit der Gehorsamspflicht im Bereich des öffentlichen Dienstes gleichzusetzen und für den Bestand und die Sicherheit des Staates von wesentlicher Bedeutung (vgl. dazu im einzelnen Rothe, Sparkassengesetz NW, Kommentar, 3. Aufl. 1976, §. 21 Erl. I 1; Heinevetter, Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen, 1971, § 21 Erl. 1). Nach der ausdrücklichen Regelung in § 21 SpkG erstreckt sich die. Pflicht zur Amtsverschwiegenheit auf den Geschäftsverkehr der Sparkasse ,also insbesondere auf geschäftliche Vorgänge mit ihren Gläubigern und Schuldnern (Rothe, a. a. 0., §.23 Erl. I 2). Daher kann auch dei Hinweis der o.g. Gegenmeinung auf die Tätigkeit eines Kaufmanns nicht durchgreifen (Sichtermann, a. a. 0.).

Für die Erteilung der Aussagegenehmigung ist bei Beamten der Dienstvorgesetzte, bei Angestellten der Arbeitgeber (vgl. § 9 BAT) zuständig. Dienstvorgesetzter der Mitglieder des Vorstandes der Sparkasse ist der Vorsitzende des Verwaltungsrates (§ 22 Abs. 3 Satz 1:SpkG). Aufsichtsbehörden sind nach § 28 SpkG der Regierungspräsident und der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Es bleibt hier der Ermittlungsbehörde angheimgegeben, erforderlichenfalls den Dienstaufsichtsweg zu beschreiten(vgl. dazu Kleinknecht-Meyer, StPO, 40. Aufl., § 54 Rdn. 19, 27 ff).

Die angefochtene Festsetzungsverfügung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt Bestand behalten, dass der Beteiligte zu 1) jedenfalls zu Erscheinen vor dem Finanzamt am 28.7.1992, wenn auch nicht: zur Aussage verpflichtet gewesen wäre. Zwar ist ein Zeuge trotz fehlender Aussagegenehmigung grundsätzlich zum Erscheinen vor der Ermittlungsbehörde verpflichtet. Nach Inhalt und Ergebnis der im vorliegenden Falle am 23.06..1992 erfolgten Besprechung zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) sollte jedoch die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nicht zu dem Zwecke erfolgen, den Zeugen zum Erscheinen in den Räumlichkeiten des Finanzamtes zu bewegen. sondern um ihn zur Preisgabe des Namens des betreffenden Sparkassenkunden zu veranlassen und um sodann eine gerichtliche Nachprüfung seiner Aussageverweigerung im Verfahren nach .§ 161a Abs. 3 StPO durchführen zu lassen. Damit, daß der Beteiligte zu 1) beim Finanzamt lediglich erscheint, aber keine Aussage macht, wäre auch die weitreichende Problematik des vorliegenden Falles nicht gelöst.

Nach alledem war dem Antrag stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 161a Abs. 3 Satz 3, 473 (entspr.) StPO.

RechtsgebieteAO, StPO, SpkGVorschriften§ 399 Abs. 1 AO, § 21 SpkG, § 54 StPO, § 161a Abs. 3 StPO

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