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18.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061380

Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 15.03.2006 – 21d A 2169/04.OVG

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberverwaltungsgericht NRW
Landesdisziplinarsenat

Beschluss

Aktenzeichen: 21 d A 2169/04.O
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Düsseldorf, 31 K 1081/04.O

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Gegen den am 00.00.00 geborenen Beamten wurde mit Verfügung vom 15. Oktober 2001 das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet, weil er hinreichend verdächtig seih soll, seine Dienstpflichten pflichtwidrig und schuld haft dadurch verletzt zu haben, dass er in den Jahren 1993 bis 1997 durch die Abgabe unvollständiger Einkommensteuererklärungen Steuerbeträge
für 1992 in Höhe von 14.219,00 DM 199311.893,00 DM 199417.272,00 DM 1995 17.235,00 DM 199623.620,00 DM hinterzogen und für 1997 in Höhe von 44.664,00 DM versucht hat, zu hinterziehen.

Damit liegt die Summe der Einkommensteuerhinterziehung, einschließlich der versuchten, bei 128.903,00 DM.

Das von der Staatsanwaltschaft für den selben Zeitraum festgestellte Volumen der Vermögensteuerhinterziehung beträgt insgesamt 21.445,00 DM.

Gleichzeitig wurde der Beamte gemäß § 91 00 NRW mit sofortiger Wirkung seines Dienstes enthoben und die Einbehaltung der Dienstbezüge gemäß § 92 Abs. 1 00 NRW in Höhe von 50 v.H. angeordnet. Zur Begründung der Einbehaltungsanordnung führte die Einleitungsbehörde aus: Die gebotene summarische Überprüfung der dem Beamten vorgeworfenen Pflichtverletzungen führe zu dem Ergebnis, dass trotz der dem beschuldigten Beamten zuzuerkennenden eingeschränkten Schuldfähigkeit voraussichtlich auf die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme erkannt werde. Dieser Umstand, verbunden mit seiner Suspendierung vom Dienst, begründe ein öffentliches Interesse daran, bereits mit Erlass der Einleitungsverfügung einen Teil der Dienstbezüge einzubehalten. Es sei dem Dienstherrn billigerweise nicht zuzumuten, die vollen Dienstbezüge zu zahlen, wenn der beschuldigte Beamte keinen Dienst mehr verrichte, weil er eines so schwerwiegenden Dienstvergehens verdächtig sei, dass seine weitere Dienstverrichtung untul1lich sei und er voraussichtlich endgültig aus dem Dienst entfernt werde. Deshalb müsse sich der Beamte eine Einschränkung seiner Lebensführung gefallen lassen. Zudem entstünden ihm durch die Suspendierung vom Dienst auch weniger Aufwendungen. Unter diesen Umständen gehe das öffentliche Interesse an einer Beschränkung der Alimentation seinem persönlichen Interesse an der Auszahlung ungekürzter Dienstbezüge vor.

Das wegen dieser Steuerhinterziehungen betriebene sachgleiche Strafverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts X vom 15. Januar 2004 gegen Zahlung eine Geldbuße in Höhe von 30.000,00 DM gemäß § 153a StPO endgültig eingestellt.

Gegen die Einbehaltung der Dienstbezüge hat der Beamte erst am 16. Februar 0000 "Beschwerde" erhoben. Die Disziplinarkammer hat mit Beschluss vom 23. April 0000, dem Betreuer des Beamten zugestellt am 8. Mai 0000, die Einbehaltungsanordnung aufrechterhalten.

Der Beamte hat, vertreten durch seinen Betreuer, dagegen am 27. Mai 0000 Beschwerde eingelegt, der die Disziplinarkammer nicht abgeholfen hat.

Mit Verfügung vom 10. Februar 0000 hat der Untersuchungsführer die Untersuchung auf den Verdacht erweitert, dass der Beamte in den Jahren 1985 bis 1991 pflichtwidrig und schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt habe, indem er durch die Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1989 bzw. durch die Abgabe unvollständiger Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1990 und 1991 Einkommensteuer
für 1985 in Höhe von 6.795,00 DM 1986 8.295,00 DM 1987 8.920,00 DM 1988 7.031,00·DM 1989 9.378,00 DM 1990 7.058,00 DM 1991 8.850,00 DM,
und damit von insgesamt 56.327,00 DM,
sowie durch die Nichtabgabe von Vermögensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume1986 bis 1991 Vermögensteuer für 1986 in Höhe von 1.000,00 DM 1987 1.275,00 DM 1988 1.275,00 DM 1989 1.260,00 DM 1990 1.260,00 DM 1991 1.775,00 DM, und damit von insgesamt 7.845,00 DM
hinterzogen habe.

II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Verfügung der Oberfinanzdirektion Y über die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge des Beamten ist rechtmäßig.

Nach § 92 Abs. 1 DO NRW kann die Einleitungsbehörde bei einem Beamten gleichzeitig mit der vorläufigen Dienstenthebung oder später anordnen, dass ein Teil, höchstens 50 v.H. der Dienstbezüge einbehalten wird, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird.

Das förmliche Disziplinarverfahren wurde durch Verfügung der Oberfinanzdirektion Y vom 00.00.00 wirksam eingeleitet. Mit dieser Verfügung wurde der Beamte zudem vorläufig des Dienstes enthoben. Die Verfügung wurde dem Betreuer des Beamten wirksam gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Gleiches gilt für die auf Antrag der Einleitungsbehörde erfolgte Erweiterung des Untersuchungsverfahrens mit Schreiben vom 10. Februar 0000.

Der Durchführung des Disziplinarverfahrens steht kein Verfahrenshindernis entgegen.

Dass die Steuerfahndung S. ihre Ermittlungen bei der Norddeutschen Landesbank S. rechtswidrig auf das vom Beamten unterhaltene Depot erstreckt habe und die an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung X sowie an die Oberfinanzdirektion Y weitergegebenen Daten einem Verwertungsverbot unterlägen, wie der Beamte meint, ist . nicht ersichtlich. Das auf ein Spannungsverhältnis der §§ 30a, 208 AO zielende Bedenken des Beamten - vgl. für nicht anonymisierte Zahlungsvorgänge z.B. BFH, Urteil vom 29. Juni 2005 - II R 3/04 wird voraussichtlich nicht durchgreifen, und zwar schon deshalb nicht, weil der Beamte einem Strafverfahren ausgesetzt war, das hätte eingestellt werden müssen, wenn sein Einwand berechtigt wäre.

Vgl. zur Parallelität von Strafverfahren und Besteuerungsverfahren Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, März 2004, § 208 RdNr. 136.

Die in dem Ermittlungsverfahren festgestellten steuerlichen Sachverhalte dürfen für disziplinarische Zwecke weitergegeben werden, weil ein zwingendes öffentliches Interesse besteht (§§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, 125 c Abs. 6 BRRG). Ein solches Interesse liegt nach der ständigen Rechtsprechung der mit Disziplinarsachen befassten Senate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen dann vor, wenn die mitteilende Stelle aufgrund einer Schlüssigkeitsprüfung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt geeignet ist, eine im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Maßnahme von Gewicht, insbesondere eine reinigende Maßnahme wie die Entfernung aus dem Dienst oder eine Degradierung, zu tragen.

OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2001 - 15d A 878/00.0 -, RiA 2002, 43, 44; Urteil vom 21. Mai 2003 -22d A 2672/01.0.

Daneben kommt es nicht auf ministerielle Erlasse an, durch die - ohne Bindung für Gerichte - lediglich eine verwaltungsinterne Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs vorgenommen worden ist.

Zieht man die ständige obergerichtliche Rechtsprechung heran, stand für das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung außer Zweifel, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Höhe der hinterzogenen Abgaben zumindest eine Degradierung zu verhängen sein wird.

OVG NRW, Urteile vom 12. November 2001 - 15d A 5014/99.0 - und vom 13. November 2002 -15d A 4131/01.0 - (Degradierung in Fällen von Finanzbeamten, die 25.000,- bzw. 39.000,- DM Steuern hinterzogen und jeweils eine freiwillige Selbstanzeige erstattet hatten, an der es hier fehlt).

Das dem Beamten vorgeworfene Dienstvergehen rechtfertigt nach Einschätzung des Senats nach dem bisherigen Erkenntnisstand sogar die Annahme, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Das Wort "voraussichtlich" beinhaltet, dass im Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung nur eine summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhalts geboten ist. Das Disziplinargericht muss nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Beamte das Dienstvergehen, das die Entfernung aus dem Dienst rechtfertigt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit begangen hat. Es reicht ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit aus. Dieser besteht allerdings nicht schon darin, dass die Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme möglich oder ebenso wahrscheinlich ist wie die einer milderen Disziplinarmaßnahme. Vielmehr ist erforderlich, dass im Disziplinarverfahren gegen einen aktiven Beamten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Die Dienstentfernung des Beamten muss nach der gebotenen, ihrer Natur nach nur überschlägig möglichen Prüfung des Sachverhalts wahrscheinlicher sein als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. August 2001 - 6d A 2641/01.0 -.

Der Beamte hat nach den von ihm nicht bezweifelten Feststellungen im behördlichen Disziplinarverfahren ein Dienstvergehen im Sinne von § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW begangen, indem er durch unvollständige Angaben hinsichtlich der Kapitalerträge in den Veranlagungszeiträumen 1985 bis 1997 Einkommensteuer in einer Gesamthöhe von 185.230, - DM und für die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1997 durch Nichtabgabe von Vermögensteuererklärungen Vermögensteuer in einer Gesamthöhe von 29.290, - DM hinterzogen hat.

Dass ein Teil dieser Steuerhinterziehungen bereits vor dem 1. Mai 0000, dem Tag seiner Versetzung zum Finanzamt X, im Dienstverhältnis zum Land Niedersachsen tatbestandlich vollendet wurden, steht ihrer Einbeziehung in das förmliche Disziplinarverfahren nicht entgegen (vgl. § 2 Abs. 2 DO NRW).

Weil das außerdienstliche Fehlverhalten des Beamten nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maß geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, handelt es sich um ein disziplinarrechtlich bedeutsames außerdienstliches Dienstvergehen (§§ 57 Satz 3, 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW). Hier ist von Belang, dass der Beamte schon aufgrund seines Beamtenverhältnisses, aber darüber hinaus auch aufgrund seiner herausgehobenen Funktion innerhalb der Finanzverwaltung das Vertrauen in seine Amtsführung beeinträchtigt und die Achtung in einer für sein Amt und das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise schmälert, wenn er glaubt, alle Rechte aus dem Beamtenverhältnis für sich in Anspruch nehmen zu können - dies betrifft hier insbesondere die Alimentation und die Beihilfe -, den geschuldeten Beitrag zum Abgabenaufkommen aber verweigern zu können. Wer es mit den steuerlichen Verpflichtungen nicht ernst nimmt, erweckt den Eindruck, die Rechtsordnung stehe im Interesse des eigenen Vorteils zur Disposition.

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme für das dem Beamten vorwerfbare Dienstvergehen wird, da es für die Ahndung eines Dienstvergehens, das die Hinterziehung von Steuern betrifft, keine alle denkbaren Fallgestaltungen erfassende Regelmaßnahme gibt,
vgl. OVG NRW, Urteile vom 1~. November 2001
- 15d A 5014/99.0 - und vom 10. November 2004
- 22dA 1184/03.0-,
eine Gesamtwürdigung anhand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen sein. Es ist vom Zweck des förmlichen Disziplinarverfahrens ausgehend maßgeblich darauf abzustellen, inwieweit durch das Dienstvergehen die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und loder das Ansehen des Berufsbeamtentums, des betroffenen Verwaltungszweiges, der Dienststelle und des Amtes selbst beeinträchtigt sind. Zwischen Entfernung aus dem Dienst und erzieherischen Maßnahmen ist daher unter Berücksichtigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten alternativ danach zu entscheiden, ob der Beamte für den öffentlichen Dienst noch tragbar ist. Hat ein Beamter im Kernbereich seines Pflichtenkreises schuldhaft versagt und das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren, ist er für den öffentlichen Dienst objektiv untragbar und sein Verbleiben im Dienst dem Dienstherrn nicht länger zumutbar. Dies kann entsprechend für eine außerdienstliche Verfehlung gelten, die nach ihrer Art, insbesondere ihrer Nähe zum Kernbereich und ihrer Intensität dem Kernbereichsverstoß in nichts nachsteht.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier voraussichtlich die Höchstmaßnahme geboten. Bei der erforderlichen abwägenden Gesamtwürdigung gilt es zunächst zu Lasten des Beamten einzustellen, dass das Dienstvergehen objektiv schwer wiegt. Ein Beamter, der sich außerhalb des Dienstes der vorsätzlichen Steuerhinterziehung erheblicher Beträge schuldig gemacht hat, begeht ein schweres Wirtschaftsdelikt. Disziplinarrechtlich wirkt sich dabei besonders aus, dass er sich - durch ein zudem grundsätzlich strafbares Verhalten unberechtigte Steuervorteile verschafft hat, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch öffentliche Mittel alimentiert wird. Das beeinträchtigt in erheblichem Maße sein eigenes Ansehen und das Ansehen der Beamtenschaft insgesamt, auf das der freiheitliche Rechtsstaat in besonderem Maße angewiesen ist, wenn er die ihm gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben sachgerecht erfüllen will.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 1994 - 1 D 57.93 -, BVerwGE 103,184.

Über die Ansehensschädigung hinaus führt ein solches Verhalten grundsätzlich auch zu erheblichen Zweifeln an der für seine dienstliche Tätigkeit gebotenen Vertrauenswürdigkeit eines Beamten im Übrigen. In gesteigertem Maße gilt dies bei außerdienstlichem Fehlverhalten, dem der Beamte in seinem konkret-funktionellen Amt zu begegnen hat. So liegt der Fall hier. Der beschuldigte Beamte war gerade zur Durchsetzung des Steuerrechts verpflichtet. Dies verleiht dem Dienstvergehen ein besonderes, für die Maßnahmebemessung außerordentlich bedeutsames Gewicht. Ferner spricht gegen den Beamten, dass er nicht nur einmalig versagt, sondern sein pflichtwidriges Tun über 13 Veranlagungsjahre fortgesetzt hat. Zwischen den einzelnen Tathandlungen hätte für ihn ausreichend Gelegenheit bestanden, über die Pflichtwidrigkeit seines Handeins nachzudenken und davon Abstand zu nehmen.

Schließlich gilt es auch, die Gesamtgrößenordnung der Hinterziehungsbeträge zu berücksichtigen. Es geht hier um die Hinterziehung von Einkommensteuer in einer Gesamthöhe von 185.230,00 DM und von Vermögensteuer in einer Gesamthöhe von 29.290,00 DM, zusammen also 214.520,00 DM. Hinterziehungsbeträge in dieser Größenordnung bewegen sich deutlich jenseits einer etwaigen "Bagatellgrenze" und verleihen dem Dienstvergehen ein entsprechendes Eigengewicht. In Fällen von Finanzbeamten des gehobenen und des höheren Dienstes hat der Senat allein im Hinblick auf die erreichte Größenordnung der Steuerhinterziehungen auf die Höchstmaßnahme erkannt, in denen es um hinterzogene Beträge von jeweils weit mehr als 400.000,00 DM ging und Milderungsgründe nicht vorlagen.

NRW OVG, Urteile vom 9. Juni 2004 - 22d A 1396/02.0 - und vom 10. November 200422d A 1184/03.O-.

Der Senat wird jedenfalls bei Finanzbeamten an dieser Rechtsprechung festhalten, weil bei diesem Personenkreis das Dienstvergehen der Steuerhinterziehung eine besondere Nähe zu den Kernbereichspflichten aufweist. Ob dem Bundesverwaltungsgericht zu folgen ist, das bei fehlenden erschwerenden Umständen eine Dienstgradherabsetzung für angemessen hält, wenn sich der Umfang der hinterzogenen Steuern im fünf- oder sechsstelligen (DM- )Bereich bewegt, braucht in dieser Allgemeinheit nicht entschieden zu werden. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2004 - 1 D 18.03 -, ZBR 2005, 91, betraf einen Beamten des gehobenen Dienstes in der Wehrbereichsverwaltung. Auch in weiteren Fällen von Steuerhinterziehungen, die vom Bundesverwaltungsgericht entschieden worden sind, ging es jeweils nicht um Finanzbeamte. Z.B. Urteil vom 9. November 1994, a.a.O. (Verwaltungsdirektor).

Dagegen hat das Bundesverwaltungsgericht Zollbeamte, die sich an Zollvergehen mit einer Schadenshöhe von deutlich weniger als 100.000,00 DM beteiligt haben, nicht degradiert, sondern - wohl auch wegen des engen dienstlichen Bezuges - aus dem Dienst entfernt. Z.B. Urteil vom 24. November 1998 - 1 D 16.97 - (gewerbsmäßiger Zigarettenschmuggel, Steuerschaden: 21.750, - DM). Vgl. auch Urteil vom 25. Juni 1998 - 1 D 32.97 (Steuerhehlerei eines Bahnbeamten, Steuerschaden: 61.000, - DM).

Ein Dienstvergehen mit einer dem vorliegenden Fall vergleichbaren Hinterziehungssumme ist dem Senat in der letzten Zeit nicht unterbreitet worden. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass der Ausgang des Disziplinarverfahrens offen und deshalb die Einbehaltungsanordnung aufzuheben wäre. Vielmehr zeichnet sich schon jetzt mit der gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ab, dass bei hinterzogenen Steuern von (weit) mehr als 200.000,00 DM (= 102.258,37 EUR) der Vertrauensverlust endgültig und deshalb die Höchstmaßnahme erforderlich ist.

In den Fällen, in denen es um die Hinterziehung hoher Steuerbeträge ging, der Senat aber gleichwohl von der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme abgesehen hat, trat als entscheidendes milderndes Kriterium hinzu, dass in die vorzunehmende Gesamtwürdigung zu Gunsten der Beamten eine vorbehaltlose Selbstanzeige nach § 371 AO eingestellt werden konnte. Dieses Kriterium fehlt vorliegend. Wenn der Beamte geglaubt hat, triftige Gründe dafür zu haben, den Weg der Selbstanzeige nicht zu beschreiten, so muss er die sich hieraus ergebende Folge - eben das Fehlen dieses Milderungsgrundes - tragen, ohne dass hier abschließend darüber entschieden werden müsste, ob dem Beamten vorliegend eine Selbstanzeige entscheidend geholfen hätte.

Die bisherigen Feststellungen lassen nicht den Schluss zu, dass der Beamte während der hier erheblichen Veranlagungszeiträume schuldunfähig war. Die eingeholten fachärztlichen Gutachten begründen nicht einmal Zweifel an der Schuldfähigkeit, die zugunsten des Beamten durchschlagen könnten. Das nervenärztliche Gutachten des Dr. med. M, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 7. Februar 0000 trifft keine verbindliche Festlegung zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beamten in der Zeit ab 1992 - und erst recht nicht für die Zeit ab 1985 -, weil Erkenntnisse über die Entwicklung des Beamten vor der Aufdeckung der Steuerhinterziehung nicht vorlägen. Allerdings stellt der Gutachter fest, dass bekannte Sachverhalte über die Lebensführung des Beamten darauf hinwiesen, dass ein Unvermögen, die eigenen finanziellen Ressourcen und Entwicklungsmöglichkeiten realistisch einzuschätzen, und eine hieraus resultierende überwertige Idee, absehbar einer völligen Verarmung ausgesetzt zu sein, den Beamten bereits während seines gesamten Erwachsenenalters beeinflusst hätten. Es bestehe somit zumindest ein ernst zu nehmendes Verdachtsmoment dahingehend, dass eine wahnevidente handlungsbestimmende Motivation bei dem Patienten bereits vor dem Aufdecken der Steuerhinterziehung vorgelegen habe und sich eine Konstellation aus Angsterleben und unkorrigierbarer Überzeugung, vor dem sozialen Ruin zu stehen, nicht erst durch das Aufkommen des eingeleiteten juristischen Verfahrens ergeben habe, sondern bereits vor März 1998 entscheidend auf das Motivations-, Denk- und Handlungsgefüge des Beamten ausgewirkt habe.

Im nervenärztlichen Gutachten des Chefarztes des T Krankenhauses X, Dr. med. Y, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Neurologie, vom 16. Juni 0000 heißt es: "Herr X kann als prinzipiell einsichtsfähig bezüglich des Unrechts seiner Steuerhinterziehung angesehen werden. Zu Einbrüchen in die Einsichtsfähigkeit kann es allenfalls punktuell und nicht über längere Zeiträume gekommen sein. Relevanter erscheint die Frage, ob Herr X gemäß dieser Einsichtsfähigkeit handeln konnte und wie weit es ihm möglich war, sein Verhalten gemäß seiner Einsicht zu steuern. Hier lässt sich zweifellos sagen, dass es krankheitsbedingt zu lang anhaltenden Einbrüchen in die Steuerungsfähigkeit gekommen ist, so dass die Unrechtmäßigkeit seines Handeins für Herrn X weniger maßgeblich war als das Verfolgen einer inneren auf der psychischen Erkrankung aufbauenden Logik. Zwischenzeitlich muß Herrn X unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes das Unrecht der Steuerhinterziehung bewusst geworden sein. Eine zu diesen Zeitpunkten prinzipiell mögliche Selbstanzeige wäre für Herrn X jedoch im Rahmen seiner existenziellen Ängste ungleich problematischer gewesen als bei einem psychisch Gesunden. Daraus leitet sich unseres Erachtens eine hochgradige Schuldminderung gemäß § 21 StGB bei nicht gänzlicher Schuldunfähigkeit ab."

Die Schuldfähigkeit des Beamten war danach in den Jahren 1985 bis 1997 nicht ausgeschlossen. Ob die Schuldfähigkeit des Beamten eingeschränkt war, wird voraussichtlich dahingestellt bleiben können, weil dieser Milderungsgrund wahrscheinlich nicht zu einer anderen Disziplinarmaßnahme als der Dienstentfernung führen wird.

Wenn es sich um die eigennützige Verletzung einer leicht einsehbaren Kernpflicht handelt, ist es nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht gerechtfertigt, wegen verminderter Schuldfähigkeit von der eigentlich gebotenen Höchstmaßnahme abzusehen. Z.B. BVerwG, Urteil vom 23. August 1988 - 1 D 136.87 -, NJW 1989, 851.

In einem solchen Fall muss im Hinblick auf die als selbstverständlich geforderte und ständig eingeübte korrekte Verhaltensweise von dem Beamten erwartet werden, dass er auch bei erheblich verminderter Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit noch genügend Widerstandskraft gegen strafbares Verhalten aufbietet. Eine Parallele zur weitergehenden Berücksichtigung eingeschränkter Schuldfähigkeit im Strafrecht verbietet sich hier aufgrund des durch die Sonderrechtsbeziehung begründeten gegenseitigen Vertrauensverhältnisses. Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 D 5.02 - ; BGH Urteil vom 9. Juni 2004 RiSt(R) 1/02 -, NJW 2004, 2910.

Mit der dienstlichen Kernpflicht ist freilich nur derjenige Pflichtenkreis des Beamten gemeint, der im Mittelpunkt der ihm übertragenen und im einzelnen geregelten dienstlichen Aufgaben steht. Hierzu zählen die Pflichten nicht, die einen Finanzbeamten bei Abgabe seiner eigenen Steuererklärung treffen. Wie im Strafrecht ist aber auch im Disziplinarrecht die verminderte Schuldfähigkeit eines Beamten kein zwingender Milderungsgrund. Das Gericht kann, muss aber keine geringere Disziplinarmaßnahme aussprechen, wenn verminderte Schuldfähigkeit anzunehmen oder nicht auszuschließen ist. Der verminderten Schuldfähigkeit kommt auch außerhalb der eigentlichen Kernpflichten - d.h. bei Pflichtverletzungen innerhalb des Dienstes jenseits des Kernbereichs und außerdienstlichen Pflichtverletzungen - keine die Maßnahme mildernde Wirkung zu, wenn das Dienstvergehen in der Verletzung einer elementaren, selbstverständlichen und einfach zu befolgenden Pflicht besteht und sein objektives Gewicht so schwer ist, dass der Beamte, der immerhin schuldhaft gehandelt hat, als objektiv untragbar angesehen werden muss.

BVerwG, Urteile vom 10. Juli 1996 - 1 D 98.95 - und vom 28. März 2000 - 1 D 8.99 (jeweils zu außerdienstlichen Vermögensdelikten); OVG Rheinland . Pfalz, Urteil vom 4. März 2005 - 3 A 12243/04 ., AS 32, 140.

Um eine solche Pflicht geht es hier schon deshalb, weil sie der Kernbereichspflicht des Beamten sehr nahe kommt, die Steuerpflichtigen zur Steuerehrlichkeit anzuhalten und etwaigen Versuchen der Steuerunehrlichkeit entgegenzutreten.

Eine Kostenentscheidung entfällt in diesem Nebenverfahren.

RechtsgebieteAO, DO NWVorschriften§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO, § 91 DO NW, § 92 Abs. 1 DO NW

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