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12.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053540

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 30.05.2005 – L 5 ER 17/05 KA

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 5 ER 17/05 KA
S 3 ER 5/05 KA Mz

LANDESSOZIALGERICHT
RHEINLAND-PFALZ

BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
? Antragsteller und Beschwerdegegner ?
Prozessbevollmächtigte
gegen
Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz, Regionalzentrum Koblenz,
Emil-Schüller-Straße 14 - 16, 56073 Koblenz

? Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin ?

hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz am 30.05.2005 durch

Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. Follmann
Richter am Landessozialgericht Keller
Richter am Landessozialgericht Wiemers

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 1.3.2005 aufgehoben. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten beider Instanzen.
3. Der Streitwert für beide Instanzen wird auf jeweils 8.308,70 ? festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Umstritten ist, ob das Sozialgericht (SG) zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen eine Honorarkürzung aufgrund einer Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der Quartale III/2000 bis II/2003 angeordnet hat.

Der Antragsteller, der Allgemeinmediziner ist, ist zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in I zugelassen. In der Zeit vom 1.7.2000 bis zum 31.12.2003 war er in Praxisgemeinschaft mit seinem Vater, Dr med B M (hausärztlicher Internist), tätig. Mit Bescheid vom 16.3.2004 machte die Antragsgegnerin auf der Grundlage einer durchgeführten Plausibilitätsprüfung eine Honorarrückforderung von 33.234.81 ? für den Abrechnungszeitraum III/2000 bis II/2003 geltend. Zur Begründung hieß es: Aufgreifkriterium für die Plausibilitätsprüfung sei der hohe Anteil gemeinsamer Patienten gewesen, den der Antragsteller zusammen mit seinem Vater gehabt habe. Der Anteil gemeinsamer Patienten habe in den streitgegenständlichen Quartalen zwischen 30,07 % und 49,75 % gelegen. Für das Quartal IV/2000 sei eine Einzelfallprüfung durchgeführt worden, welche die Vermutung bestätigt habe, dass der Antragsteller mit seinem Vater Patienten ?verschoben? und somit die Rechtsform der Praxisgemeinschaft missbraucht habe. Durch die gemeinsame Patientenbehandlung sei die Fallzahl beider Ärzte der Praxisgemeinschaft künstlich erhöht worden. Da die Fallzahl Grundlage für die Festlegung der Budgetgrenzen sei, hätten sich durch die erhöhten Fallzahlen höhere Budgets ergeben. Die vorgenommene Plausibilitätsprüfung erfordere keine im Einzelfall nachzuweisende Streichung einzelner Leistungen oder Fälle. Denn auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei nicht erforderlich, zur Feststellung der Fehlerhaftigkeit einer Abrechnung aufzuzeigen, welche einzeln abgerechnete Leistung nicht korrekt erbracht worden sei. Vielmehr stehe der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) ein weites Schätzungsermessen für die Honorarfestsetzung zu, wenn zumindest durch grob fahrlässige falsche Angaben die vom Vertragsarzt unterzeichnete Sammelerklärung ihre Garantiefunktion für die Korrektheit der Abrechnung verliere. Im Falle des Antragstellers könne aufgrund der praktizierten gemeinsamen Patientenbehandlung von einer bewussten Fallzahlvermehrung zur Erhöhung des Budgets bzw Reduzierung einer Budgetüberschreitung ausgegangen werden. Zur Abrechnung des Rückforderungsbetrages werde angenommen, dass ein Anteil von 15 % gemeinsamer Patienten in einer Praxisgemeinschaft nachvollziehbar sei. Diese Annahme beruhe auf einer Aufstellung aus dem Quartal IV/2000; für alle Praxisgemeinschaften im Bereich der KÄV Koblenz habe sich ein durchschnittlicher Anteil an gemeinsamen Patienten von 19 % ergeben; in diese Aufstellung seien auch die Praxisgemeinschaften mit fachübergreifenden Praxen, die einen höheren Anteil an gemeinsamen Patienten aufweisen könnten, und auch die Praxen, die nicht nachvollziehbare extrem hohe Anteile gemeinsamer Patienten aufwiesen, mit einbezogen gewesen. Eine weitere Zusammenstellung für das Quartal III/2003 bestätige diese Feststellung; über alle Praxisgemeinschaften ergebe sich ein Anteil an gemeinsamen Patienten in Höhe von ca 16 %. Da die Praxisgemeinschaft des Antragstellers und seines Vaters aus einem Allgemeinmediziner und einem hausärztlich tätigen Internisten bestehe und somit kein wesentlich erhöhter Anteil gemeinsamer Patienten gerechtfertigt sein könne, sei die vorgenommene Anerkennung von 15 % gemeinsamer Patienten sachgerecht. Um auszuschließen, dass rein rechnerisch betrachtet Patienten als nicht behandelt gälten, werde beim Antragsteller nur die halbe Anzahl der beanstandeten Behandlungsfälle für die Neuberechnung des Budgets herangezogen.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger unter Bezugnahme auf die Widerspruchsbegründung im Parallelverfahren seines Vaters Widerspruch ein. Sein Vater hatte ua geltend gemacht: Dem von ihm angefochtenen Bescheid ermangele es bereits an einer Rechtsgrundlage für die Rückforderung. Plausibilitätsprüfungen stellten nach der Rechtsprechung des BSG kein eigenständiges Beanstandungsverfahren neben der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Berichtigung dar. Sie gäben daher nicht die Berechtigung, ohne den Nachweis fehlerhafter Abrechnungen pauschale Honorarberichtigungen vorzunehmen. Die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung sei lediglich in den Fällen nicht mehr erfüllt, in denen sie sich wegen abgerechneter, aber nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen als falsch erweise. Im Übrigen sei unzutreffend, dass er durch einen Gestaltungsmissbrauch eine ?künstliche? Fallzahlvermehrung herbeigeführt und damit höhere Budgets erhalten habe.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Plausibilitätsprüfung setze nicht voraus, dass fehlerhaft abgerechnete Leistungen nachgewiesen würden. Vielmehr habe das BSG (Hinweis auf Urt v 8.3.2000, B 6 KA 16/99 R) eindeutig klargestellt, dass im Wege einer umfassenden Betrachtung Honorarkürzungen vorgenommen werden könnten, ohne dass eine konkrete Falschabrechnung belegt sein müsse. So sei es im vorliegenden Fall. Denn es seien keine einzelnen Leistungen gestrichen worden; bemängelt worden sei vielmehr der hohe Anteil der gemeinsamen Patienten, der zu einem ungerechtfertigt hohen Budget und damit entsprechend geringen Budgetüberschreitungen geführt habe. In Anbetracht der gezielten und bewussten Fallzahlvermehrung könne letztlich in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG durchaus auf die nicht mehr bestehende Garantiefunktion der Sammelerklärung abgestellt werden.

Am 22.7.2004 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Mainz erhoben. Am 10.1.2005 hat er einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Durch Beschluss vom 1.3.2005 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2004 angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt: Vorliegend sei § 86a Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anwendbar. Der Widerspruch gegen die Änderung der ursprünglich vorgenommenen Honorarfestsetzung habe keine aufschiebende Wirkung, wie aus § 85 Abs 4 Satz 9 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) hervorgehe. Bei der im Rahmen des § 86b Abs 1 SGG erforderlichen Interessenabwägung komme die Kammer zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiege, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden. Diese ergäben sich daraus, dass der angegriffene Bescheid nicht erkennen lasse, welche Fehler der Abrechnung dem Antragsteller vorgeworfen würden. § 83 Abs 2 SGB V iVm § 46 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw § 42 Ersatzkassenvertrag (EKV) stellten keine Ermächtigungsgrundlagen für die vorgenommenen Honorarkürzungen dar. Plausibilitätskontrollen dienten der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher Leistungserbringung, seien aber kein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung. Eine Honorarberichtigung könne durch die Antragsgegnerin nur im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung nach § 45 Abs 2 Satz 1 BMV-Ä bzw § 34 Abs 4 Satz 1 und 2 EKV vorgenommen werden. Nach der Rechtsprechung des BSG berechtigten diese Regelungen nicht zur Berichtigung bei implausibler Abrechnung. Voraussetzung der Berichtigung sei vielmehr das Vorliegen von Abrechnungsfehlern. Ergebe eine Plausibilitätskontrolle für sich oder in Verbindung mit anderen Verfahren zur Prüfung vertragsärztlicher Abrechnungen, dass die Abrechnung des Vertragsarztes ganz oder teilweise unrichtig sei, sei für eine Widerlegung dieser ?Vermutung? durch den Arzt kein Raum. Könne sich die KÄV eine solche Überzeugung von der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung nicht bilden, dürfe nicht der erforderliche Nachweis durch eine ?Vermutung? ersetzt und der Nachweis der ordnungsgemäßen Abrechnung im Wege der Beweislastumkehr auf den Vertragsarzt verlagert werden. Falschabrechnungen seien dem Antragsteller vorliegend nicht nachzuweisen. Eine treuwidrig bewirkte Fallzahlsteigerung sei nach den eigenen Angaben der Antragsgegnerin sehr fraglich, denn diese habe im angefochtenen Bescheid ausdrücklich ohne nähere Prüfung angenommen, dass die Behandlung selbst notwendig gewesen sei. Die Plausibilitätsprüfung möge einen hinreichenden Grund gegeben haben, die Abrechnungen des Antragstellers einer genaueren Prüfung zu unterziehen, reiche aber allein nicht dafür aus, die vorgenommene Honorarberichtigung zu rechtfertigen. Ihrer Beweispflicht hinsichtlich einer Falschabrechnung habe die Antragsgegnerin nicht hinreichend Genüge getan.

Gegen diesen ihr am 9.3.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 5.4.2005 beim SG Mainz eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin. Diese hat vorgetragen: Der angelegte Prüfungsmaßstab für die hier zu beurteilende Fallkonstellation der Falschabrechnung wegen der Behandlung gemeinsamer Patienten innerhalb einer Praxisgemeinschaft (?treuwidrig bewirkte Fallzahlsteigerung?) sei entgegen der Meinung des SG offensichtlich erfüllt. Die Antragsgegnerin hat exemplarisch für jedes Quartal des Prüfzeitraums 10 Behandlungsfälle aufgeführt, in denen eine bewusst treuwidrige Herbeiführung von Fallzahlsteigerungen offensichtlich sei. Sie hat weiter vorgetragen: Die Versichertenkarten (VK) seien in diesen Fällen ausnahmslos unter demselben Datum sowohl beim Antragsteller als auch in der Praxis seines Vaters eingelesen worden. Dies beweise, dass der Antragsteller und sein Vater die Organisationsform der Praxisgemeinschaft nur als Deckmantel für eine tatsächlich betriebene Gemeinschaftspraxis genutzt hätten, denn in einer Praxisgemeinschaft seien die Patientendaten strikt voneinander getrennt zu verwalten. Es sei auch im Ansatz nicht erkennbar, welcher zwingende Grund ein Einlesen der VK am selben Tag notwendig gemacht hätte, es sei denn, dass von Anfang an gewollt gewesen sei, in Zeiten zukünftiger Abwesenheit zwangsläufig eine vertretungsweise Behandlung durch den jeweils anwesenden Partner vornehmen zu lassen. Die von ihr, der Antragsgegnerin, angewandte Methode der Berechnung der Honorarrückforderung mittels Hochrechnung sei nicht zu beanstanden. Für das Quartal IV/2000 sei eine Einzelfallprüfung erfolgt, für die übrigen Quartale eine Prüfung im Wege einer Hochrechnung, bei der in jedem Quartal die strukturell gleichen Abrechnungsfehler im Sinne einer bewusst treuwidrigen Fallzahlvermehrung hätten nachgewiesen werden können. Die Hochrechnung sei auch deshalb zulässig gewesen, weil der Antragsteller durch diese im Hinblick auf die steigende Zahl der Doppeltbehandlungen im Jahr 2003 eher günstiger gestellt werde. Das SG habe die Verteilung der Beweislast rechtsfehlerhaft vorgenommen.

Der Antragsteller hat vorgetragen: Das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 16.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.6.2004 sei nicht nachvollziehbar, da der gleichlautende Beschluss des SG Mainz in dem Verfahren gegen seinen Vater rechtskräftig sei. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, zwischen Original- und Vertreterscheinen zu unterscheiden. Solange die Antragsgegnerin die Anzahl der jeweils vom anderen Praxisgemeinschaftsinhaber behandelten Patienten nicht konkret ermittelt habe, müsse die Gesamtzahl der identischen Patienten notwendigerweise ins Verhältnis zur Gesamtfallzahl der Praxisgemeinschaft gesetzt werden; ausgehend davon betrage die Quote der Patientenidentitäten im 4. Quartal 2000 lediglich 16 %. Des weiteren habe die Antragsgegnerin zulässige Krankheits- und Urlaubsvertretungen gänzlich unberücksichtigt gelassen. Insoweit sei auch zu beachten, dass sein Vater aufgrund einer Hüftgelenksoperation mit anschließender intensiver physikalischer Therapie abwesend und anschließend erheblich leistungsgemindert gewesen sei. Die von der Antragsgegnerin exemplarisch vorgelegten Einzelfälle mit identischem Einlesedatum erklärten sich sämtlich durch die Behandlungen von Patienten in Alten- oder Pflegeheimen. Das Einlesen sei nicht automatisch gleichzeitig für beide Praxen, sondern in jedem Einzelfall im Behandlungszeitpunkt durch die Arzthelferin erfolgt.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) hat in der Sache Erfolg.

Wie das SG zu Recht entschieden hat, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zulässig (§ 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG). Kraft Gesetzes hat die vorliegend erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung. Nach § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V haben Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung und Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Diese Vorschrift kommt auch bei einer Honorarrückforderung zur Anwendung (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.1.2003, L 10 B 22/02 KA ER; LSG Niedersachsen - Bremen, 26.4.2004, L 3 KA 12/04 ER, MedR 2004, 512).
Die Entscheidung über den Antrag nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG ist nach folgenden Maßstäben zu treffen: Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Ist der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung nicht erkennbar ist (Meyer-Ladewig, SGG, aaO, § 86b, Rz 12). Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können (aaO). In den Fällen des § 86a Abs 2 SGG besteht, wie der Gesetzgeber mit seiner Regelung zu erkennen gegeben hat, ein Regel-Ausnahme-Verhältnis mit der Folge, dass im Zweifel das Vollziehungsinteresse den Vorrang hat (zu § 80 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, § 80, Rz 114, 166).

Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist vorliegend offen. Der Auffassung des SG, im vorliegenden Fall scheide eine sachlich-rechnerische Berichtigung aus, da die in Rede stehenden Behandlungen notwendig gewesen seien, vermag der Senat nicht zu folgen. Dass die Antragsgegnerin die Honorarrückforderung in dem angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich auf eine sachlich-rechnerische Berichtigung gestützt hat, ist unerheblich (BSG, 8.3.2000, B 6 KA 16/99 R, SozR 3 2500 § 83 Nr 1). Ein Honoraranspruch entfällt und eine sachlich-rechnerische Berichtigung ist vorzunehmen, wenn und soweit der Arzt die Leistungsvoraussetzungen treuwidrig herbeigeführt hat. Ein solches treuwidriges Zusammenwirken kommt in Betracht, wenn zwei Ärzte planmäßig darauf hinwirken, dass Patienten sie in einem Quartal beide konsultieren, obwohl die Patienten von sich aus keinen Anlass dazu sehen und die Doppelbehandlung nicht aus medizinischen Gründen geboten ist (LSG Niedersachsen ? Bremen, aaO; LSG Baden-Württemberg, 28.2.1997, L 5 Ka 192/97, MedR 1997, 563; LSG Baden-Württemberg, 12.5.1999, L 5 KA 94/99).

Bereits Einzelfälle einer (zumindest grob fahrlässigen) Falschabrechnung führen dazu, dass die vom Vertragsarzt für das jeweilige Abrechnungsquartal abgegebene Sammelerklärung ihre sog Garantiefunktion verliert. Dies hat zur Folge, dass der Vertragsarzt die objektive Beweislast für die vollständige und ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen trägt und die KÄV den unter Berücksichtigung dieser Beweislastregel verbleibenden Honoraranspruch zu schätzen hat (BSG, 17.9.1997, 6 RKa 86/95, SozR 3 5550 § 35 Nr 1). Ob diese Rechtsprechung, die für die Fälle der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen entwickelt worden ist, auch für die Fälle der treuwidrigen Fallzahlerhöhung heranzuziehen ist, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Der Senat ist der Auffassung, dass vieles dafür spricht, diese Frage zu bejahen (ebenso LSG Niedersachsen - Bremen, aaO, MedR 2004, 515), ohne dass hierüber im Rahmen der vorliegend zu treffenden Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz abschließend entschieden werden müsste. Würde man die im Rahmen der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen geltenden Grundsätze entsprechend anwenden, hätte dies zur Folge, dass der Antragsteller für ein Prüfquartal, in dem für einige Fälle ein treuwidriges Verhalten nachgewiesen ist, grundsätzlich in allen Fällen einer Doppelbehandlung darzulegen und nachzuweisen hat, dass ein triftiger Grund für die Inanspruchnahme beider Ärzte bestand (LSG Niedersachsen - Bremen, aaO).

Vorliegend spricht, ohne dass dies im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abschließend geklärt werden müsste, vieles dafür, dass dem Antragsteller hinsichtlich der in Rede stehenden Doppelbehandlungen ein treuwidriges Verhalten zur Last fällt. Die Antragsgegnerin hat ? allerdings erst im Beschwerdeverfahren für jedes der maßgebenden Quartale 10 Behandlungsfälle aufgeführt, in denen nach ihrer Auffassung eine bewusst treuwidrige Herbeiführung von Fallzahlsteigerungen offensichtlich sei. Dieses Vorbringen ist im vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen, auch wenn es nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides war (BSG, 8.3.2000 aaO). Der Umstand, dass die von der Antragsgegnerin vorgelegten VK in einer Vielzahl von Fällen unter demselben Datum mit identischen Diagnosen bzw Diagnoseblöcken sowohl beim Antragsteller als auch in der Praxis seines Vaters eingelesen worden sind, stellt ein gravierendes Indiz für ein treuwidriges Verhalten des Antragstellers und seines Vaters dar. In Anbetracht der Vielzahl der Fälle überzeugt ? im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen summarischen Prüfung des Sach- und Streitstandes - das Vorbringen des Antragstellers nicht, es habe sich um Ausnahmefälle gehandelt. Auch der Umstand, dass Patienten in Alten- und Pflegeheimen behandelt wurden, erlaubt für sich allein keine abweichende Beurteilung. Das vom Antragsteller geltend gemachte Erfordernis einer Vertretung seines Vaters wegen dessen Krankheit vermag das zeitgleiche Einlesen mit identischen Diagnosen bzw Diagnoseblöcken ebenfalls nicht ohne Weiteres zu erklären. Insoweit bedarf es aber einer weiteren Prüfung im Hauptsacheverfahren.

Hinsichtlich der von der Antragsgegnerin ermittelten 30,07 bis 49,75 % an gemeinsamen Patienten ist die Beanstandung des Antragstellers, die Quote gemeinsamer Patienten sei anhand der Summe der Patientenzahlen beider Praxen zu ermitteln, schon deshalb unzutreffend, weil die Praxisgemeinschaft aus rechtlich selbständigen Einzelpraxen besteht. Soweit der Antragsteller vorbringt, die von der Antragsgegnerin mitgeteilte durchschnittliche Quote der gemeinsam behandelten Patienten aller Praxisgemeinschaften sei deshalb nicht aussagekräftig, weil auch andere Praxisgemeinschaften auffällige Quoten gemeinsam behandelter Patienten aufwiesen, ist festzuhalten, dass bei Herausrechnung der auffälligen Praxisgemeinschaften die Quote der gemeinsamen Patienten bei den übrigen Praxisgemeinschaften noch niedriger ausfallen würde.

Bei dieser Sachlage war die Antragsgegnerin, wenn von einem treuwidrigen Verhalten des Antragstellers auszugehen ist und die Grundsätze des BSG für die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen entsprechend heranzuziehen sind, zu einer Schätzung der Höhe der zuviel erhaltenen Leistungen nach den Grundsätzen des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) berechtigt (LSG Niedersachsen ? Bremen, aaO; vgl BSG, 17.9.1997, aaO). Bei dieser besteht kein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Beurteilungsspielraum (BSG, 17.9.1997, aaO). Das Gericht hat deshalb im Hauptsacheverfahren die Schätzung in vollem Umfang nachzuvollziehen, wobei es allerdings ausreicht, dass es sich die Ausführungen im angefochtenen Verwaltungsakt zu eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht, wenn der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält (aaO). Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes genügt die Feststellung, dass gravierende Fehler der Schätzung nicht ersichtlich sind und die Schätzung nicht offensichtlich rechtswidrig ist.

In Anbetracht des offenen Ausgangs des Klageverfahrens ist es im Hinblick auf das beschriebene Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen der sofortigen Vollziehbarkeit und der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht interessengerecht, dem Antrag stattzugeben. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Antragsteller aus finanziellen Gründen nicht zur Rückzahlung imstande wäre. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin den Beschluss des SG betreffend den vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich des Vaters des Antragstellers rechtskräftig werden ließ, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 197a SGG.

Der Streitwert beträgt in Anlehnung an Ziffer I. 7. des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, Anhang § 164) ¼ des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens und demnach 8.308,70 ?. Der angefochtene Beschluss ist für das erstinstanzliche Verfahren entsprechend zu ändern.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) anfechtbar (§ 177 SGG).

RechtsgebietSozialrechtVorschriften§ 46 BMV-Ä (Bundesmantelvertrag-Ärzte); § 42 EKV (Bundesmantelvertrag Ärzte-Ersatzkassen).

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