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07.10.2005 · IWW-Abrufnummer 052792

Amtsgericht Kerpen: Urteil vom 05.04.2005 – 22 C 369/04

1. Nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich nicht strafbar, wer nach einem Unfall eine Unterredung über den Schadenausgleich barsch beendet, dann aber länger am Unfallort verbleibt, als der Unfallgegner. In diesen Fällen scheidet auch eine Strafbarkeit gemäß § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB, da keine Wartepflicht mehr besteht, wenn der feststellungsberechtigte Unfallgegner bereits die Unfallstelle verlassen hat.


2. Aus systematischen Gründen kommt eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht mehr in Betracht, wenn der Geschädigte die Unfallstelle vor dem Schädiger verlassen hat und darin ein Verzicht auf Feststellungen liegt. Von einem solchen Verzicht kann der Schädiger regelmäßig dann ausgehen, wenn der Geschädigte zuvor kein Feststellungsinteresse bekundet hat.


22 C 369/04
05.04.2005

Amtsgericht Kerpen

Urteil

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Als Sicherheit genügt stets eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Großbank, einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder einer sonstigen, als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen beziehungsweise dem Einlagensicherungsfonds angeschlossenen Bank.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist nicht begründet.

Ein Verstoß des Beklagten gegen eine Obliegenheit aus § 7 AKB ist nicht feststellbar. Insbesondere konnte nicht bewiesen werden, daß sich der Beklagte unerlaubt im Sinne von § 142 StGB vom Unfallort entfernt hat.

Offen ist dabei schon, ob es überhaupt zu einem Verkehrsunfall gekommen ist. So ist der Beklagte vor Ort davon ausgegangen, daß gar keine Steine von dem LKW heruntergefallen seien, weil die Ladefläche - wie der Beklagte nach wie vor behauptet - komplett leer gewesen sei. Sollte diese Behauptung des Beklagten zutreffen, läge in keinem Fall ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vor. Denn der Tatbestand kann nur verwirklicht werden, wenn es zu einem Unfall gekommen ist. Aber auch wenn man hier zugunsten der Klägerin unterstellt, daß es zu einem Unfall gekommen war, scheidet ein Regreß gegen den Beklagten gleichwohl aus. Denn es ist nicht erwiesen, daß sich der Beklagte nach dem Unfall eines Delikts gemäß § 142 StGB strafbar gemacht hat.

Nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich ein Unfallbeteiligter strafbar, wenn er sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt sei, ermöglicht hat. Nach dieser Vorschrift hat sich der Beklagte hier nicht strafbar gemacht.

In tatsächlicher Hinsicht ist dabei aufgrund der Aussagen der Zeugen und der Erklärung des Beklagten davon auszugehen, daß es nach dem (hier unterstellten) Herabfallen der Steine zunächst zu einer kurzen Unterredung zwischen dem Zeugen F. und dem Beklagten auf dem Standstreifen kam. Weiter geht das Gericht davon aus, daß der Beklagte dieses Gespräch barsch beendete, nachdem ihm der Zeuge vorgehalten hatte, daß von dem LKW Steine herabgefallen seien und diese seinen Wagen beschädigt hätten. Das Gericht hat auch keinerlei Zweifel daran, daß sich der Beklagte sodann wortlos in den LKW setzte und mit diesem ein kurzes Stück auf dem Standstreifen zurücksetzte.

Bis zu diesem Augenblick war § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB jedoch in keinem Fall vollendet. Denn unstreitig wurde der LKW nur ganz geringfügig zurückgesetzt. Damit lag aber noch kein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vor.

So wird nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und der Literatur unter dem Unfallort die Stelle verstanden, wo sich der Unfall ereignet hat bzw. die beteiligten Fahrzeuge zum Stehen gekommen sind (vgl. Fischer, in: Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 142 Rz. 20 m.w. Nach.). Wurde der LKW aber nur ganz geringfügig zurückgesetzt, so blieb er damit unzweifelhaft noch am Unfallort (vgl. eingehend zur Definition des Unfallortes auch OLG Stuttgart, Urteil v. 14.4.1980 - 3 Ss 69/80 -, NJW 1981, 878).

Daran ändert sich auch nichts durch den Umstand, daß der Beklagte zunächst die mit dem Zeugen F. geführte Unterredung barsch (und den Zeugen beleidigend) beendet hatte. Denn auch wenn dieses Verhalten des Beklagten dreist und unhöflich war, so befand er sich trotzdem noch weiter am Unfallort, was eine Anwendung von § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausschließt. Die Vorschrift wird nämlich erst - und nur - dann erfüllt, wenn sich der Täter aus dem Bereich der Unfallstelle entfernt. Das Abbrechen einer Unterredung mit einem anderen Unfallbeteiligten ist demgegenüber für die Erfüllung des Tatbestandes weder erforderlich noch ausreichend.

Führte somit der Gesprächsabbruch und des bloße Zurücksetzen des LKWs noch nicht zu einer Strafbarkeit des Beklagten, so ist für die weitere Beurteilung entscheidend, daß unstreitig der Zeuge F. mit seinem PKW den Unfallort vor dem Beklagten verließ. Dies haben sowohl der Zeuge als auch der Beklagte übereinstimmend so bekundet. Die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten.

Fuhr aber der Zeuge vor dem Beklagten los, so konnte der Beklagte durch das spätere Verlassen der Unfallstelle ebenfalls nicht mehr den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklichen. Eine Tatbestandsverwirklichung würde nämlich voraussetzen, daß der Beklagte noch am Unfallort hätte verbleiben müssen, nachdem der Zeuge F. bereits weggefahren war. Eine solche Wartepflicht wäre jedoch in solchen Fällen schlicht unsinnig. Das OLG Oldenburg hat dazu in einer Entscheidung vom 12.12.1994 (NZV 1995, 159) ausgeführt:

"In sachlichrechtlicher Hinsicht normiert § 142 Abs. Nr. 1 StGB zwar eine besondere Vorstellungspflicht des Unfallbeteiligten, stellt aber nicht deren Verletzung, sondern ausschließlich das Verlassen der Unfallstelle vor ihrer Erfüllung unter Strafe (OLG Frankfurt, VRS 77, 436 [438]). Kann diese Verpflichtung zur Vorstellung nicht mehr erfüllt werden, weil sich der Feststellungsberechtigte - wie hier - entfernt hat, liegen die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor."

Dies deckt sich auch mit der Rechtsprechung des BayObLG. So hat das BayObLG bereits wiederholt darauf hingewiesen, daß unter den geschilderten Umständen ein weiteres Zuwarten vor Ort keinen Sinn mehr machen würde (vgl. Beschluß vom 6.4.1983, BayObLGSt 1983, 40 = NJW 1983, 2039 sowie Beschluß vom 25.7.1983, NJW 1984, 66 und den Beschluß vom 16.2.1984, NJW 1984, 1365; vgl. ebenso auch Küper , in: Zur Tatbestandsstruktur der Unfallflucht, NJW 1981, 853 ff.). Denn wenn sich die Person, die möglicherweise noch ein Feststellungsinteresse gehabt haben könnte, schon vom Unfallort entfernt hat, wie lange sollte der durch § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB angesprochene Normadressat dann noch zuwarten?

Unerheblich ist dabei, aus welchen Gründen der Zeuge F. vor dem Beklagten die Unfallstelle verlassen hatte. Denn für die Frage der Verwirklichung von § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB bleibt alleine entscheidend, daß der Zeuge vor dem Beklagten die Unfallstelle verließ und den Beklagten danach keine Wartepflicht mehr treffen konnte.

Offensichtlich nicht einschlägig ist weiter § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Die Nr. 2 von § 142 Abs. 1 StGB setzt nämlich voraus, daß sich vor Ort kein Feststellungsinteressent findet und für den Unfallbeteiligten unklar ist, ob noch jemand kommt, um die erforderlichen Feststellung zu treffen (vgl. nur Tröndle/Fischer, StGB, 52 Aufl., § 142 Rz. 35). Die Ziffer greift daher aufgrund der Systematik von § 142 Abs. 1 StGB dann nicht mehr ein, wenn eine feststellungsbereite Person vor Ort ist und diese den Unfallort sodann vor dem Unfallgegner verläßt.

Greift somit § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB schon von der Systematik her nicht ein, so kann sich der Beklagte auch nicht nach § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben. Denn § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, daß u.a. voraus, daß die Wartefrist des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB abgelaufen ist. Täter nach § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB kann daher nur sein, wer zunächst wartepflichtig war. Da den Beklagten hier schon keine Wartepflicht traf, scheidet die Anwendung von § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus.

Schließlich hat sich der Beklagte auch nicht gemäß § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Dies ergibt sich wiederum aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck von § 142 StGB. So dient § 142 StGB alleine der Feststellung und Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 142 Rz. 2). Verzichtet ein Unfallbeteiligter daher auf die erforderlichen Feststellungen, die vor Ort hätten getroffen werden können, so schließt dies sowohl die Anwendung von § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch die Anwendung von § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB aus. Denn in einem solchen Fall liegt kein rechtswidriges Verhalten mehr vor (vgl. Cramer, in: Schönke/ Schröder, StGB, 23. Aufl., § 142 Rz 63).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. So verließ der Zeuge F. den Unfallort noch vor dem Beklagten. Davon ist das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt. Verließ aber der Zeuge F. als erster die Unfallstelle, so konnte dies vom Beklagten nach Auffassung des Gerichts nur dahingehend verstanden werden, daß auf weitere Feststellungen vor Ort verzichtet werden sollte (vgl. zum denkbaren Verzicht auf Feststellung auch Cramer, a.a.O., § 142 Rz. 65). Der Annahme eines Verzichts steht dabei auch nicht entgegen, daß dieser nicht ausdrücklich erklärt wurde. Vielmehr genügt dazu, daß sich aus den Umständen der Wille zureichend ableiten läßt. Das OLG Oldenburg hat dazu ausgeführt (vgl. NZV 1995, 159):

"Das angefochtene Urteil läßt bei dieser Sachlage Ausführungen darüber vermissen, ob möglicherweise - objektiv - ein Verzicht der geschädigten Zeugin auf weitere Feststellungen vorlag. Ein solcher Verzicht liegt dann vor, wenn das Verhalten des Feststellungsberechtigten zweifelsfrei erkennen läßt, daß er alsbaldige Feststellungen an der Unfallstelle nicht mehr treffen will. Er kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (vgl. BayObLG, NZV 1992, 245 [246] = StVE § 142 StGB Nr. 98). Hierzu verhalten sich die Urteilsausführungen nicht. Sie setzen sich auch nicht hinreichend damit auseinander, ob der Angekl. jedenfalls subjektiv von einem solchen Verzicht ausgehen konnte. Möglicherweise war er der Auffassung, die Unfallgegnerin habe nach Notierung des Kennzeichens kein Feststellungsinteresse mehr gehabt (vgl. dazu OLG Düsseldorf, NZV 1992, 246). Aufgrund des Fehlens jeglicher Feststellungen hierzu konnte der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden."

Der Annahme eines Verzichts steht hier auch nicht entgegen, daß der Zeuge F. aufgrund der Umstände vor Ort der Ansicht war, daß ihm weitere Feststellungen nicht zumutbar seien.

Das Gericht teilt bereits diese Einschätzung des Zeugen nicht. So wurden immerhin zunächst beide Fahrzeuge auf dem Standstreifen zum Stillstand gebracht. Weiter wurde zwischen den Fahrzeugführern eine - wenn auch nur kurze - Unterredung geführt. Selbst wenn der Beklagte sodann diese Unterredung beleidigend abbrach, er sich wortlos in das Fahrzeug zurückgezogen haben sollte und dieses ein kleines Stück zurücksetzte, so hätte der Zeuge den Beklagten nach Auffassung des Gerichts doch durchaus auffordern können, vor Ort zu bleiben. Der Zeuge hätte sodann nach Auffassung des Gerichts auch abwarten können, ob der Beklagte vor ihm die Unfallstelle verlassen würde; andernfalls hätte der Zeuge - wenn er denn wirklich vor Ort weitere Feststellungen hätte treffen wollen - zunächst weiter abwarten und gegebenenfalls die Polizei hinzuziehen müssen (vgl. dazu auch BayObLG, NJW 1984, 1365 [1366]). Dazu hätte er nötigenfalls zu einer Notrufsäule gehen müssen, da er (nach eigenen Angaben in der Sitzung) nicht über ein Handy verfügt(e).

Dieser Würdigung steht nach Auffassung des Gerichts auch nicht entgegen, daß der Zeuge Sorge gehabt haben mag, daß der Beklagte losfahren wollte und dem LKW der erforderliche Beschleunigungsweg hätte fehlen können. Denn auch wenn diese Sorge nach Auffassung des Gerichts nicht ganz unverständlich ist, blieben bei objektiver Betrachtung doch noch so lange Feststellungsmöglichkeiten vor Ort, bis einer von den beiden Unfallbeteiligten die Unfallstelle tatsächlich verließ.

Der Verzicht des Zeugen auf weitere Feststellungen erweist sich daher auch nicht deshalb als unwirksam, weil ihm ein weiteres Zuwarten vor Ort nicht zumutbar gewesen wäre.

Aber selbst wenn man dazu die Ansicht vertreten sollte, daß dem Zeugen F. ein Verbleib vor Ort nicht zugemutet werden konnte, so bleibt für die Frage der Strafbarkeit entscheidend, ob der Beklagte aus seiner Sicht das Verhalten des Zeugen als einen Verzicht auf (weitere) Feststellungen vor Ort verstehen konnte. Dabei kann sich ein Verzicht ohne weiteres auch konkludent aus dem Umständen ergeben (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 23. Aufl., Vorbem §§ 32 ff. Rn. 43). Von einem solchen stillschweigenden Verzicht kann nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich ausgegangen werden, wenn ein Unfallbeteiligter die Unfallstelle verläßt, bevor er die erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall könnte eine von diesem Regelfall abweichende Beurteilung nur dann angenommen werden, wenn sich der Beklagte angesichts der Begleitumstände hätte sagen müssen, daß das Verhalten des Zeugen ausnahmsweise keinen Verzicht bedeuten sollte. Der Beklagte hätte dazu gleichsam "in die Rolle des Zeugen schlüpfen müssen", um zu erkennen, daß dieser die Situation vor Ort als unzumutbar empfand und er die Unfallstelle aus diesem Grund verließ.

Nach Auffassung des Gerichts liegen hier keine zureichenden Anhaltspunkte vor, um einen derartigen Rückschluß auf die Vorstellungen des Beklagten vor Ort ziehen zu können.

Nach der Bekundung des Beklagten im Termin will er den LKW nur deshalb kurz zurückgesetzt haben, um sodann den Nebenantrieb für den Kipperkasten in Betrieb nehmen zu können (vgl. dazu eingehender im Protokoll auf S. 4 = Bl. 34R GA). Sodann habe er vorgehabt, dem Zeugen zu zeigen, daß er gar keine Ladung mehr auf dem LKW hatte und deshalb keine Steine hätten herunter fallen können.

Legt man diese (unwahrscheinliche aber theoretisch nicht ausgeschlossene) Sicht zugrunde, so lagen für den Beklagten keine zureichenden Anhaltspunkte vor, um an einem Verzicht zu zweifeln. Hatte er nämlich nur vor, dem Zeugen die leere Ladefläche des LKW zu zeigen, so wird er (mutmaßlich) eher überrascht gewesen sein, als der geschädigte Zeuge sodann einfach wegfuhr.

Aber selbst wenn der Beklagte vorgehabt haben sollte, die Unfallstelle noch vor dem Zeugen zu verlassen (was mangels Strafbarkeit einer versuchten sog. "Unfallflucht" ohnehin straflos gewesen wäre), so rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn auch in diesem Fall ist vollkommen unwahrscheinlich, daß sich der Beklagte so in die Person des Zeugen hineinversetzt haben könnte, daß ihm dessen Verhalten nicht als Verzicht erschienen wäre. Dabei ist auch zu bedenken, daß der Beklagte nur dann erfolgreich in Regreß genommen werden kann, wenn er den vollen Tatbestand des § 142 StGB vorsätzlich erfüllt hat. Da dem äußeren Anschein nach ein Verzicht des Zeugen auf weitere Feststellungen hier nahe liegt (s.o.), hätte der Beklagte daher auch subjektiv intellektuell in der Lage sein müssen, die (hier unterstellte) anders gelagerte Motivation des Zeugen F. vor Ort zu begreifen und zu erkennen, aus welchen Gründen dieser in Wirklichkeit noch vor ihm den Unfallort verließ.

Das Gericht, welches dem Beklagten an dieser Stelle nicht zu nahe treten möchte, geht angesichts des persönlichen Eindrucks, welchen der Beklagte in der Sitzung bei Gericht zurückgelassen hat, nicht davon aus, daß er sich derart filigranen Überlegungen hingegeben haben könnte.

Nach alledem ist davon auszugehen, daß der Beklagte vor Ort von einem Verzicht des Zeugen auf weitere Feststellungen ausgegangen sein wird. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, so ist dem Beklagten jedenfalls Gegenteiliges nicht zu beweisen. Damit ist aber aufgrund der Unschuldsvermutung (vgl. auch dazu Cramer, a.a.O., § 142 Rz 63 a.E.) in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, daß der Beklagte von einem Verzicht des Zeugen auf weitere Feststellungen ausging.

Durfte der Beklagte somit von einem Verzicht des Zeugen F. auf weitere Feststellungen ausgehen, so kann offen bleiben, ob es dem Beklagten nicht zusätzlich am Vorsatz für ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort fehlte. So gab der Beklagte durchgängig an, daß es schon nicht zu einem Unfall gekommen sei und lediglich ein bereits vorhandener Schaden zu Lasten einer Versicherung abgewickelt werden sollte. Falls der Beklagte entsprechend dieser Behauptung tatsächlich vor Ort davon ausgegangen sein sollte, daß es nicht zu einem Schaden durch herabfallende Steine gekommen ist, würde es ihm (zusätzlich) an dem erforderlichen Vorsatz für das Delikt aus § 142 StGB fehlen.

Die prozessualen Entscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Streitwert: bis 2.000 EUR.

RechtsgebietStGBVorschriften§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB

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