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28.10.2005 · IWW-Abrufnummer 053050

Finanzgericht München: Urteil vom 28.06.2005 – 6 K 2749/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 6 K 2749/03

Freigabe: 10.08.2005

Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache XXX

wegen Gewerbesteuermessbetrag 1994, 1995 und 1996
gesonderter und einheitlicher Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 1994, 1995 und 1996 Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1.1.1995, 1.1.1996 und 1.1.1997 hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht NN, des Richters am Finanzgericht NN und des Richters am Finanzgericht NN sowie der ehrenamtlichen Richter NN und NN
auf Grund mündlicher Verhandlung vom 28. Juni 2005 für Recht erkannt:

1. Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1996 vom 19. Januar 2000, der Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1996 vom 17. Januar 2000 und der Einheitswertbescheid auf den 1.1.1997 vom 17. Januar 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2003 sind insoweit abzuändern, als im Jahresabschluss zum 31.12.1996 zusätzlich Rückstellungen in Höhe von 315.978,38 ? (= 618.000 DM) zu berücksichtigen sind. Die Berechnung im Einzelnen wird dem FA übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 5/6, der Beklagte zu 1/6.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen.
Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen.
Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089 / 92 31-201.

Gründe:

I.

Streitig ist für die Veranlagungszeiträume 1994 - 1996, ob Aufwendungen bei Tankstellen für eine flüssigkeitsundurchlässige Fahrbahnabdichtung bzw. für eine so genannte Gaspendelung zu Herstellungskosten oder zu sofort abzugsfähigem Erhaltungsaufwand führen, bzw. ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt Rückstellungen für solche Maßnahmen gebildet werden können.

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, betreibt in XY Tankstellen, die angemietet bzw. auf fremden Grund und Boden errichtet wurden. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben (20. und 21. Bundes-Immissionsschutz-Verordnung (BImSchV) bzw. Anlageverordnung (VawS) Bayern, bzw. Baden-Württemberg) war die Klägerin verpflichtet, bis spätestens 31. Dezember 1997 bzw. 31. Dezember 1998 nach dem Stand der Technik verschiedene Tankstellen mit einem Gasrückführungssystem (Gaspendelung) bzw. mit flüssigkeitsundurchlässigen Bodenbefestigungen nach einem so genannten AGB-Basis-System im Wirkbereich der Zapfsäulen nachzurüsten. Die Maßnahmen bezüglich der Bodenbefestigungen wurden zum Teil bis Ende 1996 durchgeführt. Die Aufwendungen hierfür wurden aktiviert; der Buchwert zum 31. Dezember 1996 betrug 1.862.319 DM. Ein weiterer Teil der erforderlichen Maßnahmen sollte in den Jahren nach 1996 durchgeführt werden. Dafür bildete die Klägerin bis zum 31.12.1996 folgende Rückstellungen:
· für flüssigkeitsdichte Fahrbahnen: 1.235.000 DM
· für die Gaspendelung: 618.000 DM
gesamt: 1.853.000 DM

Eine für die Veranlagungszeiträume 1994 ? 1996 durchgeführte Außenprüfung vertrat die Auffassung, dass Rückstellungen für künftige Herstellungskosten bezüglich der Bodenbefestigungen nicht gebildet werden könnten und diese Rückstellungen aufzulösen seien. Entsprechend wurde einem während der Außenprüfung gestellten Antrag auf Bilanzberichtigung bezüglich der bisher aktivierten Aufwendungen nicht entsprochen. Zu den Maßnahmen wegen der Gaspendelung vertrat die Außenprüfung die Auffassung, entsprechende Rückstellungen dürften erst gebildet werden, wenn die für die Maßnahme gesetzte gesetzliche Frist abgelaufen sei.

Der Beklagte (das Finanzamt ? FA -) erließ auf der Grundlage der Ergebnisse der Außenprüfung im Bericht vom 15. Oktober 1999 geänderte Bescheide, im Einzelnen:

Bescheide über die geänderte gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 19. Januar 2000:
Gewinn 1994: 1.735.431 DM
Gewinn 1995: 708.781 DM
Gewinn 1996: 5.085.715 DM

Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag vom 17. Januar 2000
Einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag 1994: 84.121 DM
Einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag 1995: 356.509 DM
Einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag 1996: 246.296 DM

Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens vom 17. Januar 2000
Einheitswert auf den 1.1.1995: 2.999.000 DM
Einheitswert auf den 1.1.1996: 3.858.000 DM
Einheitswert auf den 1.1.1997: 5.881.000 DM

Gegen diese Bescheide eingelegte Einsprüche vom 18. Februar 2000 wurden mit Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2003 als unbegründet zurückgewiesen. Das FA stützt sich dabei auf eine Weisung der OFD München vom 27. Februar 2003 und ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 3. Februar 2003:
· Ein Ersatz der bisherigen Fahrbahnbefestigung durch eine neue flüssigkeitsundurchlässige Fahrbahnbefestigung führe zu Herstellungskosten. Die bisherige einfache Hofbefestigung im Wirkbereich der Abgabeeinrichtung sei vollständig abgebrochen und durch das Wirtschaftsgut ?Betriebsvorrichtung nach dem ABG-System? ersetzt worden. Die bereits angefallenen Aufwendungen seien daher zu aktivieren und eine Rückstellung für künftige Herstellungskosten dürfe gemäß § 5 Abs. 4b Einkommensteuergesetz (EStG) nicht gebildet werden.
· Eine Rückstellung für die Verpflichtung, bis zu einem nach dem Bilanzstichtag liegenden Zeitpunkt ein Gasrückführsystem nachzurüsten, dürfe ebenfalls nicht gebildet werden. Nach R 31c Abs. 2 und 4 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) seien Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten erstmals im Jahresabschluss des Wirtschaftsjahres zu bilden, in dem sie wirtschaftlich verursacht seien. Die Frist gem. der 21. BImSchV für die Nachrüstung der betreffenden Tankstellen sei erst zum 31. Dezember 1997 bzw. zum 31. Dezember 1998 abgelaufen, also nach dem Bilanzstichtag.

Mit Klage vom 20. Juni 2003 begehrt die Klägerin weiterhin, die entsprechenden Aufwendungen als Erhaltungsaufwand zu beurteilen:
· Aufwendungen zur Erfüllung von Umweltschutzauflagen führten nicht per se zu (nachträglichen) Herstellungskosten, sondern grundsätzlich zu Erhaltungsaufwand;
· Aufwendungen zur Erfüllung von Umweltschutzauflagen an bestehenden Wirtschaftsgütern führten nicht zu neuen Wirtschaftsgütern;
· Aufwendungen zur Funktionserhaltung führten nicht zur wesentlichen Zustandsveränderung.
· Zur Zulässigkeit der Bildung von Rückstellungen zur Abwehr von Umweltschäden verweist die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 27. Juni 2001 I R 45/97 (BStBl II 2003, 121).

Bezüglich der Argumentation im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 30. September 2003 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der Bescheide vom 19. Januar 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1994 bis 1996, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2003, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
für das Jahr 1994 auf 1.375.431 DM,
für das Jahr 1995 auf -20.063 DM und
für das Jahr 1996 auf 1.810.438 DM festzusetzen,

unter Abänderung der Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1994 bis 1996 vom 17. Januar 2000, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2003, den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag
für das Jahr 1994 auf 65.401 DM,
für das Jahr 1995 auf 2.216 DM und
für das Jahr 1996 auf 75.979 DM festzusetzen,

der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1.1.1995 bis 1.1.1997 vom 17. Januar 2000, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2003 den Einheitswert des Betriebsvermögens
auf den 1.1.1995 auf 2.631.000 DM,
auf den 1.1.1996 auf 3.129.000 DM und
auf den 1.1.1997 auf 2.605.000 DM festzusetzen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist dabei im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass das Urteil des BFH vom 27. Juni 2001 (a.a.O.) nach dem Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sei (BMF-Schreiben vom 21. Januar 2003, BStBl I 2003, 125).

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2003, den Bericht über die Außenprüfung vom 15. Oktober 1999, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Am 28. Juni 2005 fand der Termin zur mündlichen Verhandlung statt, auf die Niederschrift wird verwiesen.

II.

1) Die Klage ist nur teilweise begründet.
a) Die Einordnung der Aufwendungen für die flüssigkeitsundurchlässigen Fahrbahnabdichtungen als nicht sofort abziehbarer Herstellungsaufwand ist im Ergebnis zutreffend.
i) Bodenbefestigungen von Tankstellenbetrieben sind wegen ihrer besonderen betrieblichen Ausgestaltung und Zweckbestimmung als Betriebsvorrichtungen anzusehen (gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 31. März 1992, BStBl I 342 unter Bezugnahme auf ein Urteil des BFH vom 23. Februar 1962 III 222/58, BHHE 74, 474; BStBl III 1962, 179). Der BFH betrachtet dabei ausdrücklich die Platzbefestigung einheitlich, d. h. er differenziert nicht zwischen den Betoninseln rund um die Zapfsäulen und der übrigen Bitumendecke, die gesamte Platzbefestigung unterscheidet sich nach Auffassung des BFH von sonstigen Boden- und Hofbefestigungen zur allgemeinen Befahrbarkeit.

Vorliegend ist unstreitig, dass es sich bei der bisherigen Platzbefestigung, einschließlich des besonderen Bereichs um die Zapfsäulen, um eine einheitliche Betriebsvorrichtung gehandelt hat.

ii) Durch die wegen der erhöhten Umweltschutzauflagen erforderlich gewordenen flüssigkeitsundurchlässigen Fahrbahnabdichtungen rund um die Zapfsäulen sind keine eigenständigen Betriebsvorrichtungen entstanden.

Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist anders gelagert, als der dem Urteil des BFH vom 19. August 1998 (XI R 8/96, BStBl II 1999, 18) zugrunde liegende Sachverhalt. In diesem Fall war aufgrund behördlicher Auflage ein Fettabscheider in den Abwasserabfluss einzubauen. Dabei war der bisherige Abwasserabfluss Gebäudebestandteil. Der neu einzubauende Fettabscheider wurde vom BFH als Betriebsvorrichtung betrachtet. Wesentlicher Grund für diese Beurteilung war, dass diese Baumaßnahme für den Gebäudebesitzer ohne den Betrieb einer Gaststätte wertlos ist.

Im Streitfall war schon vor der neu erforderlichen Umweltschutzmaßnahme eine Betriebsvorrichtung vorhanden, die für den Tankstellenbetrieb erforderlich, für den Grundstückseigentümer so aber wertlos war. Es wurde auch nicht die gesamte bisherige Betriebsvorrichtung ersetzt, sondern nur ein wesentlicher Teil im Wirkbereich der Tankanlage. Es verbleibt damit auch unter Berücksichtigung der (geplanten) Baumaßnahmen, bei der bisherigen Betriebsvorrichtung Bodenbefestigung. Dieses Zwischenergebnis ist unabhängig von der Frage, ob die Baumaßnahmen zu Herstellungskosten oder zu Erhaltungsaufwand führen.

iii) Es liegen jedoch keine sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen vor. Durch die Art und den Umfang der Maßnahmen kann nicht mehr von einer modernisierenden Verbesserung des Wirtschaftsgutes ausgegangen werden.

Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Ein neues Wirtschaftsgut wird insbesondere auch dadurch geschaffen, dass der bisherige Gegenstand derart umgestaltet oder erweitert wird, dass die ein- bzw. hinzugefügten Teile dem Wirtschaftsgut nach dem äußeren Gesamteindruck das Gepräge geben und die verwendeten Altteile nach Bedeutung und Wert nur untergeordnet sind. Wird das Wirtschaftsgut in seiner Substanz wesentlich verändert, so kann es technisch als neu anzusehen sein (vgl. Fischer in Kirchhof, EStG 4. Auflage 2004, § 6 Rn 54 m.w.N.).

Dies ist vorliegend der Fall. Der wesentliche und prägende Teil der Betriebsvorrichtung Bodenbefestigung ist der Teil, der sich im Wirkbereich der Tankanlage befindet. Wird genau dieser Kernbereich zur Gänze ausgetauscht und entsprechend bestehender Umweltschutzauflagen grundlegend geändert, so gibt dieses dem gesamten Wirtschaftsgut ?Bodenbefestigung? das Gepräge. Die mit den Maßnahmen verbundenen Substanzvermehrungen können nicht mehr als Nebenfolge einer Instandsetzung angesehen werden. Die nicht erneuerte restliche Bodenbefestigung ist von untergeordneter Bedeutung.

Es liegen damit Herstellungskosten im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB vor. Diese Einordnung ist auch für steuerliche Zwecke maßgeblich (vgl. Beschluss des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466 ;BStBl II 1990, 831)

iv) Durch das Vorliegen von Herstellungskosten hat das FA zu Recht sowohl die insoweit gebildeten Rückstellungen nicht anerkannt, als auch dem Antrag, die bereits aktivierten Aufwendungen zum Sofortabzug zuzulassen nicht entsprochen.

b) Das FA hat die Rückstellungen für die Gaspendelung zu Unrecht abgelehnt.

i) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass diese Maßnahmen Erhaltungsaufwand darstellen.

ii) Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 des HGB sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Da diese Verpflichtung zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört, gilt sie auch für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 des EStG).

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss sein kann - und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielen. Diese Voraussetzungen werden regelmäßig bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen. Indessen kann auch eine Verpflichtung, die sich allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt, zur Bildung einer Rückstellung führen. Dies setzt allerdings einen entsprechend konkreten Gesetzesbefehl voraus. Zudem ist für die Rückstellung erforderlich, dass an ihre Verletzung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich "der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann". Wie bei privatrechtlichen Verbindlichkeiten, so kann auch die ernstliche Erwartung einer Inanspruchnahme aus öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht schematisch aufgrund einzelner vorgegebener Kriterien beurteilt werden. Sie ist vielmehr zutreffend nur anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen (vgl. Urteil des BFH vom 25. März 2004 IV R 35/02, BFHE 206,25; BFH/NV 2004, 1157 m.w.N.).

iii) Nach § 3 i.V.m. § 9 der 21. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) vom 7. Oktober 1992 (BGBl I 1992, 1730), in der für die Streitjahre geltenden Fassung, dürfen Tankstellen nur unter Beachtung bestimmter Umweltauflagen betrieben werden. Wer entgegen dieser Vorgabe eine Tankstelle betreibt, handelt ordnungswidrig im Sinne des § 8 BImSchV.

Mit dieser Regelung war die Verbindlichkeit der Klägerin hinreichend konkretisiert. Es lag am Bilanzstichtag eine rechtliche Regelung vor, die die Klägerin zu einem genau definierten Handeln innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens verpflichtete. An die Nichterfüllung der Verpflichtung waren Sanktionen geknüpft. Die Verpflichtung der Klägerin stellte auch keine bloße Obliegenheit dar, deren ?Erfüllung? im überwiegenden Interesse der Klägerin an der Erhaltung oder Verbesserung ihrer eigenen Betriebsbereitschaft läge. Über den Rahmen der Betriebsbereitschaft im Sinne der individuellen betrieblichen Zielsetzung hinaus, diente die Verordnung der Erfüllung des Anspruchs des Gemeinwesens auf Erhaltung der Luft- und Umweltqualität. Sie konkretisierte somit rückstellbaren ?Gemeinaufwand?.

Da die Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag dem Grunde nach bereits rechtlich entstanden war, kommt es für die Passivierung auf den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung nicht an. Dies gilt nur für künftig erst entstehende Verbindlichkeiten (Urteil des BFH vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BFHE 196, 216; BFH/NV 2001, 1334; BStBl II 2003, 121 m.w.N.; Crezelius in Kirchhof, a.a.O. § 5 Rn. 131). Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Rechtsansicht der Verwaltung (BMF-Schreiben vom 21. Januar 2003, BStBl I 2003, 125; s. auch Weber-Grellet in Schmidt, 23. Aufl. 2005 § 5 Rz. 384). Bezüglich der Begründung im Einzelnen nimmt der Senat auf das Urteil des BFH vom 27. Juni 2001 Bezug und schließt sich dessen Entscheidungsgründen an.

Ob statt einer Rückstellung eine Teilwertminderung in Betracht käme, weil ? so der Vortrag des Vertreters der Klägerin - ein gedachter Erwerber die unterlassenen Umweltschutzmaßnahmen bei der Bewertung des Wirtschaftsguts berücksichtigen würde, ist aufgrund des vorstehenden Ergebnisses nicht entscheidungserheblich und daher nicht zu prüfen.

iv) Die Klage ist insoweit erfolgreich, als das FA den in der Bilanz zum 31. Dezember 1996 enthaltenen Rückstellungsbetrags wegen der Gaspendelung zu Unrecht nicht anerkannt hat.

Die Höhe der in Frage stehenden Rückstellungen zum 31.12.1996 mit 618.000 DM (= 315.978,38 ?) ist zwischen den Beteiligten unstrittig.

Zu ändern sind damit der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1996 vom 19. Januar 2000, der Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1996 vom 17. Januar 2000 und der Einheitswertbescheid auf den 1.1.1997 vom 17. Januar 2000, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2003.

Die Berechnung im Einzelnen wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung ? FGO -).

2) Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

3) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

RechtsgebietEinkommensteuerrichtlinie (EStR)VorschriftenR 31c Abs. 2 und 4 Einkommensteuerrichtlinien (EStR)

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