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24.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062085

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 14.06.2005 – I-4 U 109/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. Mai 2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve ? Einzelrichter - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.783,79 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20. Juli 2002 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.
Die Klägerin verlangt eine an die Beklagte gezahlte Lebensversicherungs-Leistung (Rückkaufwert, Gewinnanteile) zurück.

Bei dem klagenden Versicherungsunternehmen unterhielt der Versicherungsnehmer D... eine Lebensversicherung (Police GA 8). Im Jahre 1989 trat der Versicherungsnehmer seine Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an die Sparkasse A... sicherungshalber ab (vgl. GA 10), was der Klägerin ordnungsgemäß angezeigt wurde (GA 12, GA 11). Im Jahre 1994 erklärte die Sparkasse A... - um dem Versicherungsnehmer steuerliche Vorteile zu erhalten formularmäßig unter bestimmten Voraussetzungen den Verzicht auf die für den Erlebensfall begründeten vertraglichen Rechte (vgl. GA 14). Für den Todesfall blieb es bei dem bisherigen Vertragszustand (GA 14). Im Jahre 1996 trat der Versicherungsnehmer D... seine Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag nochmals an die Beklagte ab, was der Klägerin ebenfalls ordnungsgemäß angezeigt wurde (GA 15, GA 16). Die Klägerin bestätigte die Anzeige und teilte mit Schreiben vom 15. Juli 1996 (GA 17) mit, Rechte Dritter seien ihr nicht bekannt. Die Beklagte schloss den Darlehensvertrag mit den Eheleuten D... am 29. Juli 1996 (GA 159/160). Mit Schreiben vom 27. April 2000 (GA 18) kündigte die Beklagte die Lebensversicherung und bat um Auszahlung des Guthabens. Den Versicherungsschein legte sie vor (vgl. GA 19). Am 28. Juni 2000 überwies die Klägerin der Beklagten 36.737,90 DM = 18.783,79 ?. Mit Schreiben vom 10. Juli 2002 (GA 19) forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos zur Erstattung des ausgezahlten Betrags auf. Sie erläuterte, erst aufgrund einer Anfrage der Sparkasse A... festgestellt zu haben, seinerzeit die vorrangig zugunsten der Sparkasse A.. erfolgte Abtretung übersehen zu haben. Später zahlte die Klägerin Rückkaufwert und Gewinnanteile (nochmals) an die Sparkasse A.. aus. Die Klägerin hat gemeint, an die Beklagte rechtsgrundlos geleistet zu haben. Von den Legitimationswirkungen des Versicherungsscheins (vgl. § 11 Abs. 1 ALB - GA 24 § 808 BGB) wolle sie keinen Gebrauch machen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.783,79 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Juli 2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, die Klägerin habe an sie, da sie den Versicherungsschein vorgelegt habe, als Berechtigte gezahlt. Jedenfalls brauche sie nichts zurückzuzahlen, ohne dass die Klägerin ihr den Versicherungsschein zurückgebe, was diese jedoch nicht mehr könne. Eine etwaige Bereicherung sei entfallen, weil sie die erhaltene Zahlung der Kreditschuld des Herrn D... gutgebracht habe. Sie erhebe die Einrede der Verjährung. Auch sei ein etwaiger Anspruch der Klägerin verwirkt. Schließlich rechne sie hilfsweise mit Schadenersatzansprüchen auf. Ohne die unrichtige Bestätigung der Klägerin hätte sie D... keinen Kredit gewährt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei durch Auszahlung an die Beklagte von ihren Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag frei geworden (§ 11 ALB, § 808 BGB). Ein nachträglicher Verzicht auf die Erfüllungswirkung sei nicht möglich.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung greift die Klägerin die Auffassung des Landgerichts an, der Verzicht auf die Erfüllungswirkung sei aus Rechtsgründen irrelevant. Dies gelte umso mehr, als es ihr nicht auf den ihr eingereichten Versicherungsschein angekommen sei, sondern sie an die Beklagte geleistet hatte, weil ihre EDV-Dokumentation aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen die frühere Abtretung an die Sparkasse A.. nicht ausgewiesen habe. Das Landgericht habe im übrigen ihr erstinstanzliches Vorbringen unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagten die vorrangige Abtretung an die Sparkasse A.. bekannt gewesen sei.

Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,
das Urteil des Landgerichts Kleve, 3 0 324/03, vom 4. Mai 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.783,79 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 20. Juli 2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, das Landgericht habe im Ergebnis zutreffend entschieden, weil die Klägerin an sie, die Beklagte, als die tatsächlich Berechtigte ausgezahlt habe. Infolge des von der Sparkasse A.. erklärten Verzichts auf die für den Erlebensfall ausbedungenen Rechte (GA 14) habe D... u.a. das Recht, den Versicherungsvertrag zu kündigen, in der Folge wirksam an sie abtreten können und abgetreten. Die Aufrechnung hat die Beklage letztlich nicht mehr weiterverfolgt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die Berufung ist begründet.
Die Klageforderung rechtfertigt sich aus § 812 BGB. Die Klägerin hat die Versicherungsleistung in der irrigen Annahme an die Beklagte ausgezahlt, diese sei im Abtretungswege Inhaberin der Forderung geworden. Das aber war nicht der Fall: Darüber, dass der Versicherungsnehmer D... seine Ansprüche bereits wirksam an die Sparkasse A... abgetreten hatte, bevor es zu der weiteren Abtretung an die Beklagte kam, streiten die Parteien nicht (vgl. GA 148). Der "Verzicht" der Sparkasse A... vom 27. April 1993 (GA 14) hat an deren Rechtsposition nichts geändert. Denn der Verzicht ist nur - soweit hier relevant erklärt für nach dem 13. Februar 1992 abgetreten erhaltene Lebensversicherungsforderungen. Die Abtretung des Versicherungsnehmers D... zugunsten der Sparkasse A... datierte jedoch bereits aus 1989 (vgl. GA 174 und auch schon GA 3). Darüber hinaus sollten die im Todesfall zu erbringenden Leistungen nach ausdrücklichem Wortlaut der Erklärung unangetastet bleiben. Damit konnte das Recht der Kündigung nicht an den Versicherungsnehmer zurückfallen, da durch eine Kündigung der Vertrag beendet worden wäre und damit auch die für den Todesfall vereinbarten Ansprüche hinfällig geworden wären.

Die Klägerin war allerdings, wie das Landgericht richtig gesehen hat, durch Zahlung an die Beklagte zunächst von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden, weil die Beklagte durch den Versicherungsschein zum Empfang legitimiert war (§ 11 ALB, § 808 BGB). Von ihrer Befugnis Gebrauch zu machen, die Legitimation durch den Versicherungsschein in Anspruch zu nehmen ("den Inhaber des Versicherungsscheins können wir als berechtigt ansehen..."), war die Klägerin jedoch nicht gezwungen. Die Klägerin war auch nicht gehindert, nach Erkennen des Umstandes, dass sie zwar an einen formal legitimierten Empfänger gezahlt hatte, dieser aber nicht der wahre Gläubiger war, von der Vergünstigung des § 11 ALB Abstand zu nehmen und ihre Leistung unter dem Blickwinkel der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzufordern. Die Situation ist keine andere als die Fallgestaltung des § 407 BGB. Nach dieser Bestimmung muss der Neugläubiger, wenn der Schuldner in Unkenntnis der Abtretung an den Altgläubiger leistet, diese Leistung, obwohl an einen Nichtmehrberechtigten erbracht, als Erfüllung gegen sich gelten lassen. Anerkanntermaßen muss sich der Schuldner jedoch nicht auf die Befreiungswirkung des § 407 BGB berufen, er kann sich auch dafür entscheiden, die an den Altgläubiger geleistete Zahlung gemäß § 812 BGB zurückzufordern (BGHZ 52, 150, 154; BGH NJW 1988, 700/702; BGH NJW 2001, 231/232). Es besteht kein Grund, dies in der hier gegebenen Situation anders zu sehen. Davon geht auch das von den Parteien erörterte Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (VersR 1996, 615) aus. Es ist zwar auch richtig, dass es dem Versicherer nicht freistehen kann, seine Entscheidung, ob er die Befugnisse des § 11 ALB in Anspruch nehmen will oder nicht, beliebig umzustoßen (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Von einer Entscheidung in diesem Punkt kann jedoch erst die Rede sein, wenn der Versicherer von der fehlenden materiellen Berechtigung des Inhabers der Police erfährt oder jedenfalls Zweifel daran hat.

Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von der des OLG Hamm. Denn die Klägerin hatte bei Erteilung ihrer Abtretungsbestätigung vom 15. Juli 1996 (GA 17) - wie sich aus deren Inhalt ergibt - und auch bei späterer Zahlung an die Beklagte kein aktuelles Wissen davon, dass die Lebensversicherungsansprüche bereits an die Sparkasse A... vorabgetreten waren. Die Klägerin hatte unwiderlegt auch keinen ersichtlichen Zweifel an der materiellen Berechtigung der Beklagten. Als ihr die tatsächlichen Verhältnisse wieder ins Bewusstsein gerufen worden waren, hat sich die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2002 (GA 19) zur Rückforderung entschieden. Dabei ist sie auch später unverändert geblieben. Gründe, die die Rückforderung treuwidrig erscheinen ließen, liegen nicht vor. Allein deshalb, weil nach Auszahlung an die Beklagte (28. Juni 2000) bis zur Rückforderung (10. Juli 2002) ca. 2 Jahre verstrichen waren, verstößt das Verlangen nicht gegen Treu und Glauben. Bereicherungsansprüche stellen sich geradezu typischerweise erst nach geraumer Zeit heraus.

Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Die Beklagte legt nicht dar, sich auf ein Behalten-Können der Zahlung in besonderer Weise eingerichtet zu haben.

Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, ihre Bereicherung sei weggefallen (§ 818 Abs. 3 BGB), weil durch die Zahlung der Klägerin ihre Kreditforderung gegen den Kredit- und Versicherungsnehmer 0... in entsprechender Höhe getilgt worden sei. Eine Verwertung von Sicherheiten kann nämlich nur dann die gesicherte Schuld reduzieren, wenn diese Verwertung nicht rückabgewickelt werden muss und der Verwertungserlös dem Kreditgläubiger verbleibt. Dies ist stillschweigender Bestandteil der Sicherungsabrede. Demzufolge besteht die Kreditschuld in Wahrheit in unveränderter Höhe fort. Ein Wegfall der Bereicherung kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Kreditforderung der Beklagten wirtschaftlich wertlos geworden wäre. Das War schon der Fall, bevor die Klägerin ihre Zahlung leistete, sonst hätte die Beklagte nicht auf die Sicherungsabtretung zurückgreifen dürfen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 814 BGB sind ersichtlich nicht erfüllt. Es besteht kein Grund für die Annahme, der Klägerin sei ihre fehlende Zahlungsverpflichtung der Beklagten gegenüber bewusst gewesen.

Die Einrede der Verjährung greift nicht durch. Der Bereicherungsanspruch verjährte nach hier zunächst anwendbarem alten Recht erst nach 30 Jahren (vgl. Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., § 195 BGB Rn 7). Diese noch längst nicht abgelaufene Verjährung wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2002 in die nach neuem Recht geltende kürzere Verjährungsfrist von 3 Jahren überführt (vgl. Art. 229 EGBGB § 6 Abs. 1 und Abs. 4, § 195 BGB n. F.). Diese Dreijahresfrist war bis zur Hemmung durch Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F.), die Ende 2003 erfolgte, noch nicht verstrichen.

Ein schützenswertes Interesse der Beklagten, die Rückzahlung von der Rückgabe des Versicherungsscheins abhängig zu machen (vgl. GA 37), besteht nicht. Eigentümer des Versicherungsscheins ist die Klägerin geworden, nachdem sie an die tatsächlich berechtigte Sparkasse A... gezahlt hat (§ 952 BGB). Einem auf § 812 BGB gestützten Verlangen der Beklagten steht der dolo-petit-Einwand entgegen.

Die Aufrechnung hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallengelassen nach Hinweis darauf, dass sie ihren Schaden noch nicht ausreichend substanziiert vorgetragen habe.

Die Zinsen rechtfertigen sich unter dem Blickwinkel des Verzugs (vgl. Ablehnungsschreiben GA 48).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 101, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.
Berufungsstreitwert: 18.783,79 ?.

K... Dr. W... H...

RechtsgebietBGBVorschriften§ 812

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