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30.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061542

Amtsgericht Coburg: Urteil vom 23.11.2005 – 12 C 706/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Coburg

12 C 706/05
verkündet am 23.11.2005

Endurteil

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Schadensersatzes

erkennt das Amtsgericht Coburg durch Richter XXX im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in welchem bis zum 10.11.2005 eingegangene Schriftsätze Berücksichtigung fanden, für Recht:

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.977,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.12.2004 zu zahlen.

2) Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils durch den Kläger zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einer Teilkaskoversicherung aufgrund eines Verkehrsunfalles.

Zwischen den Parteien wurde eine Teilkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung für das verunfallte Fahrzeug Marke Volvo Kombi, Baujahr 1996 abgeschlossen.

Am 08.09.2004 erlitt der Kläger in Wesel auf der Emmericher Straße (B 8), km 3,000 in einer langgezogenen Linkskurve einen Verkehrsunfall. Dabei geriet der Kläger mit den rechten Rädern auf den Grünstreifen und touchierte die dort befindlichen Leitpfosten sowie die Warnbake, bevor er das Fahrzeug zum Stehen bringen konnte.

Aufgrund des Zusammenstoßes mit den Leitpfosten sowie der Warnbake ist an dem klägerischen Fahrzeug ein Schaden von insgesamt 3.050,90 Euro entstanden, auf den die Beklagte bisher einen Betrag in Höhe von 73,83 Euro gezahlt hat.

Mit Schriftsatz vom 17.12.2004 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung des restlichen Schadensersatzes bis zum 30.12.2004 auf.

Der Kläger macht geltend:

In der langgezogenen Linkskurve sei unvermittelt ein Reh von links in etwa zwei bis drei Metern Entfernung vor dem Fahrzeug des Klägers aufgetaucht.

Der Kläger, der mit der dort vorgeschriebenen Geschwindigkeit von nicht mehr als 70 km/h gefahren sei, habe daher das Fahrzeug nach rechts gelenkt, um dem Reh auszuweichen und einen unmittelbar bevorstehenden Unfall zu verhindern.

Das Ausweichmanöver sei unmittelbar zur Verhinderung eines Unfalls mit dem Haarwild erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.977,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.1Z.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte macht geltend:

Aufgrund der Unfallörtlichkeit und der Einsichtmöglichkeit in die langgezogene Linkskurve sei davon auszugehen, dass der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet habe, so dass nicht von einer Ersatzfähigkeit der Kosten ausgegangen werden könne, da es sich insoweit nicht um erforderliche Rettungskosten gehandelt habe und im übrigen der Kläger grob fahrlässig gehandelt habe.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 31.08.2005 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Klägers als Partei.

Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll vom 19.09.2005.

Ergänzend wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf sämtliche Protokolle und sonstigen Akteninhalte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist umfassend begründet.

Dem Kläger steht gemäß § 63 Abs. I, § 62 VVG i.V.m. § 12 Nr. 1 dAKB ein Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe zu, da zur Überzeugung ,des Gerichtes feststeht, dass es zu dem Verkehrsunfall kam, da der Kläger einen unmittelbar bevorstehenden Zusammenstoß seines Kraftfahrzeuges mit Haarwild vermeiden wollte.

Da gemäß § 12 Nr. 1 dAKB im Rahmen der Teilkaskoversicherung Schäden aufgrund eines Haarwildunfalles zu ersetzen wären, sind damit auch die vorliegenden Rettungskosten durch die Versicherung zu erstatten, da diese eine adäquate Folge des Ausweichmanövers darstellen und der Kläger aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Zusammenstoßes mit dem Reh das Ausweichmanöver zur Vermeidung dieses Unfalles für geboten halten durfte.

Da vorliegend ohne Rettungsmaßnahmen ein versicherter Schaden unabwendbar gewesen wäre oder doch mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit eingetreten wäre, drohte der Versicherungsfall unmittelbar, so dass eine Rettungsobliegenheit des Klägers gemäß § 62 VVG bestand und der Kläger daher gemäß § 63 VVG auch die unfreiwilligen Vermögensopfer, welche eine adäquate Folge des objektiv gebotenen Rettungsverhaltens darstellen, ersetzt verlangen kann.

1)
Dass ein entsprechender Zusammenstoß mit dem Reh unmittelbar bevorstand, steht zur Überzeugung des Gerichtes aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest.

Der Unfall geschah unstrittig in einem Straßenabschnitt, in dem es häufig zu Wildwechseln kommt und insoweit, wie aus der Mitteilung des Jagdausübungsberechtigten Herrn Schnickers ersichtlich, es innerhalb des letzten Jahres zu mehreren Wildunfällen gekommen war.

Desweiteren sagte der Kläger im Rahmen der uneidlichen Parteivernehmung schlüssig und widerspruchsfrei aus, dass er innerhalb der langgezogenen Linkskurve das Reh plötzlich links habe auftauchen sehen und insoweit mittels eines Bremshakens versucht habe, einen Unfall zu vermeiden. Die Aussage des Klägers ist dabei auch glaubhaft, da dieser widerspruchsfrei den Unfallhergang darlegen konnte und das Unfallgeschehen auch lebensnah erklärt wurde.

2)
Gemäß § 448 ZPO war dabei auch der Kläger als Partei zu vernehmen, da aufgrund der sonstigen Umstände ein ausreichender Anfangsverdacht vorlag.

Zwar ist im Rahmen der Rettungskosten aufgrund eines Wildunfalles der Kläger grundsätzlich in vollem Umfang beweispflichtig, ohne dass ihm hierbei Beweiserleichterungen zugute kommen. Jedoch ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Unfall in einem Gebiet erfolgte, in dem es nachweislich regelmäßig zu Wildunfällen kommt und hat der Kläger bereits im Rahmen der Erstunfalldarstellung mitgeteilt, dass ein Wildunfall unmittelbar bevorstand. Desweiteren ist auch zu berücksichtigen, dass keinerlei übrige Anhaltspunkte vorlagen, die den Unfall anderweitig hätten erklären können.

Die Voraussetzungen des Anfangsverdachts im Rahmen des § 448 ZPO dürfen jedoch nicht über Gebühr belastet werden, da der Zufall, dass der Versicherungsnehmer Partei ist, nicht dazu führen darf, dass die formalprozessuale Rolle des Klägers über seine Beweismöglichkeit zu seinem Nachteil entscheidet (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Aktenzeichen 5 U 217/01). Daher ist zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht deswegen umgangen werden dürfen, weil dem Kläger ein Zeuge nicht zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite müssen jedoch auch über die Parteivernehmung hinausgehende Beweismittel im Rahmen des Anfangsverdachtes berücksichtigt werden, so dass hier unter Berücksichtigung der Unfallörtlichkeit sowie des Umstandes, dass unter Berücksichtigung der langgezogenen Linkskurve andere Unfallursachen nicht ersichtlich sind, von einem entsprechenden Anfangsverdacht ausgegangen werden muss.

3)
Schließlich scheidet der Anspruch des Klägers auch nicht aufgrund eines grob fahrlässigen Verhaltens seiner Person gemäß § 61 VVG aus. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der durch die Beklagtenpartei vorgelegten Fotos die relevanten Fotos Nr. 4 und 5, welche die Unfallstelle mit den entsprechenden Leitblanken und der Warnbake zeigen, nicht von der Fahrspur aus aufgenommen wurden, sondern vom rechten Straßenrand aus. Dies hat zur Folge, dass ein Fahrer, welcher sich auf der rechten Fahrspur befand, damit die langgezogene Linkskurve nicht soweit einsehen konnte, wie dies ein am rechten Straßenrand befindlicher Beobachter könnte, da sich insoweit das Blickfeld des fahrenden Klägers weiter nach links verschiebt, so dass nicht soweit in die Kurve eingesehen werden kann. Daher kann auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich hier nicht um eine Steilkurve handelt, nicht von einer groben Fahrlässigkeit des Klägers ausgegangen werden, weil dieser das Reh nicht soweit rechtzeitig sah, dass er den Unfall ohne risikoreiche Ausweichmanöver vermeiden konnte.

Da grobes Verschulden gemäß § 61 VVG jedoch nur bei erheblich gesteigerten Verschulden angenommen werden kann, kann vorliegend von einem Ausschluss der Haftung gemäß § 61 VVG nicht ausgegangen werden.

4)
Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11 i.V.m. § 709 ZPO.

Vorschriften§ 63 Abs. 1, § 62 VVG, § 12 Nr. 1 d AKB

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