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21.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052654

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 13.08.2004 – 3 K 404/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tatbestand
Streitig ist, ob im Billigkeitswege gem. § 163 Abgabenordnung (AO) eine teilweise Stundung von Schenkungsteuer gem. § 25 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) berücksichtigt werden kann.
Mit privatschriftlichem Schenkungsvertrag 2001 hat der Schenker seiner minderjährigen Enkelin einen Kommanditanteil im Nominalwert von Euro 200 an der ... GmbH & Co. KG (KG) unentgeltlich übertragen. Gem. § 5 des oben genannten Schenkungsvertrages hat sich der Schenker einen Quotennießbrauch in Höhe von 90 % am übertragenen Kommanditanteil vorbehalten. Bereits vor der Genehmigung durch das Familiengericht ist der Schenker in 2001 verstorben.

Eine Anzeige der Schenkung durch die Beschenkte bzw. deren gesetzliche Vertreter erfolgte nicht. Die Schenkungsteuererklärung wurde 2002 beim Beklagten abgegeben. Mit Abgabe der Schenkungsteuererklärung wurde beantragt, den auf den Nießbrauch entfallenden Anteile der Schenkungsteuer gem. § 25 ErbStG sofort abzulösen. Hierbei wurde eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 163 Abs. 1 AO angeregt. Dem folgte der Beklagte jedoch nicht und lehnte den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO 2003 ab. Der Einspruch der Klägerin wurde mit Einspruchsbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin macht geltend, dass § 25 ErbStG einschlägig sei, und der auf den Nießbrauch entfallenden Teil der Schenkungsteuer abgelöst werden könne. Insoweit ergebe sich nämlich aus R 85 Abs. 6 Satz 2 Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR), dass immer dann, wenn der Steuerpflichtige die Ablösung des zu stundenden Betrages zugleich mit einer fristgerecht abgegebenen Steuererklärung beantrage, eine Ablösung der zu stundenden Steuer zu gewähren sei. Weder aus dem Wortlaut der Erbschaftsteuerrichtlinien noch aus dem Gesamtzusammenhang ergäbe sich, dass die Nießbrauchsbelastung zumindest im Zeitpunkt der Abgabe der Schenkungsteuererklärung noch bestehen müsse. Die von ihr begehrte Billigkeitsmaßnahme sei nur dann ausgeschlossen, wenn sich die Steuerfestsetzung aus Gründen verzögere, die allein dem Steuerpflichtigen zuzurechnen seien.
Ein Verschulden sei nicht darin zu sehen, dass die Anzeige der Schenkung unterlassen worden sei und die Schenkungsteuererklärung erst 2002 eingereicht worden sei. Selbst wenn eine fristgerechte Anzeige vorläge, hätte der Beklagte eine weiträumige Frist zur Abgabe der Schenkungsteuererklärung einräumen müssen. Es sei eine umfangreiche Anteilsbewertung mehrerer Unternehmen notwendig gewesen. Dazu hätten erst die Jahresabschlüsse sowie die Steuererklärungen der Gesellschaft fertiggestellt werden müssen. Auch bei einer früheren Anzeige der Schenkung wäre deshalb die Festsetzung der Steuer erst nach dem Tod des Schenkers erfolgt. Fristgerecht im Sinne dieser Vorschrift bedeute rechtzeitig, so dass im vorliegenden Fall keine Verzögerung gegeben sei.

Zudem sei im vorliegenden Fall die Schenkerin ihrer förmlichen Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG binnen 3 Monaten nach vollzogener Schenkung nachgekommen, da die Schenkung erst mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes durch Beschluss Ende 2001 vollzogen worden sei. Eine Schenkungsteuererklärung mit einem Ablösungsantrag, in dem die Besteuerungsgrundlage nicht mitgeteilt werden konnte, hätte nicht zu einer früherer Steuerfestsetzung geführt. Nach dem Wortlaut der Erbschaftsteuerrichtlinien käme es zudem nicht darauf an, ob die Nießbrauchsbelastung vor oder nach Einreichen der Steuererklärung wegfalle. Entscheidend sei allein, dass die Nießbrauchsbelastung bei der Steuerfestsetzung bereits weggefallen sei. Es könne nicht sein, dass Steuerpflichtigen, die eine hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen unvollständige Schenkungsteuererklärung einreichten, eine Billigkeitsmaßnahmen zu gewähren sein, während dies Steuerpflichtigen, die etwas später eine vollständige Schenkungsteuererklärung abgäben, zu verwehren sei. Sie hätte einen Rechtsanspruch nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisung besteuert zu werden, weshalb hier zwingend die beantragte Billigkeitsmaßnahme erfolgen müsse. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die geringere Steuerfestsetzung auch geboten sei, weil das Abzugsverbot für Nießbrauchsbelastungen gem. § 25 ErbStG nur wegen der mit in diesem Zusammenhang stehenden Stundungsregelung und der damit verbundenen Milderung als verfassungskonform angesehen werde.
Der Beklagte macht geltend, dass keine sachlichen Billigkeitsgründe vorlägen. Aus dem klaren Wortlaut des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ergäbe sich, wie auch der BFH in seinem Beschluss vom 23. März 1998 ausführe, dass der Anspruch auf eine zinslose Stundung der Steuer mit dem Erlöschen der Belastung entfalle. Daraus folge zwangsläufig, dass eine Stundung nach § 25 ErbStG von vornherein ausscheide, wenn im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung die Belastung nicht mehr bestünde. Dies sei hier der Fall, da der nutzungsberechtigte Schenker bereits verstorben sei. Nur sofern die Belastung im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch bestünde, könne der Beschenkte ein Ablösungsrecht gem. § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG haben. Hinsichtlich der Berechnung des Ablösungsbetrages sei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.

Zwar habe die Finanzverwaltung durch R 85 Abs. 6 Satz 2 ErbStR eine rückwirkende Ablösung zugelassen, allerdings nur wenn der Antrag auf vorzeitige Ablösung der zu stundenden Steuer zugleich mit der Steuererklärung gestellt werde und die Steuererklärung fristgerecht abgegeben werde. Aber auch aus dieser Regelung lasse sich schließen, dass eine Ablösung nur möglich sei, wenn die Belastung zumindest im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärungen noch bestünde. Da hier die Steuererklärung erst 2002 abgegeben worden sei und der Schenker bereits 2001 verstorben sei, lägen die Voraussetzungen für eine vorzeitige Ablösung jedoch nicht mehr vor. Es sei nicht möglich, dass in allen Fällen der fristgerechten Abgabe einer Steuererklärung eine rückwirkende Ablösung zu stundender Steuern zu gewähren sei, auch wenn die Belastungen bei Abgabe der Steuererklärung gar nicht mehr bestünden. Eine solche Regelung würde dem Wortlaut des § 25 ErbStG entgegen stehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im vollen Umfang unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht keine abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 Abs. 1 Abgabenordnung vorgenommen.

1. Gem. § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuern nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Der Zweck des § 163 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen. Die Unbilligkeit der Steuerfestsetzung kann sich aus sachlichen oder persönlichen Gründen ergeben. Als persönliche Billigkeitsgründe werden in diesem Zusammenhang nur die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen angesehen. Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwider läuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. Sachliche Gründe sind danach gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage ? hätte er sie geregelt ? im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (Urteil des BFH vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, Bundessteuerblatt II 1994, 833).
Die begehrte abweichende Festsetzung der Schenkungsteuer aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die gem. § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch die Finanzgerichte unterliegt. Das Gericht darf die angegriffene Ermessensentscheidung nur auf Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung und Ermessensfehlgebrauch prüfen. Stellt es hierbei eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sogenannten Ermessenreduktion auf Null ist das Gericht befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (Urteil des BFH vom 10. Oktober 1002 XI R 52/00, Bundessteuerblatt II 2002, 201).

Richtlinien können für die Finanzbehörden allgemeine Regelungen über die nach § 163 AO vorzunehmende Ermessensausübung aufstellen. Diese Richtlinien sind auch dann von den Gerichten zu beachten, wenn sich die in ihnen getroffenen Regelungen in den Grenzen halten, die das Grundgesetz (GG) und die einfachen Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Im Falle von begünstigenden Regelungen für einen bestimmten Personenkreis ergibt sich zudem eine Bindungswirkung für die Gerichte aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Urteil des BFH vom 10. Oktober 1002 XI R 52/00, a.a.O.). In solchen Fällen, können die Steuergerichte nur unterbinden, dass die Finanzverwaltung in Einzelfällen, die offensichtlich von den Richtlinien gedeckt werden, willkürlich, d.h. ohne zwingende Sachgründe die Anwendung der Richtlinien ablehnen (BFH Urteil vom 23. April 1991 VIII R 61/87, Bundessteuerblatt II 1991, 752).

2. Es ist kein sachlicher Erlassgrund gegeben, da aufgrund des Wortlautes des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, R 85 Abs. 6 S. 1 ErbStR die Auslegung der R 85 Abs. 6 Satz 2 ErbStR nicht zu einer Ermessensbindung durch die Verwaltung führt. S. 2 der Richtlinie kann zudem nicht losgelöst von ihrem Satz 1 gesehen werden.
Im vorliegenden Fall liegt nach Auffassung des Senates kein Ermessensfehler seitens des Beklagten vor, da auch die Regelung in den Richtlinien im vorliegenden Fall nicht zu einer Ablösungsmöglichkeit führt. Die Finanzverwaltung ist zwar durch die Verwaltungsanweisung in Richtlinie 85 Abs. 6 ErbStR gebunden, jedoch geht die Vorschrift gem. R 85 Abs. 6 Satz 1 ErbStR davon aus, dass die Ablösung des gestundeten Steuerbetrages nur in Betracht kommt, solange die gestundete Steuer noch nicht fällig geworden ist. Diese Regelung stimmt auch mit dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG überein, der besagt, dass die Steuer, die auf den Kapitalwert der Belastung entfällt, bis zum Erlöschen der Belastung zinslos zu stunden ist. Mit dem Erlöschen der gestundeten Steuer ist ihre Fälligkeit gemeint. Dies hat zur Folge, dass eine Stundung im Rahmen der Besteuerung nach § 25 ErbStG von vornherein ausscheidet, wenn im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung die Belastung nicht besteht (BFH-Beschluss vom 23. März 1998 II B 97/97, BFH/NV 1998, 1224). Dem steht auch R 85 Abs. 6 Satz 2 ErbStR nicht entgegen, da diese Regelung nur besagt, wie zu verfahren ist, wenn eine zu stundende Steuer bei Einreichung der Steuererklärung noch nicht fällig ist und die sofortige Ablösung des zu stundenden Betrages beantragt wird. Danach kommt es für die Ermittlung des Ablösungsbetrages auf die Verhältnisse am Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld an. Es handelt sich somit um eine Bewertungsvorschrift.

Die grundsätzlich zu stundende Steuer hinsichtlich des Nießbrauches für den Schenker ist mit dessen 2001 fällig geworden. In 2002 konnte deshalb nicht mehr wirksam beantragt werden, die grds. zu stundende Steuer abzulösen.

RechtsgebietErbschaftsteuerVorschriftenR 85 Abs. 6 ErbStR

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