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08.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060403

Verwaltungsgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 02.02.2004 – 12 G 3879/03

Eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die ein Fahrverbot auslöst, rechtfertigt bereits bei erstmaliger Begehung, eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war.


VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Geschäftsnummer: 12 G 3879/03(1)

Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

pp.

wegen Verkehrsrechts

hat die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main durch

Richter am VG Grünewald

als Einzelrichter am 02.02.2004 beschlossen:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 750,-- Euro festgesetzt.

G R ü N D E

Dem Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die mit Verfügung vom 18.07.2003 der Antragstellerin erteilte und für sofort vollziehbar erklärte Auflage zur Führung eines Fahrtenbuches wieder herzustellen,

bleibt der Erfolg versagt.

Das von der Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid dargelegte besondere öffentliche Interesse an der Vollziehung der verfügten Fahrtenbuchauflage überwiegt das Interesse der Antragstellerin, bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren der Fahrtenbuchauflage nicht nachkommen zu müssen.

Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf die anderen Verkehrsteilnehmern drohende Gefahr, die durch die mangelnde Aufklärung von erheblichen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die zu einem Fahrverbot führen können, entsteht, gestützt (Seite 2 Abs. 6, 7 und 11 des angefochtenen Bescheides vom 18.07.2003). Damit hat sie das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung zutreffend schriftlich begründet. Die Verkehrsteilnehmer sind vor den Gefahren, die durch Verkehrsordnungswidrigkeiten wie z.B. der vorliegenden erheblichen überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit entstehen, zu schützen. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn die Verkehrsordnungswidrigkeiten erfolgreich geahndet werden, also insbesondere der verantwortliche Fahrer festgestellt wird. Dem dient die sofortige Vollziehbarkeit des Fahrtenbuchs.

Denn ist mit dem Fahrzeug ein nicht unerheblicher Verkehrsverstoß begangen worden, besteht nach der Wertung des Gesetzgebers in § 31 a StVZO die Gefahr, dass in nächster Zeit erneut ein Verkehrsverstoß erfolgt. Der Schutz der Allgemeinheit vor der Gefahr eines wiederholten, nicht aufklärbaren und nicht unerheblichen Verkehrsverstoßes wiegt auch in Anbetracht der Bedeutung der geschützten Rechtsgüter von Leib und Leben schwerer als das Interesse des Fahrzeughalters, vorerst kein Fahrtenbuch zu führen, zumal damit keine wesentliche Beeinträchtigung verbunden ist.

Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse bestünde nur dann nicht, wenn an der Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage Zweifel bestünden. Solche sind aber nicht ersichtlich. Gemäß § 31 a StVZO kann die Straßenverkehrsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Mit dem Fahrzeug der Antragstellerin ist am 30.01.2003 eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 49 Abs. 3 Nr. 4, 41 Abs. 2 StVO und § 24 StVG (überschreiten der durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit) begangen worden. Dies ergibt sich aus den in der beigezogenen Behördenakte der Antragsgegnerin enthaltenen Frontfotos. Diese lassen eine Pkw der Marke Mercedes und das amtliche Kennzeichen F-XX #### erkennen. Unter diesem Kennzeichen ist der Pkw der Antragstellerin zugelassen.

Auf den Frontfotos hat die Verkehrsüberwachungsanlage eine gemessene Geschwindigkeit von 169 km/h aufgezeichnet. Ausweislich der polizeilichen Feststellungen, die sich aus dem Datensatzauszug vom 21.03.2003 (Bl. 2 der überlassenen Behördenakte) ergibt, ist damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf der A 5, Frankfurt-Kassel bei Kilometer 472,7, Gemarkung Pohlheim bei einer Messtoleranz von 6 km/h um 43 km/h überschritten worden.

Die Feststellung des Fahrers, der am 30.01.2003 die Verkehrsordnungswidrigkeit mit dem Fahrzeug der Antragstellerin beging, war nicht möglich. Eine solche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können (BVerwG, Urteil vom 17.12.1982, 7 C 2.80, Buchholz 442.16, § 31 a Nr. 12 f. m.w.N.). Dies ist hier zu bejahen. Das Regierungspräsidium Kassel übersandte der Antragstellerin am 12.02. ausweislich des Datensatzauszuges vom 21.03.2003 (Bl. 2 der beigezogenen Behördenakte) einen Zeugenfragebogen, auf den die Antragstellerin nicht reagierte. Das um Amtshilfe ersuchte Polizeipräsidium Frankfurt schrieb unter dem 14.04.2003 die Antragstellerin nochmals an und forderte sie auf, die Personalien des/der Fahrer/in mitzuteilen, wobei sie eine Kopie der von der Verkehrsüberwachungsanlage gefertigten Frontfotos beifügte, wie sich aus Bl. 5 der beigezogenen Akte der Antragsgegnerin ergibt. Auch dieses Schreiben ließ die Antragstellerin unbeantwortet. Schließlich suchte ein Beamter des Polizeipräsidiums Frankfurt den Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn H, in dessen Büro in der Eschenheimer Anlage 1 auf, ohne dass dieser den auf den Frontfotos zu sehenden Fahrer benannte. Es kann hier dahinstehen, ob der Geschäftsführer der Antragstellerin als Beschuldigter oder als Zeuge bei der Vorsprache des Beamten des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main befragt wurde. Denn es war bereits nicht erforderlich, bei der Antragstellerin weitere Nachforschungen durchzuführen, nachdem diese sowohl den Zeugenfragebogen des Regierungspräsidiums Kassel vom 12.02.2003 als auch das Schreiben des Polizeipräsidiums Frankfurt vom 14.04.2003 unbeantwortet gelassen hatte. Dadurch hatte die Antragstellerin bereits hinreichend zu erkennen gegeben, dass sie an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes nicht mitwirken wolle. Lehnt der Fahrzeughalter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes erkennbar ab, ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urteil vom 17.12.1982 a.a.O.). Die Antragstellerin aufzusuchen, war in Anbetracht der Bedeutung der Sache nicht hinreichend erfolgsversprechend, nachdem sie bereits die genannten Schreiben unbeantwortet gelassen hatte. Anhaltspunkte für Ermittlungen in andere Richtung lagen nicht vor. Schließlich vermag bei einer summarischen Prüfung der Sachlage das Gericht der Angabe des Geschäftsführers der Antragstellerin, Herrn H, er habe alleine deshalb keine Angaben zum Fahrer des Firmenfahrzeuges am 31.01.2003 gemacht, weil er sogleich von dem Polizeibeamten als Täter beschuldigt worden sei, keinen Glauben zu schenken. Denn er hatte durch sein Verhalten bereits gezeigt, dass er an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes nicht mitwirken will. Die auf dem Frontfoto, das ihm in Kopie bereits mit dem Schreiben des Polizeipräsidiums Frankfurt vom 14.04.2003 übermittelt worden war, zu erkennende Person hätte er bereits zuvor nennen können. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schreiben vom 12.02.03 und 14.04.03 die Antragstellerin und deren Geschäftsführer nicht erreicht haben. Die Schreiben waren zutreffend adressiert und sind nicht an die Absender zurückgelaufen. Die Antragstellerin hat sich auch nicht darauf berufen, die Schreiben, da sich in Kopie in der beigezogenen Akte der Antragsgegnerin befinden und in die die Antragstellerin Einsicht hatte, nicht erhalten zu haben.

Die erste Anhörung der Antragstellerin, die mit Verfügung des Regierungspräsidiums Kassel am 12.02. verfügt wurde, erfolgte bei summarischer Prüfung der Sachlage auch innerhalb der regelmäßig einzuhaltenden Zweiwochenfrist (vgl. ständige Rechtsprechung des BVerwG, Beschluss vom 14.05.1997, 3 B 28/97, Juris). Die zweiwöchige Frist endete am 13.02.2003. Bei einer Postlaufzeit von einem Tag von Kassel nach Frankfurt, die das Gericht zugrunde legt, erreichte die Anhörung die Antragstellerin noch am 13.02. Doch selbst wenn die Frist nicht gewahrt worden sein sollte, wäre dies unerheblich, weil die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.12.1996, 11 B 84/96, Juris; HessVGH, Urteil vom 19.01.1988, 2 UE 1246/87, VRS 75, 144 - 147). Denn nicht die Verzögerung, sondern die Weigerung der Antragstellerin, Angaben zu machen, hat dazu geführt, dass der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden konnte. Denn spätestens mit der übersendung des Frontfotos wäre es der Antragstellerin möglich gewesen, den Fahrer zu benennen. Aus den Darlegungen des Bevollmächtigten der Antragstellerin im Schriftsatz vom 02.12.2003 ergibt sich, dass der Fahrer auf dem Frontfoto identifizierbar ist.

Von dem der Verwaltungsbehörde nach § 31 a StVZO eingeräumten Ermessen ist in rechtsfehlerfreier Weise Gebrauch gemacht worden. Insbesondere liegt kein Ermessensnichtgebrauch vor. Aus den Gründen des Bescheides ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass die Antragsgegnerin beim Erlass des Bescheides fälschlicherweise davon ausgegangen wäre, bei einem erheblichen Verstoß von Gesetzes wegen gezwungen zu sein, eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen. Vielmehr hat sie ausführlich in den Abs. 6 - 8 auf Seite 2 ihres Bescheides das öffentliche Interesse an der Verhängung der Fahrtenbuchauflage dargelegt. Dadurch bezeugt sie, dass sie Ermessen ausübt, da die Darlegung eines öffentlichen Interesses bei einer gebundenen Entscheidung nicht erforderlich gewesen wäre, sondern bereits durch die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der Norm gegeben wäre. Sonstige Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat den Sachverhalt umfassend gewürdigt. Die dort angestellten Erwägungen tragen dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, Gefährdungen des Straßenverkehrs in der Zukunft vorzubeugen sowie im Hinblick auf die zeitliche Begrenzung der Fahrtenbuchauflage dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in vollem Umfang Rechnung. Die Verkehrsordnungswidrigkeit ist schließlich auch von solchem Gewicht, dass es gerechtfertigt ist, auch schon nach erstmaliger Begehung von der Maßnahme nach § 31 a StVZO Gebrauch zu machen. Die überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 43 km/h zieht regelmäßig ein Fahrverbot nach sich. Diese vom Verordnungsgeber vorgenommene Bewertung der Ordnungswidrigkeit rechtfertigt es, den Verstoß als so gewichtig einzustufen, dass auch ohne zusätzliche Umstände die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches ausgelöst werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.07.1995, 11 C 12.94, Buchholz 442.16, § 31 a StVZO Nr. 21 zu dem einmaligen Rotlichtverstoß).

Da die Fahrtenbuchauflage zu Recht erfolgt ist, ist auch die Festsetzung der Verwaltungsgebühr in dem angefochtenen Bescheid dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Die Höhe der Gebühr entspricht der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr.

Die Kosten des Verfahrens hat gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Antragstellerin zu tragen, da sie unterliegt.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG und orientiert sich an Ziffer 45.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wegen des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens ist der daraus resultierende Betrag um die Hälfte reduziert worden.

Rechtsmittelbelehrung...

RechtsgebietStVZOVorschriften§ 31 a StVZO

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