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25.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060201

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 04.11.2005 – 4 Ws 61/05

Ein Zeugenbeistand, der die gerichtliche Verfahrensgebühr geltend macht, muss wegen seines eingeschränkten Aufgabenbereichs konkret vortragen, durch welche von ihm erbrachte Tätigkeit diese entstanden sein soll.


Beschluss

4 Ws 61/05
509) 1 Kap Js 825/04 (51/04)

In der Strafsache gegen

M. D.,

wegen erpresserischen Menschenraubs u. a.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 4. November 2005 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. Februar 2005 aufgehoben.

2. Die dem Zeugenbeistand, Rechtsanwalt Dr. F aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung wird auf

426,88 Euro

festgesetzt.

3. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

Rechtsanwalt Dr. F. war seit dem 4. Mai 2004 Wahlbeistand des Zeugen A. M. T. und hat im Ermittlungsverfahren dessen richterlicher Vernehmung am 13. Mai 2004 beigewohnt. Auf seine Ladung zu der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin am 20. September 2004 ist der Zeuge im Beistand von Dr. F. erschienen, der seine Beiordnung beantragt hat. Der Vorsitzende der 9. Strafkammer hat ihn dem Zeugen gemäß § 68 b StPO als Zeugenbeistand beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 22. September 2004 hat Rechtsanwalt Dr. F. unter Hinweis darauf, den Zeugen in der Zeit vom 4. Mai bis 22. September 2004 vertreten zu haben, beantragt, seine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) wie folgt festzusetzen:

Grundgebühr gemäß VV 4100 132,00 Euro
Terminsgebühr gemäß VV 4102 Nr. 1 112,00 Euro
- Vernehmung am 13. Mai 2004 -
Verfahrensgebühr gemäß VV 4104 112,00 Euro
Verfahrensgebühr gemäß VV 4112 124,00 Euro
Terminsgebühr gemäß VV 4114 216,00 Euro
- Vernehmung am 20. September 2004 -
Auslagenpauschale gemäß VV 7002 20,00 Euro
16 % Umsatzsteuer gemäß VV 7008 114,56 Euro
830,56 Euro.

Mit Beschluss vom 12. November 2004 hat der Kostenbeamte des Landgerichts den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sei nicht anwendbar. Denn Rechtsanwalt Dr. F. sei bereits seit Mai 2004 und damit vor Inkrafttreten des RVG für den Zeugen in der Sache tätig gewesen. Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat das Landgericht ? Einzelrichter - durch die angefochtene Entscheidung den Beschluss aufgehoben und die Vergütung wie beantragt in Höhe von 830,56 Euro festgesetzt. Dagegen hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin als Vertreterin der Landeskasse Beschwerde eingelegt. Sie hat vorgetragen, der Zeugenbeistand sei bereits vor dem Inkrafttreten des RVG mit der Sache befasst gewesen und daher seien für seine Vergütung die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung maßgeblich. Hilfsweise hat sie beantragt, die zu zahlende Vergütung auf 426,88 Euro festzusetzen, weil der Zeugenbeistand Gebühren und Auslagen lediglich nach den Nrn. 4100, 4114 und 7002 sowie die Umsatzsteuer nach 7008 VV RVG fordern könne. Die Beschwerde hat mit dem Hilfsantrag Erfolg.

1. Die Vergütung des Zeugenbeistands Rechtsanwalt Dr. F. richtet sich nach den Vorschriften des RVG.

Im Fall der Pflichtverteidigerbestellung hat das Kammergericht bereits mehrfach entschieden, dass es für die Entscheidung der Frage, ob nach der Übergangsvorschrift des § 61 Abs. 1 RVG das alte oder neue Gebührenrecht Anwendung findet allein auf den Zeitpunkt der Bestellung des Pflichtverteidigers ankommt und ohne Bedeutung ist, ob er zuvor bereits in derselben Sache als Wahlverteidiger tätig war (vgl. etwa Beschlüsse vom 17. Januar 2005 ? (1) 2 StE 10/03-2 (4/03) -, 4. Februar 2005 ? 3 Ws 30/05 -, 11. Februar 2005 ? 5 Ws 656/04 ? und 10. März 2005 ? 4 Ws 17/05 ? m. w. Nachw.). Für die Beiordnung eines Zeugenbeistands gemäß § 68 b StPO kann nichts anderes gelten. Denn hierfür ist ebenso wie für die Beiordnung gemäß § 141 StPO erforderlich, dass das Wahlmandat insoweit, das heißt im Umfang der Beistandsbestellung, niedergelegt worden ist und damit als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Übergangsrechts nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 18. Juli 2005 ? 3 Ws 323/05 -). Der Beschwerdeführer ist dem Zeugen am 20. September 2004 - mithin nach dem Inkrafttreten des RVG - als Zeugenbeistand beigeordnet worden.

2. Gemäß Teil 4 Strafsachen, Vorbemerkung 4 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses [Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG)] in Verbindung mit Abschnitt 1 des Teiles 4 Strafsachen des Vergütungsverzeichnisses sind unter anderem für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Beistand eines Zeugen die Vorschriften für die Gebühren eines Verteidigers entsprechend anzuwenden und er erhält grundsätzlich die gleichen Gebühren wie dieser (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 18. Juli 2005 ? 3 Ws 323/05 ? m.w.Nachw.; Schmahl in Riedel/Süßbauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Vorbem. 4 Rdn. 22; Volpert in RVG, Burhoff Hrsg., Vorbemerkung 4.3 Rdz. 16; siehe auch Bundestagsdrucksache 15/1971 S. 145). Das bedeutet jedoch nicht, dass der Rechtsanwalt sämtliche Gebühren beanspruchen kann, die einem Verteidiger zustehen würden. Denn es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob der Rechtsanwalt einem Zeugen "lediglich" für die Dauer der Vernehmung beigeordnet oder einem Beschuldigten als Pflichtverteidiger für das gesamte Verfahren bestellt worden ist. Da nach den einzelnen Gebührentatbeständen des VV RVG tatsächlich erbrachte anwaltliche Tätigkeiten zu vergüten sind, kann der Rechtsanwalt als Zeugenbestand lediglich die Gebühren für seine tatsächlichen Tätigkeiten im Umfang seiner Beiordnung beanspruchen.

Rechtsanwalt Dr. F. stehen daher eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, für die Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung am 20. September 2004 eine Terminsgebühr nach Nr. 4114 VV RVG, die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG sowie die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG zu (so auch hinsichtlich der zu erstattenden Gebühren sinngemäß Göttlich/Mümmler, RVG, Stichwort Beistand Ziff. 3 am Ende). Die Grundgebühr erhält er für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall und das erste beratende Gespräch mit dem Zeugen, die Terminsgebühr für die Teilnahme an dem Vernehmungstermin, wobei diese Gebühr die Vor- und Nachbereitung des konkreten Termins umfasst (vgl. Burhoff in RVG, Burhoff Hrsg., Vorbemerkung 4 Rdn. 34).

Die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor der Strafkammer nach Nr. 4112 VV RVG kann Dr. F. dagegen nicht verlangen. Denn diese soll die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt abgelten, soweit hierdurch keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Gemeint ist damit die allgemeine Vorbereitung auf die Hauptverhandlung, wie etwa das Absprechen der allgemeinen Verteidigungsstrategie, die Frage der Einführung eigener Beweismittel in die Hauptverhandlung und Ähnliches (vgl. Burhoff aaO). Anders als ein Verteidiger, der ohne weiteres diese Gebühr beanspruchen kann, muss ein Zeugenbeistand für die Geltendmachung der Verfahrensgebühr wegen seines eingeschränkten Aufgabenbereichs konkret vortragen, durch welche von ihm erbrachte Tätigkeit diese entstanden sein soll. An einem entsprechenden Vorbringen fehlt es vorliegend.

Rechtsanwalt Dr. F. kann ferner nicht eine Terminsgebühr für die Teilnahme an der richterlichen Vernehmung des Zeugen am 13. Mai 2004 nach Nr. 4102 Nr. 1 VV RVG sowie eine Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren nach Nr. 4104 VV RVG beanspruchen. Er war für diese Vernehmung nicht zum Beistand bestellt worden, sondern allein durch das Landgericht für den Hauptverhandlungstermin am 20. September 2004. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand gemäß § 68 b StPO ist aber auf die Dauer der Vernehmung sowie ein vorheriges Beratungsgespräch mit dem Zeugen beschränkt. Bei einer wiederholten, nicht lediglich unterbrochenen Vernehmung bedarf es daher einer erneuten Entscheidung (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 68 b Rdn. 5, KMR-Neubeck, Kommentar zur StPO, § 68 b Rdn. 11). Aus diesem Grund kann die Beiordnung keine Rückwirkung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG entfalten. Das hat zur Folge, dass der Zeugenbeistand nur für die jeweilige Beiordnung Gebühren beanspruchen kann.

Die dem Beschwerdeführer zu gewährende Vergütung ist daher wie folgt festzusetzen:

Grundgebühr gemäß VV RVG 4100 132,00 Euro
Terminsgebühr gemäß VV RVG 4114 216,00 Euro
Auslagenpauschale gemäß VV RVG 7002 20,00 Euro
16 % Umsatzsteuer gemäß VV RVG 7008 58,88 Euro
426,88 Euro

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

RechtsgebietRVGVorschriftenNr. 4112 VV RVG

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