Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

16.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060141

Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 17.08.2005 – 4 K 233/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES
FINANZGERICHT

Az.: 4 K 233/04

Urteil vom 17. August 2005

Zur Veröffentlichung freigegeben ab: 14. September 2005

rechtskräftig

Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abgabenordnung überarbeitet.

4 K 233/04

In dem Rechtsstreit

wegen Umsatzsteuer 2003,

hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 17. August 2005 für Recht erkannt:

Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 vom 25. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 2004 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n d

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für den Verkauf eines Teiles seines Mandantenstammes die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1b UStG) in Anspruch nehmen kann. Insbesondere ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die Genehmigung des Finanzamts gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu besteuern, auch die Hilfsumsätze umfasst. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger erzielt Einkünfte als Steuerberater/Wirtschaftsprüfer aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Umsätze aus dieser Tätigkeit versteuerte der Kläger, nachdem das Finanzamt ihm mit Schreiben vom 04. September 1995 dies gestattet hatte, nach vereinnahmten Entgelten.

Außerdem war der Kläger seit 26. Juli 2002 alleiniger Gesellschafter der Firma X GmbH, Steuerberatungsgesellschaft (GmbH). Am 17. Juni 2003 wurde das Kapital dieser GmbH auf Euro umgestellt und auf 50.560 Euro erhöht. Diese Satzungsänderung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Handelsregister.

Ebenfalls am 17. Juni 2003 verkaufte der Kläger 98,72 % seiner Anteile an Frau Y. Nach § 2 Ziff. 1 dieses Vertrages erfolgte die Übertragung mit dinglicher Wirkung ab Registereintragung der Satzungsänderung. Nach § 3 dieses Vertrages sollte die Übergabe aufgrund eines gesondert geschlossenen Kaufvertrages erfolgen.

Unter dem Datum vom 30. Juni 2003 schloss der Kläger mit der GmbH folgenden Vertrag:

?Herr A (Kläger) will mit Wirkung vom 1. Juli 2003 seine Praxis verkleinern, da er sich .... (anderweitig orientieren will).

Aus diesem Grund verkauft Herr A einen Teil seines Mandantenstammes zum 30. Juni 2003 an die X GmbH, Steuerberatungsgesellschaft. Ausgeschlossen von diesem Verkauf sind ein Teil des Mandantenstammes, das Inventar der Praxis, der Genossenschaftsanteil an der DATEV e.G., die Forderungen, die noch nicht abgerechneten Aufträge, die Geldkonten und die zum 30.06.2003 begründeten Verbindlichkeiten der Praxis.

Mitarbeiter der Praxis, die für die Bearbeitung der verbleibenden Mandate nicht mehr benötigt werden, übernimmt die X GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, soweit diese mit der Übernahme einverstanden sind. Die X GmbH übernimmt die Mitarbeiter mit allen Rechten und Pflichten gem. § 613a BGB.

Die X GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, wird ihre Geschäfte, wie bisher auch, in den Räumen des Herrn A, zusammen mit diesem betreiben. Sie ist berechtigt, die Räume und die Einrichtungen zur Erledigung ihrer Aufträge mitzubenutzen.

Der Kaufpreis für den übernommenen Teilmandantenstamm beträgt Euro 650.000,-- zzgl. 16 % USt. Der Kaufpreis wird in der Weise zinslos gestundet, dass monatlich ein Betrag in Höhe von Euro 7.853,20 und eine letzte Rate in Höhe von Euro 7.946,00 gezahlt wird. Die erste Rate ist am 31.07.2003 und die letzte Rate am 30.06.2011 zur Zahlung fällig. Daneben zahlt die X GmbH, Steuerberatungsgesellschaft eine mtl. Miete für die Nutzung der Räume an die Z Unternehmensberatung GmbH in Höhe von Euro 1.041,60 und eine mtl. Miete für die Mitbenutzung des Inventars und der sonstigen Einrichtungen in Höhe von Euro 1.240,-- zzgl. 16 % USt an Herrn A. Herr A ist verpflichtet, die Praxiseinrichtung und die technischen Geräte, einschl. der EDV-Anlage, immer in einem solchen Zustand zu halten und alle Ergänzungen und Neuerungen anzuschaffen, die optimale Arbeitsabläufe in der Praxis garantieren. Bei Anschaffungen, die einen Rahmen von Euro 50.000,-- in einem Zeitraum von 2 Jahren übersteigen, ist der Mietzins für die Einrichtung anzupassen, oder die X GmbH beteiligt sich hieran mit 50 %.

Die anfallenden Kosten der Praxis werden im Verhältnis 60/40 geteilt, wobei die X GmbH den größeren Anteil der Kosten zu tragen hat. Auf diese Kosten zahlt die Y GmbH mtl. eine Vorauszahlung in Höhe von Euro 6.000,-- zzgl. 16 % USt an Herrn A. Die tatsächlichen Kosten werden endgültig abgerechnet, sobald die Einnahme-Überschussrechnung des Herrn A aufgestellt ist. Bei Überzahlungen erfolgt keine Erstattung, vielmehr ist diese mit den Vorauszahlungen der nächsten 6 Monate anteilig zu verrechnen. Die Vorauszahlungen werden angepasst wenn eine Über- oder Unterzahlung von mehr als 10 % in einem Jahr vorliegt.?

Mit Rechnung vom 30. Juni 2003 stellte der Kläger der GmbH für den Verkauf der Anteile des Mandantenstammes 650.000 Euro zuzüglich 104.000 Euro Umsatzsteuer, insgesamt 754.000 Euro, in Rechnung. Diese in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 104.000 Euro machte die GmbH in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2003 als Vorsteuern geltend. Der Betrag wurde antragsgemäß verrechnet bzw. erstattet. In der Jahresumsatzsteuererklärung erklärte der Kläger für den Verkauf des Mandantenstammes insgesamt 40.620 Euro (6 x 6.770 Euro).

Da das Finanzamt der Auffassung war, dass der Verkauf des Mandantenstammes als sogenannter Hilfsumsatz der Versteuerung nach vereinbarten Entgelten unterliege, erhöhte es mit Bescheid vom 25. Juni 2004 die Umsätze um 609.380 Euro. Den fristgerecht eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 19. August 2004 mit folgender Begründung zurück:

Die Sollversteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes bedeute für die Angehörigen der freien Berufe ebenso wie die Verpflichtung, Bücher zu führen, eine Erschwernis ihrer Arbeit. Neben der sich aus § 141 Abgabenordnung ergebenden Befreiung von der Buchführungspflicht würde für die Umsatzbesteuerung den Angehörigen der freien Berufe durch § 20 Abs. 1 Nr. 3 (UStG) weiterhin die Möglichkeit der Ist-Besteuerung eingeräumt. Diese Vorschrift diene demnach vorrangig der Vereinfachung der Besteuerung dieser Berufsgruppen. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG könne das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, soweit er Umsätze aus seiner Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführe, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach vereinnahmten Entgelten berechne. Dies erfordere, dass die Umsätze des Berufsangehörigen für seinen Beruf charakteristisch, d.h. berufstypisch, seien. Dazu würden nur die von Freiberufler ausgeführten Grundgeschäfte, nicht dagegen die Hilfsumsätze gehören. Der Verkauf von Vermögensgegenständen wie ein Mandantenstamm sei den Hilfsgeschäften zuzuordnen.

Außerdem sei die erhebliche steuerliche Auswirkung zu berücksichtigen. Dem Vorsteuerabzug der GmbH im Juni 2003 in Höhe von 104.000 Euro stünden monatliche Teilratenbesteuerungen über einen Zeitraum von acht Jahren gegenüber. Dies könne nicht im Sinne der Vereinfachungsregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG sein. Nach dem Urteil des Finanzgerichts München vom 24. März 1993 gelte die Vereinfachungsregelung nicht, wenn der Verkauf an ein verbundenes Unternehmen erfolge. Nach diverser im Anschluss an dieses Urteil ergangener OFD-Verfügungen sei nach den Grundsätzen in allen Fällen zu verfahren, in denen ein Unternehmer Leistungen an nahestehende Personen erbringe. Der Kläger habe zwar zum Zeitpunkt der Veräußerung keine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH gehalten, habe aber gleichwohl im Rahmen seiner Stellung als Geschäftsführer Gestaltungsmöglichkeiten von erheblicher Bedeutung gehabt. Daneben sei die räumliche Einbindung nicht außer Acht zu lassen. Die Entscheidungsgründe des Urteils des Finanzgerichts München seien auf den vorliegenden Fall durchaus übertragbar.

Der Auffassung einzelner Kommentatoren, dass bei großzügiger Auslegung die Hilfsgeschäfte in Bezug auf die Ist-Besteuerung den Umsätzen aus freiberuflicher Tätigkeit gleichzustellen seien, könnten nur Fallgestaltungen von geringerer Bedeutung zugrunde liegen.

Ergänzend werde auf Abschn. 88 Abs. 1 Satz 2 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) zu § 4 Nr. 14 UStG hingewiesen. Danach seien Hilfsgeschäfte der Ärzte nicht nach § 4 Nr. 14 UStG befreit. Außerdem werde auf das Urteil des BFH vom 28. Oktober 1971 hingewiesen. Danach unterlägen Hilfsgeschäfte eines freiberuflich Tätigen nicht dem damals gültigen ermäßigten Steuersatz.

Mit seiner Klage macht der Kläger Folgendes geltend:

Soweit das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung darauf hinweise, dass der Vorjahresumsatz mehr als 125.000 Euro betragen habe, so sei dies für den vorliegenden Fall vollkommen unerheblich, da er weder nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) noch anderen Gesetzen zur Führung einer ordnungsgemäßen Buchführung verpflichtet sei. Als Freiberufler sei es ihm, unabhängig von der Höhe der erzielten Umsätze oder erzielten Einkünfte, grundsätzlich gestattet, eine vereinfachte Einnahmen- und Ausgabenbuchführung zu führen und seine Einkünfte grundsätzlich gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln.
Der ausschließliche Grund für die Verträge im Juli 2003 sei in seinem derzeitigen Gesundheitszustand begründet und diene nicht irgendwelchen sonstigen Manipulationen, wie dies das Finanzamt offensichtlich vermute. Er habe am Ende 2002 bei einem Unfall einen ... erlitten, der ihn bis zum 31. März 2003 voll arbeitsunfähig gemacht habe. Auch heute sei er durch diese Verletzungen noch in der Ausübung seines Berufes eingeschränkt. Da es abzusehen sei, dass sich sein Gesundheitszustand nicht wesentlich verbessern werde, habe er zur Vorbereitung einer geregelten Nachfolge in seiner Praxis einen großen Teil seines Mandantenstammes mit Vertrag vom 30. Juni 2003 an die GmbH verkauft. Um auch weiterhin gesicherte Einnahmen zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes zu erhalten, habe er mit der GmbH vereinbart, dass der Kaufpreis gestundet und in monatlichen Raten an ihn ausgezahlt werde, so dass der Kaufpreis bis zum 30. Juni 2011 (Erreichen des 65. Lebensjahres) bezahlt werde. Es handele sich hier nicht um eine Rentenzahlung, sondern lediglich um eine ratenweise Zahlung des Kaufpreises, da er mit diesen Einnahmen, die aus seiner Sicht weiterhin Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit seien, seinen Lebensunterhalt bis zum Erreichen der Rentenaltersgrenze sichern wolle. Daneben beabsichtige er, mit den zurück-behaltenen Mandanten weiter Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit zu erzielen.

Zunächst sei er auch weiterhin als alleiniger Geschäftsführer der GmbH neben seiner nunmehr sehr reduzierten Tätigkeit in der eigenen Praxis geblieben. Es sei jedoch abzusehen, dass bis zum 01. Januar 2005 ein weiterer Geschäftsführer in die Gesellschaft eintrete, der möglicherweise auch einen Anteil in Höhe von 33,33 % an der Gesellschaft übernehmen werde.

Die Auffassung des Finanzamtes, dass die Ausführung seines sog. Hilfsgeschäftes bei einem Freiberufler für dieses Hilfsgeschäft zu einer Änderung der Besteuerungsart führe, teile er nicht. Die vom Finanzamt angeführten Urteile seien nach seiner Auffassung nicht anwendbar. Diese Urteile würden vollkommen andere Sachverhalte betreffen. Außerdem sei er der Auffassung, dass der Verkauf eines Teils seines Mandantenstammes an die GmbH gar kein Hilfsgeschäft sei. Er habe in seiner mehr als 30 Jahre andauernden Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater diese Mandanten für seine Praxis gewinnen können und diese hätten, im Vertrauen auf die Empfehlung des Klägers, auch einer Übertragung des Mandantenverhältnisses auf die Steuerberatungsgesellschaft zugestimmt. Dieser Vorgang falle nach seiner Auffassung unter die Grundgeschäfte einer Steuerberatungskanzlei, zumal es heute durchaus üblich sei, dass auch Mandantenstämme ganz normal zwischen Steuerberatungskanzleien und Steuerberatungsgesellschaften aus den verschiedensten Gründen gehandelt würden. Es handele sich somit um ganz normale Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.

Wenn der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 28. Oktober 1971 zu der Entscheidung gelangt sei, dass die Hilfsumsätze eines Arztes nicht dem ermäßigten Steuersatz unterlägen, sei dies spätestens seit der Einführung des § 4 Nr. 28 UStG Geschichte. Soweit der BFH für diesen Fall die Sollversteuerung für diese Umsätze angenommen haben sollte, sei dies auch nicht nachvollziehbar. Ein Arzt, der zur damaligen Zeit davon ausgehe, dass er mit keinem der von ihm erzielten Umsätze steuerpflichtig sei, habe selbstverständlich auch keinen Antrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG gestellt. Solange aber ein solcher Antrag nicht gestellt sei, könne auch keine Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten vorgenommen werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 25. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 2004 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.

Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt es Folgendes vor:

Die Höhe des Vorjahresumsatzes sei für die Frage von Bedeutung, ob alternativ nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten in Betracht komme.

Die persönlichen Beweggründe für die Veräußerung sowie für die vereinbarte Ratenzahlung seien entscheidungsunerheblich.

Zu den Grundgeschäften würden nicht die Umsätze eines Freiberuflers schlechthin zählen, sondern vielmehr nur die charakteristischen Leistungen. Hierzu rechne nicht die Veräußerung von Anlagevermögen durch einen Steuerberater.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die vor-bereitenden Schriftsätze und den Inhalt der beigezogenen Akten (eine Umsatzsteuerakte, ein Hefter USt-Voranmeldungen und ein Hefter Umsatzsteuer 2003 + Rechtsbehelfsverfahren) ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger wird durch den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 25. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 2004 in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Veräußerung eines Teiles des Mandantenstammes unterliegt der Ist-Besteuerung nach § 20 UStG.

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt, die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.

Da das Finanzamt mit Bescheid vom 4. September 1995 dem Kläger als Angehörigen eines freien Berufes gestattet hatte, die Umsatzsteuer für die von ihm ausgeführten Umsätze nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen und einkommensteuerlich Hilfsgeschäfte eines Freiberuflers innerhalb der Einkunftsart "Einkünfte aus selbständiger Arbeit" erfasst werden (Urteil des BFH vom 28. Oktober 1971 V R 101/71, BFHE 103, 451, BStBl II 1972, 102), liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 vor.

§ 20 UStG stellt nicht nur auf die Art der Tätigkeit ab, die der Unternehmer im Rahmen des § 1 UStG ausübt, sondern auch auf die Qualifikation des Unternehmers. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ist im Gegensatz zu § 4 Nr. 14 UStG nicht nur tätigkeitsbezogen, sondern auch personenbezogen abgefasst (vgl. Urteil des FG Berlin 7. Senat vom 22. Juni 1999 7 K 7091/97, EFG 1999, 1203).

Dass die Regelung des § 20 UStG, Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern, Hilfsgeschäfte nicht umfasst, ergibt sich nicht aus der Formulierung des § 20 UStG. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, dass Hilfsgeschäfte nicht unter § 20 UStG fallen sollen, so hätte er dies ähnlich wie in § 19 Abs. 1 UStG in den Wortlaut der Vorschrift aufnehmen können. Dies hat er nicht getan.

Auch aus der bis zum 31.12.1993 geltenden Regelung in § 20 Abs. 2 UStG ?Abs. 1 gilt nicht für Geschäftsveräußerungen? ergibt sich, dass der Gesetzgeber von der Regelung des § 20 UStG auch Hilfsgeschäfte erfasst wissen wollte. Denn nur eine Geschäftsveräußerung, die auch ein Hilfsgeschäft darstellt, sollte von der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten ausgenommen sein. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass alle anderen Hilfsgeschäfte, die keine Geschäftsveräußerung darstellen, von der Regelung des § 20 UStG erfasst werden sollten. Die Tatsache, dass § 20 Abs. 2 UStG ab 1.1.1994 weggefallen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Wegfall dieser Vorschrift darin begründet ist, dass eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG ab 1.1.1994 nicht mehr der Umsatzsteuer unterliegt.

In der Literatur wird ebenfalls die Ansicht vertreten, dass die Hilfsumsätze wie die Entgelte aus laufend bewirkten Umsätzen bei einem § 20 UStG anwendenden Unternehmer der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten unterliegen (Devermann in Offerhaus/Söhn/Lange, Kommentar zum UStG, Tz. 103 zu § 20; Flückiger/Georgy in Plückebaum/Malitzky, Kommentar zum UStG, Tz. 99 zu § 20; Henseler in Hartmann/Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, Tz. 19).

Soweit sich das Finanzamt darauf beruft, dass in der Rechtsprechung zu den Steuerbefreiungsvorschriften Hilfsumsätze teilweise ausgenommen werden, so beruht dies auf der Rechtsprechung des EuGH, nach der die von Art. 13 der 6. EG-Richtlinie umschriebenen Steuerbefreiungen eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (vgl. Urteil des EuGH vom 20. November 2003, C-8/01, Umsatzsteuerrundschau 2004, 82). Eine entsprechende Rechtsprechung zu Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie besteht nicht. Die Rechtsprechung zur Steuerbefreiung kann auch nicht auf die vorliegende Problematik übertragen werden. Während bei den steuerbefreiten Umsätzen keine Steuer festzusetzen ist, wird hier eine Steuer festgesetzt, so dass kein vergleichsweises Problem eines Steuerausfalles und einer damit verbundenen Wettbewerbsverzerrung gegeben ist. Hier geht es lediglich um die Frage des Zeitpunktes der Entstehung der Steuerschuld.

Schließlich liegt im Streitfall kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO vor.

Nach § 42 AO kann durch Missbrauch von Steuergestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1996 XI R 12/96, BSBl. II 1997, 374; BFH-Urteil vom 16.1.1992 V R 1/91; BStBl. II 1992, 541; vom 21.7.199V R 102/92, BFH/NV 1995, 741).

Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Entscheidend ist grundsätzlich, ob der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber bei seiner Regelung vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerrechtlichen Gründe vorliegen, ob er vielmehr auf einem ungewöhnlichen Weg einen Erfolg zu erreichen versucht, der nach den Wertungen des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreichbar sein soll. Der Missbrauch kann jedoch auch darin bestehen, dass der Steuerpflichtige einen anderen zu einer derartigen unangemessenen Gestaltung veranlasst und hieraus einen ungerechtfertigten Steuervorteil zieht. Maßgebend sind die gesamten Umstände des Einzelfalles (BFH-Urteil vom 10.09.1992 V R 104/91, BStBl II 1993, 254).

Im Streitfall sind wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe, die bewusst eine am Zweck der umgangenen Steuernormen vorbeizielende, ungewöhnliche Gestaltung rechtfertigen und deshalb der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs im Sinne von § 42 AO entgegenstehen könnten, nicht erkennbar.

Zum einen ist die Vereinbarung von Ratenzahlungen bei einem Betrag von 650.000 Euro netto nicht als unangemessen zu bezeichnen, zumal mit dem veräußerten Mandantenstamm auch erst in der Zukunft Einnahmen zu erzielen sind. Zum anderen hat der Kläger - vom Finanzamt unwidersprochen - vorgetragen, dass die Ratenzahlung durch seine gesundheitheitliche Situation veranlasst war.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wurde zugelassen, weil die Frage, ob Hilfsgeschäfte gemäß § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten besteuert werden können, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.

RechtsgebietUmsatzsteuerrechtVorschriften§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr