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11.10.2005 · IWW-Abrufnummer 052877

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 11.04.2005 – I-1 U 219/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


I ? 1 U 219/04

4 0 290/02
Landgericht Duisburg

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN, DES VOLKES

URTEIL

verkündet am 11. April 2005

In dem Rechtsstreit

des Herrn ##
- Klägers und Berufungsklägers -

Prozessbevollmächtigte: RAe ##, ? 47051 Duisburg,

gegen

1. Frau ##,
2. ## Versicherung AG, ... 70499 Stuttgart,
- Beklagten und Berufungsbeklagten -

Prozessbevollmächtigte: RAe ##, ? 47169 Duisburg,

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eggert, den Richter am Oberlandesgericht Ernst und den Richter am Amtsgericht Busch

für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Oktober 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgewiesen und insgesamt wie folgt neu festgesetzt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.016,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.990,80 EUR vom 1.5.2002 bis zum 22.7.2002 und aus 6.016,31 EUR seit dem 23.7.2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem Kläger zu einem Drittel und den Beklagten als Gesamtschuldner zu zwei Drittels auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu zwei Fünfteln und die Beklagten als Gesamtschuldner zu drei Fünfteln.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.
Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf Zahlung weiterer 3.734,55 EUR, insgesamt also 6.016,31 EUR. Entgegen der vom Landgericht gebildeten Haftungsquote von 50 : 50 sind die Beklagten zu 80 % für den Schaden des Klägers haftbar. Während nämlich der Beklagten zu 1) ein unfallursächlicher und schuldhafter Verkehrsverstoß zur Last fällt, ist ein Verschulden des Zeugen ## nicht feststellbar. Andererseits erscheint es nicht gerechtfertigt, die Betriebsgefahr des klägerischen Motorrades vollständig zurücktreten zu lassen.

II.
Im Einzelnen:

1.
Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich am 01.04.2002, so dass die schadensrechtlichen Vorschriften in der bis zum 31.07.2002 geltenden Fassung anwendbar sind (Art. 229 § 8 EGBGB).

2.
Die Beklagten sind dem Kläger grundsätzlich zum Ersatz des ihm aus dem Unfall vom 01.04.2002 entstandenen Sachschadens verpflichtet, da dieser beim Betrieb des von der Beklagten zu 1) gefahrenen, auf sie zugelassenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Opel Astra entstanden ist (§§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG a.F., 3 Nr. 1 PfIVG). Auf die Unabwendbarkeit des Unfalls (§ 7 Abs. 2 StVG a.F.) haben sich die Beklagten nicht berufen.

3.
Der Kläger ist jedoch grundsätzlich ebenfalls für die Unfallfolgen verantwortlich, da der Schaden auch beim Betrieb seines Motorrades Honda CBR 600 entstanden ist (§ 7 Abs. 1 StVG a.F.). Auch seine Haftung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG a.F. ausgeschlossen; der Kläger ist der Annahme des Landgerichts, dass die Kollision für en Zeugen ## nicht unabwendbar im Sinne dieser Vorschrift gewesen sei, in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten.

4.
Steht somit die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 17 Abs. 1 StVG a.F. von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der hiernach gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sind jedoch zu Lasten der Beteiligten nur solche Umstände zu berücksichtigen, die unstreitig oder bewiesen sind. Zudem müssen diese Umstände erwiesenermaßen für den Schaden ursächlich geworden sein (Hentschel, Straßenverkehrs recht, 36. Aufl., § 17 StVG, Rn. 5 und 21).
Diese Abwägung führt im vorliegenden Fall zu einer Haftungsverteilung von 80 % zu 20 % zu Lasten der Beklagten.

a)
Die Beklagte zu 1) hat den Unfall schuldhaft verursacht.

(1)
Zu Lasten der Beklagten ist zunächst ein unfallursächlicher Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 9 Abs.1 Satz 4 StVO zu berücksichtigen.

Nach ihrer eigenen Darstellung hatte die Beklagte zu 1) die Absicht, nach links in die Cramer-Klett-Straße abzubiegen. Sie hatte dies daher rechtzeitig und deutlich mittels der Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen, sich möglichst weit links einzuordnen und vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den rückwärtigen Verkehr zu achten. Diesen Sorgfaltsanforderungen ist die Beklagte zu 1) nicht in vollem Umfang gerecht geworden.

Schon das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte zu 1) ihrer doppelten Rückschaupflicht nicht genügt hat und dieser Verstoß unfallursächlich gewesen ist, weil die Beklagte zu1) das von hinten mit deutlich überschießender Geschwindigkeit herannahende Motorrad hätte erkennen und hierauf mit einem Abbruch ihres Abbiegevorgangs hätte reagieren können. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Feststellungen bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Bereits erstinstanzlich hatten die Beklagten selbst nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) vor dem Einordnen und dem Abbiegen in irgendeiner Weise auf den rückwärtigen Verkehr geachtet habe; sie hatten lediglich behauptet, dass sie sich eingeordnet, den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und auf den Gegenverkehr geachtet habe. Nunmehr nehmen die Beklagten die Feststellung des Landsgerichts, die Beklagte zu 1) habe in unfallursächlicher Weise gegen ihre Rückschaupflichten verstoßen, sogar ausdrücklich hin (vgl. Seite 3 der Berufungserwiderung).

Ein nicht rechtzeitiges Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StVO) kann der Beklagten zu 1) dagegen nicht angelastet werden. Nach der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ist ungeklärt, ob die Beklagte zu 1) den linken Blinker gesetzt hatte, bevor sie das Abbiegemanöver einleitete. Einerseits konnte der Zeuge ## - Ehemann und Beifahrer der Klägerin - das Setzen des Blinkers bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht nicht bestätigen; er musste einräumen, dass er dies nicht wisse. Andererseits ist die Aussage des Zeugen ## nicht zum Beweis eines solchen Unterlassens geeignet. Diese Aussage ist insgesamt nicht glaubhaft. Der Zeuge ## hat ausgesagt, die Beklagte sei mit ihrem Pkw unmittelbar vor dem Motorrad von rechts auf die Straße gefahren, ohne zu blinken. Es sei zum Unfall gekommen, ohne dass der Pkw noch ein Stück geradeaus gefahren sei.

Diese Aussage stimmt mit dem Sachvortrag beider Parteien nicht überein, die übereinstimmend davon ausgehen, dass die Beklagte zu 1) mich dem Verlassen des Bürgersteiges noch ein - wenn auch nur geringes - Stück geradeaus gefahren ist. Darüber hinaus sind seine Angaben aber auch mit den objektiven Umständen nicht vereinbar. Wenn es tatsächlich so gewesen wäre, dass es unmittelbar nach dem Verlassen des Bürgersteiges zu einer Kollision des Motorrades mit dem Pkw Opel Astra gekommen wäre, hätte sich diese Kollision mindestens etwa 15 m vor der Einmündung der Cramer-Klett-Straße ereignen müssen. Der vom Sachverständigen anhand der Endstellung der Fahrzeuge und des Splitterfeldes ermittelte Kollisionsort ist hiermit schlechterdings nicht vereinbar.

(2)
Ein Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die sich aus § 9 Abs. 5 StVO ergebende äußerste Sorgfaltspflicht ist ebenfalls nicht festzustellen.

Hierfür wäre Voraussetzung, dass die Beklagte zu 1) an der Einmündung der Cramer-Klett-Straße ein Wendemanöver beabsichtigt und eingeleitet hatte, so dass sie sich so zu verhalten hatte, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen war. Dies lässt sich jedoch nicht nachweisen.
Zwar hat der Zeuge ## hierzu ausgesagt, der Fahrvorgang der Beklagten zu 1) habe für ihn so ausgesehen, als habe die Beklagte zu 1) wenden wollen. Wie bereits ausgeführt, ist die Aussage des Zeugen ## jedoch insgesamt wenig glaubhaft, so dass ihr auch in diesem Punkt nicht gefolgt werden kann. Zudem steht ihr die Aussage des Ehemannes der Beklagten zu 1), des Zeugen ##, entgegen, der angegeben hat, man habe in die Cramer-Klett-Straße abbiegen wollen, um dort zu parken.
Auch die Ausführungen des Sachverständigen sind nicht geeignet, hierzu weitere Erkenntnisse zu gewinnen; er hat sowohl ein Abbiegen als auch ein vom rechten Fahrbahnrand begonnenes Wendemanöver für denkbar erachtet.

(3)
Die Beklagten müssen sich aber darüber hinaus einen schuldhaften Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die sich aus § 10 StVO ergebenden Pflichten entgegenhalten lassen.

Der Verstoß gegen § 19 StVO ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass die Beklagte zu 1) von ihrer Position auf dem Gehweg auf die Fahrbahn der Düsseldorfer Landstraße eingefahren ist. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen ## war zu diesem Zeitpunkt eine Gefährdung des von hinten herannahenden Zeugen ## oder auch nur eine erhebliche Behinderung desselben nicht zu befürchten.
Der Sachverständige hat hierzu - von den Parteien unbeanstandet - ausgeführt, dass der Beginn des Einfahrvorgangs etwa 6 Sekunden vor der späteren Kollision stattgefunden habe (Seite 17 des Gutachtens). Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Zeuge ## bei Unterstellung der von ihm selbst eingeräumten Fahrgeschwindigkeit von 60 km/h noch etwa 100 Meter von der späteren Unfallstelle und damit immerhin noch 75 Meter von der Parkposition der Beklagten zu1) entfernt. Diese Entfernungen zeigen, dass es dem Zeugen ## bei Erkennen des Einfahrvorgangs ohne Weiteres möglich gewesen ist, einer Kollision mit dem Pkw der Beklagten zu 1) auch durch eine leichte und gefahrlose und ihm daher zumutbare (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., Kapitel 27, Rn. 319) Bremsung zu entgehen, so dass mit
dem Einfahren nicht einmal eine wesentliche Behinderung, jedenfalls aber keine Gefährdung verbunden war.

Zutreffend weist der Kläger allerdings darauf hin, dass der Einfahrvorgang mit dem Erreichen der Fahrbahn noch nicht abgeschlossen war. Ein solcher Vorgang endet vielmehr erst dann, wenn sich das eingefahrene Fahrzeug endgültig wieder in zügiger Fahrt in den fließenden Verkehr eingeordnet hat (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 10 StVO, Rn. 4; Geigel, a.a.O.,Rn: 315). Bis zu diesem Zeitpunkt unterliegt der Einfahrende den äußersten Sorgfaltspflichten des § 10 StVO (Hentschel, a.a.O., § 10 StVO, Rn. 10).
Unter diesen Voraussetzungen hatte die Beklagte zu 1) auch beim Abbiegen in die Cramer-Klett-Straße noch diesen äußersten Sorgfaltsanforderungen zu genügen. Als sie den Abbiegevorgang begann, gehörte sie noch nicht wieder zum fließenden Verkehr.

Dabei mag durchaus zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass sich sowohl der Pkw der Beklagten zu 1) als auch das Motorrad des Klägers gleichgerichtet auf der Düsseldorfer Straße befanden. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass die Beklagte zu 1) - selbst nach eigener Darstellung - nur etwa 25 m zurückgelegt hatte, bevor sie in die Cramer-Klett-Straße abbog. Schon hieraus ist erkennbar, dass zwischen dem Beginn des Einfahrvorgangs und dem Abbiegen ein unmittelbarer örtlicher Zusammenhang bestand. Dieser ergibt sich im Übrigen auch anschaulich aus den bei der Akte und dem Sachverständigengutachten befindlichen Lichtbildern (vgl. Lichtbild Nr. 2 des Gutachtens). Vor allem aber spricht gegen ein abgeschlossenes Einfügen in den fließenden Verkehr der zusätzliche Umstand, dass die Beklagte zu 1) nach dem eigentlichen Einfahren in die Düsseldorfer Landstraße nicht beschleunigt und sich der üblichen Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h angepasst hatte, sondern in unstreitig langsamer Fahrt bis zur Einmündung der Cramer-Klett-Straße gefahren ist. Die mit dem Einfahren verbundene Gefahr für den übrigen, fließenden Verkehr blieb, damit bis zum Beginn des Abbiegevorgangs erhalten.

Folglich musste die Beklagte beim Abbiegen nicht nur die sich aus § 9 Abs. 1, 3 und. 4 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten beachten, sondern darüber hinaus äußerste Sorgfalt walten lassen und eine Gefährdung öder wesentliche Behinderung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen. Dies hat sie nicht beachtet, indem sie ohne Rucksicht auf den erkennbar von hinten mit überschießender Geschwindigkeit herannahenden Zeugen ## abgebogen ist.

b)
Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich demgegenüber ein dem Kläger zuzurechnendes unfallursächliches Verschulden des Zeugen ## nicht feststellen.

(1)
Keine durchgreifenden Bedenken bestehen allerdings gegen die Feststellung des Landgerichts, der Zeuge ## habe die Düsseldorfer Landstraße mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 km/h befahren und daher die an der Unfallstelle höchstzulässige (Geschwindigkeit von 50 km/h überschritten (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Der Zeuge ## hat dies bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht selbst eingeräumt (Seite 3 des Protokolls vom 08.10.2003, BI. 126 GA). Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige ## hat zudem im Wege der Rückrechnung eine Ausgangsgeschwindigkeit des vom Zeugen ## geführten Motorrades von 52 - 62 km/h ermittelt.

Es kann jedoch nicht zuungunsten des Klägers festgestellt werden, dass die Überschreitung der an der Unfallstelle höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h durch den Zeugen ## auch unfallursächlich war, der Zeuge ## also die Kollision mit dem Pkw der Beklagten zu 1) bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h hätte vermeiden können. Insbesondere ergeben sich aus dem von den Beklagten insoweit nicht angegriffenen Gutachten des Sachverständigen ## keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Der Sachverständige ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Zeuge ## bei einer unterstellten Ausgangsgeschwindigkeit von 52 km/h die Kollision weder zeitlich noch örtlich vermeiden konnte. Unter diesen Umständen ist es wenig wahrscheinlich, dass der Zeuge ## bei Einhaltung der nur unwesentlich darunter liegenden höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h in der Lage gewesen wäre, sein Motorrad rechtzeitig abzubremsen (örtliche Vermeidbarkeit) oder die Kollisionsstelleerst zu einem Zeitpunkt erreicht hätte, an dem die Beklagte zu 1) sie mit ihrem Fahrzeug bereits wieder verlassen hatte (zeitliche Vermeidbarkeit). Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die bei der Kollision entstandenen Schäden bei Einhaltung der höchstzulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h durch den Zeugen ## deutlich geringer ausgefallen wären.

(2)
Dem Kläger kann auch nicht angelastet werden, dass der Zeuge ## trotz unklarer Verkehrslage überholt hat (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO).

Das Landgericht ist auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, dass der Zeuge ## unmittelbar vor der Kollision in einem Überholvorgang begriffen war. Diese Annahme hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen; auch der Senat sieht keine konkreten Anhaltspunkte, die Bedenken gegen ihre Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen könnten. Soweit der Zeuge ## einen Überholvorgang abgestritten und behauptet hat, die Kollision habe sich bereits ereignet, nachdem der Pkw der Beklagten zu1) unmittelbar vor dem Motorrad auf die Fahrbahn aufgefahren sei, ist dem aus dem bereits genannten Gründen nicht zu folgen.

. Vorzuwerfen ist dem Zeugen ## dieser Überholvorgang jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht, weil eine unklare Verkehrslagegemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO nicht festzustellen ist. Unklar im Sinne dieser Bestimmung ist eine Verkehrslage, wenn nach allen Umständen mit einem ungefährdenden Überholen nicht gerechnet werden darf (OLG Düsseldorf - 1. Senat für Bußgeldsachen -, NZV 1996, 119f.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl, § 5 StVO, Rn. 34). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der nachfolgende Verkehrsteilnehmer aufgrund des Fahrverhaltens des Vorausfahrenden annehmen muss, dieser werde sogleich links abbiegen. So verhielt es sich hier jedoch nicht.

Zunächst kann nach dem Ergebnis der landgerichtlichen Beweisaufnahme nicht zum Nachteil des Klägers festgestellt werden, dass die Beklagte zu 1) rechtzeitig vor dem Abbiegen den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte. Wie schon ausgeführt, steht nicht fest, ob die Beklagte zu 1) den linken Blinker gesetzt hatte, bevor sie abbog; damit verbietet es sich, diesen Umstand bei der Bewertung des Verschuldensbeitrages des Zeugen ## zu dessen Lasten zu berücksichtigen.

Damit hätte der Zeuge ## allein aus dem Umstand, dass sich die Beklagte zu 1) mit langsamer Fahrgeschwindigkeit der Einmündung der Cramer-Klett-Straße näherte, auf ein beabsichtigtes Abbiegen in diese Straße schließen müssen. Ein solcher Schluss war jedoch nach den gegebenen Umständen ohne das nicht erwiesene Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers und im Hinblick auf den unklaren Zeitpunkt des Einordnens nicht gerechtfertigt. Allein die Tatsache, dass ein Vorausfahrender vor einer linken Abzweigung auffallend langsam fährt, ist ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht geeignet, eine unklare Verkehrslage herbeizuführen (vgl. Senatsurteil vom 01.10.2001,1 U 220/00;KG, NZV 2003, 89f.; Hentschel, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.).lm vorliegenden Fall ist zudem zu bedenken, dass die Beklagte zu 1) erst wenige Meter zuvor vom Fahrbahnrand in den fließenden Verkehr eingefahren war. Ein Kraftfahrer muss jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte nicht damit rechnen, dass ein mit Anfahrgeschwindigkeit in den fließenden Verkehr Einfahrender sogleich wieder nach links abbiegen werde (vgl. Senatsurteil vom 05.02.2001,1 U 77/00; Senatsurteil vom 01.10.2001, 1 U 220/09). Zudem musste unter diesen Umständen auch die langsame Fahrgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) nicht auf einen bevorstehenden Abbiegevorgang hindeuten, sondern war zwanglos auf den nur wenige Sekunden zurückliegenden Fahrtbeginn zurückzuführen.

Unter diesen Umständen musste sich der Zeuge ## nicht veranlasst sehen, von einem Überholvorgang abzusehen oder ihn abzubrechen.
(3)
Auch ein Reaktionsverschulden des Zeugen ## (§ 1 StVO) ist nicht erkennbar.

Allerdings hat es der Sachverständige ## für denkbar erachtet, dass der Zeuge ## die Kollision - statt nach links auszuweichen - durch ein Ausweichen nach rechts hätte vermeiden können. Der Sachverständige hat diese Frage jedoch nicht vertieft, so dass derzeit nicht zu Lasten des Klägers davon ausgegangen werden kann, der Zeuge ## habe objektiv in dieser Weise reagieren und hierdurch die Kollision vermeiden können.
Dessen ungeachtet wäre es ihm subjektiv aber auch nicht vorwerfbar, nicht durch ein Ausweichen nach rechts reagiert zu haben. Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen ist zugunsten des Zeugen ## davon auszugehen, dass ihm lediglich 1,8 Sekunden zur Verfügung standen, um auf den von der Beklagten zu 1) eingeleiteten Abbiegevorgang zu reagieren. Unter diesen Umständen ist es nicht schuldhaft, wenn der Zeuge ## einen plausiblen, weil von der Gefahr wegführenden, wenn auch im Ergebnis vergeblichen Ausweichversuch nach links unternommen hat, statt nach rechts auszuweichen (vgl. Seite 19 des Gutachtens).

c)
Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung ist daher auf Seiten der Beklagten der unfallursächliche Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 10 StVO sowie die Betriebsgefahr ihres Pkw Opel Astra zu berücksichtigen, während auf Seiten des Klägers ausschließlich die Betriebsgefahr seines Motorrades einzustellen ist. Dies. führt zu einer Erhöhung der die Beklagten treffenden Haftungsquote auf 80 %, rechtfertigt aber nicht eine Alleinhaftung der Beklagten.

Der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der Beklagten überwiegt denjenigen des Klägers allerdings deutlich, da zu dessen Lasten ein Verschulden des Zeugen ## nichtfestgestellt werden kann, während sich die Beklagte zu 1) einen schwerwiegenden Verstoß gegen "äußerste" Sorgfaltspflichten vorhalten lassen muss. Zudem war die Betriebsgefahr des Pkw Opel Astra gegenüber der gewöhnlichen Betriebsgefahr eines Pkw nicht unerheblich durch den per se gefährlichen Abbiegevorgang und zudem noch durch das vorangegangene Einfahren auf die Düsseldorfer Landstraße gesteigert (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 05.02.2001, 1U 77/00).

Andererseits sieht der Senat keinen Anlass, den Verursachungsbeitrag des Klägers vollständig hinter denjenigen der Beklagten zurücktreten zu lassen. Dabei ist nicht zu verkennen, dass ein Verstoß gegen § 10 StVO gewöhnlich die auf Seiten des anderen Beteiligten allein zu berücksichtigende Betriebsgefahr vollständig zurücktreten lässt(Hentschel, a.a.O., § 17 StVG, Rn. 18; Geigel, a.a.O., Kapitel 27, Rn; 319f. Andererseits ist zu bedenken, dass die Kollision - wie ausgeführt - maßgeblich nicht auf den "eigentlichen" Einfahrvorgang, sondern (nur) auf das diesem Vorgang noch zuzuordnende Abbiegen zurückzuführen ist. Zudem ist auch die Betriebsgefahr des klägerischen Motorrades wegen des vom Zeugen ## eingeleiteten Überholmanövers und der Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit nicht zu vernachlässigen. Es erscheint daher angemessen, den Kläger mit einem Anteil von 20 % an dem ihm entstandenen Schaden zu beteiligen.

5.
Auf der Basis eines Haftungsanteils von 80 % haben die Beklagten dem Kläger über den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 3.734,55 EUR, insgesamt mithin 6.016,31 EUR, zu erstatten.

a)
Die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens beläuft sich auf 11.238,50 EUR. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Kläger Nutzungsausfall für insgesamt 25 Tage zu je 66 EUR, insgesamt also 1.650 EUR, verlangen.

Grundsätzlich ist Nutzungsausfallentschädigung für den zur Reparatur oder zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges erforderlichen Zeitraumes zu zahlen. Dies entspräche hier - da der Kläger sich für eine Ersatzbeschaffung entschieden hat - den insoweit vom Schadensgutachter ## geschätzten 12 -14 Kalendertagen. Andererseits kann dem Geschädigten zusätzlich eine angemessene Überlegungsfrist für die Entscheidung, ob der Schaden durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung ausgeglichen werden soll, zuzubilligen sein (vgl. Senatsurteil vom 02.04.2001, 1 U 132/00, OLGR Düsseldorf 2001, 453ff:; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., Anh. I, Rn. 107). So verhält es sich auch hier. Angesichts des Schadensbildes war nicht ohne weiteres erkennbar, ob das Fahrzeug noch reparaturwürdig war oder einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hatte. Aufklärung darüber konnte nur das am Tag nach dem Unfall (02.04.2002) in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen ## geben, welches aber erst am 11.04.2002 fertiggestellt war. Dieser Zeitraum ist zwar verhältnismäßig lang. Jedoch ist die Ursache dafür nicht bekannt, so dass die mit der späten Erstellung des Gutachtens einhergehende Verzögerung dem Kläger nicht als Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht zugerechnet werden kann (vgl. Greger, a.a.O., Rn. 110).

Folglich kann der Kläger Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 01. bis zum 11.04.2002 und für den anschließenden, zur Wiederbeschaffung notwendigen Zeitraum bis zum 25.04.2002 verlangen, der sich im Rahmen des vom Sachverständigen geschätzten Aufwandes hält.

b)
Von dem Gesamtschaden in Höhe von 1.238,50 EUR haben die Beklagten 80 %, mithin 8.990,80 EUR zu tragen.

Abzuziehen ist hiervon der von den Beklagten bereits gezahlte Betrag von 2.974,49 EUR, sodass ein Anspruch von 6.016,31 EUR verbleibt.

III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.246,25 EUR festgesetzt.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

RechtsgebietStVOVorschriften§§ 3, 5, 9, 10, 17, 19 StVO

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