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21.07.2005 · IWW-Abrufnummer 052060

Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 23.06.2004 – 23 U 14/02

1. Mehrere Anlagen liegen dann vor, wenn jede für sich arbeiten kann, sofern sie mit der entsprechenden Energie versorgt wird.


2. Die einzelnen Anlagen werden auch nicht deshalb zu einer Anlage, weil sie von einem gemeinsamen Versorger mit Energie beliefert werden.

OLG Frankfurt, Urteil vom 23.06.2004 - 23 U 14/02

BGH, Beschluss vom 12.05.2005 - VII ZR 163/04 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


In dem Rechtsstreit

....

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Dittrich, Richter am Oberlandesgericht Kruske und Richter am Oberlandesgericht Wolffram-Falk aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2004

für R e c h t erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.12.2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin hatte für die Beklagte aufgrund des Vertrags vom 28.09. / 31.10.1995 Ingenieurleistungen zu erbringen. Der Auftrag umfasste die Anlagegruppen Wärmeversorgung (§ 1 Nr. 1.1.2. des Vertrags), Elektrotechnik. (§ 1 Nr. 1.1.3. des Vertrags) und sonstige Technik (§ 1 Nr. 1.1.7. des Vertrags) der Gebäude auf dem Gelände der P. Kaserne in Bad A. Für diese Anlagegruppen sollte die Entwurfsplanung vervollständigt, die Ausführungsplanung erstellt und die Vergabe vorbereitet werden. Außerdem sollte die Klägerin an der Vergabe Mitwirken und die Bauüberwachung übernehmen. Unter § 6 Nr. 6.1.6. Absatz 1 heißt es in dem Vertrag:

?(1) Für jede Anlagengruppe eines Gebäudes/ Ingenieurbauwerkes, einschließlich des gegebenenfalls den Anlagegruppen zuzuordnenden Anlagen der nichtöffentlichen Erschließung und / oder Außenanlagen wird ein gesondertes Honorar ermittelt.

(2) Werden für Anlagen der nichtöffentlichen Erschließung und / oder Anlagen von Außenanlagen für die Versorgung von Fernwärme, Fernkälte, Kühlwasser und elektrischen Strom die Erdarbeiten und Ingenieurbauwerke erbracht, sind diese nach Teil VII HOAI auf der Grundlage einer zusammengefaßten Herstellungssumme zu vergüten."

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das schriftliche Vertragswerk (Bl. 23 - 36 d.A.) Bezug genommen.

Mit einem weiteren Auftrag vom 30.04. / 15.05.1996 wurden der Klägerin Planungs- und Überwachungsleistungen hinsichtlich der Trafostation für die Kraftfahrzeugwaschanlage übertragen.

Am 14.04.1999 erteilte die Klägerin die Schlussrechnung. Sie endete unter Einbeziehung der Abschlagszahlungen mit einem Betrag von 189.110,20 DM (= 96.690,51 ?). Hierauf zahlte die Beklagte lediglich 40.978,36 DM (= 20.951,90 ?). Anders als bei vorangegangenen Aufträgen beanstandete die Beklagte, dass die Klägerin für jedes Gebäude, in dem sich eine Hausstation der Fernheizungsanlage befunden hat, ein gesondertes Honorar berechnet hat.

Die Klägerin verfolgt daher ihren restlichen Honoraranspruch in Höhe von 148.131,84 DM (= 75.738,61 ?) mit der Klage weiter.

Die Klägerin hat vorgetragen, die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen der Schlussrechnung seien unberechtigt. Aufgrund der vertraglichen Regelung unter § 6 Nr. 6.1.6. und der §§ 69 Abs. 7, 22 Abs. 1 HOAI sei sie berechtigt, für jede Anlagengruppe pro Gebäude eingesondertes Honorar in Rechnung zustellen. Gegenstand ihrer Leistungen sei nämlich die Modernisierung und der Umbau der Heizwärmeunterverteilungs- und Warmwasserbereitungsanlagen einschließlich des Rohrnetzes und der dazugehörigen Elektroinstallationen in allen Gebäuden sowie der Anschluss dieser Anlagen in den jeweiligen Verteilerräumen gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verteilen, an sie 148.131,84 DM nebst 10,5% Zinsen seit dem 15.05.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe den Auftrag gehabt, das Fernwärmenetz bis zu den jeweiligen Häusern zu erneuern. Dies sei aber nur eine Anlage im Sinne des § 68 HOAI.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 03.12.2001, das der Beklagten am 21.12.2001 zugestellt worden ist, im Wesentlichen stattgegeben. Es ist zu der Überzeugung gelangt, dass die von der Klägerin vorgenommene Berechnung ihres Honorars den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Hierbei hat sich das Landgericht auf § 6 Nr. 6.1.6. des Vertrags gestützt. Die Verzugszinsen wurden hingegen nur in Höhe von 5,05% zugesprochen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das schriftlich abgefasste Urteil (BI. 53 -60 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 16.01.2002 bei Gericht eingegangene und am 13.03.2002 begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte meint, das Landgericht habe die in § 6 Nr. 6.1.6. des Vertrags getroffene Regelung missverstanden: Diese beziehe sich lediglich auf die in § 1 des Vertrags genannten Anlagegruppen. Schließlich umfasse der Auftrag der Klägerin nur eine Anlage im Sinne des § 68 HOAI, so dass das Anschließen der einzelnen Gebäude nicht getrennt abgerechnet werden könne. Außerdem widerspricht sie der Höhe der zugesprochenen Verzugszinsen.

Die Beklagte beantragt,

auf die Berufung das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03.12.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

Gemäß Beschluss vom 12.03.2003 (Bl. 304/305 d.A.) hat der Senat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen S. vom 04.02.2004 (Bl. 351 354 d.A.), dessen Ergänzung vom 24.05.2004 (Bl. 388 - 396 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 26.05.2004 (Bl. 381 383 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt und begründet. Der Sache nach hat sie aber keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, an die Klägerin den Restbetrag aus der Schlussrechnung vom 14.09.1999 nebst Zinsen in Höhe von 5,05% ab dem 15.05.1999 zu zahlen (§§ 631, 632 BGB a.F., §§ 69 Abs. 7, 22 HOAI).

Die von der Klägerin erstellte Schlussrechnung ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten durfte die Klägerin jeden Hausanschluss gesondert abrechnen. Das Recht hierzu hatte die Klägerin, weil sich ihre Ingenieurleistung auf mehrere Anlagen erstreckte und deshalb das Honorar nach §§ 69 Abs. 7, 22 HOAI berechnet werden konnte bzw. werden musste.

Aufgrund der erhobenen Beweise ist der Senat davon überzeugt, dass der Anschluss eines jeden Kasernengebäudes an das Fernheiznetz als eine individuelle Anlage im Sinne des § 22 HOAI zu werten ist. Der Sachverständige S. hat in seinem Gutachten in überzeugender Weise dargelegt, dass sich die Ingenieurleistungen der Klägerin nach Prüfung der Unterlagen nicht auf die Planung einer Fernheizanlage zur Versorgung verschiedener Gebäude, sondern auf den Anschluss der jeweiligen Heizanlage von verschiedenen Gebäuden an eine Energieversorgung bezogen haben. Die sogenannten Hausstationen wurden von der Klägerin für jedes Gebäude mit ganz unterschiedlichem Aufwand, also ganz individuell geplant und waren somit eine in sich geschlossene eigenständige Anlage. Für die Richtigkeit dieser Wertung spricht auch, dass jede Hausstation für sich allein arbeiten kann, sofern sie mit der entsprechenden Energie versorgt wird. Dass ein Arbeiten der Hausstationen ohne Energie nicht möglich ist, steht dem nicht entgegen, denn jede technische Anlage benötigt für ihr Arbeiten Energie, wenn auch in unterschiedlicher Form. Die einzelnen Hausstationen werden auch nicht deshalb zu einer Anlage im Sinne des § 22 HOAI, weil sie von einem gemeinsamen Heizkraftwerk mit Energie beliefert werden. Denn die Hausstationen sind auf eine gemeinsame Energieversorgung nicht angewiesen. Jede von ihnen könnte von einem anderen Energielieferanten versorgt werden, ohne dass dies auf ihre Funktionsfähigkeit Einfluss haben würde. Zwar hat der Sachverständige auch ausgeführt, dass die Energielieferanten häufig individuelle Vorgaben für die Ausgestaltung der Hausstationen machen, doch wird hierdurch der Hausstation der Charakter einer eigenständigen Anlage nicht genommen, vielmehr wird dieser gerade durch Anpassungsfähigkeit einer Hausstation an die unterschiedlichen Bedingungen der Energielieferanten unterstrichen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Kosten für die einzelnen Gebäude schließt der Sachverständige auch aus, dass die Planungen der einzelnen Hausstationen identisch waren.

Die Wertung der einzelnen Hausstationen als mehrere Anlagen im Sinne des § 22 HOAI widerspricht nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2002 - VII ZR 461/00 -. In ihr wurde festgestellt, dass mehrere Anlagen immer dann vorliegen, wenn sie getrennt an das öffentliche Netz angeschlossen und allein betrieben werden können. Diesen Voraussetzungen genügen die von der Klägerin geplanten Hausstationen, da jede Hausstation, wie oben bereits ausführlich dargelegt worden ist, auch von einem anderen Energielieferanten mit Wärme versorgt werden, könnte und selbständig arbeiten kann. Auch die Entscheidung des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11.12.2002 in einer Parallelsache - 17 U 66/02 - gibt keine Veranlassung für eine andere Beurteilung. Zwar hat der 17. Senat in dem dortigen Verfahren die Klage der Klägerin abgewiesen, doch fehlt dieser Entscheidung eine Auseinandersetzung mit den Funktionen, die den von der Klägerin geplanten technischen Einrichtung eigen waren. Ebenso wenig wird die Auffassung des Senats dadurch erschüttert, dass der Bundesgerichtshof die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vom 17. Zivilsenat entschiedenen Rechtsstreit zurückgewiesen hat. Da diese Entscheidung nicht begründet worden ist, kann nämlich über die für den Bundesgerichtshof ausschlaggebenden Gesichtspunkte nur spekuliert werden.

Offen bleiben kann es, ob mit der in § 6 Nr. 6.1.6. getroffenen Regelung eine getrennte Abrechnung der einzelnen Hausstationen vereinbart werden sollte. Welche Bedeutung die Vertragsparteien dieser Regelung bei Vertragsschluss beigemessen haben, konnte nicht mehr festgestellt werden, weil es hierüber keine Unterlagen mehr gibt. Näher liegt es jedenfalls, dass sich § 6 Nr. 6.1.6. des Vertrags nur auf die in § 1 genannten Anlagegruppen beziehen sollte. Dies kann letztlich dahingestellt bleiben. Entscheidend ist allein, dass durch die Regelung in § 6 Nr. 6.1.6. des Vertrags die Anwendbarkeit der §§ 69 Abs. 7, 22 HOAI nicht ausgeschlossen worden ist. Ein solcher Ausschluss ergibt sich weder aus dem Inhalt des Abs. 1 noch aus dem des Abs. 2. In Abs. 1 wird lediglich von einer getrennten Abrechnung nach Anlagegruppen gesprochen, woraus nicht geschlossen werden kann, dass eine Abrechnung nach einzelnen Anlagen innerhalb der Anlagengruppe nicht erlaubt sein soll. Abs. 2 bezieht sich hingegen auf die Außenanlagen einer Fernheizanlage und nicht auf deren Hausstationen.

Die Einwände der Beklagten gegen die Höhe der Zinsforderung sind nicht begründet. Ihnen fehlt es an Substanz, da der Zinssatz von 5,05% unter dem heute geltenden gesetzlichen Satz für Verzugszinsen liegt und auch im Hinblick auf das derzeit herrschenden niedrige Zinsniveau nicht beanstandet werden kann. Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein in Form einer GmbH, geführtes Ingenieurbüro dieser Größenordnung ohne Darlehen in Höhe der Klageforderung arbeitet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Entscheidung dis Revisionsgerichts bedarf (§ 543 ZPO).

RechtsgebietHOAIVorschriftenHOAI §§ 22, 69 Abs. 7

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