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11.10.2005 · IWW-Abrufnummer 052878

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 01.10.2001 – I-1 U 220/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT DUSSELDORF

IM NAMEN 'DES VOLKES

URTEIL

1 U 220/00

10 O 524/99 LG Mönchengladbach

verkündet am 1. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

1. des Herrn ##
2. der ##-Versicherung, 51061 Aachen,
- Beklagten und Berufungskläger -

gegen

Herrn' ##,
- Kläger und Berufungsbeklagten -

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Eggert sowie der Richter am Oberlandesgericht Plum und Krücker auf die mündliche Verhandlung
vom 3. September 2001

für R e c h t

erkannt:

Auf die ,Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das am 20. November 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23. Oktober 1999 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 3.394,88 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Oktober 1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 75 % dem Kläger und zu 25 % den Beklagten auferlegt.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen zu 62 % dem Kläger und zu 38 % der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat überwiegend Erfolg.

Entgegen der durch das Landgericht vertretenen Auffassung erreicht der die Beklagten treffende Haftungsanteil nicht den Umfang von 2/3 der Unfallschäden, sondern ihnen fällt lediglich eine Quote von 1/4 zur Last. Daraus, folgt, dass der begründete Schadensersatzanspruch des Klägers in der Hauptsache nicht den ihm durch das Landgericht zuerkannten Umfang von 9.053 DM erreicht, sondern auf den Betrag von 3.394,88 DM beschränkt ist.

Im einzelnen ist folgendes auszuführen:

I.
Unstreitig hatte der Kläger vor der Kollision die Absicht, am 2. September 1999 gegen 18.15 Uhr auf der Mühlhausener Straße in Viersen-Süchteln gegen 18.15 Uhr mit seinem Pkw nach links in eine zu einem landwirtschaftlichen Straßenverkauf führende Grundstückseinfahrt einzubiegen, nachdem er zuvor in einer Entfernung von weniger als 40 m von dem untergeordneten Vinnweg auf die Straße eingebogen war. In Durchführung dieses Fahrmanövers hatte der Kläger die strengen Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 1 S. 1, S. 2 und S. 4 StVO sowie des § 9 Abs. 5 StVO zu beachten. Nach dem zur Überzeugung des Senats feststehenden Sachverhalt ist der Kläger diesen Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden und hat auf diese Weise den Zusammenstoß mit dem sich von hinten in Geradeausrichtung nähernden und überholenden Pkw des Beklagten zu1) überwiegend verschuldet.

Andererseits bedeutete für den Beklagten zu 1) die streitgegenständliche Kollision kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG und die von seinem Fahrzeug ausgegangene Betriebsgefahr tritt bei einer Abwägung nach § 17 Abs.1 StVG nicht hinter dem Verschuldensbeitrag des Klägers zurück. Denn die Betriebsgefahr war auf grund des Umstandes erhöht, dass de' Beklagte zu 1) unmittelbar vor dem Zusammenstoß mit hoher Geschwindigkeit einen Überholvorgang eingeleitet hat. Indes Indes kann dem Beklagten zu 1) nicht angelastet werden, er hätte bei pflichtgemäßem Verhalten das Unfallereignis vermeiden können. Der die Beklagten treffende Haftungsanteil geht deshalb nicht über eine Quote von 25 % hinaus.

II.
1. Rechtsgrundlage für das begründete Zahlungsbegehren des Klägers sind die Vorschriften der §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVG.

2. Entsprechend den insoweit zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, nimmt (BI. 5, 6 UA; BI. 106, 107 d.A.), war auch, für den Kläger die Entstehung des Zusammenstoßes kein unabwendbares Ereignis gemäß § 7 Abs. 2 StVG.

3. Weitergehend ist dem Kläger anzulasten, dass er sich im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Abbiegevorgang in hohem Maße pflichtwidrig, verhalten hat.

a) Gemäß § 9 Abs. 5 StVO hat sich beim Abbiegen in eine~ Grundstückseinfahrt der Fahrzeugführer so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Wegen der ihm abverlangten äußersten Sorgfalt trägt der in ein Grundstück Abbiegende die Verantwortung für das damit verbundene Verkehrsgeschehen in der Regel allein; bei einer Kollision mit dem durchgehenden Verkehr kann der Anschein
schuldhafter Unfallverursachung gegen ihn sprechen (OLG Düsseldorf - 15. Zivilsenat, VersR 1983, 40; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Aufl., § 9 StVO, Rn. 44 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. Bei einem solchen Verkehrsvorgang gelten die allgemeinen Abbiegeregeln (Jagusch/ Hentschel a.a.O. mit Hinweis auf BGH VersR 1972, 459).

b) Folglich hatte der Kläger die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 S. 1, S. 2 und S. 4 StVO zu beachten. Danach hatte er seine Abbiegeabsicht unter Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers rechtzeitig und deutlich anzukündigen. Darüber hinaus musste er sich rechtzeitig bis zur Mitte der Fahrbahn einordnen. Schließlich hatte er vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Beim Abbiegen in ein Grundstück beginnt die Pflicht zu äußerster Vorsicht bereits mit der Rückschau, der Wahl der Fahrlinie, dem Zeichengeben und dem Verlangsamen zwecks Abbiegens - diese Vorgänge gehören zum einheitlichen Abbiegevorgang (Jagusch/Hentschel a.a.O., § 9.StVO, Rn. 44).

c) Hätte der Kläger diese Sorgfaltsanforderungen beobachtet, wäre das streitige Kollisionsereignis vermieden worden. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist die Behauptung des Klägers widerlegt, er habe sich anläßlich des Abbiegevorganges in jeder Hinsicht ordnungsgemäß verhalten.

aa) Nach den überzeugenden und durch eine zeichnerische Darstellung sowie durch Lichtbilder anschaulich gemachten Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing ## in seinem schriftlichen Gutachten vom 7. August 2000 hat der Kläger mit seinem Fährzeug für den nachfolgenden Beklagten zu 1) erkennbar erst 7 m bis 9 m vor der im Bereich der Grundstückseinfahrt gelegenen späteren Kollisionsstelle den Abbiegevorgang eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt war der Pkw des Klägers noch etwa 54 m bis 66 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt (Bl. 65, 66 d.A.). Diese Zusammenhänge sind in der zeichnerischen Darstellung des Sachverständigen durch gelbe Fahrzeugmarkierungen veranschaulicht. Bei der durch den Sachverständigen ermittelten mittleren Abbiegegeschwindigkeit des Klägers von ca. 10 km/h verging von dem erkennbaren Beginn des Abbiegevorganges bis zum Erreichen der späteren Kollisionsposition nur eine Zeitspanne von etwa 3 Sekunden (BI. 65 d.A.).

bb) Im Hinblick darauf kann keine Rede davon sein, dass der Klläger sich entsprechend § 9 Abs. 1 S. 2 StVO rechtzeitig zur Straßenmitte eingeordnet hat. Unstreitig hatte der Kläger seinen Pkw nach dem rechtsseitigen Abbiegen in die Mühlhausener Straße nahezu in Schrittgeschwindigkeit am rechten Fahrbahnrand entlanggesteuert (BI. 4 UA; Bl. 97 d.A.), Nach den Ausführungen des Sachverständigen liegt zwischen den Scheitelpunkten des rechtsseitigen Vinnweges und der linksseitigen Grundstückseinfahrt eine Entfernung von ca. 37 m. Zwar hat der Sachverständige nicht mehr rekonstruieren können, ob sich der Kläger mit seinem Fahrzeug kurz vor dem Abbiegevorgang tendenziell zur Fahrbahnmitte oder aber zum rechten Fahrbahnrand orientiert hatte (Bl. 65 d.A.). Da der Kläger sich aber zuvor mehr als 25 m in langsamer Fahrweise am rechten Rand der Mühlhausener Straße fortbewegt hatte, steht jedenfalls außer Zweifel, dass die Einleitung des Abbiegevorganges nur 3 Sekunden vor Erreichen der späteren Kollision zu spät erfolgte, um dem Rechtzeitigkeitserfordernis des § 9 Abs. 1 S. 2 StVO Genüge zu tun. Hinzu kommt, dass der Kläger bei seiner Fahrt am rechten Fahrbahnrand nicht den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hatte. Er war gehalten, beizeiten durch eine zur Straßenmitte hin orientierte Fahrweise seine beabsichtigte Richtungsänderung für den nachfolgenden Verkehr erkennbar zu machen.

ce). Dem steht nicht entgegen, dass die Mühlhausener Straße im Bereich des Unfallortes nach den Ausführungen des Sachverständigen insgesamt nur eine Breite von 6,5 m aufweist (Bl. 59 d.A.). Wenn auch wegen der beschränkten Breite der Straßenführung der Möglichkeit des Klägers, sich in deutlicher Weise zur Straßenmitte hin einzuordnen, relativ enge räumliche Grenzen gesetzt waren, hätte jedoch wegen des geraden Straßenverlaufs ein solches Fahrmanöver bei rechtzeitiger Durchführung in Verbindung mit langsamer Fahrweise dem Beklagten zu 1) signalisiert, dass er mit einer Änderung der Fahrtrichtung des Klägers rechnen mußte.

d) Der Senat ist der Auffassung, dass nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme die Behauptung des Klägers widerlegt ist, den beabsichtigten Fahrtrichtungswechsel durch rechtzeitige Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers angekündigt zu haben. Eine derartige Feststellung läßt sich nicht auf ,der Grundlage der zeugenschaftlichen Bekundung der Ehefrau des Klägers, der Zeugin ##, treffen.

aa) Zwar hat die Zeugin bekundet, ihr Ehemann habe "den Blinker gesetzt". Sie habe "das Ticken gehört und: den Blinker auch gesehen" (Bl. 31 d.A.). Die weitere Darstellung der Zeugin ?direkt danach ist es dann auch schon passiert, dass es knallte und. wir gegen den Baum gedrückt wurden" (Bl. 31 d.A.), läßt jedoch nur den Rückschluß darauf zu, dass die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers und das Kollisionsereignis in einem ganz engen zeitlichen Zusammenhang zueinander standen. Hätte der Kläger entsprechend der Vorschrift des § 9 Abs. 1 S. 1 StVO rechtzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt, hätte wegen seiner sehr langsamen Annäherung an die Unfallstelle und seiner geringen Abbiegegeschwindigkeit ein deutliches zeitliches Intervall zwischen diesem Vorgang und dem Kollisionsereignis liegen müssen, welches sich mit der bezeichneten Angabe der Zeugin nicht vereinbaren läßt. Nach dem durch die Zeugin ## insoweit glaubhaft bestätigten Vorbringen der Beklagten hatte der Kläger hingegen den Blinker erst gesetzt, als er mit dem Abbiegevorgang begonnen hatte (Bl. . 14, 34, 139 d. A. ). Die zeugenschaftliche Bekundung der Ehefrau des Klägers läßt keine davon abweichende Feststellung zu.

bb) Gegen Ende ihrer Befragung hat die Zeugin ## auf Vorhalt des Klägervertreters und des Gerichts ergänzend ausgeführt, nach ihrer Erinnerung habe das Ticken des Blinkers unmittelbar nach dem Abbiegen aus dem Vinnweg auf die Mühlhausener straße eingesetzt" {BI. 42 d.A.). Diese Bekundung steht im Widerspruch zu ihrer anfänglichen Schilderung des fraglichen Geschehens und soll offensichtlich eine frühzeitige Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers durch den Kläger belegen. Der Senat hält indes ebenso wie das Landgericht diese Darstellung der Zeugin für nicht glaubhaft. Denn auffällig ist die Diskrepanz zwischen der sehr detaillierten Aussage der Zeugin hinsichtlich der fraglichen Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers beim Einbiegen in die linksseitige Grundstückseinfahrt einerseits und der vollständigen Erinnerungslücke der Zeugin bezüglich des nur wenige Momente vorher vollzogenen Abbiegevorgangs nach rechts in die Mühlhausener Straße (?Ich weiß nicht, ob mein Mann vor dem Abbiegen aus dem Vinnweg den Blinker gesetzt hat, um die Abbiegeabsicht in die Mühlhausener Straße anzuzeigen; BI. 42 d.A.; vgl. BI. 7, 8 UA; BI.. 108, 109 d.A.).

e) Nach den überzeugenden Darlegungen des. Sachverständigen ist davon auszugehen, dass der Kläger den Abbiegevorgang nach links in etwa zeitgleich mit dem Ausscheren des Beklagten zu.1) von der rechten auf die linke Fahrspur zum Zwecke des Überholens vornahm (BI. 67 d.A.). In dieser Phase des Geschehens - 3 Sekunden vor der Kollision - bewegte sich der Pkw des Beklagten zu 1) nach der weiteren Darlegung des Sachverständigen ?noch tendenziell auf dem rechten Fahrstreifen" (BI. 66 d.A.). Diese Zusammenhänge sind ebenfalls in der Unfall-Rekonstruktionszeichnung des Sachverständigen (BI. 73 d.A.) durch die gelben Markierungen der Positionen der Fahrzeuge des Klägers und des Beklagten zu 1) verdeutlicht. Nachvollziehbar ist deshalb die Schlußfolgerung des Sachverständigen, der Wagen des Beklagten zu 1) habe sich noch nicht erkennbar im Überholvorgang befunden, als der Kläger den Abbiegeentschluß gefaßt habe (BI. 67 d.A..). Indes legt der Sachverständige zweifelsfrei dar, dass der Kläger bei ?entsprechender? - also bei hinreichend sorgfältiger ? Rückschau hätte erkennen können, dass der Pkw des Beklagten zu 1) sich mit hoher Geschwindigkeit von hinten an seinen mit sehr langsamer Geschwindigkeit fortbewegten Wagen annäherte (BI. 67 d.A.).

Hätte der Kläger also entsprechend der Vorschrift des § 9 Abs. 1 S. 4 StVO vor dem Abbiegen in der erforderlichen Weise auf den nachfolgenden Verkehr geachtet, wäre ihm die hohe Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) nicht verborgen geblieben. Dieser hat bei seiner Befragung durch die Einzelrichterin des Landgerichts im Termin am 3. April 2000 angegeben, er habe auf der Mühlhausener Straße zunächst eine Geschwindigkeit von 80 km/h gehabt, bevor er mit etwa 100 km/h überholt habe (BI. 29, 30 d.A.). In Übereinstimmung damit steht die Angabe des Sachverständigen, die Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) habe zum Zeitpunkt seiner Reaktion in der Größenordnung von 85 km/h bis 100 km/h gelegen (Bl. 65 d.A.).

Die hohe Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) hätte dem langsam fahrenden Kläger dazu Veranlassung geben müssen, einstweilen von der Durchführung des linksseitigen Abbiegens abzusehen, bis er Gewißheit über die weitere Fahrweise des Beklagten zu 1) erlangt hätte. Nur wenn diesem noch ein rechtzeitiges Abbremsen möglich gewesen wäre und er im Falle eines hypothetischen rechtzeitigen Erkennens der Abbiegeabsicht. des Klägers seinen Wagen auch tatsächlich zur Ermöglichung dieses Fahrmanövers frühzeitig abgebremst hätte, hätte der Kläger seine vorgefaßte Abbiegeabsicht in die Tat umsetzen dürfen.

4. Hingegen kann dem vorfahrtsberechtigten Beklagten zu 1) nicht angelastet werden, er hätte sogleich bei dem Anblick des mit langsamer Geschwindigkeit nach rechts in die Mühlhausener Straße einbiegenden und sich dort am rechten Straßenrand mit langsamer Geschwindigkeit fortbewegenden Pkw des Klägers seine Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 80 km/h bis 85 km/h reduzieren und von der Absicht des Überholens Abstand nehmen müssen.

a) Der Sachverständige geht davon aus, dass der Pkw des Beklagten zu 1) im Moment des Einbiegens des Klägers aus dem Vinnweg noch ca. 150 m auf der Mühlhausener Straße entfernt war. (BI. 68. d.A.). Auch dann, wenn ein Kraftfahrer auf schmaler Fahrbahnhälfte vom rechten Fahrbahnrand lediglich einen geringen Abstand einhält, dabei auffallend langsam fährt und sich einer Abzweigung nach links nähert, wird dadurch noch keine das Überholen verbietende unklare Verkehrslage geschaf'fen (BayObLG VRS 59, 225; Jagusch/Hentschel a.a.O., § 5 StVO, Rn. 35 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Zwar kann eine Abbiegeabsicht auch durch eine auffällige Herabsetzung der Fahrtgeschwindigkeit verdeutlicht werden. Allein die langsame Fahrweise des Klägers gab dem Beklagten zu 1) jedoch noch keinen hinreichenden Grund zu der Annahme, der Kläger werde vom rechten Fahrbahnrand aus verkehrswidrig und ohne Rücksicht auf den nachfolgenden schnell aufschließenden Verkehr nach links abbiegen, zumal er gerade auf dis Hauptstraße aufgefahren war und der Beklagte zu 1) die Hofeinfahrt links nicht erkennen konnte, jedenfalls mit einem Abbiegen nicht ohne weiteres rechnen mußte. Allein die theoretische Möglichkeit einer solchen verkehrswidrigen Absicht schaffte noch keine unklare Verkehrslage, die nach § 5 Abs. 3 Ziffer 1 StVO ein Überholen unzulässig machte. Andernfalls wäre ein Überholen langsam fahrender Fahrzeuge in der üblichen Fahrweise überhaupt nicht mehr möglich. Selbst das Fehlen einer Möglichkeit für den vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer, nach rechts abzubiegen, ist kein Umstand, der es dem nachfolgenden Verkehrsteilnehmer verwehrt, dass vor ihm sich bewegende Fahrzeug links zu überholen (BayObLG a.a.O.).

b) Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, der Beklagte zu 1) habe entgegen der Bestimmung des § 5 Abs. 3 Ziffer 1 StVO trotz unklarer Verkehrslage überholt. Zwar kann eine Langsamfahrt des Vorausfahrenden in Verbindung mit einem unvermittelten Ausscheren nach links eine unklare Verkehrslage ergeben (Jagusch/Hentschel a.a.O., § 5 StVO, Rn. 35). Auch ist nicht außer acht zu lassen, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Einleitung des Abbiegevorganges den linken Blinker betätigte. Jedoch fielen nach der nicht widerlegten Unfallschilderung des Beklagten zu 1) die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers sowie der Beginn des Abbiegevorgangs praktisch als eine Handlungseinheit zusammen. Die Darlegung des Sachverständigen, zum Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Abbiegevorganges etwa 3 Sekunden vor dem Zusammenstoß habe sich der Pkw des Beklagten zu 1) noch auf der rechten Fahrbahnhälfte befunden, schließt nicht aus, dass der Beklagte zu 1) zu diesem Zeitpunkt seine Geschwindigkeit zum Zwecke des Überholens bereits auf deutlich mehr als 80 km/h gesteigert hatte. Denn die für ihn maßgebliche Ausgangsgeschwindigkeit gibt der Sachverständige mit 80 km/h bis 100 km/h an. Da dem Beklagten zu1) zum Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Abbiegevorganges nur noch 3 Sekunden bis zum Eintritt des Kollisionsgeschehens verblieben, war der ihm zur Verfügung stehende Handlungsspielraum zu eng, um den Unfall zu vermeiden. Er hat nicht trotz unklarer Verkehrslage, die im Sinne des § 5 Abs. 3 Zi. 1 StVO vor Beginn des Überholens gegeben sein muß, überholt. Vielmehr war 3 Sekunden vor dem Kollisionsereignis die Abbiegeabsicht des KIägers eindeutig; Jedoch hatte der Beklagte zu 1) zumindest durch die Beschleunigung seines Fahrzeuges zum Überholen angesetzt mit der Folge, dass er weder durch eine Reduzierung seiner Geschwindigkeit noch - wie noch darzulegen sein wird - durch ein Ausweichen nach rechts den Zusammenstoß sicher hätte vermeiden können.

5. Es läßt sich nicht zweifelsfrei feststellen, dass der Beklagte zu 1) den fraglichen Zusammenstoß hätte vermeiden können.

a) Der Sachverständige hat für den Beklagten zu 1) eine Vermeidbarkeitsgeschwindigkeit von 70 km/h bis 75 km/h ermittelt. Hingegen betrug die Ausgangsgeschwindigkeit nach den eigenen Angaben des Beklagten zu 1) im Termin vom 3. April 2000 80 km/h, während der Sachverständige eine solche von mindestens 85 km/hermittelt hat. Nach seinen weiteren Angaben ist für den Pkw des Beklagten zu 1) eine mittlere Vollbremsverzögerung aufgrund ABS-Ausrüstung in der Größenordnung von 8 rn/sec.2 bis 9 m/sec.2 in Ansatz zu bringen (BI. 65 d.A.). Unterstellt man eine Ausgangsgeschwindigkeit von 85 km/h und eine Verzögerung von 8 m/sec.2, ergibt sich ein Gesamtanhalteweg von 56,05 m. Da der Beklagte zu 1) nach der Darstellung des Sachverständigen zum Zeitpunkt des Einleitens des Abbiegevorganges durch den Kläger aber 54 m bis 66 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt war, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass die dem Beklagten zu 1) verbliebene Wegstrecke für einen vollständigen Geschwindigkeitsabbau ohne eine Kollisionsberührung mit dem Pkw des Klägers ausgereicht hätte.
b) Hätte der Beklagte zu 1) jedoch von vornherein von einem Überholvorgang und der dadurch bedingten Beschleunigurig seines Fahrzeuges auf ca. 100 km/h abgesehen, wäre die Wucht des Aufpralls auf den klägerischen Pkw zumindest geringer ausgefallen mit der Folge, dass dann auch aller Wahrscheinlichkeit nach das Ausmaß der eingetretenen Sachschäden geringfügiger gewesen wäre. Dieser Umstand erhöht die von dem Kraftfahrzeug des Beklagten. zu 1) ausgegangene Betriebsgefahr.

6. Zu Lasten des Beklagten zu 1) ist auch kein Verschuldensvorwurf aus der Tatsache abzuleiten, dass er auf der Mühlhausener Straße zunächst mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h bis 85 km/h fuhr. Ausweislich der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ereignete sich die Kollision außerhalb einer geschlossenen Ortschaft und der Kläger hatte keine besondere Geschwindigkeitsbegrenzung zu beachten. Folglich hat er weder zu Beginn noch im weiteren, Verlauf des Überholvorganges die nach § 3 Abs. 3 Ziffer 2 c zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten.

7. Es läßt sich darüber hinaus nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass der Beklagte zu 1) eine kollisionsbedingte Berührung mit dem Pkw des Klägers hätte vermeiden können, wenn er von einem Überholvorgang abgesehen und auf der rechten Fahrspur der Mühlhausener Straße verblieben wäre.

a) Der Sachverständige hat in seiner Zeichnung die Stellung der Fahrzeuge zueinander im Zeitpunkt des Zusammenstoßes sowie die Lage des Kollisionsortes auf der Straße rekonstruiert. Danach hatte erst etwa die vordere Hälfte des Pkw Golf des Klägers den Straßenraum zum Zeitpunkt der Berührung verlassen. Aus der im Maßstab 1 : 200 gefertigten Zeichnung ist zu entnehmen, dass zwischen der rechten Fahrbahnbegrenzung und der am weitesten vorragenden hinteren linken Ecke des Wagens des Klägers ein Zwischenraum von etwa 2,80 m verblieb. Berücksichtigt man, dass nach den Angaben des Sachverständigen für den Mercedes Pkw des Beklagten zu 1) eine Breite von 1.720 mm zu berücksichtigen ist .(Bl. 58 d.A.), verblieb diesem für eine Vorbeifahrt an dem abbiegenden Pkw des Klägers auf der rechten Fahrspur rechtsseitig und linksseitig zum Schluß ein Spielraum von weniger als 55 cm. Ein großräumiges Ausweichen nach rechts war dem Beklagten zu 1) aufgrund der Tatsache nicht möglich, dass nach dem zu den Akten gelangten Lichtbildmaterial die Mühlhausener Straße im Bereich des Unfallortes sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite mit Alleebäumen eingefaßt ist.

b) Mit Rücksicht auf die Enge des dem Beklagten zu 1) zur Verfügung stehenden Durchfahrtraumes und der Plötzlichkeit des durch den Kläger eingeleiteten Abbiegevorganges kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1) nach der Erkennbarkeit des beabsichtigten Fahrmanövers Sekunden vor der Kollision bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h bis 85 km/h noch eine Berührung der Fahrzeuge hätte vermeiden können, wenn er auf seiner rechten Fahrspur verblieben wäre und den Versuch unternommen hätte, rechtsseitig an dem gegnerischen Pkw vorbei. zu fahren. Da andererseits nicht auszuschließen ist, dass einem gedachten ?Idealfahrer" eine solche problemlose Vorbeifahrt auf der engen rechten Fahrspur möglich gewesen wäre, bedeutete die Kollision für den Beklagten zu 1) kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG.

III.
Bei der Abwägung aller unfallursächlichen Umstände gemäß § 17 Abi. 1 StVG sind nur solche Tatsachen zu berücksichtigen, auf die sich eine Partei beruft, die unstreitig oder erwiesen
sind.

1. In diesem Zusammenhang ist dem unfallursächlichen Verschulden des Klägers ein ganz erhebliches Gewicht beizumessen. Er hatte sich gemäß § 9 Abs. 5 StVO so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Diese Verpflichtung hat er in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt. Denn er ist aus den oben dargelegten Gründen den strengen Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden, die er als in ein Grundstück abbiegender Verkehrsteilnehmer zu beachten hatte. Der Beklagte zu 1) fuhr als vorfahrtsberechtigter Verkehrsteilnehmer mit zulässiger Geschwindigkeit auf der Mühlhausener Straße, als ca. 150 m vor ihm der Kläger einbog und aufgrund seiner langsamen und am rechten Fahrbahnrand orientierten Fahrweise plötzlich ein Hindeinis bildete. Da in dieser Phase nichts auf eine bevorstehende Linksabbiegeabsicht des Klägers hindeutete, faßte der Beklagte zu 1) zunächst zulässiger Weise den Entschluß, das vorausfahrende Fahrzeug des Klägers linksseitig zu überholen. Eine plötzliche Änderung der Verkehrssituation trat in dem Moment ein, als der Kläger wenige Sekunden vor dem Zusammenstoß unvermittelt nach links in Richtung einer Grundstückseinfahrt ausbog. Eine sichere Feststellung dahingehend, dass der Beklagte zu 1) dann eine Berührung der Fahrzeuge hätte vermeiden können, läßt sich indes nicht treffen. Nachdem der Kläger durch ,seine Fahrweise in keiner Weise ein bevorstehendes Abbiegen nach links angekündigt hatte, war es in erster Linie seine Pflicht, den sich daraus ergebenden Gefahren wirksam durch ordnungsgemäße Rückschau zu begegnen.

2. Die von dem Pkw des Beklagten zu 1) ausgegangene Betriebsgefahr war aufgrund des Überholvorganges und der damit verbundenen Beschleunigung erhöht. Dieser Verursachungsbeitrag kann jedoch wegen des in hohem Maße pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers nicht mit einer über den Haftungsanteil von 25 % hinausgehenden Quote bewertet werden.

3. Unstreitig stellen sich die unfallbedingten Sachschäden des Klägers in der Summe auf insgesamt 13.597,50 DM (11.700 DM Fahrzeugschaden auf Totalschadensbasis; 1.009,50 DM Sachverständigenkosten, 100 DM An- und Abmeldekosten sowie eine Nutzungsausfallentschädigung von 720 DM zuzüglich einer Unkostenpauschale von 50 DM). Der von der Summe dem Kläger zustehende Viertel-Anteil macht den Betrag von 3.394,88 DM aus.

Die Zinsentscheidung rechtfertigt sich aus § 284 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 BGB a.F.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 9.053 DM. Die Beschwer des Klägers stellt sich auf 5.658,12 DM und diejenige der Beklaten auf 3.394,88 DM.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlaß, weil die Voraussetzungen des § 546 Abs. 'I ZP0 nicht gegeben sind.

RechtsgebietStVOVorschriften§§ 5, 9 StVO

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