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08.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053474

Landgericht Hamburg: Beschluss vom 04.07.2005 – 608 Qs 3/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


608 Qs 3/05
117 Gs 1281/04 5600
Js 188/04

Landgericht Hamburg

Beschluss

In der Strafsache gegen

1. XXX B XXX, geboren am XXX
2. XXX B XXX. geboren am XXX

hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 8, durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht XXX, den Richter am Landgericht XXX, den Richter am Landgericht XXX am 04.07.2005 beschlossen:


Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 3.3.2005 (117 Gs 1281/04) wird zusätzlich die Beschlagnahme folgender Unterlagen angeordnet:

Kontoausdrucke XXX GmbH 2002 (Abgrenzung II 1)
Kontoausdrucke XXX GmbH 2001 (Abgrenzung II 2)

Kontoausdrucke 2000 und Jahresabschluss 2000 XXX GmbH (Abgrenzung II 3)

Kontoausdrucke XXX (Abgrenzung II 4)
Kontoausdrucke XXX (Abgrenzung II 5)
Kontoausdrucke XXX (Abgrenzung II 6)

1 Leitzordner XXX Abschluss (Ordner II 9) mit Ausnahme nunmehr im Ordner III zusammengefasster Unterlagen, die mit den Nummern 1-64 gekennzeichnet wurden.

1 Leitzordner XXX (Ordner II 10) mit Ausnahme nunmehr im Ordner III zusammengefasster Unterlagen, die mit den Nummern 65-129 gekennzeichnet wurden.

Insoweit wird der entgegenstehende Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 3.3.2005 (117 Gs 1281/04) aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde verworfen.

Gründe:

Die gem. § 304 StPO zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet. Die im Entscheidungssatz genannten Unterlagen betreffen die geschäftlichen Aktivitäten des Beschuldigten und können daher für die Untersuchung des Bankrott- Vorwurfes von Bedeutung sein, § 94 StPO. .

Soweit die Beschlagnahme angeordnet worden ist, stehen Beschlagnahmeverbote nicht entgegen. Die übrigen Unterlagen sind gem. § 97 I StPO beschlagnahmefrei. Der Beschuldigte unterfällt im vorliegenden Fall dem persönlichen Anwendungsbereich des Beschlagnahmeschutzes nach § 97 StPO. Dem steht nicht entgegen, dass er die Dienste der Steuerberater XXX nicht als Privatperson, sondern als Geschäftsführer der von ihm vertretenen XXX in Anspruch genommen hat.

Gem. § 97 I Nr.3 StPO ist die Beschlagnahme von Gegenständen im Gewahrsam des Steuerberaters, auf die sich dessen Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt, unzulässig. Zutreffender Ansicht nach gilt das Beschlagnahmeverbot nur im Strafverfahren gegen denjenigen, dem gegenüber die Schweigepflicht des Steuerberaters besteht und der demzufolge zur Entbindung von der Schweigepflicht. berechtigt ist (Meyer-Goßner § 97 Rn.10 m.w.N.). Das ergibt sich dem Wortlaut von § 97 I Nrn 1,2 StPO, wonach ausdrücklich auf gerade vom Beschuldigten anvertraute Mitteilungen abgestellt wird (vgl. Schmitt wistra 1993,9,12). In Verfahren gegen Personen, die nicht Mandanten des Steuerberaters sind, steht § 97 StPO der Beschlagnahme von Unterlagen des Steuerberaters daher nicht entgegen.

Im vorliegenden Fall wird der Beschuldigte als zur Entbindung von der Schweigepflicht Berechtigter von § 97 StPO geschützt, obgleich er die Dienste der Steuerberater XXX nicht für sich, sondern für die von ihm vertretene GmbH in Anspruch genommen hat. Denn das Auftreten als Organ kann nach Ansicht der Kammer nicht dazu führen, dass alleine die GmbH oder ihr Rechtsnachfolger zur Entbindung von der Schweigepflicht berechtigt wären. Das erschließt sich aus dem Sinn der Schweigepflicht und des Zeugnisverweigerungsrechtes. Das Gesetz räumt dem Interesse des Beschuldigten gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit deswegen den Vorrang ein, weil es den Kontakt zum Steuerberater als Teil seiner unabweisbaren Lebensbedürfnisse anerkennt (vgl. BVerfG 33, 367 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12.4.2005,2 BvR 1027/02). Um eine effektive Steuerberatung sicherzustellen, soll jedermann die Hilfe des Steuerberaters frei von der Befürchtung in Anspruch nehmen können, die von ihm offenbarten Geheimnisse könnten in einem Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. Die Wahrung des persönlichen Geheimhaltungsinteresses wird hiernach als Vorbedingung des Vertrauens anerkannt, das aufzubringen ist, um sich rückhaltlos offenbaren und damit wirksame Hilfe in Anspruch nehmen zu können (vgl. BVerfG 33, 367 ff.). Hiernach kann es keinen Unterschied machen, ob der Beschuldigte die Dienste des Steuerberaters für sich selber oder als Organ einer juristischen Person in Anspruch nimmt. Auch als Organ besteht für ihn persönlich ein unabweisbares Bedürfnis, sich der Hilfe eines Steuerberaters zu bedienen. Andernfalls wird er häufig die ihn persönlich treffenden und strafbewehrten Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen oder Voranmeldungen aus den §§ 18 I UStG, 25 GewStDV, 31 KStG i.V.m. 34 AO nur. unzureichend erfüllen können. Müsste er in einem Verfahren gegen sich befürchten, dass die offenbarten Geheimnisse nicht de( Schweigepflicht unterlägen, wäre er indes an der erforderlichen vorbehaltlosen Inanspruchnahme eines Steuerberaters gehindert (Schmitt wistra 1993,9,10). Der Sinn des Gesetzes, um den Preis der Einschränkung effektiver Strafverfolgung willen effektive Steuerberatung sicherzustellen, kann daher nur erfüllt werden, wenn das Organ als Person zur Entbindung von der Schweigepflicht berechtigt bleibt und ihm daher der Schutz der
§§ 53,97 StPO zuteil wird (wie hier im Ergebnis OLG Düsseldorf StV 1993, 346; OLG Celle wistra 1986, 83; OLG Koblenz NStZ 85, 436; OLG Schleswig NJW 1981, 294; Meyer-Goßner § 53 Rn.46; Schmitt, wistra 1993,9 ff.).

Diesen Erwägungen kann nicht unter Hinweis darauf entgegengetreten werden, dass die juristische Person Vertragspartner des Steuerberaters sei und damit ihr die Entscheidung darüber zukomme, welche ihrer Betriebsgeheimnisse offenbart werden dürften (vgl. Löwe/Rosenberg-Schäfer § 97 Rn.52; Landgericht Hamburg wistra 2002,77; Landgericht Lübeck NJW 1978,1014,1015; Schäfer wistra 1984,212; SK- Rudolphi § 97 StPO Rn.7a; vgl. auch BVerfG NStZ-RR 2004,84, wonach diese Ansicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei). Denn die §§ 53,97 StPO bezwecken nicht den Schutz von Betriebsgeheimnissen. Der Geheimnisschutz ist nur ihre mittelbare Folge, nicht aber gesetzlicher Eigenzweck (Schmitt wistra 1993,9,10). Das wird daran erkennbar, dass § 97 StPO nur im Strafverfahren gegen den Mandanten des Steuerberaters greift. Im Verfahren gegen Dritte können dagegen auch beim Steuerberater befindliche Unterlagen über Betriebsgeheimnisse Verwendung finden. Der von der Gegenmeinung dem § 97 StPO zugeschriebene Sinn. Geheimnisse der juristischen Person zu schützen, könnte auf ihrer Basis daher im Strafverfahren, in dem die juristische Person niemals die Rolle des Beschuldigten einnimmt, in keinem Falle erfüllt werden. Die beim Steuerberater befindlichen Unterlagen könnten stets beschlagnahmt werden.

Die von der h.M. im Zivilrecht vertretene Auffassung, Träger des Rechts zur Schweigepflichtsentbindung nach den § 383 I Nr.6 ZPO sei die juristische Person (vgl. BGH NJW 1990,510,512), steht der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen (a.A. Landgericht Hamburg wistra 2002,77,79). Die Berechtigung zur Schweigepflichtentbindung kann im Zivil- und Strafprozess aufgrund unterschiedlicher Interessenlage abweichend bewertet werden (OLG Düsseldorf StV 1993,346; Münchhalfen, StV 1993,347;vgl. auch Weihrauch JZ 1978,300,301). Die Befürchtung, sich strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, wird ein Organ eher von der Inanspruchnahme eines Steuerberaters abhalten als die Aussicht, zivilrechtlich belangt zu werden, zumal das Organ selber selten Haftungsrisiken ausgesetzt ist. Überdies mag im Zivilrecht das Argument greifen, derjenige, der die Vorteile einer juristischen Person in Anspruch nehme, müsse auch die Nachteile tragen und daher die Folgen ihrer rechtlichen Selbständigkeit in Kauf nehmen. Für den Bereich des Strafrechts überzeugt dies jedenfalls deshalb nicht, weil das Organ aufgrund der §§ 14 5tGB, 34 AO keine Vorteile aus der Selbständigkeit der juristischen Person ziehen kann. Für strafbewehrte Pflichten, die eigentlich die juristische Person treffen, hat hiernach das Organ einzustehen. Dementsprechend erscheint es konsequent, strafprozessualen Schutz, der eigentlich der juristischen Person zuzuordnen wäre, dem Organ zuteil werden zu lassen. Andernfalls liefe man auch Gefahr, gegen das Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung im Strafverfahren zu verstoßen. In der Akte des Steuerberaters werden sich im Regelfall alle Angaben finden, die der Beschuldigte in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten der juristischen Person, aber eben auch zur Abwendung eigener strafrechtlicher Verfolgung (§§ 14 StGB, 34, 370 AO), gemacht hat. Da er hierbei auch zur Angabe eigenen strafbaren Verhaltens gezwungen sein kann, muss das Verwertungsverbot des § 393 11 AO, will man den Zwang zur Selbstbezichtigung verhindern, zu seinen Gunsten angewendet werden. § 393 11 AO liefe allerdings wiederum weitgehend leer, wenn die geschützten Angaben durch eine Beschlagnahme beim Steuerberater unschwer zu beschaffen wären.

Der hiernach grundsätzlich gem. § 97 I StPO dem Beschuldigten zustehende Beschlagnahmeschutz greift im vorliegenden Fall allerdings nur hinsichtlich der mit Ziffern 1- 64 gekennzeichneten Unterlagen aus dem Leitzordner XXX Abschluss (Ordner II 9) und der mit den Ziffern 65-129 gekennzeichneten Unterlagen aus dem Leitzordner XXX (Ordner II 10). Hierbei handelt es sich um Korrespondenz zwischen den Beschuldigten und den Steuerberatern, u.a. Vollständigkeitserklärungen des Beschuldigten oder der Mitbeschuldigten in Bezug auf die Jahresabschlüsse, Rechnungen, Kurzmitteilungen, ferner vorbereitende handschriftliche Notizen der Steuerberater, vor allem Berechnungen über zu erwartende Steuer-Zahllast, Schreiben des Finanzamtes an die Steuerberater, Steuerbescheide und Schreiben des Finanzamtes, die die Steuerberater zur Wahrnehmung des Mandates erhalten haben, sowie Entwürfe und Duplikate von Steuererklärungen. Nicht dem Anwendungsbereich des § 97 stopp unterfallen dagegen die beschlagnahmten Unterlagen. Hierbei handelt es sich zum einen (Abgrenzung II 1-6) um Kontoausdrucke. Diese sind von den Steuerberatern XXX für die von dem Beschuldigten geleiteten Gesellschaften erstellt worden und enthalten der Buchhaltung zuzurechnende Jahreskonto-Übersichten sowie Auswertungen in Form von Summen- und Saldenlisten. Hinzu kommen bereits fertig erstellte Jahresabschlüsse (Abgrenzung II 3/ Ordner II10) sowie allgemeine Geschäftsunterlagen in Form von Korrespondenz zwischen den Beschuldigten und Geschäftspartnern, z. B. Steuerbescheinigungen von Banken, Rechnungen sowie Anstellungsverträgen, Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Niederschriften über Gesellschafterversammlungen etc. (Ordner II 10). Der Beschlagnahme unterliegen ferner Unterlagen mit handschriftlichen Anmerkungen der Steuerberater, bei denen unklar bleibt, ob diese die Original- Buchhaltung ergänzen oder ob es sich um Entwürfe handelt, ferner Jahresabschlüsse, bei denen nicht zu erkennen ist, ob es sich um die endgültige Fassung handelt sowie Kontounterlagen, bei denen unklar ist, ob sie für noch zu erstellende Jahresabschlüsse gebraucht werden.

Die dargestellte Differenzierung ergibt sich aus folgendem: Die Grenzen des Beschlagnahmeverbotes nach § 97 I StPO bestimmen sich nach der Reichweite des
Zeugnisverweigerungsrechtes aus § 53 I 1 Nr. 3 StPO. Erfasst werden hiernach nur solche Unterlagen, die dem Steuerberater in seiner Eigenschaft "als Steuerberater"
anvertraut worden sind.

Die Steuerberatung ist abzugrenzen von anderen Tätigkeiten, die der Steuerberater für den Beschuldigten erbringt. Die StPO gibt insoweit keine weiteren Hinweise darauf, wie weit der Beruf des "Steuerberaters" im Sinne des § 97 StPO reicht. Zutreffender Ansicht nach werden neben steuerrechtlicher Beratung wie etwa der rechtlichen Erläuterung von Einzelfragen oder der Prüfung von Steuerbescheiden nur die Vorbereitung und Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen erfasst (OLG Stuttgart wistra 88, 40; vgl. auch BVerfG NJW 81, 33, 34), nicht hingegen die Buchhaltung als solche (Meyer-Goßner § 97 StPO Rn. 40 m.w.N.; LR- Schäfer § 97 Rn.117 m.w.N.; Landgericht Saarbrücken wistra 1984, 200; Landgericht München NJW 89, 536; Landgericht Hildesheim wistra 1988, 327-328; Landgericht Darmstadt NStZ 1988, 286-287; Landgericht Berlin NJW 1977, 725; im Ergebnis auch Landgericht Aachen NJW 1985, 338). Zwar gehört nach § 1 II Nr.2 StBG zur Hilfeleistung in Steuersachen auch Hilfe bei der Buchführung. Aus dem Sinn der §§ 97, 53 I Nr.3 StPO ergibt sich jedoch, dass die dort genannte Steuerberatung nicht die Buchhaltung meint. Die Beschlagnahmefreiheit stellt eine Verlängerung des durch § 53 StPO bezweckten Vertrauensschutzes dar (vgl. Bauwens wistra 88, 100). Die Dienste von Steuerberatern sollen mit der Möglichkeit in Anspruch genommen werden können, sich frei, offen und rückhaltlos anzuvertrauen, ohne befürchten zu müssen, dass dabei mitgeteilte Geheimnisse offenbart werden können (BVerfG 38,312 Rn.21). Die §§ 53,97 StPO schützen dieses Vertrauen auch gegenüber der strafprozessualen Wahrheitserforschung (BVerfG aaO). Von der sonst nach § 94 StPO umfassend möglichen Beschlagnahme wird durch § 97 StPO eine Ausnahme gemacht, weil der Gesetzgeber die Möglichkeit des einzelnen, Steuerberatung in Anspruch zu nehmen, für so wichtig erachtet, dass er sie sogar um den Preis der Einschränkung effektiver Strafverfolgung erhalten will. Der Schutz des Steuerberatungsverhältnisses liegt damit auf einer Linie mit anderen privilegierten Beratungsberufen wie denen der Ärzte, Apotheker und Rechtsanwälte. Die auf wenige bedeutsame Berufe beschränkte Auswahl des Gesetzgebers zeigt dabei, dass nur außerordentlich gewichtige Gründe (vgl. BVerfG 33,367 Rn.26) eine Beschlagnahmefreiheit rechtfertigen können, etwa der Schutz von Leib und Leben durch den Kontakt zu Ärzten oder die rechtsstaatlich gebotene Möglichkeit, sich unbehelligt eines Rechtsbeistandes zu bedienen. Dass der Bereich der in den §§ 53,97 StPO genannten Steuerberatung auf den Schutz ähnlicher gewichtiger Interessen zu beschränken ist, folgt nicht nur aus systematischen, sondern auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Die §§ 53,97 StPO schränken den Zugriff der Ermittlungsorgane ein und behindern damit die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege (BVerfG 33, 367 Rn.36= S.383; BVerfG 38,312 Rn.21). Geschäftsunterlagen, die einem Steuerberater überlassen worden sind, wird insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen häufig eine ausschlaggebende Bedeutung bei der Überführung des Täters zukommen. Jede Einschränkung staatlicher Zugriffsmöglichkeiten bedeutet gleichzeitig eine Einschränkung des hinter der Strafverfolgung stehenden Rechtsgüterschutzes (BVerfG 38,312 Rn.21) sowie eine Behinderung bei der Findung einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung (BVerfG 33,367 Rn.36). Vor diesem Hintergrund hat das BVerfG für die Einräumung des Aussageverweigerungsrechtes aus § 53 I Nr.3 StPO eine besondere Legitimation verlangt, um vor der Verfassung Bestand zu haben, und diese nur unter der Bedingung anerkannt, dass die Wahrung des Berufsgeheimnisses die Aussageverweigerung unabdingbar erfordere (BVerfG 33,367 ff., Rn.36; vgl. auch BVerfG 38,312 Rn.21). Zum privilegierten Bereich der "Steuerberatung" i.S.d. § 97 StPO kann daher nur eine Tätigkeit gerechnet werden, deren Inanspruchnahme durch den Bürger ähnlich wie die des Arztes oder Rechtsanwaltes unerlässlich erscheint. Diese Anforderung trifft indes nur für die Bereiche zu, in denen der Bürger auf Spezialwissen des Steuerberaters angewiesen ist (vgl. Landgericht Hildesheim wistra 88,327), und zwar die Vorbereitung und Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen sowie steuerrechtliche Beratung. Anders liegt es hinsichtlich der (reinen) Fremdbuchhaltung, für die der Kaufmann mangels Buchführungsprivileg (BVerfG NJW 81,33 ff.) nicht auf die Tätigkeit des Steuerberaters angewiesen ist (Meyer-Goßner § 97 Rn.40). Die Erstellung der Buchhaltung fällt in seinen kaufmännischen Pflichtenkreis und ist ihm auch zumutbar (vgl. BVerfG NJW 81,33,34). Da hiernach die Buchhaltung nicht zu dem Beratungsbereich gehört, den die §§ 53,97 StPO privilegieren können und sollen, gibt es auch keinen Grund, etwaiges Vertrauen des Betroffenen in die Geheimhaltung durch den Steuerberater zu schützen. Ein Vertrauensschutz in diesem Bereich wäre überdies im Vergleich zu den handelsrechtlichen Buchhaltungsvorschriften nicht systemgerecht (vgl. LR- Schäfer § 97 Rn.117;. Moosburger wistra 89,252,256; ähnlich auch OLG Stuttgart wistra 88,40; dagegen allerdings Meyer-Goßner § 97 Rn.40). In den §§ 257 ff. HGB werden dem Kaufmann für die Buchhaltung Aufbewahrungs- und darüber hinaus Vorlegungspflichten auferlegt. Die Vorschriften haben zumindest die praktische Auswirkung, dass die beim Kaufmann befindliche Buchhaltung nur schwer gegenüber staatlichen Organen geheim gehalten werden kann, zumal der Kaufmann für diesen Fall Gefahr läuft, nach §§ 283 I Nr.6, 283b I Nr.2 StGB strafrechtlich belangt zu werden. Die Gefahr einer Beschlagnahme beim Steuerberater wird daher durch den Betroffenen kaum als wesentlich höheres Risiko wahrgenommen werden, das geeignet wäre, ihn von der Inanspruchnahme der Steuerberatung abzuhalten. Auch aus diesem Grund fehlt es daher an der Notwendigkeit des durch § 97 StPO bezweckten Vertrauensschutzes. Dieser Gedanke hat seinen Niederschlag in § 104 II 2 AO gefunden, wonach der Steuerberater im Steuerverfahren die Vorlage solcher Urkunden nicht verweigern kann, hinsichtlich derer der Steuerpflichtige bei eigenem Gewahrsam zur Vorlage verpflichtet wäre. Dem Sinn der Norm nach kann für § 97 StPO nichts anderes gelten (Moosburger wistra 89,252,256), zumal die Erkenntnisse aus dem Steuerverfahren auch für die Verfolgung von Steuerstraftaten genutzt werden können, § 393 II AO.

Gleiches wie für die Buchhaltung gilt für weitere Tätigkeiten, die nicht zur Steuerberatung gehören, sondern nur im Zusammenhang mit dieser durchgeführt werden. Dem Steuerberater nicht in seiner Eigenschaft als Steuerberater anvertraut sind daher etwa betriebswirtschaftliche Auswertungen und ihre Vorbereitung sowie die allgemeine Verwahrung von Geschäftsunterlagen. Bei der hiernach gebotenen Abgrenzung zwischen Buchhaltung und Steuerberatung ist dafür Sorge zu tragen, dass die sich gegenüberstehenden Interessen bestmöglich zum Ausgleich gebracht werden. Einerseits soll nach der Entscheidung des Gesetzgebers derjenige, der Steuerberatung in Anspruch nimmt, darauf vertrauen dürfen, dass die Geheimnisse, die er dem Steuerberater anvertrauen musste, nicht dem Zugriff der Ermittlungsorgane unterliegen. Andererseits darf § 97 StPO nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass eine effektive Strafverfolgung übermäßig eingeschränkt wird.

Diese Überlegungen führen dazu, im Einzelfall nach dem jeweiligen Stand der Beratung zu differenzieren (Landgericht Frankfurt, DStR 2004, 290-292; aA Landgericht Koblenz, PStR 2002,26 f.) und entsprechend dem Sinn des Gesetzes eine Ausnahme von dem Grundsatz (Meyer-Goßner § 53 Rn.10) zu machen, dass die Erledigung des Auftrags durch den Steuerberater keine Auswirkungen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht hat (dagegen Landgericht Koblenz, PStR 2002,26 f.; Landgericht Stade NStZ 87,38,39).

Zunächst können auch Buchhaltungsunterlagen sowie weitere Geschäftsunterlagen dem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO unterfallen. § 97 I Nr.3 StPO ist erfüllt, wenn dem Steuerberater Unterlagen übergeben werden, damit er aus ihnen Steuerberatung vornimmt wie z. B. die Erstellung des Jahresabschlusses (Landgericht Frankfurt, DStR 2004,290-292; Landgericht Koblenz, PStR 2002,26 f.; Landgericht Bonn DB 1984, 2193-2194; Landgericht Berlin NJW 1977, 725; aA Landgericht Hanau StB 1985, 52; Quermann, wistra 88,254,256). In den übergebenen Belegen können dabei gerade die Geheimnisse liegen, die jedermann dem Steuerberater zur Bearbeitung soll offenbaren können, ohne Nachteile in Ermittlungsverfahren befürchten zu müssen. Das durch § 97 stopp geschützte Vertrauen erfasst daher in diesem Fall zunächst auch die Buchhaltung sowie weitere Geschäftsunterlagen. Ähnlich liegt es, wenn der Beschuldigte den Steuerberater Buchhaltung und Jahresabschluss erstellen lässt. Hier stellt sich die Buchhaltung als erster Arbeitsschritt des Jahresabschlusses dar. Die übergebenen Belege unterfallen § 97 I Nr.3 StPO, die daraus erstellte Buchhaltung zunächst § 97 I Nr.2 StPO (Landgericht Berlin NJW 77,725; Moosburger wistra 89,252,253).

Die dargestellte Beschlagnahmefreiheit für Buchhaltung (Konten, Inventare, Buchungsbelege wie z. B. Rechnungen, Lieferscheine, Quittungen, Auftragszettel, Warenbestandsaufnahmen, Bankauszüge, Betriebskostenrechnungen, Buchungsanweisungen, Bewertungsunterlagen, Gehaltslisten, Kassenberichte) und sonstige Geschäftsunterlagen kann aber nur solange gelten, wie sie der Steuerberatung dienen. Spätestens nach Erstellung und Freigabe des Jahresabschlusses entfällt daher die Beschlagnahmefreiheit (h.M. LR- Schäfer § 97 Rn.117; Landgericht Frankfurt, DStR 2004, 290 292; Landgericht Chemnitz PStR 2001, 68-69; Landgericht Darmstadt NStZ 1988, 286-287; Landgericht Berlin NJW 1977, 725; a.A. Landgericht Stade NStZ 87,38,39; Landgericht Koblenz, PStR 2002,26 t; StV 85,8,9: Fortbestehen der Beschlagnahmefreiheit; wohl auch Landgericht Aachen MDR
81,160). Anderenfalls könnte der Beschuldigte seine gesamte Buchhaltung sowie sonstige Geschäftsunterlagen dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entziehen, indem
er sie auf seinen - auch mit Steuerberatung beauftragten - Steuerberater auslagerte
(LG Stuttgart wistra 88,40; Quermann, wistra 88,254,256; Weinmann, Dünnebier-FS 199,210/211). Ein solches Ergebnis aber würde die Möglichkeiten der Strafverfolgung über Gebühr einengen und ließe sich daher nicht mit der gebotenen engen Auslegung des § 97 StPO in Einklang bringen. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses erfordert im übrigen auch der Sinn des § 97 StPO keine weitere Beschlagnahmefreiheit. Die weitere Verwahrung durch den Steuerberater stellt sich nicht als Teil der Steuerberatung dar. Die Steuerberatung ist abgeschlossen; dem Beschuldigten bleibt es daher unbenommen, die Unterlagen zurückzunehmen. Da er für seine Steuerberatung auf die Verwahrung nicht mehr angewiesen ist, gibt es keinen Grund, den Gewahrsam des Steuerberaters zu privilegieren. Ebenso muss etwaiges Vertrauen auf Beschlagnahmefreiheit nicht geschützt werden, um unbeeinflusste Steuerberatung sicherzustellen. Da es hiernach keine Rechtfertigung für eine Beschlagnahmefreiheit gibt, muss dem Interesse an wirksamer Strafverfolgung der Vorrang eingeräumt werden. Buchhaltungs- und sonstige Geschäftsunterlagen sind hiernach nur insoweit beschlagnahmefrei nach § 97 StPO, als sie noch der Steuerberatung dienen. Entgegen der in der Rechtsprechung zuweilen vertretenen Auffassung (zuletzt Landgericht Koblenz, PStR 2002,26 f.) findet diese Ansicht im Gesetz auch eine ausreichende Stütze. Sobald die Buchhaltung nicht mehr benötigt wird, erhält sie wieder ihren ursprünglichen Charakter, der nicht der Steuerberatung unterfällt (s.o.). Insoweit aber ist sie dem Steuerberater nicht in seiner Eigenschaft als Steuerberater anvertraut (Quermann, wistra 88,254,256). Der weitere Besitz beruht dementsprechend nicht mehr auf dem durch § 97 StPO geschützten Vertrauensverhältnis (Landgericht Berlin NJW 77,725). Weder § 53 StPO noch § 97 StPO können hiernach eingreifen.

Um die widerstreitenden Interessen dem Sinn des Gesetzes entsprechend in Ausgleich zu bringen, ist darüber hinaus eine Einschränkung bei der Beschlagnahmefreiheit des Jahresabschlusses zu machen. Das ergibt sich aus dessen Doppelfunktion. Der Jahresabschluss ist wesentlicher Teil der Buchhaltung und wird daher in diese eingefügt (vgl. LG Stuttgart wistra 88,40). Würde er - im Gewahrsam des Steuerberaters - dauerhaft beschlagnahmefrei sein, ergäbe dies ein dem Sinn des Gesetzes nicht entsprechendes Ergebnis. Die in Händen des Steuerberaters befindliche Buchhaltung wäre nur unvollkommen beschlagnahmefähig, was erhebliche Nachteile der Strafverfolgung zur Konsequenz hätte. Ein die Anwendung des § 97 StPO rechtfertigender Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Mit Einfügung wird der Jahresabschluss Teil der Buchhaltung und damit des Bereiches, den § 97 StPO nicht privilegiert (s.o.). Angesichts der Publizitätsfunktion des nach § 245 HGB unterschriebenen Jahresabschlusses (vgl. §§ 257 ff. HGB; Quermann, wistra 88,254,256; vgl. hierzu auch LG Stuttgart wistra 88,40) erschiene es überdies lebensfremd, dass der Kaufmann sich durch die Gefahr einer Beschlagnahme beim Steuerberater von der Inanspruchnahme dessen steuerberatender Dienste abhalten ließe. Vor diesem Hintergrund muss § 97 StPO einschränkend ausgelegt werden: Der Jahresabschluss ist nach endgültiger Fertigstellung kein Gegenstand, auf den sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt (Landgericht Hildesheim wistra 88,327; Landgericht Saarbrücken wistra 1984, 200 und Landgericht Berlin StuB 2001,780-781 mit Anm. Reck StuB 2001,781 jeweils für die Bilanz; im Ergebnis ebenso Landgericht Hanau NStE Nr 5 zu § 97 StPO). Er wechselt vielmehr seine Rechtsqualität und wird Teil der Buchhaltung, die wiederum den Steuerberater nicht im Sinne von § 53 StPO in seiner Eigenschaft gerade als Steuerberater betrifft.

Nach den oben genannten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der bei
den Steuerberatern sichergestellten Unterlagen wie folgt zu differenzieren:

Unter § 97 I Nr.1 StPO fällt Korrespondenz zwischen den Beschuldigten und dem Steuerberater, die der Vorbereitung oder Durchführung von Jahresabschlüssen, Steuererklärungen oder steuerrechtlicher Beratung gedient hat(vgl. LR- Schäfer § 97 Rn.117; Moosburger wistra 89,252,253; Landgericht Chemnitz PStR 2001,68-69). An der Beschlagnahmefreiheit ändert sich auch nichts dadurch, dass die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen fertiggestellt und in die Buchhaltung eingeführt worden sind, denn die ihrer Vorbereitung dienenden Unterlagen sind nicht Teil der Buchhaltung geworden stellt sich nicht als Aufbewahrung für den Beschuldigten dar, sondern gehört auch nach Auftragserledigung zum Pflichtenkreis des Steuerberaters. Die Unterlagen sind ihm daher in seiner Eigenschaft als Steuerberater anvertraut.

Die darüber hinaus bei den Steuerberatern sichergestellten Unterlagen fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 97 I StPO. Hinsichtlich der Buchhaltungsunterlagen bis einschließlich 2000 gilt dies schon deswegen, weil die Jahresabschlüsse bis zum 31.12.2000 vollständig erstellt worden sind. Die weitere Aufbewahrung der Kontenbelege stellt sich daher allenfalls als Hilfe in der Buchhaltung dar, unterfällt aber nicht mehr dem Bereich der Steuerberatung. Aber auch die Buchhaltungsbelege für die folgenden Jahre sind nicht nach § 97 I stopp beschlagnahmefrei. Konkrete Hinweise darauf, dass die Belege bei der Erstellung von Steuererklärungen oder Jahresabschlüssen noch Verwendung finden sollen, liegen bislang nicht vor. Dementsprechend kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie (noch) zur Ausübung steuerberatender Tätigkeit dienen. Soweit aber unklar ist, ob die Voraussetzungen der Beschlagnahmefreiheit nach § 97 StPO vorliegen, findet die Norm keine Anwendung. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. § 94 StPO stellt den Grundsatz auf, wonach alle für das Strafverfahren erforderlichen Gegenstände sichergestellt werden können. Die Ausnahme des § 97 StPO greift nur, wenn die dort genannten Voraussetzungen positiv festgestellt werden können. Da es sich um eine prozessuale Ausnahmeregelung handelt, findet der Zweifelssatz zugunsten des Beschuldigten keine Anwendung (Meyer-Goßner § 261 Rn.35 m.w.N.).

Die fertiggestellten Jahresabschlüsse selber (u.a. Abgrenzung II 3/ Ordner II 10) sind ebenfalls zu beschlagnahmen. Sie sind Teil der Buchhaltung geworden, folgen damit ihren Regeln und fallen damit nicht mehr unter § 97 I Nr.2 StPO (s.o.; Landgericht Stuttgart wistra 88,402; Landgericht Hildesheim wistra 88,327; Landgericht Berlin StuB 01,780). Die sichergestellten Abschlussübersichten und Umbuchungslisten gehören zutreffender Ansicht nach zu den Jahresabschlüssen und teilen daher ihr Schicksal (Moosburger wistra 89.252,253 gegen Landgericht Hildesheim wistra 88.327).

Der Beschlagnahme unterliegen schließlich auch die allgemeinen Geschäftsunterlagen des Beschuldigten in Form von Korrespondenz zwischen dem Beschuldigten und Geschäftspartnern, z.B. Steuerbescheinigungen von Banken, Rechnungen sowie Anstellungsverträgen, Lohn- und Gehaltsabrechnungen und Niederschriften über Gesellschafterversammlungen. Auch hinsichtlich dieser Unterlagen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie für zukünftige steuerberatende Tätigkeit benötigt werden würden.




Ausgefertigt:


Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

RechtsgebietStPOVorschriften§ 53 StPO, § 94 StPO, § 97 StPO

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