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05.04.2006 · IWW-Abrufnummer 060951

Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 03.02.2005 – 8 U 82/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

8 U 82/04
13 O 318/03 Landgericht Hannover

Verkündet am 3. Februar 2005

In dem Rechtsstreit

R. D., W.,

Kläger und Berufungskläger,

Prozessbevollmächtigte:
#######

gegen

#######

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:
#######

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. April 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, dem Kläger 11.826,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2003 zu zahlen.

Die Beklagte trägt insgesamt die Kosten des Rechtsstreits

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf
12.126,96 festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen
(§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Abweisung seines Zahlungsanspruchs aus der Fahrzeugversicherung in Höhe von 12.126,96 EUR, die wegen angeblicher grobfahrlässiger Herbeiführung eines Verkehrsunfalles im Gegenverkehr (§ 61 VVG) erfolgt ist. Das Landgericht hat ausgeführt, der Kläger sei ohne jeglichen äußeren Anlass auf die Gegenfahrbahn geraten; dies sei objektiv und subjektiv grob fahrlässig gewesen. Die nach dem Unfall aufgetretenen von der Augenzeugin R. geschilderten Verhaltensweisen des Klägers deuteten auf einen epileptischen Anfall hin. Der Kläger habe nach anstrengender Nachtschicht mit einem Anfall rechnen müssen, da er in ärztlicher Behandlung gewesen sei und er sich noch in einer Umstellungsphase nach Medikamentenwechsel befunden habe. Auch wenn Übermüdung die Ursache gewesen sein sollte, habe er grobfahrlässig gehandelt, da er nach anstrengender 11 -Stunden-Schicht, ohne Pause, die Heimfahrt von der Arbeitsstelle aus angetreten habe und ihm die Anzeichen seiner Übermüdung erfahrungsgemäß nicht verborgen geblieben sein könnten.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat demgegenüber überwiegend Erfolg.

1. Ist der Kläger bei voller Verantwortlichkeit, Tageslicht und gerader und trockener Fahrbahn von der Fahrbahn abgekommen und auf dem Gegenfahrstreifen mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen, so ist allerdings von einem objektiv und subjektiv schwerwiegenden Verschulden auszugehen (BGHZ 119, 147); die Annahme eines Leistungsausschlusses wegen grobfahrlässige Herbeiführung des Unfalles wäre dann nicht zu beanstanden (§ 61 VVG). So liegt es hier jedoch nicht, weil außer einem nicht erwiesenen epileptischen Anfall in erster Linie ein unvorhergesehener Sekundenschlaf ernstlich in Betracht kommt, den der Kläger selbst bei ungeklärtem Hergang des Unfalles für die wahrscheinlichste Ursache hält.

2. Ein epileptischer Anfall ist nach den vorliegenden Arztbefunden gerade nicht erwiesen. Beobachtungen von Unfallzeugen (Bl. 55 d. A.) reichen nicht aus, zumal sie nicht spezifisch von dem bei Schockzuständen möglichen oder zu erwartenden Bild abweichende Schilderungen umfassen. Es ist auch ungeklärt, ob die laienhaft beobachteten Ausfallerscheinungen Unfallfolge oder Unfallursache waren. Von

der vollen Verantwortlichkeit des Klägers ist insofern auszugehen (vgl. zur Beweislast BGH vom 29. Oktober 2003, NJW-RR 2004,173). Ein erhöhtes Verschulden ist im Übrigen insofern auch deshalb auszuschließen, da der Kläger mit ärztlicher Billigung eine Belastungssituation auf sich genommen hatte, die in ähnlicher Form seit ca. zwei Monaten keine Beschwerden mehr ausgelöst hatte.

3. Nicht auszuschließen und nach den Umständen darüber hinaus auch naheliegend ist allerdings ein Sekundenschlaf, den der Kläger ?einfach fahrlässig? nicht vorhergesehen hat (entsprechend dem der Entscheidung in BGH NJW 74, 848 zugrunde liegenden Fall). Insofern ist zweifelhaft, ob nach den Grundsätzen der genannten, nach wie vor maßgeblichen, Entscheidung genügende Anhaltspunkte für ein grobes Verschulden bestehen. Allein die Angaben in der Schadensanzeige und die Einlassung (s. o.), wonach eine aufreibende 11-stündige (sonst 9-stün-dige) Nachtschicht zugrunde lag, und der Kläger sich ?geschafft?, jedoch noch fahrtauglich fühlte, reichen dafür noch nicht aus. Der darauf eingestellte Kläger, der immer nach Schichtbetrieb nach Hause gefahren ist, konnte bei nicht völlig ungewöhnlichen Verhältnissen ohne grobe Fahrlässigkeit davon ausgehen, entsprechend seiner Einschätzung noch fahrtauglich zu sein. Ein Anscheinsbeweis oder ähnliche allgemeine Annahmen scheiden nach der genannten Entscheidung bezüglich der Annahme grober Fahrlässigkeit aus, was die (auf dem seinerzeit angefochtenen Urteil beruhende) Berufungserwiderung allerdings verkennt (Bl. 148 f. d. A.). Die vom Senat vertretene Auffassung entspricht auch sonst der Rechtsprechung (OLG Schleswig DAR 2001, 463, Jena OLG-NL 2003, 80 - LS - ) und ist vom Landgericht verkannt worden, das einen dahingehenden - nicht existenten - Erfahrungssatz aufgestellt hat. Der beantragten gegenbeweislichen Beweisaufnahme zum Zustand des Klägers (Bl. 89, 93, 133 d. A.) bedarf es nach allem nicht. Das nachträgliche Bedauern des Klägers, die Fahrt angetreten zu haben, kann in keiner Hinsicht als Zugeständnis eines gesteigerten Verschuldens in dem Sinne in Betracht gezogen werden, dass dem Kläger die gesteigerte Gefahr eines Unfalles bei Fahrtantritt gegenwärtig war.

Grobe Fahrlässigkeit ist somit nicht festzustellen. Wenn nur eine der ernstlich in Betracht kommenden Unfallvarianten nicht mit grober Fahrlässigkeit verbunden war, scheidet ein Leistungsausschluss aus.

4. Zur Höhe ist der auf 12.126,96 EUR bezifferte Klaganspruch einschließlich des Verzugschadens wegen erstattet verlangter Rechtsanwaltskosten und den Abschleppkosten (§ 13 Nr. 5 AKB), die sich aus Bergungskosten und Kosten des Verbringens des Fahrzeugs zur örtlichen Reparaturwerkstatt zusammensetzen, im Wesentlichen gerechtfertigt; abzusetzen ist lediglich der Selbstbehalt von 300 EUR (Bl. 95 d. A.). Insgesamt war somit der zuerkannte Betrag zuzusprechen.

Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen im Übrigen hinsichtlich der Kosten auf §§ 91, 92 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

RechtsgebietSchadenrechtVorschriften§ 61 VVG

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