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16.06.2006 · IWW-Abrufnummer 061547

Amtsgericht Forchheim: Urteil vom 09.05.2006 – 70 C 732/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


70 C 732/05

ENDURTEIL

vom 9.5.2006

IM NAMEN DES VOLKES

Das Amtsgericht Forchheim erläßt, durch Richter am Amtsgericht

in dem Rechtsstreit XXX

wegen Schadenersatz

im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 11 ZPO ohne mündliche Verhandlung am 9.5.2006 folgendes:

ENDURTEIL:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.694,63 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.07.2005 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin macht restliche Mietwagenkosten geltend.

Die Beklagte hat in vollem Umfang für den Schaden aufzukommen, der der Klägerin bei einem Verkehrsunfall am 06.04.2005 in XXX entstanden ist. Ihr Toyota war vollkaskoversichert. In diesem Zusammenhang mietete die Klägerin bei der Firma Unix-Rent ein Fahrzeug auf die Dauer von 14 Tagen an. Hierfür bezahlte sie brutto EUR 2.763,12. Der Betrag setzt sich zusammen aus 2 x EUR 25,00 (Zustellung/Abholung), 14 (Tage) x EUR 26,00 Haftungsbeschränkung mit EUR 300,00 SB, 9 (Tage) x EUR 152,00 und 5 (Tage) x EUR 120,00. Hierauf bezahlte die Beklagte EUR 1.000,00. Die Firma Unix-Rent hat nur einen Tarif. Über eine Kreditkarte verfügt die Klägerin nicht.

Die Klägerin hat eine Eigenersparnis von 3 % vorgenommen (EUR 59,04), macht 100 %-ige Haftungsbefreiung geltend und beantragt unter Verweis auf die Preise anderer Mietwagenfirmen:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.694,63 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.07.2005 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung .

Die Beklagte trägt vor, im Normaltarif nach "Schwacke" wären lediglich folgende Kosten angefallen: 2 Wochenpauschalen EUR 718;00, Haftungsbefreiung EUR 266,00, Zustellen/Abholen EUR 16,00 = EUR 1.000,00.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin kann die restlichen Mietwagenkosten geltend machen, §§ 7,17 StVG, 3 PflVG.

Es ist hier nicht Aufgabe des Gerichts, die Angemessenheit von Tarifen zu überprüfen, sondern eine Entscheidung zu treffen, ob der Geschädigten Schadensersatzansprüche in geltend gemachter Höhe zustehen. Deshalb besteht: keine Verpflichtung, erst durch (kostenintensives und mit Schwierigkeiten im tatsächlichen Bereich behaftetes) Sachverständigengutachten die Berechtigung des geforderten Tarifs der Höhe nach zu überprüfen. Um dann dem Geschädigten unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten ggf. doch den überhöhten Tarif zuzubilligen: So wird z. B. bei einem sonstigen Anspruch nach § 823 I BGB nicht durch Gutachten die Tatbestandsmäßigkeit festzustellen sein, wenn es nachweisbar an einem Verschulden fehlt oder Rechtswidrigkeit nicht gegeben ist. Deshalb muss es den Instanzgerichten vorbehalten bleiben, die Prüfungsreihenfolge festzulegen. So nunmehr auch zur Prüfungsreihenfolge die Berufungskammer des Landgerichts Bamberg (Az. 70 C 397/05 AG Forchheim = 3 S 124/05 LG Bamberg). Wobei die Kammer als Beispiel zur Prüfungsreihenfolge aufführt; dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Anspruchsgrundlage im Wege einer Beweisaufnahme nicht zu klären sind, wenn bereits feststeht, dass der entsprechende Anspruch verjährt ist.

Außerdem ist nicht ersichtlich, wle am Verfahren nicht beteiligte Autovermieter gezwungen werden können, die Preiskalkulation offen zu legen und sämtliche Berechnungsunterlagen zur Verfügung zu stellen.
Wenn Autovermietungen aus Gründen des Datenschutzes und des Betriebsgeheimnisses die Einsichtnahme in ihre Kalkulation verweigern, mag es vertretbar sein, die Klage abzuweisen, wenn der Autovermieter als Kläger auftritt und keine Auskünfte erteilt. Klagt hingegen der Geschädigte, so wäre zu überprüfen, ob der Autovermieter Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist. Der Geschädigte würde den Prozess verlieren, obwohl er keinen Einfluss auf das Verhalten des Autovermieters hat. Damit würde der Rechtsstreit wohl voll ?auf seinem Rücken ausgetragen werden?.
Zumal dies für die Firmen einen erheblichen Zeitaufwand darstellen würde, bedenkt man die Vielzahl von einschlägigen Verfahren, allein beim Amtsgericht Forchheim. Soweit die Ansicht vertreten wird, die Mitwirkungspflicht des Autovermieters stelle eine Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis dar, folgt das Gericht dem nicht. Es kann nicht Nebenpflicht bei der Vermietung eines Fahrzeugs sein, sämtliche Kalkulationspreislagen für den Preis offen zu legen und ggf. nachzuweisen. Ferner stellt sich die Frage, welcher Gewinnanteil der Vermietfirma zuzubilligen wäre. Die Frage kann nur durch die Konkurrenzsituation beantwortet werden unter Berücksichtigung der Grenze einer etwaigen Sittenwidrigkeit.

Soweit die Ansicht vertreten wird, die Gewinnspanne sei im Normaltarif enthalten und gehe es bei dem Unfallersatztarif nur noch Gm die übersteigenden Kosten, sind insoweit Überlegungen in zweierlei Hinsicht anzustellen. Zunächst stellt sich die Frage, ob die Gewinnspanne im Normal-, und im Unfallersatztarif identisch sein muss. Höhere Risiken (z. B. des Ausfalls der Forderung) werden häufig durch größere Gewinnspannen kompensiert. Was im Versicherungsrecht häufig anzutreffen ist. Außerdem hat eine Beweisaufnahme, auf die noch einzugehen ist, ergeben, dass nur bedingt von einem sog. Normaltarif gesprochen werden kann. Da die Kosten des Mietfahrzeugs jedoch gleichbleibend zu berechnen sind, kann die Schwankung des Mietpreises nur die jeweilige Gewinnspanne betreffen. Geringere Nachfrage wird ggf. durch günstigere Preise beeinflusst. Der Unfallersatztarif ist hingegen von anderen Umständen abhängig. Starker Schneefall kann z. B. dazu führen, dass geringere Nachfrage im Normaltarif besteht (Preisnachlässe), während die Unfallhäufigkeit steigt (stärkere Nachfrage nach Fahrzeugen im Unfallersatztarif) . Somit bestünde keine Veranlassung, die Gewinnspanne im Unfallersatztarif ebenfalls geringer anzusetzen. Außerdem könnte bei der Frage der Gewinnspanne im Unfallersatztarif nicht die Gewinnspanne im Normaltarif herangezogen werden, wenn die Firmen nur noch einen Tarif haben. Es müsste dann noch die Frage beantwortet werden, welche Gewinnspanne zuzubilligen ist.
Wobei nicht festzustellen ist, dass die Thematik Unfallersatztarif - Normaltarif in Presse, Rundfunk und Fernsehen eine Aufmerksamkeit gefunden hätte, um jedweden Geschädigten insoweit zu sensibilisieren.

Unabhängig davon hat eine Beweisaufnahme in anderer Sache mit Zeugen der Fa. Europcar und Hertz gezeigt, dass von einem der Höhe nach bestimmten Normaltarif nur bedingt gesprochen werden kann, da dieser erheblichen Einflüssen nicht nur nach Mietdauer, sondern auch Jahreszeit, Werktag/Wochenende usw. unterliegt. Außerdem haben die Zeugen geschildert, es bestünden mit Versicherungen Preisvereinbarungen, wenn der Schadensverursacher dort versichert sei: Dem Geschädigten würden dann exakte Preise genannt, die die jeweilige Versicherung bezahle. Wobei die Preise noch unterschiedlich seien, ob die Versicherung ein "Großkunde" sei bzw. ob über Internet usw. gebucht werde bzw. ob der Geschädigte eine Filiale des Autovermieters aufsuche.
Ein(e) Zeuge(i)n der Firma Europcar gab an, sie arbeite schon längere Zeit für die gleiche Autovermietung, es sei ihr noch keine Versicherung untergekommen, mit der kein Rahmenabkommen bestünde. Abweichend von. den Aussagen der Zeugen haben allerdings zwischenzeitlich einige Versicherungen erklärt, derartige Absprachen nicht getroffen zu haben. Insoweit wird mit Interesse einer erneuten Einvernahme der Zeugen in anderer Sache entgegengesehen. Im Übrigen wird die Akte mit den Aussagen der Zeugen der Staatsanwaltschaft Bamberg vorgelegt, da nach dem Vorbringen der Versicherungen, sie hätten keine derartigen Preisabsprachen, der Verdacht einer uneidlichen Falschaussage besteht. Wobei zu überlegen sein wird, welchen Grund die Zeugen haben könnten, eine Falschaussage zu machen. Soweit die Beklagte auf die Schwacke-Liste verweist, ist festzustellen, dass diese bereits ?einige Jahre alt ist". Außerdem kann die Klägerin Fahrzeuge nur bei konkreten Firmen anmieten. Speziell kleinere Autovermieter sollen mit den Versicherungen keine Absprachen haben, sei es aus fehlendem eigenen Interesse oder weil ggf. der Verwaltungsaufwand für die Versicherungen hier zu groß wäre. Deshalb ist eine Vergleichbarkeit der Preise überregionaler Autovermieter zu ausschließlich regional tätigen Firmen nur begrenzt möglich.

Aber selbst wenn. der sog. Normaltarif zugänglich ist, wird der zu erwartende Mietbetrag nach den Zeugenaussagen neben einem Zuschlag bei einer EC-Karte sofort vom Konto abgebucht bzw. bei einer Kreditkarte dieser Betrag sofort "eingelesen". Eine Kreditkarte besitzt die Klägerin nach unbestrittenem eigenen Sachvortrag nicht.

Es wird in Entscheidungen häufig darauf hingewiesen, Kunden würden sich z.B. bei einem Kauf vorher bei verschiedenen Geschäften nach dem Preis erkundigen. Selbst wenn dies tatsächlich allgemein so zutreffend sein sollte, wäre dies mit der Anmietung eines Fahrzeugs nur bedingt vergleichbar. Die meisten Geschädigten hatten vorher noch nie ein Fahrzeug angemietet und haben deshalb insoweit keine Erfahrungen, auch was die Höhe von Preisen betrifft. Aber selbst Erkundigungen bei verschiedenen Autovermietern wären nur bedingt aufschlussreich. Zunächst haben verschiedene Vermieter (so auch die Fa. Unix-Rent) nur noch einen Tarif, unterscheiden somit nicht zwischen Unfallersatztarif und Normaltarif. Außerdem hat die Beweisaufnahme durch Einvernahme der Zeugen gezeigt, dass die sog. Normaltarife erheblichen Schwankungen unterliegen, teilweise auch bezüglich der Preise, die genannten Absprachen mit den Versicherungen vorliegen sollen. Wobei der Zugang zu Normaltarifen z. B. von Besitz von Kreditkarten, der Vorauszahlung mittels EC-Karte und teilweise auch dem Alter des Geschädigten abhängig ist. Außerdem müsste erst im Einzelfall geprüft werden, ob Fahrzeuge nach dem Normaltarif tatsächlich kurzfristig zur Verfügung stünden.

Soweit es der BGH als Möglichkeit angesehen hat, im Rahmen des § 287 ZPO ggf. einen prozentualen Aufschlag auf den Normaltarif vorzunehmen, ist diese Lösung nicht möglich, wenn die Firma nur einen Tarif hat., Außerdem dürfte es schwierig sein, einen sog. Normaltarif zu ermitteln, insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Sollte der Normaltarif des Anmiettages als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, müsste dieser erst durch Beweisaufnahme ermittelt werden. Damit würde wieder ein Teil der Vereinfachung entfallen und stellt sich die Frage, wie der Geschädigte vor Anmietung eines Fahrzeugs diesen sog. Normaltarif ohne Marktforschung erkunden sollte. In diesem Zusammenhang wären die Preise von Interesse, die die Versicherungen an die Vermietfirmen bezahlen sollen. Unbeschadet der Frage einer Beweislast könnten unter Umständen hieraus Rückschlüsse gezogen werden. Zwar ist zutreffend, dass die beklagten Versicherungen nicht die Beweislast für die Erforderlichkeit des Tarifs haben. Da aber immer der Einwand erfolgt, der Geschädigte hätte günstiger anmieten können, muss sich die Behauptung gemäß der Pflicht zum wahrheitsgemäßen Sachvortrag auf bestimmte Kenntnisse beziehen. Häufig wird dabei aber nur (wie auch hier) auf die Schwacke-Liste oder Preisspiegel verwiesen.
In diesem Zusammenhang könnten sich die Versicherungen auch nicht darauf berufen, es sei unerheblich, ob sie mit den Autovermietern Preisabsprachen hätten, da vom Gericht nur die Erforderlichkeit des Tarifs zu prüfen sei. Dem kann nicht gefolgt werden, da der BGH den Instanzgerichten die Möglichkeit vorgegeben hat, gemäß § 287 ZPO großzügig Schätzungen vorzunehmen. Es wäre aber aufschlussreich, welche Preise die Versicherungen mit den Autovermietern ausgehandelt hätten, da dann auf diese Preise ggf. ein Aufschlag vorgenommen werden könnte. Dieser Preis wäre nämlich weitaus aufschlussreicher als ein sog. Normaltarif, da sowohl Autovermieter als auch Versicherungen ihre Vorstellungen in den Preis eingebracht hätten.

Die Berechnung der Klägerin bezüglich der Mietwagenkosten im Hinblick auf Eigenersparnis, Haftungsbefreiung und Zustellkosten ist ansonsten unstreitig. Somit stehen nach der Bezahlung von EUR 1.000,00 noch EUR 1.694,63 offen.

Zinsen: unstreitig.
Kosten: § 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

RechtsgebietSchadensrechtVorschriften§§ 7, 17 StVG, § 3 PflVG

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