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05.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052081

Sozialgericht Köln: Urteil vom 30.05.2005 – S 23 KN 6/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Im Namen des Volkes

Urteil


In dem Rechtsstreit

XXX
Klägerin


Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin XXX

gegen

Bundesknappschaft, vertreten durch den Geschäftsführer, Albrecht-Dürer-Allee 8,50126 Bergheim, Gz.: AV/V-w/PV-1853/2004

Beklagte

hat die 23. Kammer des Sozialgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30.0.5.2005 durch den Richter am Sozialgericht Volk sowie den ehrenamtlichen Richter Rindermann und die ehrenamtliche Richterin Reichel für Recht erkannt:

Der Bescheid vom 02.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2005 wird dahingehend abgeändert, dass der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung ab 01.01.2005 1,70 % beträgt.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten auferlegt.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist der Wegfall des Beitragszuschlags nach dem Kinder-Berücksichtigungsgesetz- insbesondere die Einführung von Altersgrenzen für Stiefkinder durch Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen .

Die 1947 geborene Klägerin ist als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten krankenversichert und pflegeversichert. Sie ist seit 1998 verheiratet; der Ehemann hat zwei Kinder aus früherer Ehe; geboren 1958 und 1960.

Mit Bescheid vom 02.12.2004 hob die Beklagte die frühere Beitragsfestsetzung mit einem Beitragssatz von 1,70 Prozent mit Wirkung am 01.01.2005 nach § 48 SGB X auf und setzte den Beitragssatz ab 01.01.2005 auf 1,95 Prozent fest, weil kinderlose Mitglieder nach gesetzlicher Änderung künftig einen Beitragszuschlag zur sozialen Pflegeversicherung entrichten müssten und die Elterneigenschaft nicht feststellbar sei.

Noch im Dezember 2004 wurde Widerspruch eingelegt und auf die der Beklagten vorliegende Heiratsurkunde und die beiden Kinder des Ehemannes hingewiesen. Den Widerspruch wies de Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Bescheid vom 25.01,2005 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die Elterneigenschaft werde nach Abstimmung der Spitzenverbände der Pflegekassen bei Adoptiv-, Stief -und Pflegekindern nur anerkannt, wenn die Begründung der Familienbande zu einem Zeitpunkt bewirkt wurde, an dem für das Kind auf Grund der in § 25 Abs. 2 SGB XI genannten Altersgrenzen fehle. Familienversicherung hätte begründet werden können. Zum Zeitpunkt der Eheschließung seien die Kinder des Ehegatten bereits 38 und 40 Jahre alt gewesen.

Am 02.02.2005 ist Klage erhoben worden. Die Klägerin verweist auf das Merkblatt der Beklagten, aus dem sich nicht ergebe, dass das Alter der Kinder eine Rolle spiele. Im Übrigen hält sie das Kinder-Berücksichtigungsgesetz für verfassungswidrig.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 02.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2005 dahingehend abzuändern, dass die Klägerin ab 01.01.2005 nur einem Beitragssatz von 1,70 % unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.


Sie verweist auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet: Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert, denn § 55 Abs. 3 SGB XI sieht weder ausdrücklich noch sinngemäß eine entsprechende Altersgrenze vor und enthält auch keine entsprechende Ermächtigung der Spitzenverbände der Pflegekassen.

Der durch das Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht d(3r sozialen Pflegeversicherung (Kinder-Berücksichtigungsgesetz - KiBG) angefügte § 55 Abs. 3 SGB XI sieht in Satz 1 die Erhöhung des Beitragssatzes für Mitglieder, die das 23 Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten vor. Der Beitragszuschlag gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht für Eltern im Sinne des § 56 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nm. 2 und 3 des Ersten Buches. § 56 SGB I enthält für die in Bezug genommen Eltern, Stiefeltern und Pflegeeltern keine Altersgrenzen. Die Formulierung in § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI "Eltern im Sinne des § 56 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 2 und 3 des Ersten Buches" wiederholt die Formulierung des § 56 Abs. 3 SGB I: "Als Eltern im Sinne des Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 gelten auch ... 2. Stiefeltern, ...". Ausgenommen vom Beitragszuschlag sind damit Eltern im weiteren Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 2 und 3 SGB I, d. h. neben den natürlichen Eltern, Stiefeltern und Pflegeeltern.

Von der Bezugnahme nicht erfasst werden die weiteren Tatbestandsmerkmale der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB I (Haushaltsgemeinschaft oder wesentlicher Unterhaltsbezug zur Zeit des Todes). Die Situation ZUITI Todeszeitpunkt als Voraussetzung der Sonderrechtsnachfolge hat keine Sachrelevanz bei der auf Dauer angelegten Beitragserhebung. Unterhaltsleistungen zu Gunsten der Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz SGB I sind ebenso sachwidrig. Sinngemäße Einschränkungen des Elternbegriffs durch die weitere Voraussetzung der Haushaltsgemeinschaft ohne zeitlichen Anknüpfungspunkt hätte eine sachwidrige und auch verfassungsrechtlich unzulässige Differenzierung bedeutet. Die Haushaltsgemeinschaft mit dem Kind kann aus gesundheitlichen Gründen (z. B. Heimaufnahme des Kindes oder des Elternteils) ebenso unterblieben sein wie bei fehlendem Personensorgerecht die Betreuungs- und Erziehungsleistung. Im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94), welches zur Einführung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes Anlass gab durch die Forderung, Unterhaltsverpflichtete im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung zu entlasten, muss nicht. zwingend eine höchstpersönliche Betreuungs- und Erziehungsleistung vorliegen. Auch Eltern, die die Betreuung und Erziehung durch Dritte durchführen lassen (müssen), leisten einen generativen Beitrag im Sinne der vorgenannten Entscheidung.

Nach den Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 15/3671 Seite 4 ff. und 15/3837
Seite 8 ff.)sind Gesichtspunkte der Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung ins Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. Auch die Gründe, warum jemand keine Kinder hat, sollten unerforscht bleiben. Diese Gesetzeskonzeption rechtfertigt ebenfalls die Annahme, dass die sinngemäße Bezugnahme auf den Elternbegriff des § 56Abs. 1 Satz . 1 Nr. 3 SGB I keine Differenzierung nach Haushaltsgemeinschaften erlaubt. lm übrigen ergibt die Bezugnahme auf § 56 Abs. 3 Nr. 3 SGB I eine dort ausdrücklich genannte Differenzierung. Pflegeeltern nach dieser Vorschrift sind nur Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben. Bei Stiefeltern gemäß § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB l fehlt diese Einschränkung. Auch aus diesem systematischen Zusammenhang ist eine Haushaltsgemeinschaft als zusätzliche Voraussetzung nicht ableitbar.

Soweit die Beklagte den Elternbegriff und seine Ausdehnung auf Stiefeltern unter Berufung auf die Spitzenverbände der Pflegekassen wiederum einschränkt, weil die Begründung der "Familienbande" zu einem Zeitpunkt hätte bewirkt werden müssen, an dem für das Kind auf Grund der in § 25 Abs. 2 SGB XI genannten Altersgrenzen eine Familienversicherung hätte begründet werden können, handelt es sich um eine von der gesetzlichen Formulierung weder ausdrücklich noch sinngemäß geforderte Einschränkung. Nach §55 Abs. 3 Satz 48GB XI beschließen die Spitzenverbände der Pflegekassen gemeinsam Empfehlungen darüber, welche Nachweise geeignet sind, die Elterneigenschaft gegenüber der Pflegekasse nachzuweisen, sofern diese nicht bereits aus anderen Gründen bekannt ist. Eine Berechtigung, die Elterneigenschaft nach Altersgrenzen anhand der Kriterien der Familienversicherung einzuschränken, ist mit diesem Gesetzesauftrag nicht verbunden. Die von den Spitzenverbänden zu treffenden Empfehlungen sind vor dem Hintergrund der im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich genannten Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung zu sehen. Die Empfehlungen haben darüber hinaus auch keinen Rechtsnormcharakter. Auch der Umkehrschluss aus dem Beginn des Beitragszuschlags ab Vollendung des 23. Lebensjahres gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 SGB XI rechtfertigt nur die Annahme, dass bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres kein Beitragszuschlag zu zahlen ist. Eine Altersbeschränkung für die' Eingehung des Stiefkind-/Stiefelternverhältnisses ist weder aus dem Wortlaut noch aus der Konstruktion der gesetzlichen Vorschrift abzuleiten. Der Gesetzgeber hätte ohne Weiteres diese Altersgrenze in § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI aufführen können. Auch die Gesetzesbegründung gibt eher Anlass, aus dem Beginn der Beitragspflicht keine Schlüsse auf eine Altersgrenze für Kinder zu ziehen. So lösen bereits einzelne Kinder bei beiden beitragspflichtigen Elternteilen Zuschlagsfreiheit aus. Eltern, deren Kind nicht mehr lebt, gelten trotzdem nicht als kinderlos, eine Lebendgeburt ist ausreichend, um die Zuschlagspflicht dauerhaft auszuschließen. Berücksichtigt werden auch Adoptiv-, Stief und Pflegekinder.

Auch die durch das Familienrecht definierte Verbindung zwischen Stiefeltern und Stiefkindern kennt keine Altersgrenze. Nach § 1590 BGB sind die Verwandten eines Ehegatten mit dem anderen Ehegatten verschwägert, nach Satz 2 der Vorschrift dauert die Schwägerschaft sogar nach Auflösung der Ehe fort.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

RechtsgebietSGB XIVorschriften§ 55 Abs. 3 SGB XI

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