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01.03.2006 · IWW-Abrufnummer 060575

Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 31.01.2006 – 3 Ss OWi 86/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


3 Ss OWi 86/2006

Oberlandesgericht Bamberg

BESCHLUSS

in dem Bußgeldverfahren

gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

am 31. Januar 2006

folgenden B e s c h l u s s :

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Pfaffenhofen a.d. Ilm vom 15. September 2005 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht Pfaffenhofen a.d. Ilm zurückverwiesen.

G r ü n d e :

I.

1. Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt hat mit Bußgeldbescheid vom 17.05.2005 gegen den Betroffenen wegen einer am 28.03.2005 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h eine Geldbuße von 80 Euro festgesetzt und zudem ein ? mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG (so genannte Vier-Monats-Regel) verbundenes - Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.

2. Auf seinen Einspruch hat das Amtsgericht gegen den anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen am 15.09.2005 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 100 Euro verhängt; von dem im Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbot hat es demgegenüber abgesehen.

a) Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der den Tatvorwurf uneingeschränkt einräumende Betroffene am 28.03.2005 um 12.20 Uhr mit einem Pkw die Bundesautobahn A 93 in Höhe Kilometer 265,55 in Fahrtrichtung München mit einer Geschwindigkeit von (mindestens) 84 km/h, womit er die dort auf 60 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 24 km/h überschritt.

b) Zur Vorahndungssituation des Betroffenen (Jahrgang 1950) hat das Amtsgericht festgestellt:

a) Tattag: 29.10 .2003, 16.50 Uhr, Tatort: V.,
Tatvorwurf: Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h;
Geldbuße: 75 Euro.
Datum der Rechtskraft: 18.05.2004.

b) Tattag: 14.11.2003, Tatort: G.,
Tatvorwurf: Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 38 km/h;
Geldbuße: 75 Euro.
Datum der Rechtskraft: 30.12.2003.

3. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts; sie beanstandet, dass das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbots wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG (außerhalb eines Regelfalls) abgesehen hat.

Die zur Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht vom 17.01.2006 abgegebene Gegenerklärung des Betroffenen vom 26.01.2006 lag dem Senat bei der Entscheidung vor.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde, die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist, hat Erfolg.

1. Das Amtsgerichts hat seinen Rechtsfolgenausspruch wie folgt begründet:

?Das Gericht hält im vorliegenden Fall eine Geldbuße von 100 Euro für tat- und schuldangemessen. Der in Frage stehende Tatvorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften steht im Bußgeldkatalog unter Nummer 11.3.4 mit einer Regelgeldbuße von 40 Euro und 1 Punkt zu Buche. Das Gericht hat sich trotz des Geständnisses des Betroffenen im vorliegenden Fall aufgrund der beiden einschlägigen Voreintragungen zu einer deutlichen Erhöhung der Geldbuße veranlasst gesehen.

Demgegenüber hat das Gericht die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots nach § 25 StVG für nicht gegeben erachtet. Der vom Gesetzgeber als Regelfall erachtete Wiederholungsfall bei einer Geschwindigkeitsverletzung um mehr als 26 km/h binnen Jahresfrist ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zur Überzeugung des Gerichts liegt im vorliegenden Fall auch ein diesem Fall vergleichbarer Fall, der als beharrliche und grobe Pflichtverletzung zu werten wäre und demzufolge zur Verhängung eines Fahrverbotes führen würde, nicht vor. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass der Betroffene in einem sehr kurzen Zeitabstand von etwas über 2 Wochen im Oktober bzw. im November 2003 zweimal in erheblichem Maße die Geschwindigkeit überschritten hat. Das Gericht übersieht auch nicht, dass die Rechtskraft des Tatvorwurfs Tatdatum 29.10.2003 erst am 18.05.2004 eintrat und der Betroffene damit innerhalb Jahresfrist ab Rechtskraft der ihm zur Warnung gereichenden Entscheidung gegen den selben Ordnungswidrigkeitentatbestand erneut verstoßen hat.

Das Gericht hat sich im vorliegenden Fall jedoch durch die Einwendungen des Betroffenen hinsichtlich der ihm in den früheren Ordnungswidrigkeitenverfahren zur Last gelegten Tatvergehen zu einer anderen Bewertung der Umstände veranlasst gesehen.
Der Betroffene hat glaubwürdig und nachvollziehbar angegeben, dass der Tatvorwurf, die Tat am 14.11.2003 betreffend, zutreffend gewesen sei. Es sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass er sich gerade auf dem Weg, seine Frau zu einem Arzttermin zu fahren befunden habe. Seine Frau habe große Schmerzen gehabt und er sei zur Tatzeit von dem Mitgefühl für seine Frau beeinflusst gewesen und habe sich dadurch zu einer erhöhten Geschwindigkeit verleiten lassen.
Zum zweiten Fall werden die Umstände vom Betroffenen dahingehend dargestellt, dass es sich um eine Laserpistolenmessung gehandelt habe. Entgegen der sonst üblichen Praxis habe nicht der Messbeamte die von ihm durchgeführte Messung schriftlich fixiert, sondern diese über Fernkommunikationsmittel an einen anderen Beamten weitergegeben. Er habe auf Widersprüche in den Aussagen und die möglicherweise daraus resultierende falsche Aufzeichnung, was seine Geschwindigkeit betrifft, hingewiesen, sei jedoch nicht zu Gehör gekommen. Vielmehr habe man ihn zu einer Einspruchsrücknahme genötigt, die er dann letztlich auch - wider besseren Wissens - erklärt habe.

Aufgrund des vom Betroffenen in der Hauptverhandlung vermittelten Eindrucks ist das Gericht im vorliegenden Fall zur Überzeugung gelangt, dass die im vorliegenden Fall verwirklichte Tat nicht Ausdruck einer beharrlichen Pflichtverletzung ist und dem Betroffenen nicht die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche rechtstreue Gesinnung und notwendige Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt.
Zur Überzeugung des Gerichts kann aus der geäußerten Auffassung des Betroffenen, er sei zu Unrecht zu einer Einspruchsrücknahme genötigt worden, nicht darauf geschlossen werden, dass ihm die notwendige Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt. Es kann demgegenüber auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene, wie von ihm behauptet, tatsächlich nicht die entsprechenden Ordnungswidrigkeitentatbestände verwirklicht hat.?

2. Diese Ausführungen halten einer sachlich-rechtlichen Überprüfung bereits deshalb nicht stand, weil das Amtsgericht seine maßgeblichen Feststellungen zu den für ein etwaiges Fahrverbot wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG wesentlichen straßenverkehrsrechtlichen Voreintragungen des Betroffenen - soweit ersichtlich - einseitig und ungeprüft den Einlassungen des Betroffenen entnommen und damit einer ? auch eingeschränkten ? Nachprüfbarkeit durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen hat.
Zwar sind in Bußgeldsachen als Massenverfahren an die Abfassung der Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Gerade im Hinblick auf die Frage der Anordnung eines Fahrverbots kommt hinzu, dass für eine der strafprozessualen Einzelfallprüfung entsprechende Prüfungs- und Darstellungsdichte (§ 267 Abs. 3 StPO) ungeachtet des Charakters als individuelle Prognoseentscheidung regelmäßig nur begrenzt Raum sein kann (BGHSt 38, 106/110; BayObLG DAR 2004, 230/231 m.w.N.). Denn das Bußgeldverfahren dient - anders als das Strafverfahren - lediglich der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung und ist wegen seiner Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine einfache, schnelle und summarische Erledigung ausgerichtet. Hieraus folgt beispielsweise, dass das Bußgeldgericht hinsichtlich etwaiger Vorahndungen regelmäßig keine besonderen Feststellungen zum konkreten Anlass der Fahrten, zur Motivationslage der Betroffenen oder zu weiteren Tatumständen zu treffen braucht.
Liegt allerdings ? wie hier ? schon aufgrund des Inhalts des Bußgeldbescheids und eines dort vorgesehenen Fahrverbotes die konkrete Möglichkeit einer Fahrverbotsverhängung wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG nahe, kann auf die Mitteilung etwaiger Vorahndungen in den Urteilsgründen nicht verzichtet werden. Das Gericht ist dann gehalten, sich mit der Frage auseinander zusetzen, ob der von dem Betroffenen begangene Verkehrsverstoß von ähnlich starkem Gewicht ist wie der Regelfall. Ob dies der Fall ist, kann regelmäßig nur durch die Feststellung etwaiger (einschlägiger) Vorahndungen, ihres jeweiligen Rechtskrafteintritts, den Zeitpunkten ihrer Begehung und der konkreten Tatahndungen geschehen.

Zwar hat das Amtsgericht vorliegend die gebotenen Rahmenfeststellungen zur Vorahndungssituation des Betroffenen getroffen; es hat jedoch tatsächlich nicht diese, sondern die einseitig-subjektive Darstellung des Betroffenen zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, von einem Fahrverbot abzusehen. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist damit eine Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung im Ansatz verwehrt.

Mit der einseitig-subjektiven Darstellung durch den Betroffenen durfte sich das Amtsgericht hier schon angesichts einer dem in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV vorbewerteten Fall der Beharrlichkeit zumindest ähnlichen Sachlage nicht begnügen. Nachdem beide Vorahndungen der Betroffenen Geschwindigkeitsüberschreitungen von deutlich über 26 km/h betrafen, lag auch in Verbindung mit der zeitlichen Abfolge die Annahme einer Beharrlichkeit von ähnlichem Gewicht wie im Regelfall des § 4 Abs. 2 BKatV ? wie das Amtsgericht im Übrigen nicht verkannt hat ? nahe (vgl. BayObLG NZV 2003, 349/350).

Bei dieser Sachlage wäre das Amtsgericht verpflichtet gewesen, zumindest den Versuch zu unternehmen, sich über die seitens des Betroffenen zum Teil grundsätzlich in Frage gestellte Berechtigung der Tatumstände der Vortaten, insbesondere durch die Beiziehung der Akten oder ? sollte dies nicht (mehr) möglich gewesen sein - durch andere geeignet erscheinende Beweismittel, etwa durch die Vernehmung der damaligen polizeilichen Sachbearbeiter und etwaiger weiterer Verfahrensbeteiligter, Gewissheit zu verschaffen und gegebenenfalls die Einlassungen des Betroffenen kritisch zu hinterfragen. Keinesfalls durfte das Amtsgericht, ohne einen solchen Versuch zu unternehmen, so weit gehen, sogar die tatbestandliche Verwirklichung dieser rechtskräftigen Vortaten in Zweifel zu ziehen.

III.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen und in der Kostenentscheidung aufzuheben (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

RechtsgebietStVGVorschriften§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG

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